Protocol of the Session on May 6, 2009

Durch eine gemeinsame Anstrengung haben wir erreicht, dass im konkreten Fall die Kosten – teilweise über Spendenmittel – erstattet werden. Das ist aber keine verlässliche und auch keine befriedigende Regelung.

Wir haben deshalb mit dem Bundesgesundheitsministerium Gespräche geführt, um für diese vom Schicksal schon schwer genug bestrafte kleine Personengruppe eine Regelung zu erreichen. Gestern kam ein Schreiben der Ministerin Ulla Schmidt, in dem sie klarstellt, dass bei schwerwiegenden Erkrankungen, wenn es keine Behandlungsalternativen gibt, im Einzelfall ein Anspruch auf Finanzierung von Sonnenschutzmitteln durch die Krankenkassen besteht.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in allen geschilderten Fällen war die Grundlage für unser Tätigwerden und die dadurch erzielten Erfolge der eingangs erwähnte Artikel 41a der Landesverfassung. Ich bin sicher, dass die geschilderten Einzelfälle aus den unterschiedlichsten Bereichen nachhaltig belegen, wie wichtig diese Verfassungsbestimmung für die Petitionsarbeit heute ist und auch zukünftig sein wird.

Abschließend möchte ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Petitionsreferats meinen Dank für die gute Zuarbeit und für ihr persönliches Engagement aussprechen, das oft über das normale Maß hinausgeht. Mein Dank richtet sich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ministerien, die oft schon auf der Arbeitsebene lösungsorientiert mit dem Petitionsreferat zusammenarbeiten. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Allgemeiner Beifall)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Ich danke Frau Kollegin Howe, der Vorsitzenden des Petitionsausschusses, ganz herzlich für ihren Bericht und für die geleistete Arbeit. Ich bitte, den Dank des Hohen Hauses auch den Mitgliedern des Ausschusses zu übermitteln. Wir wissen, welch wertvolle Tätigkeit sie leisten. Auch bitte ich, den Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzugeben; denn jeder einzelne Fall wird intensiv bearbeitet und kostet viel Zeit und viel Kraft. Manchmal ist die Arbeit auch von Erfolg gekrönt. Darauf können Sie stolz sein. – Herzlichen Dank.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich an meinen Kollegen Oliver Keymis abgebe, rufe ich auf:

8 Sprachförderung neu organisieren

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/9073

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende SPD-Fraktion Frau Kollegin Hendricks das Wort.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Dass Sprachkompetenz eine entscheidende Voraussetzung für den Bildungserfolg darstellt, ist völlig anerkannt. Die daraus abgeleiteten besonderen Bemühungen um eine alle erreichende Sprachförderung sind darum konsequent und uneingeschränkt zu begrüßen.

Gleichwohl sind Sprachtest und Sprachförderungsmaßnahmen von Bundesland zu Bundesland völlig verschieden. So werden in Bremen erst die Fünfjährigen getestet. In Niedersachsen setzt man bei der Sprachförderung auf ein Lernprogramm. In Brandenburg gibt man der Qualifizierung von Erzieherinnen und Erziehern zu Sprachfachkräften den Vorzug, um möglichst in jeder Kita eine qualifizierte Kraft zu haben.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen dagegen ist stolz – ich zitiere aus der Überschrift einer Pressemitteilung –, „bundesweiter Vorreiter in der Sprachstandsfeststellung“ zu sein. Seither wird uns übermittelt, wie viele Kinder jährlich diesen Test durchlaufen. Damit erschöpfen sich auch schon die positiven Nachrichten in Nordrhein-Westfalen. Das ist eigentlich seltsam. Anscheinend soll in Nordrhein-Westfalen die Diagnostik gleichzeitig auch die Therapie sein.

Aber seit der Einführung der Sprachstandsfeststellung in NRW reißt auch die Kritik am Verfahren durch Erzieher, Träger, Grundschulen und Eltern nicht ab. Hierzu will ich einmal Frau Prof. Fried zitieren, die in NRW für den Test verantwortlich zeichnet. Sie sagt inhaltlich:

Delfin 4, der verpflichtende Sprachtest für Vierjährige, sagt nichts über den Erfolg der anschließenden Sprachfördermaßnahme aus. Er sagt auch nichts über die Sprachentwicklung von Kindern mit nicht deutscher Muttersprache aus. Und er sagt auch nichts darüber aus, ob bei den Kindern eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt oder die Sprachentwicklung in der Muttersprache altersgerecht verläuft.

Delfin 4 ist also nur ein Screening, das vierjährige Kinder durchlaufen müssen, ein Screening, bei dem entweder Kinder mit der Erstsprache Deutsch, die keine altersgerechten Sprachfähigkeiten aufweisen, oder Kinder mit nichtdeutscher Erstsprache, die nur über unzureichende Deutschkenntnisse verfügen, entdeckt werden.

Vor diesem Hintergrund muss in der Tat die Frage erlaubt sein, ob es sinnvoll ist, in NordrheinWestfalen jährlich 160.000 Kinder durch ein solches Sprachfeststellungsverfahren laufen zu lassen. Erzieherinnen und Erzieher bestätigen, dass sie besser als das Sprachfeststellungsverfahren in Nordrhein-Westfalen in der Lage wären, Kinder zu identifizieren, die Sprachförderung brauchen.

Mit Delfin 4 werden immer wieder Kinder als sprachförderbedürftig ermittelt, die die Sprache beherrschen, und andersherum werden Kinder nicht identifiziert, die die Sprache nicht beherrschen. Auch mit der zweiten Stufe des Testverfahrens gelingt es nicht, die richtigen Kinder als sprachförderbedürftig zu identifizieren.

Der Eindruck, der bei der Einführung des Testverfahrens bestand – übereilt, zu wenig durchdacht,

nicht evaluiert, nicht richtig implementiert –, bleibt also auch bestehen, nachdem der Test zum dritten Mal durchgeführt worden ist. So schrieb eine Erzieherin unlängst im Internet: Hier werden Fördergelder zum Fenster rausgeschmissen. – Ähnliche Äußerungen können Sie landesweit auf entsprechenden Veranstaltungen und in Gesprächen hören. Man muss einfach nur zuhören, was die Praktiker sagen.

Aber davon einmal ganz abgesehen: Gut getestet ist noch lange nicht gefördert. Wenn man einmal von dem Materialordner von Frau Prof. Fried und den vier Seiten Handlungsanweisungen im Internet auf der Seite des Ministeriums absieht, gibt es kaum Hilfen, wie Kinder gefördert werden sollen. Der Ordner ist gut gemeint, prinzipiell durchaus brauchbar, aber ohne die entsprechende Fortbildung weitgehend wirkungslos.

Ein Alibiwerkzeug? Solche Erfahrungen hat das Schulministerium mit ähnlichen Materialien in vielfältiger Weise in der Vergangenheit schon gemacht. Nicht Material, sondern Menschen verändern die pädagogische Landschaft. Um die Erzieher zu erreichen, bedarf es einer nachdrücklichen konzeptionellen organisatorischen Maßnahme, um Entwicklungsprogramme zu implementieren.

Stattdessen, meine Damen und Herren, verteilt die Landesregierung Geld und hofft, dass der Markt die fehlenden Konzepte schon ersetzen wird. 340 € pro Kind pro Jahr gibt es. Welche Förderung das Kind damit erhält, ist unklar. Die Einrichtungen können das Geld zum Beispiel für die Fortbildung ihrer Mitarbeiter ausgeben, für Materialien etc., etc. Jede Kita und jeder Träger entscheidet vor Ort über die Verwendung und die Qualifizierung.

Dass die betroffenen Kinder auch noch in den Genuss der Fortbildungsergebnisse kommen, darf gehofft werden, ist aber nicht gesichert. Für Kinder, die unterjährig in die Kita aufgenommen werden und bei denen die Erzieher einen Sprachförderbedarf feststellen, stehen noch nicht einmal die Fördergelder zur Verfügung. Das Verfahren ist formal, nicht kindorientiert. Das Prinzip lautet: Wer nicht getestet ist, erhält auch kein Geld.

Die erzielten Ergebnisse entsprechen den mangelnden Maßnahmen. Kinder, die im Jahr 2008 in den Grundschulen angemeldet wurden und im kommenden Schuljahr die Schule besuchen werden, haben zu einem erstaunlichen Anteil Sprachdefizite. Dies ist im Schulministerium bereits thematisiert worden, Frau Sommer. Die Situation in NRW ist unübersichtlich. Viele Ansätze sind nicht konsequent genug an den wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtet. Nicht selten wird einfach nur das, was man immer schon gemacht hat, zusammengetragen.

Das übergeordnete Ziel fehlt und ist nicht definiert. Die Fortbildung wird nicht evaluiert. Es tummeln

sich viele Fortbilder mit unterschiedlichen Ansätzen und Methoden, deren Wirksamkeit zum Teil durchaus fraglich ist.

Eingangs erwähnte ich, dass Brandenburg den Schwerpunkt auf die Ausbildung von Sprachfachkräften legt. Das bedeutet eine nachhaltige Investition mit Langzeitwirkung und kommt dem System und den Kindern, und zwar allen Kindern, zugute. In NRW gibt es dagegen die Philosophie der kindbezogenen Pauschalen, die den Trägern zufließen. Das ist aber kein systematischer Ansatz.

Meine Damen und Herren, dabei gibt es in Nordrhein-Westfalen einen systematischen Ansatz, der mit dem Modellprogramm FörMig – Fördern von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund – in diesem Jahr zum Abschluss gebracht wird. Meine Frage – der Minister ist leider heute nicht da – ist: Wie werden die Erkenntnisse aus diesem Programm in die Sprachförderung von NordrheinWestfalen aufgenommen? Oder war es ein Modellprogramm, das Sie ohnehin abgelehnt haben, was am Ende ohne Wirkung für Nordrhein-Westfalen bleibt?

Dieses Programm hat eine ganze Reihe von wichtigen Punkten; ich kann sie jetzt leider nicht mehr alle aufzählen. Aber einer der wichtigsten Punkte ist für uns, dass in einem Schwerpunkt-Sprachförderprogramm Deutsch die Herkunfts- und Fremdsprachen betrachtet werden und dass es ein Sprachförderkonzept vom Elementarbereich über den Primar-, Sekundar- und Berufsbildungsbereich nach FörMig geben soll. Hier wäre interessant zu erfahren, ob sich dieses Gesamtkonzept, das übrigens der Vorstellung der Enquetekommission „Chancen für Kinder“ entspricht, nicht auch auf Nordrhein-Westfalen übertragen ließe. Wir brauchen eine neue Evaluation.

Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hat vor diesem Hintergrund übrigens eine wissenschaftliche Fundierung der derzeitigen Verfahren und Instrumente der Sprachdiagnostik veranlasst. Aus der Sicht des Bundes muss geklärt werden, inwieweit die Rahmenbedingungen, Methoden und Vorgehensweisen über eine ausreichende Wirkung entscheiden. Das wäre sicherlich für Nordrhein-Westfalen und die angewandte Methode sinnvoll.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss: Bundesweit unstrittig ist, dass eine ausreichende sprachliche Kompetenz bei allen Kindern möglichst in der Kita erreicht werden soll. Dies setzt aber voraus, dass es eine systematische Sprachförderung tatsächlich gibt, die sich am Stand der Wissenschaft orientiert. Für Nordrhein-Westfalen können wir das bisher nicht feststellen. – Ich bedanke mich.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hendricks. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kastner.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Antrag gelesen habe, habe ich mich schon gefragt, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD: Was wollen Sie mit diesem Antrag bewirken?

Wenn man sich den Antrag zu Gemüte führt, dann fällt auf, dass Sie mit dem Antrag suggerieren, dass im Augenblick das, was im Bereich Sprachförderung geschieht, schlecht ist und die Erzieherinnen und Erzieher schlechte Arbeit machen. Sie suggerieren, dass das, was im Augenblick passiert, wissenschaftlich nicht ordentlich ist,

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist wahr!)

und Sie unterstellen ferner, dass das, was im Augenblick existiert, für die Kinder nicht sinnvoll und nicht nutzbar ist.

Man gewinnt den Eindruck, Sie wollen mit dem Antrag alles wieder auf null fahren, das heißt erst einmal evaluieren, Methoden überprüfen und zur Diskussion stellen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das steht in dem Antrag nicht!)

Sie können zum jetzigen Zeitpunkt auch schon sagen, dass das, was die letzten zwei Jahre passiert ist, nicht gewirkt hat. – Ich kann mir das so nicht vorstellen. Ich stelle fest: Die ersten Kinder, die sich vor zwei Jahren einer Sprachstandsfeststellung unterzogen haben, kommen jetzt erst in die Schule. Wir haben noch viel zu wenig Gelegenheit, Erkenntnisse zu sichten und die Erfolge auszuwerten.

Schon vorher zu behaupten – wie es in Ihrem Antrag geschieht –, dass Sprachförderung in der gegenwärtigen Ausführung nichts bringe, hat mit Seriosität und Unvereingenommenheit nichts zu tun. Aber das waren wir in dem ganzen Prozess schon gewohnt.

Sie sagen, es gibt viel Kritik. Ich frage mich immer, ob sich die Kritiker nur bei Ihnen melden und ob wir ein völlig anderes Weltbild haben. Wenn ich in Tageseinrichtungen für Kinder bin, erfahre ich da etwas anderes.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Wenn Sie sagen, nach zwei Jahren könne man schon sagen, dass das alles schlecht sei, dann ist das nicht nur unseriös, sondern es bewertet Pädagogik von einer völlig falschen Seite. Pädagogik ist nicht, oben etwas hereinzugeben und unten etwas herauszunehmen. So reagieren Kinder nun einmal nicht. Da muss man sich schon etwas mehr Mühe geben.

Lassen Sie uns einmal betrachten, was im Moment passiert. Bis zum Jahr 2005 gab es in diesem Lande 7,5 Millionen € für Sprachförderung. Das einzige Kriterium, weshalb jemand sprachgefördert wurde, war, dass Erzieherinnen auffiel, dass in ihren Gruppen Kinder mit Sprachförderbedarf waren. Sie bekamen nur dann eine Sprachförderung, wenn sie das Glück oder das Pech hatten – wie immer man das beschreiben soll –, dass in der Gruppe 50 % Migrantenkinder waren.

Dann haben wir uns nach der Wahl 2005 gesagt, dass das nicht die Lösung für Sprachförderung sein kann. Wir haben uns auf der Basis der Erkenntnis, dass sichere Kenntnis der deutschen Sprache und die Sprachfähigkeit der Kinder die grundlegenden Voraussetzungen nicht nur für den schulischen, sondern allgemein für den Erfolg im Leben sind, neue Ziele gesetzt. Wir haben die Entwicklung eines Sprachstandsfeststellungsverfahrens in Auftrag gegeben, das dem Stand der Wissenschaft entspricht und fachlich allgemein Anerkennung findet. Das Verfahren ist offensichtlich so erfolgreich, dass sich nach und nach immer mehr Länder entschließen, solche Sprachstandsfeststellungsverfahren durchzuführen.

Wir legen Wert darauf, dass alle Kinder erreicht werden. Deshalb haben wir die Sprachstandsfeststellung im Schulgesetz sowie im KiBiz festgeschrieben und geben viel Geld dafür aus. Wir wollen vor allen Dingen keine Crashkurse mehr, denn wir wissen, dass die Methode des „Nürnberger Trichters“ – wie sie früher zur Anwendung kam – bei Kindern nicht funktioniert. Wir wollten ein längeres Verfahren und deshalb die Sprachstandsfeststellung nicht erst kurz vor der Einschulung, sondern zwei Jahre vorher.