Protocol of the Session on May 6, 2009

Wir legen Wert darauf, dass alle Kinder erreicht werden. Deshalb haben wir die Sprachstandsfeststellung im Schulgesetz sowie im KiBiz festgeschrieben und geben viel Geld dafür aus. Wir wollen vor allen Dingen keine Crashkurse mehr, denn wir wissen, dass die Methode des „Nürnberger Trichters“ – wie sie früher zur Anwendung kam – bei Kindern nicht funktioniert. Wir wollten ein längeres Verfahren und deshalb die Sprachstandsfeststellung nicht erst kurz vor der Einschulung, sondern zwei Jahre vorher.

Wir haben das umgesetzt und uns als einziges Land dazu verpflichtet, das gesetzlich zu verankern. Das ist der richtige Weg gewesen. Lassen Sie mich noch einmal unsere Ziele formulieren: Wir wollen, dass jedes Kind – deshalb die Verankerung im Schulgesetz – Sprachförderung erfährt, wenn es sie braucht, und wir wollen, dass sie rechtzeitig eingeleitet wird.

(Ingrid Hack [SPD]: Aber das passiert ja nicht!)

Insgesamt ist festzustellen, dass alle Kinder getestet werden und dass wir aufgrund des Sprachstandsfeststellungsverfahrens und der notwendigen verpflichtenden Förderung mehr Kinder in den Kindertageseinrichtungen haben, weil die Sprachförderung dort durchgeführt wird. Ich denke, dieses Ergebnis der ersten zwei Jahre kann sich durchaus sehen lassen.

In Ihrem Antrag bemerken Sie, dass die Erzieherinnen zu wenig einbezogen worden seien und dass das alles zu bürokratisch sei. Daran haben wir nach einem Jahr aber schon einiges geändert. Ich glaube, dass damit jetzt alle ganz gut leben können.

Außerdem ist im Hinblick auf Ihren Antrag zu sagen, dass es nicht um diagnostisch-medizinisch zu behandelnde Sprachprobleme, sondern um die Sprachfähigkeit der Kinder geht. Das ist etwas völlig anderes; das kann man nicht in einen Topf werfen. Nur die mangelnde Sprachfähigkeit soll mit Sprachförderprogrammen behandelt werden.

Wir haben inzwischen bei vielen Kindern das erste Verfahren gecancelt. Da, wo die Erzieherinnen sagen, dass in einem zweiten Verfahren noch einmal geklärt werden muss, geschieht das auch. Insgesamt erreichen wir wesentlich mehr Kinder als zu Zeiten, als Sie noch in der Regierung waren; sonst würden sich auch die 28 Millionen €, die wir dafür inzwischen ausgeben, nicht rechnen.

Wir reden hier über zusätzliche Sprachförderung, wir reden nicht über das, was tagein und tagaus in unseren Tageseinrichtungen für Kinder geschieht. Dort passiert eine ganze Menge. Ein Herzensanliegen im Hinblick auf das, was über die jetzige Sprachförderung hinaus noch geschehen muss, habe ich aber noch: Wir müssen besser an die Elternhäuser herankommen und damit den Kindern die Möglichkeit geben, dass zu Hause mehr gesprochen wird und dass insbesondere bei Migrantenkindern zu Hause mehr Deutsch gesprochen wird.

Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, wollen in Ihrem Antrag eine noch stärkere Reglementierung und die Vereinheitlichung aller Sprachförderung. Sie müssten aber eigentlich längst wissen, dass Sie das im vorschulischen Bereich absolut nicht erreichen können, weil Sie erst einmal die freien Träger, die ein eigenes Verständnis von ihrer Aufgabe haben, mit ins Boot holen müssen.

Wir haben das gut gemacht. Die Einrichtungen haben berichtet, dass es dort, wo man mit dem bereitgestellten Geld Menschen beschäftigt, die sich zusätzlich mit den Kindern beschäftigen, hervorragend läuft und die Kinder einen Riesenprofit haben. Auf diesem Weg sollten wir fortfahren. – Danke schön.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin Kastner. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Lindner das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Frau Hendricks, ich hätte mir einen anderen Anlass gewünscht, bei dem wir erneut über die Sprachförderung von Kleinkindern miteinander sprechen. Der Antrag, den Sie vorgelegt haben, enthält mir zuviel Oppositionsrhetorik. Sie scheinen mir persönlich ein wenig ins Opponieren verliebt zu sein.

Vor der letzten Landtagswahl, als Sie noch der FDP angehört haben, haben Sie gegen Frau Schäfer

opponiert. Jetzt haben Sie sich verändert und ein Landtagsmandat bekommen und können gegen Frau Ministerin Sommer und Herrn Laschet opponieren. Mir scheint, dass Ihnen das Opponieren liegt. Aber damit kann man Landespolitik nicht gestalten. Landespolitik zu gestalten heißt auch, dass man würdigen muss, wenn es Schritte in die richtige Richtung gegeben hat und es eine positive Entwicklung zu verzeichnen gibt. Das heißt nicht, dass man sich mit dem Status quo bescheiden müsste.

Deshalb verweise ich Sie etwa auf eine Untersuchung des Deutschen Jugendinstituts. Diese Untersuchung hat im vergangenen Jahr dargestellt, dass Nordrhein-Westfalen inzwischen das erste und einzige Bundesland ist, dass systematisch alle vierjährigen Kinder einer Sprachstandsfeststellung unterzieht. Erste Feststellung!

(Beifall von der CDU)

Die zweite Feststellung des Deutschen Jugendinstituts lautet, dass kein Bundesland so viele Landesmittel aufwendet, um vierjährige, fünfjährige und sechsjährige Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung zu unterstützen, wie Nordrhein-Westfalen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Aber mit welchem Ergebnis? – Zuruf von Andrea Asch [GRÜ- NE])

Ich bin gerne bereit, auch über Ergebnisse zu sprechen. Zunächst einmal stelle ich aber nur fest – auch das könnten Sie als Opposition, selbst wenn Sie sich damit nicht zufriedengeben sollten, würdigen –, dass Nordrhein-Westfalen in dieser Frage im Vergleich zu den anderen Bundesländern führend ist. Das ist der Status quo.

Gerne bin ich jetzt bereit, den Blick mit Ihnen nach vorne zu richten und zu fragen, was zusätzlich zu tun ist. Wir wollen unsere Bemühungen jetzt nicht beim Status quo einstellen, sondern auch wir haben den Ehrgeiz, noch besser zu werden, Frau Hendricks. Wir haben auch noch Zeit vor uns, die wir gestalten wollen.

(Britta Altenkamp [SPD]: Aber nicht mehr lange!)

Was ist jetzt also zu tun? – Es ist nicht möglich, das Sprachstandsfeststellungsverfahren komplett zu verändern.

(Ingrid Hack [SPD]: Doch, das ist möglich!)

Als Fachpolitiker aus dem Jugendhilfebereich kann ich mir selbstverständlich vorstellen, dass Erzieherinnen diese Tests durchführen und aus der täglichen Praxis heraus ein Urteil über den Sprachstand der Kinder fällen. Aus fachlicher Sicht ist das selbstverständlich vorstellbar. Es ist aber rechtlich nicht möglich. Wenn wir alle Kinder verbindlich erreichen wollen, dann müssen wir einen Eingriff in die Elternrechte vornehmen.

Ein solcher hoheitlicher Akt kann nicht von freien Trägern vorgenommen werden. Dafür brauchen wir Staat, sprich Lehrer. Deshalb müssen wir bedauerlicherweise die Krücke benutzen, dass Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen und Erzieher gemeinsam das Testverfahren durchführen, selbst wenn es fachlich eine vorzugswürdige Alternative gibt. Sie ist eben rechtlich nicht realisierbar. Das können Sie also vergessen; da gibt es keine Alternative.

Ein zweiter Punkt, über den man sprechen könnte, ob ein alternatives Vorgehen möglich ist, ist die Frage, ob Delfin 4 als Testverfahren tatsächlich schon so hinreichend elaboriert und empirisch gefestigt ist, dass es eine Prognosesicherheit hätte. Darüber gibt es eine Diskussion in der Fachöffentlichkeit. Darüber gibt es eine intensive Diskussion unter denjenigen, die sich mit Pädagogik der frühen Kindheit und Linguistik beschäftigen.

Die Wissenschaftlerin, die dieses Verfahren für die Landesregierung entwickelt hat, Frau Prof. Fried, ist selber Hochschullehrerin. Insofern ist sie mit diesem Verfahren in den wissenschaftlichen Diskurs eingebettet. Es ist der Charakter von Wissenschaft, dass aus der Fachöffentlichkeit – aus der Praxis und aus der Theorie – Impulse an die Autorin eines solchen Testverfahrens herangetragen werden. Das wird dazu führen, dass dieses Verfahren weiter optimiert wird. Im Übrigen brauchen wir auch verwandte Testverfahren für ältere Zielgruppen, für ältere Schülergruppen. Auch das wird in der fachlichen Diskussion in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren zu entwickeln sein.

Dritter Punkt: Wollen wir ein komplett anderes Finanzierungsverfahren als das jetzige? Wir haben uns an einem methodischen Vorgehen orientiert, das von der Vorgängerregierung implementiert worden ist; daran will ich einmal erinnern. Die Vorgängerregierung hat pro förderbedürftigem Kind seinerzeit 340 € kalkuliert und umgesetzt. Das war nicht Schwarz-Gelb, das war noch Rot-Grün. Das Problem war nur, dass Sie 7,5 Millionen € zur Verfügung gestellt haben, mit denen man noch nicht einmal eine gewisse Flächendeckung hat erreichen können.

(Zustimmung von Walter Kern [CDU])

Sie haben das im Übrigen auch nur an Gruppen orientiert und nicht an einzelnen förderbedürftigen Kindern.

(Britta Altenkamp [SPD]: Genau!)

Sie haben gesagt, es müssten mindestens 50 % Migranten in einer Gruppe sein, damit das förderbedürftig ist.

(Britta Altenkamp [SPD]: Nein, das haben wir nicht gesagt!)

Und was macht man, wenn in einer Gruppe zufällig nur 45 % Migrantenkinder sind, die aber alle sprachlich extrem auffällig sind?

(Beifall von der FDP)

Darauf hatte Ihr Verfahren keine Antwort. Wir individualisieren nun, schauen auf das einzelne Kind und gewähren dem einzelnen Kind Fördermittel, damit die Einrichtung in der Lage ist, aus dem Alltag der Gruppenarbeit heraus dieses einzelne Kind oder die Gruppe einzelner Kinder anzusprechen und sprachlich zu unterstützen. Zu dem Vorgehen sehen wir keine Alternative.

Jetzt blicke ich nach vorne, auf die Meilensteine, die die Landesregierung und die Koalition noch vor sich haben und an denen wir arbeiten müssen.

Das ist zum einen die Frage der Erzieherinnenausbildung. Ich sage Ihnen auch aufgrund einer Anregung aus einer Anhörung, die auf Ihre Veranlassung hin im Landtag stattgefunden hat: Ich glaube nicht mehr an das einheitliche Berufsbild der Erzieherinnen. Es ist fachlich inzwischen zu differenziert. Ich glaube, dass wir eine Basiserzieherinnenausbildung brauchen, die sich dann aber ausdifferenziert in einem Fachkraftteil, etwa Fachkraft für U3, Fachkraft für Sprachförderung, Fachkraft für Schulkinder und andere mehr. Ich glaube, dass wir daran gemeinsam arbeiten müssen, den Erzieherinnenberuf in dieser Weise auszudifferenzieren und zukunftsfähig zu machen.

(Beifall von der FDP)

Zweiter Bereich: Wir brauchen so etwas wie einen offenen Bildungsplan null bis zehn. Andere Bundesländer haben ihn schon. Dort werden die unterschiedlichen Aufgabenfelder miteinander verzahnt, etwa der Primarbereich mit dem Elementarbereich, wo gemeinsame Bildungsziele definiert werden, wo die Curricula der Grundschule mit dem Schulfähigkeitsprofil und der Bildungsvereinbarung verbunden werden.

Dieser Plan ist bereits angelegt. Wenn Sie den Koalitionsvertrag von CDU und FDP aufmerksam lesen, haben Sie wahrgenommen, dass wir ein Rahmencurriculum für den vorschulischen Bereich entwickeln wollen, in dem dann auch methodische Hinweise auf Sprachförderung gegeben werden müssen. Das ist eine Aufgabe, an der gegenwärtig noch gearbeitet wird. Sie ist im Koalitionsvertrag vereinbart, und wir sind mit dieser Legislaturperiode noch nicht am Ende. Seien Sie also sicher: Dieses Ziel wird nicht in Vergessenheit geraten. Dafür wird gesorgt werden.

(Britta Altenkamp [SPD]: Das glauben Sie nicht selber, dass das passiert!)

Also, es gibt noch eine ganze Reihe von Dingen, die wir anstreben.

Eine letzte dritte Maßnahme, die ich in der Perspektive der Meilensteine nennen will, ist die Evaluation, die Sie auch fordern, die aber längst schon vorgesehen ist. Schauen Sie bitte in die Schlussbestimmung des Kinderbildungsgesetzes.

(Zustimmung von Walter Kern [CDU])

Dort ist für das Jahr 2011 eine Evaluation vorgesehen. Eine solche Evaluation – darüber sind wir uns alle im Klaren – wird sich nicht auf die Prüfung von Finanzströmen konzentrieren können. Wenn ein Kinderbildungsgesetz – es heißt ja nicht Kinderfinanzierungsgesetz – evaluiert wird,

(Britta Altenkamp [SPD]: Das ist aber nichts anderes! – Heiterkeit von Ute Schäfer [SPD])

dann wird es ganz gewiss auch um die pädagogischen Erfolge, um die pädagogischen Auswirkungen dieses Kinderbildungsgesetzes gehen. Wenn in einem solchen Kinderbildungsgesetz die Sprachförderung so priorisiert wird, dann dürfen Sie bitte schön davon ausgehen, dass wir aus Eigeninteresse, weil wir uns auf den Erfolg freuen, auch diesen Aspekt einer Evaluation unterziehen werden. – Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lindner. – Für die Grünen spricht nun Frau Kollegin Asch.