Protocol of the Session on April 2, 2009

Schließlich: Es sind nicht nur die Veränderungen im Wahlspektrum der Partei und die veränderte Ideologie, sondern – das ist das eigentlich Besorgniserregende – wir haben es streckenweise auch in Nordrhein-Westfalen mit durchaus ausgewachsenen Ansätzen einer neuen sozialen Bewegung zu tun, die sich inzwischen in den Protestformen und Aktionsformen, die man vorher von anderen Bewegungen kennt, bewegt, die Graswurzelarbeit macht und Kinder mit Hausaufgabenhilfe verführt, die Musik anbietet, die durchaus in bestimmten Kreisen populär ist. In dieser Bewegung gibt es Unternehmer, die ökonomisch davon überleben, dass sie diese Musik an Kinder und Jugendliche verkaufen. Das hat sich teilweise in einem regelrechten Milieu verfestigt. Die eigentliche Herausforderung auch für die kommunale Politik von uns allen liegt darin, dafür zu sorgen, dass sich solche Einstellungen nicht in einem regelrechten Milieu verfestigen.

Letzter Satz, weil meine Redezeit zu Ende ist: Wir müssen überlegen, wie wir die Netzwerke gegen Rechts stärken. Es gilt immer das, was Johannes Rau gesagt hat: Der Kampf gegen den Rechtsextremismus darf keine Saisonarbeit sein. Er muss jeden Tag stattfinden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Dr. Rudolph. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Frau von Boeselager.

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bedauerlicherweise ist Rassismus alltäglich. Das ist dramatisch. Ich bin Herrn Dr. Möller für den Verfassungsschutzbericht dankbar, in dem in aller Deutlichkeit die aktuelle Lage zum Ausdruck kommt. Diese ist aus meiner Sicht erschreckend, wenn man sich die Anzahl der Delikte, ob von links oder von rechts begangen, anschaut. Hier ist eine Steigerung um 9 % zu verzeichnen. Das macht uns alle sehr nachdenklich.

Wir haben – der Kollege Kruse hat es eben erwähnt – seinerzeit einen gemeinsamen Antrag in das Plenum eingebracht. Ich erinnere an die Ziele, die wir uns damals in diesem gemeinsamen Antrag gesetzt haben. Diese müssen wir immer wieder deutlich machen.

Was sollte denn passieren? Wir haben seinerzeit gefordert, insbesondere die vorschulische Erziehung sehr viel stärker darauf auszurichten, dass extremistisches Gedankengut gar nicht erst aufkommen kann. Hier muss man auch ansetzen. Ich bitte Frau Ministerin Sommer, noch einmal ganz gezielt Möglichkeiten der Verbesserung in der Vorschulerziehung zu prüfen.

Wie aus dem Verfassungsschutzbericht deutlich wird, stehen wir ja vor dem Phänomen, dass hier vor allen Dingen ganz junge Menschen im Alter von nur 13 bis 20 Jahren von Leuten eingefangen werden, die über Zeltlager braunes Gedankengut verbreiten oder auch im sportlichen Bereich versuchen, junge Menschen mit ihren extremen Vorstellungen einzunehmen. Selbstverständlich ist es Aufgabe unserer Gesellschaft, dort rechtzeitig hinzuschauen. Auch bei Sportlehrern und Übungsleitern muss man ein Augenmerk darauf richten, dass von ihnen keine falschen Ziele gesetzt werden.

Das Thema Zivilcourage wurde schon mehrfach angesprochen. Jeder von Ihnen kann für Zivilcourage eintreten und zum Beispiel an Schulen Preise vergeben. Morgen werde ich wieder persönlich einen Preis für Zivilcourage in einer Schule an eine Hauptschule verleihen. Das kann jeder von uns tun. Die Schulform ist völlig egal. Wenn junge Menschen sich an der Schule engagieren und Zivilcourage zeigen, kann man sie durch das Ausloben eines

Preises einmal deutlich hervorheben. Man kann auch gemeinsam mit den Lehrern über einen Zeitraum von einer Woche in der Schule bei Diskussionen verschiedene Themenfelder ansprechen, um junge Menschen schon im Vorfeld zu sensibilisieren.

Die nackten Zahlen, die wir in diesem Verfassungsschutzbericht wieder deutlich vor Augen geführt bekommen, machen uns klar, dass wir alleine mit einfachen Verboten nicht weiterkommen. Zum Beispiel durch mobile Beratungsteams vor Ort können wir sehr viel mehr leisten. In einer Gesellschaft, die heutzutage sehr stark von Fernsehen und Computern geprägt ist, müssen wir auch darauf achten, dass das Gespräch erhalten bleibt und die Eltern auch bereit sind, mit ihren Kindern über diese Themenfelder zu diskutieren. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns stellen müssen.

Herausheben möchte ich noch den Comic „Andi“, der für die Kommunen angeboten wird. Noch vor Kurzem haben wir im Hauptausschuss gehört, dass er sehr gut angenommen wurde.

Herr Minister, wir haben die Möglichkeit, uns die Darstellungen immer wieder anzuschauen. Was können wir also noch verbessern? Ich hoffe, dass es nicht bei guten Worten bleibt, sondern dass wir das, was im Verfassungsschutzbericht steht, auch sehr ernst nehmen. Meine Bitte an Sie lautet, dafür Sorge zu tragen, dass möglichst viele diesen Verfassungsschutzbericht zur Kenntnis bekommen, damit auch die kommunalen Verantwortlichen um diese Zusammenhänge wissen.

Ich hoffe, dass wir diese Thematik regelmäßig im Plenum diskutieren, damit wir auch sehen, ob demnächst möglicherweise eine Verbesserung der Situation eintritt. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau von Boeselager. – Für die FDP spricht nun Herr Kollege Dr. Orth.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf dem Weg hierhin habe ich mich heute Morgen schon gespannt gefragt, was die SPD uns bei ihrer Aktuellen Stunde denn eigentlich zu berichten hat.

(Rainer Bischoff [SPD]: Aha!)

Sie haben sich dann wie Laienprediger hierher gestellt, Ihre Betroffenheit beteuert und den Konsens der Demokraten erneuert. Aber was haben Sie uns heute konkret und substanziell mitgeteilt? Meiner Meinung nach hätten Sie uns hier einmal sagen können, dass Sie nicht nur reden, sondern zukünftig auch vorleben wollen, wie man sich von Extremisten distanziert.

(Beifall von FDP und CDU)

Seit mehreren Jahren praktizieren Sie in Berlin eine Koalition mit der PDS. In Hessen haben Sie mit der PDS mehr als nur kokettiert.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wir reden über Rechtsextremismus! – Weitere Zurufe von der SPD)

Sie wissen, dass wir die PDS durch den Verfassungsschutz beobachten.

(Fortgesetzt Zurufe von der SPD – Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Meine Damen und Herren, wer mit den einen flirtet, die die Verfassung nicht achten, der macht die anderen salonfähig.

(Beifall von FDP und CDU)

Wenn Sie mit der angeblich schönen Kommunistin Wagenknecht im Gedanken eine Koalition eingehen wollen,

(Zuruf von der SPD: Wer will das denn?)

dann erscheinen die hässlichen Fratzen der Rechten nicht mehr so hässlich. Sie müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass Ihr Verhalten ein sehr problematisches Verhalten für Demokraten ist, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Andrea Asch [GRÜ- NE]: Auf dem rechten Auge blind! – Weitere Zurufe)

Wenn ich dann noch höre, der Liberalismus gefährde die Marktwirtschaft! Herr Rudolph, fragen Sie doch bitte einmal Ihren Finanzminister Steinbrück, ob er bei all diesen Dingen, die passiert sind, nicht als Aufsichtsbehörde versagt hat. Da lag die Verantwortung. Das war nicht der Markt. Das war das Versagen des Staates. Sie regieren in Berlin mit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Und ich war ja ganz perplex: Kollege Kutschaty, den ich sonst sehr schätze, hat allen Ernstes heute eine Verbindung zwischen dem Kommunalwahltermin und dem Erstarken des Rechtsextremismus hergestellt.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Wie kann man hier verkünden, man dürfte die Kommunalwahl nicht an einem extra Termin durchführen, weil dann zu viele Rechte gewählt würden?! – Nein, es ist Aufgabe der Demokraten, dafür zu sorgen, dass sie bei der Kommunalwahl überzeugen.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Ich suche einen Kommunalwahltermin doch nicht danach aus, ob ich vielleicht einen Rechten mehr

oder weniger mit Stimmen versorge. Nein, meine Damen und Herren,

(Thomas Trampe-Brinkmann [SPD]: Kom- men Sie auf den Boden der Verfassung zu- rück!)

Wahltermine sollte man nicht nach politischem Kalkül aussuchen! Sie haben heute gezeigt, dass Sie genau das Gegenteil machen, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP – Zurufe von der SPD)

Zur Kollegin Düker: Auch die Grünen, die Herrn Sagel noch bis vor Kurzem in ihrer Fraktion hatten, haben sich bis heute nicht eindeutig von den Extremisten auf der linken Seite distanziert.

(Beifall von der FDP – Christian Lindner [FDP]: Im Gegenteil! – Zuruf von Sylvia Löhr- mann [GRÜNE])

Wenn wir auf der Ebene der Demokraten argumentieren, dann erwarte ich von allen Demokraten in diesem Hause, dass sie sagen: Egal, ob links oder rechts, mit denen werden wir nie zusammenarbeiten, auch wenn sie irgendwann einmal Mitglieder dieses Parlamentes sein sollten!

(Beifall von FDP und CDU)

Insofern bin ich mit einer bestimmten Erwartungshaltung hierher gekommen, bin aber von der Opposition mehr als enttäuscht. Aber das ist leider nichts Neues. – Herzlichen Dank.

(Beifall von FDP und CDU)

Als nächste Rednerin spricht Frau Kollegin Düker von der Fraktion Bündnis 90/Grünen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Orth, ich wollte mich eigentlich nicht mehr zu Wort melden, weil ich fand, dass diese Debatte in eine gute, in eine konstruktive Richtung führte. Sie haben heute die Chance vertan, dass dieser Landtag ein Zeichen aller demokratischen Parteien setzt –

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

gegen Neonazismus, gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Antisemitismus, gegen Gewalt. Sie haben es heute verspielt, dass dieser Landtag diese Botschaft von allen Fraktionen getragen in dieses Land gibt.