… Kosten von ungefähr 5,2 Milliarden € entstehen. Das ist kein Pappenstiel innerhalb von elf Jahren. Andererseits aber – und das sagen auch entsprechende Berechnungen der Kommission – können 30 bis 50 Milliarden € Gesundheitskosten bei den Krankenkassen und bei der Allgemeinheit gespart werden. Die Kosten, die da gezahlt werden, müsste die Industrie tragen.
Sie haben deutlich gemacht, wo Ihre Prioritäten sind. Das finde ich bedauerlich. Unsere jedenfalls sind bei den Menschen. Und deshalb lehnen wir den Antrag ab.
Vielen Dank, Herr Remmel, für Ihren Beitrag. – Meine Damen und Herren, jetzt hat für die Landesregierung Frau Ministerin Thoben das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Remmel spricht davon, dass die ursprünglich entworfene Richtlinie keine Veränderungen und keine Aufweichungen erfahren dürfe. Das ist so apodiktisch, dass man mit Ihnen dann gar nicht mehr reden kann.
Der Entwurf einer Richtlinie muss doch wohl auf Praxistauglichkeit und Wahrscheinlichkeit, dass man die angestrebten Ziele erreicht, überprüft werden dürfen.
Und bei der Überprüfung sind übrigens nicht nur die, die der gemeinen Chemielobby, wie Sie es sehen, sehr nahe stehen, zu anderen Ergebnis
Das heißt, das Abwägen ist von allen Beteiligten schon sehr ernsthaft und nicht nur durch eine einseitige Brille vorgenommen worden. Deshalb – Sie haben zwei zentrale Punkte genannt – freut sich die Landesregierung, dass sie im Bundesrat – da wirken übrigens andere Bundesländer mit anderen Mehrheiten mit, da waren Umweltausschüsse beteiligt – für ihre Position eine breite Mehrheit gefunden hat. Wir sind dankbar, dass der Landtag diese Position der Landesregierung gegenüber den Europaabgeordneten unterstützen will. Denn dort finden die nächsten praktischen Sitzungen statt. Herzlichen Dank also für diesen Antrag aus der Mitte des Landtags.
Nun aber noch zu dem, was Sie gesagt haben. Da steht: Sie wollen eine mengenbasierte und keine risikobasierte Beurteilung. Das entlarvt, worum es Ihnen geht. Uns geht es um Risikoabwägung. Wir wollen nicht, dass Menschen Risiken ausgesetzt werden. Aber Sie sagen, die Größe des Risikos …
Entschuldigung, wir wollen – das ist eindeutig Gegenstand – expositionsorientierte Datenanforderungen. Die sind Ihnen gleichgültig. Wir sagen: expositionsorientiert im niedrigvolumigen Bereich. Sie sagen, dass darf man überhaupt nicht. Wir wollen zum Beispiel auch nicht, dass Daten erhoben oder beigebracht werden müssen über Stoffe, die der Umwelt gar nicht ausgesetzt sind. Sie sagen, die Datenerhebung muss auch da passieren, wo die Stoffe mit der Umwelt überhaupt nicht in Berührung kommen. Wir sagen: Das ist Bürokratie und nicht zusätzlicher Schutz.
Frau Ministerin, könnten Sie uns vielleicht erklären, wer aus Ihrer Sicht das Risiko feststellen soll, und wer dafür geradestehen soll, was Risiko ist und was nicht?
Die Abgrenzung der Risikofaktoren wird unter den Beteiligten erfolgen. Sie möchten, dass jemand, der ein Produkt herstellt, losgelöst davon, ob wirklich etwas los ist, Beweise erbringt. Wenn Sie das bei kleinen Unternehmen in der Schärfe verankern, wie Sie es wollen, können die im chemischen Bereich nicht mehr tätig sein. Das wollen wir nicht.
Wir begrüßen also, dass der Landtag die Position der Landesregierung unterstützt und verwahren uns gegen die Aussage, wir sprächen uns damit gegen Umwelt- und Verbraucherinteressen aus. Wenn Sie es wünschen, wird der nordrheinwestfälische Umwelt- und Verbraucherschutzminister diese Position noch tatkräftig unterstützen. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Ministerin Thoben. – Es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Beratung ist abgeschlossen.
Wir kommen zur direkten Abstimmung, die von CDU, SPD und FDP beantragt worden ist. Wer diesem Antrag Drucksache 14/610 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD und FDP gegen die Stimmen von Bündnis 90/Die Grünen angenommen.
Im Zuge der Vorstellung der Ergebnisse der Strafverfolgungsstatistik Nordrhein-Westfalen 2004 hat Frau Justizministerin MüllerPiepenkötter vor allem den starken Anstieg der Gewaltkriminalität unter Heranwachsenden und Jugendlichen beklagt. Laut Bericht in „WDR Aktuell“ am 3. November 2005 hat die Justizministerin allerdings eingeräumt, dass
bei einem Vergleich der Statistik mit den Vorjahren eine Verfeinerung des Erfassungssystems bedacht werden müsse. Für die vergangenen Jahre sei eine Untererfassung nicht auszuschließen gewesen.
Unabhängig davon hat der renommierte Hannoveraner Kriminologe Prof. Dr. Christian Pfeiffer aufgrund von Forschungsergebnissen die Feststellung getroffen, alle Politikerinnen und Politiker lägen falsch, die behaupten, dass die Jugendkriminalität zugenommen habe. Deshalb habe er auch bereits Anfang Juni dieses Jahres die Politik und auch das Justizministerium über seine neuesten Forschungsergebnisse informiert.
Ist der starke Anstieg der Gewaltkriminalität vor allem bei Heranwachsenden und Jugendlichen in NRW insbesondere Ergebnis der Umstellung der statistischen Erfassung?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ausweislich der Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2004 haben die Verurteilungen in Nordrhein-Westfalen zugenommen. Die Anzahl der wegen Gewaltdelikten verurteilten Personen ist von 16.746 im Jahr 2000 auf 19.816 im letzten Jahr angestiegen. Zum Vergleich: 2003 waren es 17.049 Verurteilte.
Diese Tendenz trifft auch für Jugendliche zu. Hier ist ein Anstieg von 3.707 Verurteilten im Jahr 2000 auf 4.449 Verurteilte im Jahre 2004 festzustellen. Die Vergleichszahl 2003 lag bei 4.004 Verurteilten.
Besorgniserregend ist insbesondere die Steigerung bei den Verurteilungen wegen Gewaltdelikten, die in erster Linie von einer wachsenden Zahl von Körperverletzungsdelikten getragen wird. Seit Mitte der 90er-Jahre hat sich die Zahl der betreffenden Verurteilungen von knapp 7.900 im Jahr 1995 auf über 14.000 im Jahr 2004 – plus 77 % – erhöht.
Jugendliche sind mit einem Anteil von 22,5 % an der Gewaltkriminalität beteiligt bei einem Anteil von nur 8,2 % an der Gesamtkriminalität. Sie sind damit im Gewaltbereich deutlich überrepräsentiert.
Das sind die Zahlen. Bei der Strafverfolgungsstatistik für das Jahr 2004 können allerdings statistische Unschärfen von Bedeutung sein.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Zahl der Verfahrenserledigungen im Jahr 2004 um 130.000 oder rund 13 % erhöht hat. Darin enthalten sind auch Überhänge von Verfahren aus dem Jahr 2003. Von den 130.000 Mehrerledigungen im Jahr 2004 entfallen rechnerisch rund 21 % auf die Altfälle, die eigentlich in die Bilanz 2003 gehören.
Außerdem ist zu beachten, dass zum 1. Januar 2004 in Nordrhein-Westfalen bei den Staatsanwaltschaften, die als Strafvollstreckungsbehörde auch für die Erfassung der Verfahrensdaten zuständig sind, eine Umstellung bei der Registrierung der Strafverfahrensdaten vorgenommen worden ist. Eingeführt wurde das Mehrländerstaatsanwaltsautomationsverfahren Mesta. Mit diesem Verfahren wurde eine elektronische Strafverfolgungszählkarte eingeführt, welche die zuvor per Hand auszufüllenden Zählkarten abgelöst hat.
Im Rahmen einer solchen Umstellung kommt es erfahrungsgemäß in der Anfangsphase nicht selten zu Abweichungen von bisherigen Zählungen. Dabei ist insbesondere nicht auszuschließen, dass es vor der Einführung des neuen EDVSystems zu Untererfassungen gekommen ist, weil das frühere Zählkartensystem eher Erfassungslücken zuließ. Das ist jetzt weitgehend ausgeschlossen. Mit dem neuen Verfahren werden folglich die Zahlen zur Strafverfolgung für die Justiz verlässlicher.
Ob und gegebenenfalls zu welchem Anteil der Anstieg der Gewaltkriminalität im Jahre 2004 auf die genannten statistischen Unsicherheiten zurückgeführt werden kann, vermag die Landeregierung nicht zu beurteilen.
Die Wahrscheinlichkeit allerdings, dass die Steigerung der Verurteiltenquote im Bereich der Gewaltkriminalität, die einen kontinuierlichen Anstieg seit 2001 fortsetzt – und das überproportional bei den Jugendlichen –, allein auf statistische Unschärfen zurückzuführen ist, erscheint sehr gering. – Danke.
Diese Zahlen relativieren Sie dadurch, dass Sie sagen, Sie könnten nicht abschätzen, was statistische Ungewissheiten sind. Wie kommen Sie dann darauf, diese Zahlen
gleichwohl so darzustellen, als seien sie Realität, ohne dass die statistischen Risiken hier berücksichtigt werden?