Das heißt, man musste die Bildungsinstitutionen zu den potenziellen Nutzern bringen. Ich selbst – dafür schäme ich mich durchaus nicht – bin ein lebendes Beispiel dafür. Ich hätte 1972 niemals gewagt, ein Studium aufzunehmen, wenn ich den Studienort nicht von zu Hause aus hätte anfahren können. Ich hätte mir das finanziell nie zugemutet. Ich konnte ja nicht ahnen, dass es mir im Laufe des Studiums gelingen würde, ein Stipendium zu bekommen. Die Einlassungen, die Herr Prof. Ronge letzte Woche im Wissenschaftsausschuss zur Mobilität von potenziellen Studenten gemacht hat, kann ich aus eigener Einschätzung also nur unterstreichen.
Wenn Sie sich ansehen, wer beispielsweise an den Ruhrgebietshochschulen studiert, dann werden Sie feststellen, dass ein Großteil insbesondere aus der Region selbst kommt. Das ist gut und richtig.
Nein! Wieso ist das ein Problem der Hochschulen? Sind die Studenten aus dem Ruhrgebiet so viel schlechter?
Das wollen Sie doch wohl nicht unterstellen. Ich muss mich über diese Einlassung schon sehr wundern.
Der zweite Aspekt ergibt sich aus der Erkenntnis, die meines Erachtens ebenfalls nichts an Aktualität verloren hat: dass ein Strukturwandel im Revier auch der Etablierung von Wissenschaftseinrichtungen bedarf.
(Manfred Kuhmichel [CDU]: Aber die Ge- samthochschulen sind doch sträflich von Ih- nen vernachlässigt worden! Das Ziel ist doch gar nicht erreicht worden!)
Ach, wie viel 1.000 Studenten haben wir dort? Ich bitte Sie, ich gebe Ihnen gleich ein Beispiel, was dort alles erreicht worden ist. Hören Sie mir noch ein bisschen zu, Herr Kuhmichel, Sie können etwas lernen. Mir scheint das auch notwendig zu sein. Ich habe mir diesen Punkt ausgesucht, weil ich hier schon mehrfach zur Kenntnis habe nehmen müssen, dass ein gewisses Geschichtsbewusstsein fehlt, und, dass nicht klar ist, welche Besonderheit hier in Nordrhein-Westfalen zu bearbeiten ist und wir eigentlich gemeinsam bearbeiten sollten.
Lassen Sie mich in Erinnerung rufen: Wir sind hier in einem Land, das nicht etwa wie in Bayern den Verlust einer Maxhütte zu verkraften hat, sondern den Verlust 60 bis 70 solcher Betriebe.
Ich möchte Ihnen das einmal in Zahlen deutlich machen. Allein in den letzten zehn Jahren bedeutete das nur für die Emscher-Lippe-Region einen Verlust von annähernd 34.000 Arbeitsplätzen. Gehen wir weitere 20 Jahre zurück, so bewegen wir uns im Revier im sechsstelligen Bereich. Nennen Sie mir eine Region, nicht nur in Deutschland, in Europa und darüber hinaus, die auf einem so begrenzten Raum – zeitlich wie räumlich – eine solch hohe Zahl an Arbeitsplätzen verloren und zu kompensieren hat. Das wollen Sie im HopplaHopp-Verfahren schaffen? – Ich denke, Sie müssen der Region und den Hochschulen die Zeit geben, daran zu arbeiten. Die aktuellen französischen Unruhen lassen uns jetzt noch viel deutlicher ermessen
doch, das kriegen Sie jetzt auch noch –, wie wichtig es ist, Strukturwandel sozial verträglich zu gestalten und nicht, indem man Subventionskürzungen im Hauruckverfahren ansetzt und dann die Menschen zusehen lässt, wie sie damit klarkommen.
Sie haben vorhin zum Ausdruck gebracht, dass man sich, wenn man Kriterien einführen will, auch daran halten müsse und Kappungsgrenzen dann nicht zulässig seien. Ich spitze das ein bisschen zu, Herr Pinkwart.
Herr Pinkwart, dabei müssen Sie aber bedenken: Die seit 1965 gegründeten Hochschulen im Revier sind im Vergleich zu den Hochschulen in Bonn, Aachen oder Münster quasi noch im „Babyalter“. Ich denke, man kann sie hinsichtlich der Verankerung in der Region und des weit über die Region hinweggehenden Netzwerkes, nicht über einen Kamm scheren.
So muss es niemanden wundern, dass in unserer Region, im Revier, Wirtschaft und Unternehmen noch nicht überall in dem Maße zueinander gefunden haben, wie wir uns das wünschen. Nichtsdestotrotz, Herr Kuhmichel, gibt es sehr wohl schon messbare Erfolge.
Nein, ich glaube nicht, dass man innerhalb eines halben Jahres das erreichen kann, was ich Ihnen jetzt sagen möchte.
Ich finde es jedenfalls bemerkenswert, dass einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft zur Folge die Fachhochschule Gelsenkirchen in Bezug auf ihre Innovationsforschung mit mittelständischen Unternehmen beim bundesweiten Ranking bereits auf Platz zehn zu finden ist und damit vor allen anderen nordrhein-westfälischen Hochschulen in diesem Ranking liegt.
Von daher appelliere ich an die nordrheinwestfälische Regierung und die sie tragenden Fraktionen: Verfallen Sie nicht in Ihre Argumentation der 60er-Jahre, wonach das Revier -schauen Sie nach, was Sie damals gesagt haben – keine Hochschulen bräuchte,
sondern sorgen Sie dafür, dass die unterschiedliche Ausgangslage der Hochschulen bei der leistungsbezogenen Mittelverteilung – unter anderem durch die Beibehaltung der Kappungsgrenzen – berücksichtigt wird. Geben Sie den jungen Hochschulen im Revier die Zeit, die sie brauchen, um sich am Wissenschaftsmarkt zu behaupten.
Benutzen Sie das Steuerungselement der leistungsorientierten Mittelvergabe nicht undifferenziert, sondern beachten Sie die unterschiedlichen Ausgangslagen von alten und neuen Hochschulen, nicht nur um ihrer selbst Willen, sondern damit sie weiterhin den notwendigen Strukturwandel im Revier aktiv begleiten, fördern und stützen können. – Danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Gebhard, ist Ihnen bekannt, dass die von Ihnen benannten Hochschulen im Ruhrgebiet auf Initiative der damaligen Landesregierung Meyers, CDU, gegründet worden sind und es sich mitnichten um sozialdemokratische Gründungen handelt?
Wo fängt denn bei Ihnen das Ruhrgebiet an? Denken Sie nur an Dortmund oder denken Sie auch an Essen und Duisburg? – Die sind erst gegründet worden, da gab es Herrn Meyers in der Verantwortung gar nicht mehr.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Gebhard, Ihren engagierten Vortrag hier in Ehren – auch die Emotion, die dahinter steckt – und in voller Anerkennung der ganzheitlichen Begründung, warum alles so sein muss, wie es früher war, aber wir haben einen anderen Ansatz. Da unterscheiden wir uns auch politisch fundamental. Das sollten wir hier noch einmal klarstellen.
Sie malen hier mit Standortschließungen Schreckgespenster an die Wand. Wir sagen ganz klar, weil wir von einem ganz anderen Ansatz her kommen: Unsere Priorität – die absolute Nummer eins in der Reihenfolge – ist, dass die Hochschulen optimal befähigt werden müssen, im Wettbewerb zu bestehen, damit eine möglichst optimale Bildung und Ausbildung für die Studierenden existieren kann.
Andere Argumente, zum Beispiel regionalpolitische oder sozialpolitische, können alle noch in die Bewertung einfließen, aber entscheidend ist: Wenn jemand studiert, muss er oder sie hinterher in der Lage sein, zu sagen, ich habe einen hervorragenden qualifizierten Abschluss gemacht. Das ist unser Prä, und danach hat sich auch alles zu richten. Mit dieser Argumentation bitte ich noch einmal, die Reden meiner Kollegen aus der Koalitionsfraktion und des Ministers genau durchzulesen. – Danke schön.
Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 14/581 – Neudruck – an den Ausschuss für Innovation, Wissenschaft, Forschung und Technologie – federführend –, an den Haushalts- und Finanzausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft, Mittelstand und Energie. Die abschließende Beratung und Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Wer für diese Überweisungsempfehlung ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist diese Überweisungsempfehlung einstimmig angenommen.
5 Kommunen und Betroffene dürfen nicht die Verliererinnen bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe werden
Ich weise darauf hin, dass es dazu den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 14/611 gibt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 2,5 Milliarden € Entlastung – das war die Zusage, die den Kommunen im Hinblick auf erwartete kommunale Mehrkosten gegeben wurde und die nach hartem Ringen um die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zustande gekommen ist. Dieser Kompromiss