Protocol of the Session on March 19, 2009

Herr Kollege Jarzombek, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Priggen?

Sehr gerne.

Bitte schön, Herr Kollege Priggen.

Danke schön. – Herr Kollege, ich habe eine Frage als Konsument. Meine Kinder haben sich immer die Sendung mit der Maus angesehen. Ich habe das mit großer Freude mit ihnen zusammen angeschaut. Das ist eine hervorragende und sehr lehrreiche Produktion des Westdeutschen Rundfunks. Die Frage ist: Warum muss so etwas nach sieben Tagen gelöscht werden? Warum kann das nicht auf Dauer als Anschauungs- und Unterrichtsmaterial zur Verfügung stehen?

Das ist die Frage eines betroffenen Menschen, der Rat für seine Kinder sucht.

(Heiterkeit)

Tatsächlich entsprechen Ihre Ausführungen nicht der Wirklichkeit. Denn im Rundfunkstaatsvertrag steht, dass der WDR durchaus für die Sendung mit der Maus ein Telemedienkonzept machen und diese Sendung dauerhaft hinterlegen kann. Insofern handelt es sich zwar um eine berechtigte Frage, aber zum Glück haben Sie das falsch gesehen.

Wir kommen zur Frage, was passiert – ich greife Ihr Beispiel auf –, wenn jede x-beliebige Folge der Sendung mit der Maus ohne Telemedienkonzept bei YouTube eingestellt wird. Dahinter stehen Rechte der nordrhein-westfälischen Produzenten, die wir wahren müssen.

Deshalb ist mir wichtig, nicht einfach jedem die Möglichkeit zu bieten, dort einstellen zu können, was er will. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Natürlich kann der WDR gegen den Betreiber vorgehen. Es gibt nicht eine Milliarde Fernsehbörsen im Internet, sondern ganz wenige, die den Markt dominieren. YouTube ist der Marktführer. Ich würde vom WDR erwarten, dass er gegen YouTube ein Verfahren eröffnet, weil es nicht sein darf, dass YouTube alle WDR-Programme einstellt.

Mit der modernen Technik ist so etwas einfach zu identifizieren. Programme, bei denen oben rechts in der Ecke eine Eins oder das WDR-Signet aufleuchtet, kann man automatisch filtern. Wer der Rechteinhaber ist, muss nicht langwierig geklärt werden. Ich erwarte, dass der WDR gegen solche Angebote vorgeht, so ein Verhalten mit Entschiedenheit bekämpft und sich auf diesen Rundfunkstaatsvertrag bezieht.

Wir werden in Zukunft sehen, was eigentlich noch Rundfunk ist und wofür wir zuständig sind. Dieses Thema finde ich sehr wichtig. Wir haben im Staatsvertrag eine Regelung gefunden, die mich persönlich nicht glücklich macht. Sie betrifft den Aspekt, dass alle Programme, die nichtlinear sind, keinen Rundfunk mehr darstellen. Ich halte das für einen großen Fehler, denn ich bin mir sicher, dass Sendungen, die im Internet produziert werden, die nicht über die normale Antenne ausgestrahlt, sondern nur im Web verbreitet werden, die aber eine redaktionelle Komponente haben und die vielleicht von Millionen Menschen gesehen werden, natürlich zum Rundfunk zählen. Wir müssen uns darum kümmern, auch das in Zukunft zu regulieren. Das halte ich für ganz wichtig.

Die Frage wird sein: Auf welchen Plattformen wird wer irgendwann gelistet? Das klingt sehr theoretisch. Was bedeutet das konkret? Der eine oder andere Kollege hat – ich habe das in einer vorherigen Rede ausgeführt – ein iPhone von Apple. Darauf gibt es ein Radioprogramm. Jugendliche hören

damit sehr viel Radio. Dort sind Sender eingestellt. Wir wissen nicht, wie man als Sender dort eingetragen werden kann. Nach welchen Kriterien wird bestimmt, wer auf der ersten Seite und wer erst auf Platz 700 genannt wird. Nach welchen Kriterien werden Programme dort herausgeworfen?

Ich wünsche mir, dass wir dieses Thema beim 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag aufnehmen und solche Plattformen definieren und sagen: Ja, das ist Rundfunk; ja, der ist meinungsrelevant; und große Portale, bei denen sich Tausende Leute gleichzeitig über Radio- oder Fernsehprogramme informieren, sollen den zuständigen Stellen wie den Landesmedienanstalten darlegen, nach welchen Kriterien man dort gelistet werden kann, nach welchen Kriterien eine Reihung stattfindet und nach welchen Kriterien man aussortiert wird. In den nächsten Jahren kann man darüber reden, ob diese Kriterien gut und richtig sind oder ob wir wertvolle öffentlich-rechtliche Programme wie WDR-Programme ähnlich wie beim Kabelfernsehen verpflichtend in die Top-Listung aufnehmen.

Das ist ein ganz wichtiges Thema für die Zukunft. Heute können wir das gestalten. Noch gibt es keine solchen Portale mit so einer wirtschaftlichen Bedeutung, dass uns Scharen von Lobbyisten erklären, wir dürften das nicht regulieren. Noch ist dieses Feld unbestellt. Wir haben Gestaltungsspielraum, ohne dass uns kommerzielle Interessen Schwierigkeiten bereiten. Wir können das so locker und sauber diskutieren und sollten das auch tun. Die Chance dürfen wir nicht verpassen. Ich erwarte, dass wir das in diesem Hause gemeinsam tun.

Ein letzter Punkt ist mir als Hausaufgabe für die Zukunft wichtig zu erwähnen. Dabei handelt es sich um die Rundfunkgebühren und um die Gerätebezogenheit. Wenn alles stimmt, was wir gesagt haben und was der Geist dieses Staatsvertrags ist, werden künftig Fernsehen und Radio nicht nur aus Radios und Fernsehern kommen, sondern auch aus dem Internet. Was machen wir dann mit unserer gerätebezogenen Rundfunkgebühr?

Für diese große Frage brauchen wir dringend eine Lösung, um die Akzeptanz dieser Gebühren zu erhalten. Ich bin der Auffassung, dass man dabei auf eine Haushaltsebene kommen muss. Denn als Mittelständler kann ich Ihnen sagen: Die Unterstellung, dass es Unternehmen ihren Mitarbeitern gestatten, auf den Firmencomputern den ganzen Tag lang Fernsehen zu schauen, ist eine irrige Annahme.

(Heiterkeit und Beifall von der FDP)

Es darf nicht darauf hinauslaufen, dass wir die Unternehmen – gerade die kleinen Selbstständigen, die kleinen Mittelständler – in dieser schwierigen Zeit mit neuen Gebühren belasten, indem als Konsequenz aus diesem Staatsvertrag jemand sagt: Da mit Computern jetzt nicht nur Radio gehört, sondern

auch Fernsehen geschaut werden kann, müssen wir für jeden PC die volle Fernsehgebühr verlangen. Das darf nicht passieren.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Das wäre überproportional. Aber ich denke, das kriegen wir gemeinsam hin. – Ich bedanke mich und freue mich auf die weiteren Beratungen für den Dreizehnten Staatsvertrag.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Jarzombek. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP der Abgeordnete Witzel das Wort. Bitte schön, Herr Kollege Witzel.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Herr Witzel, Sie stimmen zu!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat: Es liegt eine längere Diskussion zum Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag hinter uns, bei der es im Kern um die Frage ging, was in der Zukunft inhaltlich und verbreitungstechnisch gesetzlicher Auftrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sein soll.

Wie Sie wissen, lag der FDP-Landtagsfraktion immer viel an einer möglichst genauen Konkretisierung des Programmauftrags, und zwar in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Ich will auch nicht verhehlen, dass wir uns hier durchaus präzisere Auskünfte des Vertragswerks hätten vorstellen können.

Wie breit darf der Anteil von Unterhaltungssendungen im Vergleich zu bildenden und informierenden Formaten sein? Wie bewerten wir den Mehrwert, den Programme haben? – Das sind ganz spannende und wichtige Fragen in Zeiten, in denen 30 Fernseh- und 80 Radioprogramme in Deutschland zur Verfügung stehen, es zudem ein umfassendes Internetangebot gibt und das alles noch gemeinschaftlich finanziert wird.

Genau so, wie die Politik es in anderen Bereichen nicht zulassen darf, dass Staatssubventionen an einzelne Unternehmen gezahlt werden, die dann anderen unter ungleichen Wettbewerbsvoraussetzungen Konkurrenz machen, ist es auch ganz entscheidend, sich anzuschauen, wofür Rundfunkgebühren verwendet werden. Die sogenannten Rundfunkgebühren sind ja de facto eine Rundfunksteuer, bei der es gar nicht auf die tatsächliche Nutzung der Empfangsgeräte ankommt.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das ist falsch, Herr Kollege!)

Umso wichtiger ist es aber natürlich, dass nicht Angebote mit Rundfunkgebühren finanziert werden, damit andere Medienschaffende, zum Beispiel loka

le und regionale Zeitungen, nachher Konkurrenz von öffentlich-rechtlichen Angeboten bekommen.

In Zeiten digitaler Verbreitung des Internets mit steigender Tendenz wird die Qualität des Programms der Erfolgsschlüssel – auch zukünftig für die öffentlich-rechtlichen – sein. Wenn es eine Legitimation gibt, auch zukünftig gebührenfinanzierte Systeme zu haben, dann selbstverständlich die, dass wir qualitativ etwas erwarten und einfordern können, was allein unter kommerziellen Gesichtspunkten im privaten Bereich so nicht zu veranstalten ist, sodass wir auch in der Zukunft bezüglich der Qualität die klare Kernkompetenz bei den öffentlichrechtlichen Programmveranstaltungen sehen.

Der Zweck des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist die Sicherung gesellschaftlich relevanter, qualitativ hochwertiger und vor allem auch journalistisch anspruchsvoller Rundfunkprogramme. Der Auftrag ist es, die Allgemeinheit objektiv zu informieren, zur Meinungsbildung anzuregen, zu bilden, kompetent zu beraten und auch im Bereich der Unterhaltung niveauvoll zu sein.

Der treue Konsument erwartet also nicht die leichte Kost, sondern anspruchsvolle Inhalte. Da muss schon einmal die Frage berechtigt sein, wie denn in der Vergangenheit was alles im öffentlichrechtlichen Bereich finanziert wurde: der Flop von Bruce Darnell, die Einstellung der teuer eingekauften „Harald-Schmidt-Show“ oder die „Oliver-PocherShow“. Das alles sind Punkte, die Verantwortliche im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zunehmend ratlos machen. Junge Zuschauer kann man auf diese Art und Weise jedenfalls nicht gewinnen.

(Marc Jan Eumann [SPD]: Das stimmt nicht!)

Schaut man sich einmal an, welche Talkformate mittlerweile auch hier veranstaltet werden, sollte das einen schon sehr nachdenklich stimmen. Der Kollege Jarzombek hat in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen und die Frage gestellt: Wie kann es sein, dass zentrale Themen wie die Oberbürgermeisterwahl in der Landeshauptstadt als spektakuläre Nachwahl im öffentlich-rechtlichen Rundfunk so wenig stattfinden? – Stattdessen gibt es Leichtkostformate, Auswanderergeschichten, Trödelking, Kochshows, andere Coaching-, Lifestyle- oder Boulevardmagazine.

Schauen Sie sich die Programme einmal an: Da sind wir in den letzten Jahren auf die Rutsche geraten, wenn wir dem frühere Ansprüche des öffentlichrechtlichen Bereichs gegenüberstellen. Die jeweiligen dritten Programme machen sich teilweise parallel zur gleichen Sendezeit am Freitagabend mit Talkshows wechselseitig Konkurrenz. Ob all das auf Kosten der Allgemeinheit gebührenfinanziert veranstaltet werden muss, das kann man sich schon trefflich fragen.

Also: Der Drei-Stufen-Test soll es richten. In der Theorie hört sich das schön an. Die entscheidende

Frage ist aber, wie nachher in der Praxis damit umgegangen wird. Der Drei-Stufen-Test darf nicht zur Farce werden. Er ist ein durchaus interessant konstruiertes Instrumentarium. Entscheidend ist aber die tatsächlich sinngemäße Anwendung anstatt nur einer Pro-forma-Handhabung, um so möglicherweise noch eine Scheinlegitimation für bestimmte Programmveranstaltungen zu bekommen.

In der Praxis der sachgerechten Anwendung des Drei-Stufen-Tests wird sich vieles am Scheidewege für die Zukunft der öffentlich-rechtlichen – auch im Verhältnis zu privaten Anbietern – erweisen.

Deshalb ist uns wichtig, dass damit sachgerecht umgegangen wird und dass wir auf Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Rundfunkräte und -gremien setzen, für die das der Elchtest sein wird, damit der Drei-Stufen-Test nicht schnell im Graben landet.

Welcher Gutachter ist in der Branche tatsächlich unabhängig und kommt nicht durch Vernetzungen und Kontakte in die Kritik? Wer hat keine anderen wirtschaftlichen Interessen? Wer hat keine Querverbindungen zu kommerziellen Beauftragungen? – All das sind wichtige Fragen, die uns um der Unabhängigkeit der Resultate willen zukünftig beschäftigen und die wir laufend im Auge behalten müssen.

Zum Thema „Werbung und Sponsoring“. Der WDR allein nimmt jährlich rund 300.000 Millionen € Werbeeinnahmen ein. Dies ist Geld, das zusätzlich zu den Gebührenerträgen eingenommen wird und den Privaten fehlt. Insofern freut mich das Verständnis des Kollegen Eumann und dass auch er Bereitschaft aufbringt, nachzuvollziehen, dass wir eine Ertragsfestigkeit für die privaten Veranstalter brauchen, wenn wir mehrere Säulen in einer pluralen Rundfunklandschaft haben wollen. Das halte ich für eine richtige und wichtige Feststellung, die auch hier getroffen werden muss.

Wir können kein Interesse daran haben, dass die gegenwärtige Schwäche, insbesondere in Zeiten der Krise, die auch in der Finanzierungsstruktur privater Veranstalter spürbar wird, weiter andauert. Dann haben wir nämlich keine ehrliche und echte Konkurrenz zu öffentlicher Programmveranstaltung mehr. Das muss man ganz klar sehen.

Wir müssen sehr genau auf das Subliminal Advertising schauen, darauf, was an Produktplatzierungen und an anderen sponsoringrelevanten Inhalten stattfindet, auch wenn es sich nicht um direkte Formen der Werbung handelt. Das ist ja der Weg, den öffentlich-rechtliche Veranstalter in letzter Zeit sehr gerne gegangen sind. Da müssen wir kritische Wächter sein, damit sich diese Trends nicht verstetigen.

Das, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk und KEF behaupten, nämlich knapp 1,50 € zusätzlich an Gebührenbedarf zu haben, wenn Werbung, Sponsoring und verdeckte Formate im öffentlichrechtlichen Rundfunk entsprechend wegfallen, hal

ten wir für völlig unseriös, weil fiktiv in Rechnung gestellt wird, dass ganz aufwendige Neuproduktionen erfolgen müssen, um die Sendezeiten, die jetzt durch Werbung abgedeckt werden, zu füllen. Das sehen wir ganz klar nicht so.

Letzter Aspekt, die Gebührenreform, zu der sich auch meine Vorredner geäußert haben: Wir sind ausdrücklich der Auffassung, dass es ein veraltetes Verständnis ist, alleine auf das Bereithalten eines Empfangsgerätes abzustellen. Es wurde hier zutreffend gesagt, dass das für Unternehmen, Privatleute, Hotels, öffentliche Einrichtungen, Bildungseinrichtungen nicht sachgerecht ist. Das kann nicht sein. Wir brauchen ein neues Konzept.

(Das Ende der Redezeit wird signalisiert.)

Wir haben deshalb als FDP schon seit Längerem das Modell einer allgemeinen Haushaltsabgabe vorgestellt. Das ist sicherlich besser als eine geräteabhängige Gebühr und sichert trotzdem die Ertragsbasis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dadurch könnten zugleich diejenigen Bürger, die heute öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen müssen, viel Geld sparen. Ich glaube, wir müssen stärker in diese Richtung denken. Wir sind gerne bereit, Ihnen bei der weiteren Beratung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrages in den Gremien des Landtages dieses Modell näher zu erläutern. – Vielen Dank.