Wir haben deshalb als FDP schon seit Längerem das Modell einer allgemeinen Haushaltsabgabe vorgestellt. Das ist sicherlich besser als eine geräteabhängige Gebühr und sichert trotzdem die Ertragsbasis für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dadurch könnten zugleich diejenigen Bürger, die heute öffentlich-rechtlichen Rundfunk bezahlen müssen, viel Geld sparen. Ich glaube, wir müssen stärker in diese Richtung denken. Wir sind gerne bereit, Ihnen bei der weiteren Beratung dieses Rundfunkänderungsstaatsvertrages in den Gremien des Landtages dieses Modell näher zu erläutern. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Witzel. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Abgeordnete Kollege Keymis das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute den Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu beraten. Herr Minister Krautscheid hat sich bei der Einbringung des Gesetzentwurfs redlich bemüht, das koalitionäre Spannungsfeld halbwegs aushaltbar für ihn am Pult zu gestalten. Das ist ihm bedingt gelungen.
Das Problem bleibt natürlich bestehen. Wir haben es mit einem horrenden Werk zu tun. Für die, die es noch nicht kennen – ich nehme an, es sind viele Kolleginnen und Kollegen –:
Das ist der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Er enthält eine riesige Begründung und vor allen Dingen eine wahnsinnig aufwendige Beschreibung aller Details, wie künftig Rundfunk in Deutschland nach dieser Maßgabe stattfinden soll.
men das Beispiel, was uns vorige Woche in der „FAZ“ Peter Schrader aufgeschrieben hat. Er hat uns erklärt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk plant, ein Kinderzusatzprogramm, ein Angebot für Vorschulkinder ins Internet zu stellen. Es soll sich www.kikaninchen.de nennen. Kikaninchen klingt schön. Darin steckt das Wort Kika. Und KiKa ist der Kinderkanal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Jetzt ist die Problematik nach diesen neuen Regelungen die, dass wir untersuchen müssen, ob dieses geplante Angebot in eine Marktkonkurrenz zu zwei Angeboten gerät, die es im Moment schon gibt. Beide sind schon erwähnt worden. Das eine ist TOGGOLINO von der RTL-Gruppe und das andere ist der Club Nick von MTV, die das Kinderfernsehen Nick betreiben.
Diese beiden Angebote werden mit Abonnements finanziert. Das heißt, die Leute, die sich da für ihre Vorschulkinder hineinklicken, zahlen eine jährliche Gebühr. Eben wurde ein Betrag genannt. 69 €, Herr Jarzombek, ist für manche auch Geld. Insofern ist das ein Abo-finanziertes Angebot der privaten Rundfunkanbieter, die zudem natürlich auch Werbeeinnahmen generieren, vielleicht nicht in diesen einzelnen Angeboten selbst, aber in ihrem Angebot drumherum, was sie in Rundfunk und Internet anbieten.
Jetzt haben wir folgende Aufgabe: Wir müssen jetzt untersuchen, ob das, was bisher völlig klar war, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Rahmen seiner Arbeit programmbegleitend auch im Internet etablieren kann, rechtens ist. Wir Grünen haben immer gesagt: Das Internet ist, weil Hörfunk und Fernsehen im Internet technisch heute möglich sind – das Stichwort kennen Sie alle: Es heißt Konvergenz –, die dritte Säule, die technisch sozusagen Rundfunk erlaubt und die Verbreitung möglich macht. Von daher kann hier aufgrund einer technischen Umstellung durch das Internet keine Einschränkung erfolgen.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat Bestands- und Entwicklungsgarantie. Das hat wiederum Verfassungsrang. Wir bewegen uns hier auf einem sehr hohen Level, an das man ohne Weiteres mit den einzelnen Marktbegriffen gar nicht herankommt.
Das Problem ist jetzt: Wir sollen das miteinander vergleichen. Das ginge folgendermaßen: Die Rundfunkgremien suchen sich entsprechende Gutachterinnen und Gutachter, Rechtsanwälte, Marktbeobachter und sonstige, die dann für viel Gebührengeld anfangen zu vergleichen, ob das jetzt vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk geplante Angebot www.kikaninchen.de möglicherweise im riesigen Internet einen Verdrängungswettbewerb gegenüber den beiden von mir eben genannten Privatrundfunkangeboten für Kinder eröffnet.
Das ist – Sie merken es selber, liebe Kolleginnen und Kollegen – eine absolut absurde Diskussion. Wir fangen an, ein Rad zu drehen, dessen Geschwindigkeit wir vermutlich nicht mehr beeinflussen können, weil auf die Art, jedenfalls aus meiner Sicht, Vergleichbarkeit nicht hergestellt werden kann.
Der von mir eben zitierte Peter Schrader hat auch die Gründe dafür in dem Artikel erklärt. – Eine bestimmte Firma hat, beauftragt vom Aufsichtsrat des MDR, das Gutachten – es hat übrigens 300.000 € Gebührengelder gekostet – erstellt. Herr Schrader schreibt dazu in der „FAZ“, dass aber die Zahlen, die eine Marktbewertung überhaupt erst ermöglichen würden, von den Firmen, sprich: von MTV und RTL, von den beiden Konzernen, die hinter dem Privatangebot stehen, gar nicht preisgegeben werden.
Mit anderen Worten: Es lässt sich eine marktliche Vergleichbarkeit so natürlich überhaupt nicht erzielen, weil man nicht weiß, welchen Markt die beiden Anbieter mit diesen von ihnen per Abo angebotenen Segmenten besetzen. Da sind wir meiner Ansicht nach an der Grundproblematik dieser Diskussion.
Der Zwölfte Rundfunkänderungsstaatsvertrag, dieses komplizierte Machwerk, ist in der Hauptsache wieder an dem Punkt gescheitert, dass es einen Drei-Stufen-Test fordert, der sehr viel Gebührengeld binden wird – Gelder für Gutachter, Rechtsanwälte, möglicherweise für Prozesse usw., Gelder, die nicht mehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk für das Programm Verwendung finden, sondern die dazu dienen, das bewährte System des öffentlichrechtlichen Rundfunks gegen Mitbewerber auf dem großen Markt der Meinungen verteidigen zu müssen.
Aus meiner Sicht ist das ein völlig untauglicher Versuch. Die Gebühren, die wir bezahlen, sind weder Zwangsgebühren noch eine Rundfunksteuer. Herr Kollege Witzel, das haben Sie gerade völlig falsch beschrieben;
da müssen Sie in Brüssel noch einmal nachfragen, das ist dort auch bewertet worden. Wir haben es mit einem öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem zu tun – was die Menschen auch wissen –, das Wert hat und auf der Welt einmalig ist und in seiner Vielfalt und seiner Qualität auch jenseits mancher Ausreißer, die es überall gibt, unschlagbar ist, aber jetzt geschlagen werden soll.
Das Problem ist folgendes: Wir haben auf der einen Seite private Anbieter, die Werbeeinnahmen haben und sich daraus im Wesentlichen finanzieren. Wir haben auf der anderen Seite den gebührenfinanzierten öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
Als Beispiel für einen Sender, der Werbeeinnahmen erzielt, nehmen wir einmal RTL mit rund 4 Milliarden € im Jahr, die im Moment in der Tendenz etwas
rückläufig sind, weil die Gesamtsituation – wie wir alle wissen – schwierig ist. Mit diesen 4 Milliarden € betreibt dieser Sender seine Programmangebote. Das ist so in Ordnung, gegen dieses System sagt an sich noch keiner etwas. Problematisch wird es da, wo man das, was die tun, mit dem vergleicht, was gebührenfinanziert ist.
Wir haben in Deutschland ein Gebührenaufkommen von rund 7 Milliarden €. Wenn wir uns dann, weil es eben so schön gemacht wurde, als Beispiel den WDR nehmen, der ja nur ein Teil dieses Gebührenaufkommens – etwa 1,2 Milliarden € – erhält, müssen Sie sehen, was von diesem Geld alles betrieben wird. Davon werden ein Rundfunkorchester und ein Chor unterhalten, davon wird eine Big Band bezahlt, davon werden viele kulturelle Angebote in ganz Nordrhein-Westfalen mit einer Breiten- und Flächenwirkung finanziert, wie sie sonst niemand leistet. Das heißt, der WDR ist in unserem Land ein Kulturträger.
Das sind der Sinn und die Aufgabe des öffentlichrechtlichen Rundfunks. Er hat einen Bildungs-, Kultur- und Informationsauftrag. Meine Fraktion und ich möchten, dass das so bleibt und dass das nicht durch unsinnige Drei-Stufen-Tests und andere Dinge infrage gestellt wird.
Mein Eindruck ist – ich habe das Ihren Äußerungen, Herr Jarzombek und Herr Witzel, entnommen –, dass es eigentlich kein Drei-Stufen-Test in Bezug auf das ist, was diese verschiedenen Sender produzieren und vortragen wollen. Es ist vielmehr ein Gremientest. Es geht darum zu testen, ob die Gremien, die sich aus Ehrenamtlichen zusammensetzen, die das alles nebenbei machen und aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen stammen, überhaupt in der Lage sind, alles zu überschauen, was da passiert.
Wenn man da ganz nüchtern herangeht – denn wir sind ja hier im Haus nicht bescheuert; das hoffe ich jedenfalls –,
sind wir uns alle darüber im Klaren, dass es kein einzelnes Gremienmitglied gibt, das alles, was ein einzelner Sender – nehmen wir einmal den WDR – im Internet, in den verschiedenen Sendern, im Hörfunk wie im Fernsehen – ARD und das dritte Programm – anbietet, überblicken und eine Bewertung vornehmen kann.
Herr Keymis, Sie hatten mich gerade angesprochen. Ich glaube nicht, dass das ein Gremientest ist – ganz und gar nicht. Da haben Sie mich wohl missverstanden. Ich halte dieses Modell auch für kompliziert. Aber wenn Sie es jetzt so kritisieren, möchte ich Sie fragen: Was ist denn Ihre Alternative zur Bewertung dieser Angebote? Und wenn man fern dieser Logik sagt: „Es gibt fünf Programme, und mehr dürft ihr nicht machen“, stellt sich die Frage, wie man da eine Definition des Auftrags und der Kosten erreichen kann.
Herr Jarzombek, das mit den Kosten hat vorhin der Minister für Medien erklärt. Die Frage der Kosten definiert sich aus dem Aufkommen der Gebühren. Mit anderen Worten: Irgendwann ist da eine Grenze dessen erreicht, was an Verbreitungsmöglichkeiten durch die ÖffentlichRechtlichen gegeben ist, weil die Gebühren nicht ins Unendliche steigen können. Sie befinden sich doch von vornherein in einem gewissen Korsett. Das wird übrigens von einer Einrichtung kontrolliert, die uns das Bundesverfassungsgericht aufgegeben hat, von der KEF. An dem Punkt gibt es immer eine Grenze, die vorgegeben ist. Das habe ich der Rede eben so entnommen.
Zum Zweiten bin ich gar nicht der Meinung, dass man die Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einen Vergleich zu den Privatanbietern setzen kann, Herr Jarzombek. Das eine ist das private und werbefinanzierte Fernsehen. Davon soll sich keiner täuschen lassen: Das bezahlen wir alle auch, nämlich durch unsere Produktkäufe; das ist kein Fernsehen für umsonst.
Natürlich ist das keine freie Entscheidung, sondern ich muss ja irgendetwas kaufen. Und das, was ich kaufe, finanziert die Werbeeinnahmen und damit den Rundfunk. Das ist keine freie Entscheidung und findet genau im System statt.
Dieses, Herr Jarzombek, ist der Unterschied. Aus meiner Sicht müssen wir diese aufwendigen Tests gar nicht durchführen. Das kulminiert übrigens, wenn ich das in die Antwort noch einfließen lassen darf, an dem Punkt, wo wir bis zum eben genannten Datum 31. August 2010 alles, was bisher öffentlichrechtlich ins Internet gestellt wurde, noch einmal durch diesen Drei-Stufen-Test laufen lassen müssen. Man muss sich einen Moment überlegen, was das heißt. Ein völliger Irrwitz, der aus meiner Sicht zeigt, dass das Regelungswerk, das wir hier vor uns
Ich glaube, dass das Internet weder an dem Punkt noch als Marktinstrument regulierbar ist. Die öffentlich-rechtlichen Angebote sind vielmehr dadurch reguliert, dass sie in einem bestimmten Gebührenrahmen und werbefrei im Internet stattfinden müssen. Die anderen haben dagegen alle Freiheiten, das im Internet zu tun, was sie ansonsten nicht lassen wollen.
Daher bin ich der festen Überzeugung, dass wir mit dem Zwölften Rundfunkänderungsstaatsvertrag keinen Fortschritt erzielt haben, sondern im Grunde – und es ist interessant, dass gerade die Deregulierer das fordern – mehr reguliert haben, als uns lieb sein kann.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat Bestands- und Entwicklungsgarantie, hat Verfassungsrang. Das andere ist ein privates Angebot, gegen das niemand etwas hat, aber das nicht gleichrangig mit dem Angebot des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anzusehen ist.
An dem Punkt unterscheiden wir uns eben fundamental. Das wird vermutlich bedeuten, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk weiter so stärken wollen und dass wir diesen Staatsvertrag, so wie er jetzt vorliegt, werden ablehnen müssen.
Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Als nächster Redner hat für die Landesregierung noch einmal Herr Minister Krautscheid um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Minister.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eine Ergänzung habe ich noch, weil ich beobachte, dass jetzt die Kriterien ein wenig durcheinander geraten sind.