Protocol of the Session on February 12, 2009

Augenscheinlich ist dieser Verein inzwischen ein tragendes Element eines Netzwerkes antijüdischer Organisationen in Deutschland geworden, immerhin mit einer Organisationskraft, rund 2.000 Menschen am 17. Januar in Duisburg auf die Straße zu bewegen.

Um eines klarzustellen: Es geht nicht darum, die politische allgemeine Zielrichtung dieses Vereines zu kritisieren. Seine Meinung frei zu äußern, auch zum Krieg im Gaza-Streifen, muss in diesem Land gestattet sein, auch wenn das gelegentlich äußerst unbequem und kaum erträglich erscheint. Aber das Recht auf freie Meinungsäußerung muss für alle gelten.

Wenn aber dieses Recht der freien Meinungsäußerung missbraucht oder sogar der Rechtsmissbrauch organisiert wird, wenn Andersdenkende bedroht werden: Da ist der Punkt, bei dem die Politik überlegen muss, ob ein solcher Verein als freier zugänglicher Verein für alle Mitglieder, frei zugänglich auch in allen Medien tatsächlich noch Bestand haben darf.

Herr Präsident, mit Ihrer Erlaubnis möchte ich aus der Dokumentation des Südwestrundfunks zitieren, wonach ein Mitglied dieses Vereins während der Demonstration am 17. Januar angesichts der Tatsache, dass zwei Jugendliche am Rande dieser Demonstration eine israelische Fahne schwenkten, Folgendes gesagt hat: Wo ist der Hitler? Wo ist der Hitler? Der hätte die alle fertig gemacht.

Das ist eine Äußerung, meine Damen und Herren, die zwar, isoliert betrachtet, kein Vereinsverbot rechtfertigt, aber das ist beispielhaft für den größten antisemitischen und antijüdischen Aufmarsch, den Deutschland in den letzten Jahrzehnten am 17. Januar hat ertragen müssen. Solche Äußerungen wurden in erheblichem Umfang vonseiten der Organisatoren, der Mitglieder dieses Vereins in die Öffentlichkeit hinaus getätigt.

Wir glauben, dass, nachdem man unter taktischen, strategischen Aspekten geprüft hat, ob man verfassungsfeindliche Organisationen nicht vielleicht auch deshalb belässt, um sie gut beobachten zu können, hier ein Punkt erreicht ist, bei dem eine massive antijüdische, antiisraelische Stimmung nicht nur von diesem Verein geschürt, sondern offensichtlich auch organisiert ist, was Anlass gibt, hier tatsächlich zu prüfen, ob ein solches Vereinsverbot möglich ist. Darüber sollte der Landtag beraten und vom Innenministerium unterrichtet werden.

Ich darf in dem Zusammenhang abschließend noch den Kollegen Bosbach, den innenpolitischen Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion, zitieren, der wörtlich am 19.09.2009 erklärt hat:

Nach den Vorkommnissen der letzten Woche und auch nach den öffentlichen Erklärungen dieser Organisation bin ich ziemlich sicher, dass jetzt der Verfassungsschutz noch einmal ganz besonders genau hinsieht und dass die zuständigen Behörden prüfen werden, ob die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren vorliegen.

Bei aller Wertschätzung für den Kollegen Bosbach: Das ist kein Bundesthema, das ist ein Landesthema, weil es ein Verein ist, der ausschließlich in Nordrhein-Westfalen tätig ist und organisiert ist.

Wir sind gespannt auf den Bericht des Innenministeriums und hoffen, dass wir eine von allen Fraktionen getragene Diskussion auch im Innenausschuss haben werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Jäger. – Herr Preuß von der CDU-Fraktion, Sie haben das Wort, bitte.

Herr Präsident ! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag zielt auf eine Überprüfung, ob der Verein – ich kürze ihn ab –

HDR verboten werden kann. Es versteht sich zunächst einmal von selbst, dass dann, wenn verfassungsfeindliche Aktivitäten erkennbar sind, der Innenminister als zuständige oberste Landesbehörde Ermittlungen aufzunehmen und zu prüfen hat, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Vereinsverbot auszusprechen ist.

Deshalb erübrigt sich aus Sicht der CDU-Fraktion der vorliegende Antrag.

Es ist aber völlig richtig – Herr Jäger hat es auch zitiert –: Der Verfassungsschutz selbst sieht ausweislich des Verfassungsschutzberichts des Landes Nordrhein-Westfalen von 2007 Anhaltspunkte für den Verdacht von Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 4 Verfassungsschutzgesetz NRW.

Diese Anhaltspunkte werden gestützt auf Reden des Vorsitzenden des Vereins und auf Flugblätter der Organisation, die, wie es heißt, immer wieder antiwestliche und vor allem antiamerikanische sowie antijüdische Propaganda enthalten, die gegen die Gedanken der Völkerverständigung verstoßen. In einem Grußwort wird ausgeführt, uneingeschränkte Solidarität gehöre denen, die den Kampf gegen das abendländische Empire aufgenommen haben, und das mit allen Mitteln auf allen Wegen. – Das findet selbstverständlich unsere Missbilligung.

Ob Verlautbarungen, Reden oder Grußworte mit verfassungsbedenklichen Inhalten ausreichen, um die Verfassungswidrigkeit einer Organisation mit der Folge eines Verbotsverfahrens nachzuweisen, hat selbstverständlich die zuständige Behörde zu prüfen und zu klären.

Aus der Satzung bzw. dem in der Satzung beschriebenen Vereinszweck, wie er im Verfassungsschutzbericht auch dargestellt ist bzw. sich aus der Satzung ergibt, lässt sich die Verfassungswidrigkeit wohl kaum ableiten. Danach setzt sich der Verein für die Abschaffung aller Hindernisse ein, die die Menschenrechte einschränken und mit den Grundzügen von Gerechtigkeit nicht vereinbar sind.

Es wird aber darauf ankommen, welchen Zweck der Verein tatsächlich verfolgt. Die Verfassungswidrigkeit muss an Tatsachen festgemacht werden können. Wir alle wissen, dass das Vereinsverbot Ultima Ratio ist, wobei auch die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und auch der Zweckmäßigkeit zu prüfen sind. Diese Hürden sind aus Gründen, die in unserer Verfassung liegen, und auch aus Achtung vor unserer Verfassung sehr hoch. Es wird darauf ankommen, ob anhand der Organisationsstrukturen des Vereins Tatsachen festgestellt werden können, die den Schluss zulassen, dass verfassungsfeindliche Ziele in kämpferischer, aggressiver Form verfolgt werden, die die Verfassungsfeindlichkeit des Vereins auch unter Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit und der Zweckmäßigkeit begründen.

Diese Prüfung im Detail wird der Landtag nicht leisten können. Meine Damen und Herren, die Verfas

sungsschutzorgane genießen unser volles Vertrauen. Für uns besteht kein Anlass, die Arbeit der Verfassungsschutzorgane anzumahnen. Der Antrag ist insoweit überflüssig, weil es permanenter gesetzmäßiger Auftrag der Behörde ist, verfassungsfeindliche Tendenzen zu erfassen und gegebenenfalls zu ahnden.

Wir stimmen der Überweisung des Antrags in den Ausschuss selbstverständlich zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Auf den Weg macht sich der Kollege Engel von der FDP-Fraktion. Er hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anlass Ihres Antrags, Herr Jäger, sind bedauerliche Vorkommnisse bei einer Demonstration der HDR am 17. Januar 2009 in Duisburg gegen den Gazakrieg. Sie fordern die Landesregierung auf, ein Verbot des Vereins „Organisation für Würde und Rechte der Menschen“ – HDR –, der in NRW 50 Mitglieder hat, zu prüfen und gegebenenfalls auszusprechen.

Herr Kollege Jäger, damit das klar ist: Wer antideutsche oder antiisraelische Propaganda in Deutschland betreibt und entsprechende Parolen ausruft oder wer sich ansonsten gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder deren friedliches Zusammenleben wendet, der gehört vom Verfassungsschutz überwacht, und dessen Vereinigung wird bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen verboten. Das ist eindeutig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie in Ihrem Antrag schreiben, wird der Verein deshalb auch längst vom Verfassungsschutz NRW überwacht und im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen erwähnt.

Ich darf wiederholen: Nach § 3 Verfassungsschutzgesetz NRW ist es per Gesetz – und dafür bedarf es keiner Aufforderung durch einen Plenarantrag – Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden – das hat Herr Preuß richtig herausgearbeitet –, Informationen zu sammeln und auszuwerten, soweit tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht von – ich zitiere –

Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind

oder – Zitat –

Bestrebungen und Tätigkeiten, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Artikel 26 des Grundgesetzes) gerichtet sind,

vorliegen.

Diesen Verdacht hat man im Verfassungsschutzbericht dargelegt. Ein Verbot fordert aber mehr; das wissen wir. Artikel 9 Abs. 2 Grundgesetz besagt, dass Vereinigungen,

deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen, die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen die Gedanken der Völkerverständigung richten,

verboten sind. Aber auch § 3 Vereinsgesetz ist zu beachten. Er sagt schließlich zum Verbot von Vereinen:

Ein Verein darf erst dann als verboten (Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes) behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass seine Zwecke oder seine Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder dass er sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen.

Sobald also nicht mehr als nur ein Verdacht besteht, sondern die verfassungsfeindlichen Bestrebungen belegt sind, kommt ein Verbotsverfahren in Betracht. Verbotsbehörde ist der Innenminister – auch das ist gesagt worden –, sofern die Organisation und Tätigkeit sich auf das Gebiet des Landes Nordrhein-Westfalen beschränkt, ansonsten der Bundesinnenminister.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, noch einmal zu § 14 Vereinsgesetz. Das Verbot von – in Anführungszeichen – „Ausländervereinen“, das heißt solchen, „deren Mitglieder oder Leiter sämtlich oder überwiegend“ nicht EU-Ausländer sind, ist unter erleichterten Bedingungen möglich. Denn nach Artikel 9 Grundgesetz stellt das Grundgesetz der Vereinigungsfreiheit ein sogenanntes Deutschengrundrecht dar. Für sonstige Ausländer gilt die Vereinigungsfreiheit nur eingeschränkt über die allgemeine Handlungsfreiheit nach Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz.

Die Prüfung – ich komme zum Schluss – der Möglichkeit hinsichtlich § 19 Vereinsgesetz als Ermessensnorm der Zweckmäßigkeit vereinsrechtlicher Verbote ist somit eine permanente Aufgabe der zuständigen Behörde. Demnach wird auch in diesem Fall nach den inakzeptablen Vorkommnissen in Duisburg geprüft, ob die Voraussetzungen für die Einleitung eines Verbotsverfahrens vorliegen. Auch muss klar feststehen, dass NRW und nicht der Bund für ein etwaiges Verbot zuständig ist; denn, wie gesagt, der von der SPD-Fraktion zitierte Verfassungsschutzbericht 2007 ist bereits ein Jahr alt.

Wir stimmen der Überweisung in den Fachausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Herzlichen Dank, Kollege Engel. – Jetzt spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Düker.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Verfassungsschutz ist dafür da, Informationen zu beschaffen und auszuwerten über Bestrebungen – das ist mehrfach gesagt worden –, die unter anderem auch gegen den Gedanken der Völkerverständigung oder das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind. Richtigerweise wird HDR daher vom Verfassungsschutz beobachtet. Dass dies passiert, ist eindeutig nachweisbar in Schriften und Reden.

HDR ist antiwestlich, antiamerikanisch und verfasst antijüdische Propaganda. Wenn man sich die Kooperationspartner anschaut, mit denen sie sich zusammentun, so ist das – das sage ich Ihnen ganz offen – eine recht gruselige Liste, die sich da auftut.

Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, das eine ist die Beobachtung durch den Verfassungsschutz und das andere das Vereinsverbot. Zwar sieht unser Recht für das Vereinsverbot eine deutlich niedrigere Schwelle vor als beispielsweise beim Parteienverbot – wir haben das eine oder andere Mal auch über das NPD-Verbot diskutiert –, aber auch beim Vereinsverbot reicht die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht natürlich nicht; sonst bräuchten wir bald keinen Verfassungsschutzbericht mehr, weil der Innenminister dann alle diejenigen, die sich darin tummeln, verbieten könnte. Dann bräuchten wir uns diesen Bericht nicht jährlich vorlegen zu lassen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Von daher muss man noch einmal genau hinschauen.

(Zuruf von Ralf Jäger [SPD])

Ich rege mich darüber auf, Kollege Jäger, was in Duisburg passiert ist. Darüber regen wir uns alle auf. Aber man darf nicht suggerieren, hier passiere etwas und morgen könnten wir so mal eben mit dem Verbot kommen.

(Beifall von den GRÜNEN)