Protocol of the Session on January 29, 2009

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Da haben Sie, meine ich, noch einiges nachzuarbeiten. Ihre Arbeitsmarktpolitik besteht aus Reden, aus kleinen Schritten, die an vielen Stellen nicht falsch sind. Dazu kann ich auch sagen: Es ist richtig, dass Sie das machen. – Aber bei den Schritten, die wirklich notwendig wären, die den Menschen nachhaltig helfen würden, kneifen Sie. Es mag sein, dass Sie vor Ihrem Koalitionspartner und Ihrer Fraktion kneifen. Denn ich glaube, dass Sie sich angesichts dessen, was Sie sonst an vielen Stellen vertreten, eigentlich hier hinstellen und sagen müssten: Ja, der Mindestlohn ist das richtige Instrument.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Steffens. – Als Nächster hat Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich sagen, dass wir heute eine Haushaltsdebatte haben und uns über den Haushalt für Arbeitsmarktpolitik im Land Nordrhein-Westfalen unterhalten. Ich kann als Minister gut mit dem leben, was in der Debatte gesagt worden ist. Denn viele Rednerinnen und Redner der Opposition haben sich eher auf Allgemeinplätze zurückgezogen, als zu diesem Haushalt zu sprechen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Lesen Sie noch einmal nach!)

Die Wahrheit ist, dass der Haushalt, den wir Ihnen für das Jahr 2009 vorlegen, eine Fortsetzung einer neuen Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen ist, die wir im Jahre 2005 begonnen haben: nämlich, in der Arbeitsmarktpolitik von unheimlich vielen Modellprojekten Abschied zu nehmen und zu großen Programmlinien zu kommen, die den Menschen in Nordrhein-Westfalen eine verlässliche Orientierung geben sollen, wenn sie Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben.

Diese Programmlinien, die wir entwickelt haben, haben einen tiefen Sinn. Ich kann mit der Arbeitsmarktpolitik keine Arbeitsplätze schaffen, die nicht

da sind, sondern ich kann mit der Arbeitsmarktpolitik einen Beitrag dazu leisten, dass Menschen eine faire Chance durch Bildung, Qualifizierung und Teilhabe an Arbeit haben.

Deswegen ist es ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen, auch im Jahre 2009 die vielen Programme fortzusetzen, die wir rund um den Bereich des Übergangs von Schule in den Beruf und im Bereich des dualen Berufsausbildungssystems durchführen.

Das Lehrstellenprogramm, das wir vor zwei Jahren aufgelegt haben – immerhin gibt es 3.300 Lehrlinge, die jetzt alle im zweiten Lehrjahr sind –, muss weiterfinanziert werden. Wir sorgen damit auch dafür, dass die überbetrieblichen Ausbildungswerkstätten des Handwerks und der Industrie- und Handelskammern mit erheblichen Summen unterstützt werden, um ihre wichtige Aufgabe zur Ergänzung des dualen Berufsausbildungssystems wahrzunehmen.

Das Werkstattjahr gibt denjenigen, die noch keine Chance auf eine Lehrstelle haben, nach Beendigung der allgemeinen Schulpflicht die Möglichkeit, neben zwei Tagen Berufsschulbesuch pro Woche auch drei Tage in eine Werkstatt zu gehen – ein Programm, das es zu Ihrer Zeit gar nicht gab, weil Sie sich um die Leute nicht gekümmert haben. Das Werkstattjahr mit mehr als 5.000 Jugendlichen in unserem Land wird konsequent fortgeführt.

Ich bleibe dabei, dass man in Nordrhein-Westfalen keine Arbeitsmarktpolitik von Modell zu Modell machen darf, sondern in einem Land mit 18 Millionen Einwohnern braucht man dafür klare Strukturen und klare Programmlinien.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein weiterer Punkt unserer Arbeitsmarktpolitik ist die nachhaltige Qualifizierung von Menschen, die in Arbeit sind. Der Bildungsscheck in NordrheinWestfalen mit jetzt mehr als 200.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern ist die größte Weiterbildungsoffensive, die es im Bereich der beruflichen Weiterbildung je in Europa gegeben hat. Ich finde schon, dass das ein Instrument geworden ist, bei dem wir erheblich daran mitgewirkt haben, dass wir das Thema lebenslanges Lernen breit in der Arbeitnehmerschaft unseres Landes verankern.

Ein weiterer Punkt in unserer Arbeitsmarktpolitik ist, dass wir Unternehmen helfen, wenn sie in den Betriebsabläufen Probleme haben, etwa durch die Potenzialberatung. Diese Unternehmensberatung ist nicht darauf angelegt zu sagen, ihr seid zu teuer und solltet an einen anderen Standort gehen, sondern es geht um eine inhaltlich vorbestimmte Unternehmensberatung mit dem Ziel, es an dem Standort, an dem man ist, mit den vorhandenen Belegschaften besser zu machen. Das zeigt enorme Wirkungen.

Ich werde an diesen Programmlinien Schritt für Schritt weiter festhalten. Ich werde Ihre Politik, die Sie früher gemacht haben, als Sie von Modellprojekt zu Modellprojekt gehüpft sind, nicht wieder einführen. Die neuen Linien haben sich bewährt.

(Beifall von CDU und FDP)

Ein weiterer Punkt: Arbeitsmarktpolitik und Landesarbeitsminister hängen so zusammen, dass man sich auch in gesellschaftspolitische Debatten einmischen muss, wenn es um die Arbeitswelt geht. Natürlich – viele Redner haben es heute gesagt – ist die Frage der Lohnfindung dabei ein entscheidendes Thema. Auch hier ist die Position der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen unabdingbar klar: Wir wollen keinen staatlichen Mindestlohn. Wir wollen soziale Marktwirtschaft, und das heißt, dass die Lohnfindung bei den Tarifvertragsparteien liegt.

(Beifall von CDU und FDP)

Deswegen haben wir in meinem Haus eine Politik gemacht, bei der wir uns erheblich bemüht haben, dass Tarifverträge da, wo sie in NordrheinWestfalen nicht mehr vorhanden waren, wieder zustande kommen. Ich freue mich darüber, dass wir im Gaststättenbereich, bei den Friseuren und beim Wachgewerbe heute Tarifverträge haben. Ich habe diese Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklärt.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie Ihre Vorgän- ger!)

Damit sind in Nordrhein-Westfalen ca. 230.000 Menschen nicht nur durch staatlich festgelegte Mindestlöhne, sondern durch in den Branchen festgelegte Mindestlöhne heute vor Lohndumping geschützt.

(Beifall von der CDU)

Wenn Sie jetzt richtigerweise sagen – darüber freue ich mich auch –, dass das Entsendegesetz in Berlin weitere Branchen aufnimmt. Auch hierzu hat die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen eine klare Position. Wir haben schon damals in der Auseinandersetzung um den Post-Mindestlohn im Kabinett ganz klar entschieden, dass wir in Ausnahmefällen auch die Aufnahme von Branchen ins Entsendegesetz für richtig halten. Das steht im Protokoll der damaligen Kabinettsitzung.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Waren die FDP- Minister da nicht da?)

Aber zu dem, was Sie zurzeit über das Entsendegesetz in Berlin sagen: So richtig wie das ist, dass diese fünf Branchen aufgenommen werden – von diesen fünf Branchen werden in Nordrhein-Westfalen nicht so viele Arbeitnehmer erfasst wie durch die Allgemeinverbindlichkeiten, die ich in den letzten drei Jahren gemacht habe.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Wie Ihre Vorgän- ger!)

Aber trotzdem ist es richtig. Der Unterschied ist nur: Scholz kommt jetzt um die Ecke, und wir haben es bei uns im Land schon längst gemacht.

(Beifall von der CDU)

Ein weiterer Punkt, den man in diesem Zusammenhang ansprechen muss und der in einer Haushaltsdebatte zu Beginn des Jahres 2009 nicht fehlen darf, ist, dass wir natürlich nicht wissen, wie der Arbeitsmarkt im Sommer aussehen wird. Ich weiß es nicht. Ich glaube, dass es niemand weiß. Aber ich finde, wenn man jetzt im Januar 2009 weniger Arbeitslose hat als im Januar 2008 – im Januar 2008 gab es in Nordrhein-Westfalen rund 800.000 Arbeitslose, jetzt haben wir rund 781.000 –, dann will ich in aller Ruhe sagen, dass die Arbeitslosigkeit in Nordrhein-Westfalen vor zwölf Monaten höher war als im Januar 2009.

Es ist wichtig, dass man das in der heutigen Zeit einmal sagt. Denn dem Arbeitsmarkt schadet nichts mehr, als eine Krise zu überhöhen. Man muss sich die Fakten in aller Ruhe anschauen und im Auge behalten.

Ich weiß, dass es in dieser Situation die Aufgabe meines Ministeriums sein wird, die Möglichkeiten, die die Bundesagentur für Arbeit etwa beim Kurzarbeitergeld hat, in Nordrhein-Westfalen in den Strukturen so zu gestalten, dass auch die kleinen und mittelständischen Betriebe davon profitieren können. Die großen Betriebe bekommen das so hin. Aber wir brauchen zum Beispiel ein Angebot für den Anstreicher, der zwölf Mitarbeiter hat, damit er auch davon profitieren kann, wenn er Probleme hat. Darum werden wir uns in den nächsten Wochen zusammen mit der Regionaldirektion der Bundesagentur in Nordrhein-Westfalen sehr bemühen.

Zum Schluss möchte ich gerne sagen: Wir haben auch in der Arbeitsmarktpolitik der Zukunft noch einiges vor uns, wozu ich auch nicht immer eine Antwort habe. Ich suche nach Lösungen, wie wir es schaffen, zum Beispiel den ca. 7.000 Abgängern von Förderschulen, die wir in Nordrhein-Westfalen Jahr für Jahr haben, stärker eine berufliche Integration zu ermöglichen. Mich treibt um, dass Kinder zum Beispiel aus der Förderschule mit dem Schwerpunkt Lernen so gut wie keine berufliche Perspektive haben. Liebe Leute, wir müssen doch etwas ausfindig machen, dass die Jugendlichen auch ihren Platz in der Arbeitswelt finden. Uns liegen darüber zu wenige Daten vor – darum hat sich auch bis jetzt niemand gekümmert –, aber wir werden dieses Thema konsequent anpacken.

(Beifall von der CDU – Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Ich nenne Ihnen einen weiteren Punkt, um den ich mich in den nächsten Monaten sehr kümmern werde und was mir ein Herzensanliegen ist. Ich habe Ende des letzten Jahres eine dreitägige Reise in die Türkei gemacht, um mich über die dortige Be

rufsausbildung zu informieren. Mich treibt schon um, dass etwa 75 % der jungen türkischen Männer in Nordrhein-Westfalen keinen beruflichen Abschluss haben. Wir müssen es – ohne gegenseitige Vorwürfe – gemeinsam schaffen,

(Sylvia Löhrmann [GRÜNE]: Fahren Sie mal nach Toronto!)

auch für diesen wichtigen Anteil unter den jungen Menschen in unserer Gesellschaft eine gute berufliche Perspektive hinzubekommen. Denn über eines sollten wir uns im Klaren sein: Die Frage, ob wir in Nordrhein-Westfalen in 15 Jahren noch gut leben, hängt entscheidend damit zusammen, ob die Kinder, die heute in unseren Grundschulen sind, vernünftige Berufsabschlüsse erhalten oder nicht.

(Beifall von CDU und Holger Ellerbrock [FDP])

Aber wenn wir so weitermachen, gelingt es vielen Kindern etwa aus Migrationshaushalten nicht. Mit Billiglohnleuten, mit ungelernten Arbeitnehmern werden wir unseren Wohlstand nicht verteidigen.

(Beifall von der CDU)

Wenn 38 % der Kinder im ersten Schuljahr einen solchen Hintergrund haben, dann muss man sich darum kümmern. Die Schulministerin tut alles, was notwendig ist – eine erhebliche Veränderung, für die ich als Arbeitsminister dankbar bin.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Das war jetzt Wunschdenken! – Gerda Kieninger [SPD]: Das hätten Sie gerne!)

In der Bildungspolitik, aber auch in der Arbeitsmarktpolitik müssen wir uns kümmern, dass diese jungen Leute eine Lehrstelle und einen Gesellenbrief bekommen. Wenn sie den haben, werden sie, glaube ich, eine gute Zukunft in unserem Land haben und ihren Beitrag dazu leisten können, dass es uns in Nordrhein-Westfalen in 15 Jahren noch gut geht.

Deswegen ist der Arbeitsminister gar nicht darauf aus, mit Modellprojekten schnelle Erfolge zu erzielen, sondern meine Politik ist – wie es sich für einen richtigen Konservativen gehört – auf Langfristigkeit und Nachhaltigkeit ausgerichtet. Weil die Landesregierungen in Nordrhein-Westfalen nur gelegentlich wechseln, habe ich auch die Zeit, dieses Schritt für Schritt umzusetzen. – Schönen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Als Nächster spricht der fraktionslose Abgeordnete Sagel.

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Zunächst muss man feststellen, dass wir jetzt NRW in der Krise erleben.

Wir hatten einen Aufschwung, für den Sie von den Koalitionsfraktionen nicht verantwortlich waren. Sie können sich natürlich mit Zahlen brüsten, für die Sie letztlich nichts können.

Fakt ist: Wir haben mittlerweile über 800.000 Menschen, die arbeitslos oder von Kurzarbeit betroffen sind. Ministerpräsident Rüttgers ist nicht mehr der selbst ernannte Arbeiterführer, sondern der Führer der Arbeitslosen. Das ist die reale Situation in Nordrhein-Westfalen.