Protocol of the Session on January 29, 2009

(Beifall von der FDP)

Zusätzlich darf man bei all dem auch die Haushaltskonsolidierung keinesfalls aus den Augen verlieren.

Vor diesem Hintergrund noch ein paar Punkte zum Haushalt speziell: Herr Minister Laumann hatte schon im Dezember 2007 darauf hingewiesen, dass der Europäische Sozialfonds für die Arbeitsmarktpolitik in Nordrhein-Westfalen fast unentbehrlich ist. Insgesamt 684 Millionen € erhält das Land in der Förderphase 2007 bis 2013. Das ist eine Menge Geld. Die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen haben immer wieder betont, wie sie diese Mittel verwenden wollen: sehr konzentriert auf wichtigen Handlungsbedarf und vor allem präventiv.

Auch 2009 liegt der Schwerpunkt der arbeitspolitischen Maßnahmen auf dem Ziel, Ausbildungs- und Arbeitsplätze in NRW zu erhalten und gegebenenfalls neu zu schaffen. Unsere besondere Aufmerk

samkeit liegt erneut auf dem Bereich benachteiligter Jugendlicher, vor allem bei den sogenannten Altbewerbern um einen Ausbildungsplatz.

Das Werkstattjahr wird dabei wieder eine herausragende Rolle spielen. Dieses Instrument hat sich wirklich bewährt, weil es Jugendlichen eine echte Chance bietet, auf dem Arbeits- und Ausbildungsmarkt Fuß zu fassen und ihre Fähigkeiten zu erproben. Für dieses Jahr sind mittlerweile 5.050 Jugendliche angemeldet.

Noch stärker als in den letzten Jahren stehen dabei drei Problemgruppen im Mittelpunkt: Jugendliche mit besonderen Vermittlungsproblemen, Jugendliche, die sonderpädagogisch gefördert werden müssen, sowie Jugendliche ohne Schulabschluss. Dafür stehen rund 27 Millionen € aus Landesmitteln und aus Mitteln der EU zur Verfügung. Ich denke, dass dieses Geld gut angelegt ist. Denn gerade diese Gruppe ist sonst massiv von Langzeitarbeitslosigkeit und allen sozialen Folgeproblemen bedroht.

Auf weitere konkrete Maßnahmen ist Kollege Brakelmann schon eingegangen: Betrieb und Schule, Programm „Ein-Topf“, 3. Weg in der Berufsausbildung, Verbundausbildung, überbetriebliche Lehrlingsunterweisung. All diese Maßnahmen zeigen, dass wir dort, wo EU-Finanzierung stattfindet, Schwerpunkte gesetzt haben, die die Probleme wirklich angreifen.

Weitere Schwerpunkte der Arbeitsmarktpolitik richten sich auf Personen, die die Ausbildung bereits hinter sich haben und im Berufsleben stehen. Die Maßnahmen aus diesem Topf dienen dazu, Beschäftigungsfähigkeit dauerhaft zu erhalten. Die Aktivitäten der Landesregierung setzen zum einen mit der Potenzialberatung bei den Betrieben an. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass es vor allem die kleinen Betriebe sind, die wissen, wo ihr persönlicher Investitionsbedarf ist. Sie nutzen dieses Instrument, um sich auf die Anforderungen der Zukunft vorzubereiten. Um diese Betriebe weiterhin zu unterstützen, sind 7,5 Millionen € eingeplant.

Zum anderen soll der Weiterbildungsbedarf von Mitarbeitern gedeckt werden. Lebenslanges Lernen ist unverzichtbar, um den beruflichen Anforderungen dauerhaft gewachsen zu sein. Zudem eröffnen sich für die einzelnen Beschäftigten durch gezielte Fort- und Weiterbildung vielfältige Aufstiegschancen im Betrieb; auch die Gründung oder Übernahme eines eigenen Betriebes ist möglich. Zu diesem Zweck gibt es den Bildungsscheck in NordrheinWestfalen, ein Renner der NRW-Arbeitsmarktpolitik. Seit Februar 2008 können auch Berufsrückkehrerinnen den Bildungsscheck nutzen, der damit auch ein Beitrag zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist.

Abschließend möchte ich noch die Zielgruppe erwähnen, die von den Beschäftigungsengpässen besonders betroffen sein wird: Menschen mit Be

hinderungen. Der Sozialverband VdK hat in jüngster Zeit verstärkt auf das Problem hingewiesen. Ich freue mich wirklich, dass die Integrationsunternehmen mittels eines neuen Förderprogramms unterstützt werden und in den nächsten drei Jahren 10 Millionen € erhalten, um 1.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland beteiligen sich mit weiteren 10 Millionen € an diesem Programm.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Das ist äußerst wichtig. Denn viele kranken Menschen brauchen gerade tagesstrukturierende Maßnahmen, um ihre Gesundheit wieder zu stabilisieren, aber auch, um einen Lebensinhalt zu haben. Sie kommen auf dem ersten Arbeitsmarkt nicht zurecht, und wir haben einen Bedarf, auch diesen Menschen eine Chance zu bieten. Dafür sind die Integrationsunternehmen, von denen es in Nordrhein-Westfalen noch viel zu wenig gibt, eine gute Möglichkeit.

(Beifall von der FDP)

Denn nicht jeder Mensch mit einer Behinderung oder Erkrankung findet in Behindertenwerkstätten, die wichtig sind und weiter von uns gefördert werden, das passende adäquate Angebot. Sie wollen sich zum Teil gar nicht behindert fühlen, sondern brauchen den geschützten Bereich in einem Integrationsunternehmen auch als Integrationsfaktor, weil dort behinderte mit nichtbehinderten Menschen zusammenarbeiten. Für diesen Faktor machen wir uns weiter sehr stark.

Sie sehen, die Koalition aus CDU und FDP macht eine zielgenaue Arbeitsmarktpolitik mit einem erheblichen Maß an sozialer Sensibilität, die wir fortsetzen werden. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Romberg. – Für die Fraktion der Grünen spricht Frau Kollegin Steffens.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man über den Haushalt zum Themenbereich Arbeitsmarktpolitik redet, muss man sich die aktuellen Zahlen und nicht die Entwicklungen von gestern ansehen. Die BA hat gerade für den Januar vorgelegt, dass nicht nur die saisonal bedingten Probleme – das kalte Wetter im Dezember – NRW hart erwischt haben, sondern auch die konjunkturellen Auswirkungen mit 781.000 Arbeitslosen in Nordrhein-Westfalen angekommen sind. Das ist eine große Last, die im kommenden Jahr auf uns liegt.

Uns allen ist klar, dass die Arbeitslosenzahlen noch weiter drastisch ansteigen werden, weil NordrheinWestfalen Exportland ist. Da reicht es nicht, einfach in den Spuren von gestern weiterzudenken und zu

argumentieren, welch wunderbare Zahlen vielleicht mal kurzfristig am nordrhein-westfälischen Horizont zu sehen waren, sondern jetzt sind andere Maßnahmen notwendig. Zu der Arbeitslosigkeit kommen in Nordrhein-Westfalen noch 45.000 Menschen in Kurzarbeit hinzu.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Im Januar!)

Im Januar. – Da Kurzarbeit nicht in allen Situationen absolut unproblematisch ist, befinden sie sich zum Teil in einer relativ prekären Lage. Sie ist zwar besser als Arbeitslosigkeit, vor allem dann, wenn sie mit Qualifizierung einhergeht, aber trotzdem müssen wir mehr Angebote und mehr Lösungen schaffen. Wir haben in der Debatte zum Wirtschaftsteil des Haushalts aus unserer Sicht schon einiges zum Konjunkturprogramm gesagt und dass das, was in Nordrhein-Westfalen in dem Bereich läuft, nicht ausreichend ist.

Wenn wir uns weiter ansehen, wer die Zielgruppen sind und was passiert, ist die Zunahme bei den unter 25-Jährigen ganz massiv. Ferner haben wir ein sehr großes Problem bei den über 50-Jährigen und den über 55-Jährigen. Das heißt, hier entstehen wieder bestimmte Problemgruppenbereiche. Dann muss man sich fragen, was in dem Bereich passiert.

Auch klar ist, dass die Zunahme im Bereich der Arbeitslosen mit Arbeitslosengeld I stärker ist, und zwar fünfmal höher. Beim Arbeitslosengeld II ist die Zunahme im Moment geringer. Das heißt: Die Leute, die jetzt arbeitslos werden, sind solche, die aus einem festen Beschäftigungsverhältnis heraus kommen.

Was heißt das? – Es bedeutet, dass diejenigen, die sich derzeit in Langzeitarbeitslosigkeit befinden, noch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt haben werden, als es schon bisher der Fall war, weil die neuen Erwerbslosen, die hinzukommen, schneller wieder in den Arbeitsmarkt integrierbar sind, wenn es Möglichkeiten gibt.

In dieser Situation, in der man weiß, dass es gerade ältere arbeitslose Menschen und Menschen, die lange arbeitslos sind, schwer haben werden, und vor dem Hintergrund, dass bei den Gerichten, auch in Nordrhein-Westfalen, immer mehr Verfahren gegen Bescheide der Regelsätze geführt werden, die von den Argen oder den Aktionskommunen bewilligt werden, und dass in Gerichtsverfahren immer öfter zu Recht der Kläger entschieden wird, schließt der Sozial- und Arbeitsminister von Nordrhein-Westfalen die Arbeitslosenzentren.

Ich finde das nicht nur zynisch, sondern extrem problematisch. Sie setzen sich im Ausschuss hin und sagen: Das ist alles kein Problem, wir ziehen uns aus der Finanzierung heraus, und alles geht in Nordrhein-Westfalen weiter. – Das ist aber nicht der Fall, das ist nicht passiert. Sondern wir haben Arbeitslosenzentren, die geschlossen werden mussten, und solche, die reduziert haben. Wir haben

welche, bei denen es zwar Teilfinanzierungslösungen gibt, aber dort sind Aufgaben weggefallen und komplette Beratungsbereiche weggefallen. Wir haben zum Teil Arbeitslosenzentren, die in eine Arge integriert sind und bei denen man sagen kann, das ist das Gegenteil einer unabhängigen Beratung. Ich finde es an der Stelle zynisch, die Mittel für diese Arbeitslosenzentren zu streichen und zu sagen, hierauf setzen wir kein Gewicht.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

In Zeiten, in denen die Menschen von Prekariat bedroht sind, wo Arbeitslosigkeit als Bedrohung im Raum steht, wo die Arbeitslosenzahl zunimmt und wo gerade von denjenigen, von denen man eigentlich die Hilfe und die Unterstützung bekommen sollte, immer mehr falsche Bescheide kommen, da brauchen die Leute mehr Angebote an Selbsthilfeberatung, mehr Unterstützung vor Ort, mehr Anlaufstellen und nicht weniger. Das ist das Gegenteil dessen, was Sie als Sozialminister machen: sich hinzustellen und zu sagen, wir setzen halt andere Prioritäten.

Der Europäische Sozialfonds heißt so, weil er auch eine sozialpolitische Komponente in dem Bereich haben soll, weil genau die Schwächsten in den europäischen Ländern unterstützt werden sollen. Er heißt nicht Ausbildungsfonds. Ich habe schon oft an dieser Stelle gesagt: Es ist gut, wenn man etwas für Jugendliche tut, aber wir als Land müssen nicht für die Ausbildungsmisere der Unternehmen eintreten. Das haben Sie aber mit einem großen Teil der Mittel gemacht, anstatt die Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. Das ist einfach der falsche Weg. Da haben Sie gekniffen und den Unternehmen nicht die Stirn geboten, dass sie die Ausbildungsplätze schaffen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Auch wenn das der Hauptbereich ist, zu dem wir unseren Antrag gestellt haben, dass die Mittel für die Arbeitslosenzentren wieder eingestellt werden müssen, ist das aber nicht der einzige Bereich, der in der Arbeitsmarktpolitik problematisch ist. Sie haben Ihre Prioritäten auch in anderen Bereichen verschoben. Das erfolgreichste Arbeitsmarktprogramm, was wir in Nordrhein-Westfalen hatten, war das Programm zur Wiedereingliederung von Frauen nach der Familienphase. Dieses Programm haben Sie in der Form gestrichen.

(Minister Karl-Josef Laumann: Das gibt es doch noch!)

Nein, das gibt es nicht mehr. Schauen Sie sich doch einmal Ihren eigenen Haushalt an!

(Minister Karl-Josef Laumann: Selbstver- ständlich!)

Das Wiedereingliederungsprogramm gibt es in dieser Form nicht mehr. Dieses Programm zur Rückkehr der Frauen in den Arbeitsmarkt gibt es an dieser Stelle nicht mehr.

(Minister Karl-Josef Laumann: Nein!)

Wir wollen, dass das wieder eingesetzt wird und dass diese Personengruppe die Unterstützung und die Hilfe bekommt, die sie braucht. Das machen Sie aber nicht. Sondern Sie haben, wie Sie schon oft gesagt haben, mit diesem Themenbereich nicht so viel zu tun.

Es gibt keine frauenspezifischen Programme mehr. Das hat der entsprechende Mitarbeiter, der gerade neben Ihnen sitzt, im Ausschuss deutlich gesagt. Die Frauensachen sind eingezogen; es gibt sie nur noch als Querschnittsziele. Aber als Querschnittsziele sind sie sehr abstrakt, und sie finden sich in den Bereichen nicht mehr. Ich frage immer wieder nach Zahlen, wie viele Mittel zur Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt verwandt werden. Dann müssen Sie immer wieder passen und sagen, die Datengrundlage fehlt.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir möchten, dass diese Bereiche ergänzt werden, aber auch, dass der Bereich der Projektentwicklerinnen wieder aufgenommen wird.

Ich möchte aber nicht nur über diejenigen reden, die die Beratung brauchen, sondern es gibt einen weiteren Bereich von Personen. Kollege Schmeltzer hat eben den neuen IAB-Bericht 2/2009, der uns auf dem Tisch liegt, angesprochen. Darin haben wir schwarz auf weiß das, was oft an vielen Stellen von den Koalitionsfraktionen geleugnet wird, nämlich dass die Anzahl derjenigen, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen und trotzdem auf SGB-II-Leistungen angewiesen sind, massiv zunimmt. Und auch die Argumentation, die immer wieder angeführt wird, das seien doch diejenigen, die Kinder und Familien haben, wird widerlegt, weil die Anzahl der SingleBedarfsgemeinschaften, die aufstocken, am größten ist.

Das heißt, wir haben immer mehr Menschen, die nur für sich alleine und ihren Unterhalt arbeiten, aber von ihrem Einkommen nicht mehr leben können. Da kann ich an diejenigen, die das die ganze Zeit blockieren, nur sagen: Der Mindestlohn ist zwar nicht das einzige arbeitsmarktpolitische Instrument, aber es ist ein arbeitsmarktpolitisches Instrument, das längst überfällig ist. An der Stelle können Sie sich nicht weiter sperren!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Sie sagen immer wieder, Tarifabschlüsse seien klasse. Zur Leih- und Zeitarbeit können wir aber in der Studie des Ministers nachlesen, dass es sogar Tarifabschlüsse gibt, die weit unterhalb dessen liegen, was eigentlich eine Existenzsicherung ist, deren Tarifabschlüsse über 43 % niedriger sind als die Lohnabkommen der Metallindustrie. Das kann man sich gar nicht vorstellen, wie niedrig das ist.

Es sind gerade die christlichen Gewerkschaften, die gerne weit unter die Schublade des Mindestlohns

oder dessen, was als Mindeststandard zum Leben notwendig ist, greifen. Da kann man nicht immer nur Schönwetterreden halten und als Minister sagen, das sei schrecklich und furchtbar, was die christlichen Gewerkschaften machten, sondern man muss Taten folgen lassen und sich dafür einsetzen, dass wir einen generellen Mindestlohn bekommen. Denn jeder Mensch muss das Recht haben, dass, wenn er eine Vollzeitstelle hat und seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt, er davon auch leben kann, dass er seine Nahrung und seine Wohnung bezahlen und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)