Protocol of the Session on December 18, 2008

(Beifall von CDU und FDP – Zuruf von Han- nelore Kraft [SPD])

Die Klimaschutzziele sind lange gesetzt.

(Hannelore Kraft [SPD]: Ja, aber sie müssen jetzt in die Tat umgesetzt werden! Das ist der andere Punkt!)

Herr Kollege Stinka hat sie zitiert. Das fand ich gut. Er hat uns noch einmal gezeigt, wie sie sind. Die Landesregierung hat sich mit ihrem Energiekonzept schon lange auf diese Klimaziele festgelegt. Insofern gibt es überhaupt keinen Nachholbedarf in irgendeiner Art und Weise.

(Norbert Römer [SPD]: Frau Merkel hat im- mer auf Sie gehört!)

Es geht bei den Beschlüssen des Ministerrates um die Art und Weise der Umsetzung der Klimaschutz

ziele. Diese Umsetzung ist auch nicht im Interesse des Landes Nordrhein-Westfalen. Deswegen handeln wir völlig richtig und redlich, wenn wir die Ergebnisse insoweit scharf kritisieren.

Herr Kollege Römer, richtig ist, wir können die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten für die energieintensive Industrie begrüßen. Darüber freuen wir uns gemeinsam. Wir haben uns darüber schon beim letzten und vorletzten Mal ausgetauscht: Wir haben identische Ziele.

Weihnachten ist aber immer auch Märchenzeit. Dazu gehört der Vortrag, Bundesumweltminister Sigmar Gabriel habe darauf in besonderer Weise hingewirkt. Darf ich vielleicht noch einmal die Geschichte der Position der Bundesregierung erläutern? Er musste doch von Michael Glos,

(Norbert Römer [SPD]: Wer ist das denn?)

unserer Landesregierung und von vielen anderen überhaupt erst einigermaßen in die Richtung getrieben werden, darauf hinzuwirken.

(Beifall von der CDU)

Er hat doch von Anfang an an dieser Stelle blockieren wollen und war nicht der Vorreiter dieser industriefreundlichen Politik.

(Hannelore Kraft [SPD]: Aber Michael Glos war der Vorreiter! Sicher!)

Insofern ist das Ziel zwar erreicht, Herr Kollege Römer. Aber Ihre Beschreibung des Weges lag in der Tat im vorweihnachtlichen Bereich einer Märchenstunde.

Zum Thema Vollauktionierung: Das Ergebnis ist und bleibt schlecht für Nordrhein-Westfalen. Es ist ein Sammelsurium von Ausnahmeregelungen; eine klare Linie ist nicht zu erkennen. Polen und andere osteuropäische Länder werden bevorzugt. Die Lastenverteilung ist nicht in Ordnung. Dass für Deutschland kein Phasing-in vorgesehen ist, wohl aber für andere Länder, ist nicht in Ordnung.

(Vorsitz: Vizepräsident Edgar Moron)

Wenn Sie sich über die Auswirkungen des Ganzen klar werden wollen, rate ich Ihnen, das Gutachten der EEFA im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zum Emissionshandel zu lesen. Darin ist ausgerechnet worden, welche direkten und indirekten Kostenimpulse durch die CO2Versteigerung entstehen – ich will sie zitieren –: alleine 5,6 Milliarden € bis 2020; Stromimpulse – da müssten Sie besonders gut zuhören –: 9,7 Milliarden € bis 2020. Somit entstehen direkte und indirekte Kostenimpulse von 15,3 Milliarden € bis 2020.

Wer mir erklären will, dass das für NordrheinWestfalen gut ist, kann mir auch erklären, dass ich mit der Geschäftsidee, in der Arktis Kühlschränke

zu verkaufen, vielleicht auch noch Erfolg haben könnte.

(Heiterkeit von Ministerin Christa Thoben)

Noch einmal zum Gutachten. Ich zitiere zum Thema „direkte Beschäftigungseffekte aus der CO2Vollauktionierung“. Es ist untersucht worden, was in Kokereien, in Raffinerien, in der Kalkindustrie, der Aluminiumindustrie, der Glasindustrie, in der Grundstoffchemie usw. passiert. Wir haben das im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erarbeitete Ergebnis: Bis 2020 gehen nach diesem Szenario gegenüber heute 108.000 Arbeitsplätze durch die CO2-Versteigerung direkt verloren. Würden Sie sich diese Salden sektoral ansehen, könnten Sie feststellen, wie die Zahlen verteilt sind.

Meine Damen und Herren, durch die Vollauktionierung gehen Arbeitsplätze verloren, es wird Liquidität für das dringend notwendige Kraftwerkserneuerungsprogramm abgeschöpft, der Industriestandort Nordrhein-Westfalen wird nicht gestärkt, sondern geschwächt. Deswegen bleibt es dabei: Wir kritisieren dieses Ergebnis nachhaltig und entschieden.

(Beifall von der FDP)

Herr Kollege Priggen, Sie haben in Ihrem Antrag zur Aktuellen Stunde Konsequenzen der Landesregierung eingefordert. Da kann ich tatsächlich auf die Rede von Christa Thoben verweisen, in der sie deutlich gemacht hat, wie die Landesregierung jetzt vorgeht. Ich glaube, es sind einige Punkte dabei, bei denen wir identische Ziele verfolgen.

Wir müssen für die energieintensiven Branchen rasch Klarheit haben, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sie durch die Versteigerung der Zertifikate belastet werden. Natürlich brauchen sie jetzt Planungssicherheit.

Zudem müssen wir dafür sorgen, dass das Land an den zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen Einnahmen des Bundes aus der Auktionierung angemessen beteiligt wird. Das ist völlig richtig; wir haben es im Wirtschaftsausschuss schon miteinander besprochen und darüber diskutiert. Die Landesregierung wird daran arbeiten. Dieses Geld, wenn es denn bei uns ankommt, werden wir allerdings – an dieser Stelle unterscheiden wir uns wirklich voneinander – sinnvoll und nicht sinnlos verwenden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Lienenkämper. – Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Ellerbrock.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können bei einer solchen Diskussion doch eigentlich festhalten, dass das Ziel, bis zum Jahr 2020 zu einer Emissionsreduzierung

zu kommen, vorher feststand. Es ging ausschließlich darum, auf welchem Weg es erreicht wird.

Wenn ich das Revue passieren lasse, ist auch unstrittig, dass das Ergebnis vor allen Dingen zulasten Nordrhein-Westfalens geht. Es ist schon auf eine gehörige Portion Chuzpe zurückzuführen, wenn die SPD-Fraktion heute versucht zu vermitteln, das jetzige Ergebnis würde diese Ziele bestimmen. Nein, Herr Römer, das lag alles vorher fest; darum ging es eigentlich gar nicht.

Die Verhandlungen darüber waren für uns nicht erfolgreich; das müssen wir ganz nüchtern sagen. Warum waren sie nicht erfolgreich? Weil wir in Deutschland nicht mit einer Stimme gesprochen haben. Denn mit bestimmten Vorstellungen aus Ihrer Fraktion haben wir unserer Position Knüppel zwischen die Beine geworfen – gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens.

(Norbert Römer [SPD]: Deshalb war die Bun- des-FDP für eine Vollauktionierung!)

Ich suche immer nach Gemeinsamkeiten, Herr Römer. Herr Weisbrich, Sie, ich und sicherlich auch Kollege Priggen haben eine Gemeinsamkeit: Es mag ja richtig sein, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoll war, diese Einpreisungen von der Stromwirtschaft vorzunehmen; sachlich geboten war es nicht, und politisch war es töricht. Das muss man ganz deutlich sagen.

(Beifall von der FDP und Michael Groschek [SPD])

Kann es richtig sein, dass wir unserer Stromwirtschaft letztlich massive Zukunftschancen rauben und den Franzosen – dort basiert es auf Kernkraft – ihre Entwicklungschancen geben, damit sie auf Einkaufstour in Deutschland gehen können?

Sie begrüßen die Beschlüsse, dass CDM und Joint Implementation wenn überhaupt, dann nur sehr viel später folgen können – ich verweise auf die Ausführungen von Frau Thoben. Wir sind aber doch das Technikexportland. Es wäre unsere Zukunft, zu sagen: Jawohl, unsere Probleme, die global sind, wollen wir auch global lösen, indem wir unsere Technik exportieren. Und dann finden Sie diese Beschlüsse gut?

Auch dies geht – wie es der Kollege Lienenkämper dargelegt hat – zulasten Nordrhein-Westfalens.

Aus meiner Sicht ist es eine Idiotie – ich sage das so deutlich –, den Leuten das Geld erst über den Emissionshandel wegzunehmen und hinterher als Dotation, als Subvention 15 % der Investitionskosten zu gewähren. Kann das richtig sein? Ich halte das für Blödsinn.

Meine Damen und Herren, Ziel muss es sein – stärker als bislang deutlich geworden ist –, dass wir so schnell wie möglich zu einem Post-KyotoAbkommen kommen, gerade um Clean Develop

ment Mechanism and Joint Implementation, also Technikexport, für Nordrhein-Westfalen anrechenbar zu machen. Die Rahmenbedingungen, auf die Frau Thoben hingewiesen hat, müssen in den Vordergrund gestellt werden.

Meine Damen und Herren, im „Focus“ stand: „Munter Energie verschwenden“, Hans-Werner Sinn. Ich weiß nicht, wer von Ihnen den Artikel gelesen hat; ich kann es nur anraten. Hier wird deutlich, mit welchem grünen Paradoxon wir uns abgeben: Wir sägen den Ast, auf dem wir sitzen, nämlich Technik, selbst ab. Das wird sicherlich später noch Thema sein.

Ich kann nur sagen: Schade, dass es zu diesen Beschlüssen gekommen ist. Richtig ist, was Dietmar Brockes gefragt hat: Wie geht es weiter? Dazu haben die Ministerin und auch der Kollege Lienenkämper eben das Notwendige ausgeführt. Ich bedauere, dass die Beschlüsse so gegen die Interessen Nordrhein-Westfalens gefallen sind. Ich möchte all diejenigen, die das heute beklatschen, erleben – ich habe sehr sorgfältig zugehört –, wenn wir alsbald wieder über Arbeitslosenzahlen diskutieren. – Danke schön.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Ellerbrock. – Jetzt hat der Kollege Priggen für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Debatte ist schon skurril. Wir reden über die strukturelle Zukunftsfrage des Energielandes Nordrhein-Westfalen vor dem Hintergrund einer Zeitenwende. Die Diskussion über die Klimaschutzfrage und die Konsequenzen, die jetzt weltweit daraus gezogen werden, bedeuten eine Zeitenwende.

Ich habe es eben schon einmal versucht und will noch einmal klarmachen: Die Europäische Union hat realisiert, dass die Klimakonferenz in Kopenhagen kommen wird. Deswegen verstehe ich die Dolchstoßlegende, die Sie aufbauen, nicht. Sie haben eben aufgeführt, was SPD und Grüne gemacht hätten. Das alles wurde aber von den CDUAbgeordneten, der CDU-Bundeskanzlerin, von Ihren Parteikollegen aus Nordrhein-Westfalen beschlossen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Die CDU in Baden-Württemberg und die CSU in Bayern jeweils mit der FDP, die CDU in Niedersachsen und in Sachsen – alle sind anders unterwegs als Sie. Es gibt einen Landesverband der CDU in der Bundesrepublik Deutschland, der bei dieser Zukunftsfrage so etwas von rückwärts aufgestellt ist, dass es schon wehtut.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)