Protocol of the Session on December 4, 2008

Wenn wir es so angehen, dann werden wir es auch gut hinkriegen.

Wissen Sie, worüber ich mich in Deutschland sehr freue? – Der große Schutzpatron von Behinderten sind die Parlamentarier in Deutschland. Ich habe viele Jahre Sozialpolitik im Bundestag gemacht, seit drei Jahren hier. Ich kenne keinen Anwalt, der sich mehr für die Behinderten in diesem Land einsetzt wie der Parlamentarismus in Deutschland, weil in unseren Parlamenten Menschen sitzen, die – egal, in welcher Partei sie sind – das gemeinsame Menschenbild haben, dass die Würde des Menschen unantastbar ist. Deswegen wollen wir auch einen vernünftigen, guten und klaren Umgang mit Menschen haben, die mit Handicaps leben müssen.

Ich glaube, dass diese Gemeinsamkeit im Parlament vor allen Dingen für die Eltern in NordrheinWestfalen ein gutes Zeichen ist, die vielleicht in dieser Woche erfahren, dass sie ein behindertes Kind zur Welt bringen werden. Ich möchte, dass jeder, der sich für die Geburt eines behinderten Menschen entscheidet, weiß, dass er Ja zum Leben sagen kann, weil er einen starken Staat an der Seite hat, der ihm hilft, mit dieser Aufgabe fertig zu werden.

(Lebhafter Beifall von CDU und FDP)

Ich bin stolz darauf, was die Bundesrepublik Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg in der Behindertenpolitik geleistet hat. Damit zeigt dieses Land auch, was uns Menschen wert sind, die nicht so viel leisten können wie andere. Und da unterscheiden wir uns erheblich von Diktaturen und auch

erheblich von dem ehemaligen SED-Staat in Ostdeutschland.

(Beifall von CDU und FDP – Zurufe von der CDU: Bravo! – Rüdiger Sagel [fraktionslos] zeigt einen Vogel.)

Herr Minister, es gibt eine Zwischenfrage von Frau Beer. Wollen Sie sie zulassen?

Deswegen sollten wir hier keine Gegensätze aufbauen, sondern unsere Arbeit in diesem Bereich in aller Ruhe weiter tun. – Schönen Dank.

(Anhaltender Beifall von CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat direkte Abstimmung beantragt. Deshalb stimmen wir über den Inhalt des Antrages Drucksache 14/7958 ab. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Grüne und SPD. Wer ist dagegen? – CDU und FDP. Wer enthält sich? – Der fraktionslose Abgeordnete Sagel. Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum Tagesordnungspunkt

9 Land muss Kommunen mit Cross-BorderLeasing-Verträgen bei der Abwendung von weiteren Risiken unterstützen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/7955

Ich gebe das Wort Herrn Becker von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer in der letzten Wochen aufmerksam Zeitung gelesen hat, konnte feststellen, dass es im Zusammenhang mit der Finanzkrise ein weiteres Feld gibt, auf dem sich nicht nur Löcher auftun, sondern auch Gefahren entstehen, und zwar für die Kommunen, die die sogenannten CrossBorder-Leasing-Geschäfte abgeschlossen haben. Soweit man hört, sind das in Nordrhein-Westfalen insgesamt 45 Fälle in mindestens 15 Städten. Unter diesen Kommunen sind auch einige mit Nothaushalt oder im Haushaltssicherungskonzept.

Ich will an der Stelle ganz deutlich sagen, dass ich persönlich bis heute der Auffassung bin, dass sol

che Geschäfte nirgendwo hätten stattfinden sollen. Ich persönlich bin auch der Auffassung, dass an der Stelle die kommunale Selbstverwaltung übertrieben worden ist, wo dies früher genehmigt worden ist, und zwar auch lange. Das sind aber inzwischen fast „Geschmacksfragen“.

Tatsache ist, dass diese Finanzgeschäfte die Kommunen in ganz erhebliche Schwierigkeiten stürzen. Wir wissen aus Medienberichten, dass zum Beispiel Städte wie Wuppertal, Bochum, Recklinghausen und Gelsenkirchen derzeit in Verhandlungen über die Frage sind, wie sie mit ihren Verpflichtungen und insbesondere mit den Risikoabsicherungspflichten umgehen können.

Die nur durch den amerikanischen Staat vor der endgültigen Pleite bewahrte American International Group, die in den Zeitungen meist unter AIG firmierende Versicherung, ist diejenige, die auch bei deutschen Kommunen die meisten Risikoabsicherungen gemacht hat. Wenn man diese Verträge bzw. ihre Art kennt, weiß man, dass diese Gesellschaft downgeratet worden ist und deswegen die Verträge verändert werden müssen.

Für solche Kommunen ist also eine extrem schwierige Lage entstanden. Vor diesem Hintergrund wundert es mich dann doch sehr, dass sich – wie in der Antwort auf meine beiden Anfragen nachzulesen – die Landesregierung in diesem Fall hinter der kommunalen Selbstverwaltung versteckt. Das ist übrigens die gleiche Landesregierung mit dem gleichen Innenminister, die sich ansonsten nicht scheuen, relative kleinteilige Vorgaben zu machen und zum Beispiel Haushaltssicherungskommunen vorzuschreiben, dass sie ihre Kindergartenbeiträge erhöhten sollten.

Meine Damen und Herren, ich finde, das passt einfach nicht zusammen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Immer dann, wenn es schwierig wird, duckt sich diese Landesregierung weg. Das, Herr Innenminister, sollten Sie nicht tun, sondern Sie sollten sich in solchen Fällen auf die Kommunen zubewegen, mit ihnen und den Bezirksregierungen zusammen nach Lösungen suchen.

Es geht nicht darum, diesen Kommunen möglicherweise ihre Schulden abzukaufen, und es geht auch nicht darum, diesen Kommunen Kredite dafür zu geben, sondern es geht darum, dass wir mit den Instrumenten, die wir im Land haben – ich denke zum Beispiel an die NRW.BANK –, aber auch in Gesprächen mit dem Bund und möglicherweise mit Hilfe der KfW-Bank über kombinierte Lösungspakete tatsächlich dafür sorgen sollten, dass die Kommunen entweder aus diesen Risiken herauskommen und nicht deutlich mehr bezahlen müssen, weil diese Institute eben downgeratet worden sind, oder wir es sogar gemeinschaftlich schaffen, eine Ablösung eines Teils dieser Verträge hinzubekommen

und damit aus diesem Risiko herauszukommen. In Parenthese: Ich höre von einer beabsichtigten Möglichkeit, mit der die KfW am Bundesfinanzminister gescheitert ist.

Das, meine Damen und Herren, ist das, von dem wir glauben, dass es die Landesregierung initiieren sollte. Ich wäre froh, wenn wir uns gemeinsam auf diesen Weg machen könnten. – Schönen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Schönen Dank, Herr Becker. – Für die CDU spricht nun Herr Kollege Lux.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Becker, ich finde es spannend, dass Sie das Instrument CrossBorder-Leasing ablehnen. Es gibt auch noch andere, die das tun. Ich darf Sie daran erinnern, dass Ihr Parteifreund und ehemaliger Landtagskollege Herr Busch landauf, landab gezogen ist und versucht hat, gerade für diese Geschäfte überall zu werben, wo es nur geht. Deshalb kann man sich heute nicht einfach mit einem schlanken Fuß verabschieden.

Das ist auch keine „Geschmacksfrage“, sondern Sie haben völlig Recht: In der Antwort auf die Kleine Anfrage, die Sie gestellt haben, hat der Innenminister eigentlich alle Antworten gegeben. Deswegen habe ich überhaupt nicht verstanden, wieso Sie nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage am nächsten Tag diesen Antrag einbringen.

Schauen wir uns gerade bei Ihrem Grad der Betroffenheit über notleidende Kommunen Ihren Antrag an, welche Hilfen Sie anbieten, stellen wir fest: Diese Hilfe ist typisch grün: Lassen wir uns einmal zusammensetzen und über das Problem reden. – Das ist es dann, obwohl Ihnen ganz klar und deutlich sein müsste – zumindest wenn Sie die Antwort gelesen haben –, dass mit so einer Konferenz niemandem geholfen ist.

Es geht um mehrere hundert Seiten starke englische Verträge und um ganz unterschiedliche, individuelle Lösungen, die in jeder Kommune anders ausfallen, und zwar nicht nur, weil der Gegenstand ein anderer ist, sondern auch die Frage der Beteiligten anders aussieht, die Größenordnungen andere sind, sodass in jedem Einzelfall geprüft werden müsste, ob ein Risiko entsteht und wenn ja welches, wie groß es ist, ob es aktuell ist oder nicht und wie man helfen kann. In einer Konferenz können Sie zwar über alles reden, aber niemandem wirklich helfen. Das ist ganz deutlich.

Dann fordern Sie etwas, das schon im Jahr 2003 unter der Vorgängerregierung gefordert worden ist, die allen Kommunen in allen Fragestellungen jede Hilfestellung hat zuteil werden lassen. Man hat sie beraten und ihnen geholfen, wo es ging. Auch die

jetzige Landesregierung und ihr Innenminister haben deutlich gemacht, dass selbstverständlich jede Kommune, die Beratungsbedarf anmeldet, jede Art der Beratung durch die Landesregierung erhält.

Von daher ist Ihr Antrag wieder einmal ein Antrag, der völlig überflüssig ist, weil er nichts, aber auch gar nichts regelt, was es nicht schon gibt, sondern nur den Schein hervorruft, dass wir alle miteinander reden und das Problem so gelöst wird. Das ist überflüssig und wird dem Problem nicht gerecht.

Ich sage Ihnen noch etwas, Herr Becker: Es tut mir schrecklich leid, aber immer dann, wenn es irgendwo hakt, wollen Sie die kommunale Selbstverwaltung am liebsten kleinreden, kaputtmachen oder sonst etwas damit anstellen, weil Sie sagen: Wenn es gefährlich wird, wollen wir keine kommunale Selbstverwaltung. – Dazu müssen Sie dann auch stehen, wenn es eindeutig um eine Frage der kommunalen Selbstverwaltung geht.

Es ist nicht erst seit 2005 der Fall, sondern auch schon in der Vergangenheit festgestellt worden: Die Kommunen haben einen weitestgehenden Spielraum. Außerdem ist die Kommunalaufsicht in diesem Bereich immer schon tätig gewesen, sofern es um die Frage der Genehmigungsfähigkeit oder pflichtigkeit ging. Schon in der Vergangenheit ist allen Kommunen bei Bedarf die Beratung zuteil geworden, die sie brauchten.

Daran merkt man erst, wie überflüssig Ihr Antrag ist. Deswegen werden wir ihn auch ablehnen.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Herr Lux. – Für die SPD spricht der Kollege Körfges.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Frage, wie man sich dem Antrag insgesamt nähert. Man kann es so machen, dass man die einzelnen Fälle aufzählt, in denen man jeweils dem einen oder dem anderen von der jeweils anderen politischen Seite eine nach dem Motto mitgibt: „Ich kenne einen Grünen, der verkauft den Kommunen aber so etwas!“, „Ich kenne eine Reihe von CDU-regierten Gebietskörperschaften, in denen der Unsinn gemacht worden ist!“, „Aber auch Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in Verantwortung haben CrossBorder-Leasinggeschäfte gemacht“.

Meine Damen und Herren, der erste Fehler bei der Diskussion über dieses Thema wäre, jetzt in die alten klassischen Rituale zu verfallen. Diejenigen, die seinerzeit die Geschäfte gemacht haben, haben sich beraten lassen, haben sich dann vor dem Hintergrund ihrer konkreten finanziellen Situation vor Ort womöglich unter Unterschätzung von Risiken dazu bereit erklärt, solche Geschäfte zu machen

und stehen heute zum Teil dumm da. Wir haben immer gesagt – da bin ich nahe bei Ihnen, Herr Kollege Lux –, dass man unter dem Aspekt der kommunalen Selbstverwaltung vieles in Kauf nehmen muss. Das geht auch aus den Antworten auf die Kleinen Anfragen, die hier zitiert worden sind, hervor.

Nur, meine Damen und Herren, bei der Frage, welche zusätzlichen Risiken sich durch die Finanzmarktkrise ergeben – an der Stelle sollte man sich den Antrag und das Anliegen der Antragsteller etwas genauer anschauen –, geht es um eine ganz andere Problematik. Das ist bei Weitem kein individueller Problemfall, der eine einzelne Kommune betrifft, sondern es betrifft eine ganze Gruppe von Kommunen, die dadurch ein zusätzliches Risiko erfahren haben, dass die Sache in den Vereinigten Staaten ins Rutschen gekommen ist.

Wir würden es schon für sinnvoll halten, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn in der Frage, wie wir uns gegen die zusätzlichen Rückabsicherungs- und Finanzierungsrisiken absichern, eine allgemeingültigere Position – durch die Landesregierung initiiert und unterstützt – erarbeitet werden könnte, und zwar nicht von oben nach unten im Wege der Kommunalaufsicht, sondern auf Augenhöhe, alle zusammen an einem Tisch.

Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, halten wir den Antrag für nachvollziehbar und werden ihm als SPD-Landtagsfraktion zustimmen.

Ich kann an der einen oder anderen Stelle nicht verstehen – da wende ich mich unmittelbar an den Kollegen Lux –, wieso das als Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung gewertet wird. Genau das Umgekehrte wird hier verlangt, nämlich die Kommunen in ihren Selbstverwaltungsmöglichkeiten zu stützen.

Insoweit sollten wir von den altbekannten und bewährten Ritualen Abstand nehmen. Ich könnte auch sagen, dass in Mönchengladbach einmal CrossBorder-Leasing bezogen auf die öffentliche Kanalisation – der Kollege Post guckt gerade ganz interessiert – geprüft worden ist. Dann hat es eine ganz breite inhaltliche Diskussion gegeben, und es ist wegen der Risiken gemeinsam abgesetzt worden. Irgendjemand hatte sich das aber einfallen lassen, lieber Kollege Post; ich will jetzt nicht verraten, auf welcher Seite der politischen Welt derjenige gestanden hat. Man könnte in diese Rituale verfallen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, überlegen Sie – anders als sonst –, wie man den Kommunen wirkungsvoll helfen kann und stimmen dem Antrag mit uns gemeinsam zu. – Vielen Dank.