Im Übrigen will ich noch etwas zu denjenigen sagen, die Sie als Lobbyisten bezeichnen. Gute Lobbyisten sitzen bei EUROSOLAR im Aufsichtsrat und werben für Photovoltaik und Windkraft; schlechte Lobbyisten treiben eine sachgerechte Argumentation hinsichtlich fossiler Energieträger und Kernkraft voran.
Meine Damen und Herren, der OECD-Bericht macht deutlich: Deutschland ist nicht der Nabel der Welt. Die von Ihnen immer hervorgehobene Vorbildfunktion interessiert in den Entwicklungsländern überhaupt nicht. Die Entwicklungsländer machen den Industrieländern gar keinen Vorwurf. Denn wir haben unter anderem Erkenntnisstand nach den Maßstäben der damaligen Zeit verantwortlich gehandelt.
Wenn man laufend auf die Kernkraft schimpft, entgegne ich: An Ihnen ist die entwicklungspolitische Diskussion des energiepolitischen Kolonialismus völlig vorbeigegangen. Wenn wir als hochindustrialisiertes Land aufgrund scheinbar moralischer Gründe aus der Kernkraft aussteigen wollen, werden wir letztlich selbst bei Einsatz erneuerbarer Energien für Entwicklungsländer die dortigen Energiepreise hochhalten, denn die fossilen Energieträger werden dort die Basis bleiben. Dann haben Entwicklungsländer nur noch die Chance, Migrationsbewegungen anzustoßen. Schauen wir nur nach Südfrankreich, wie es dort aussieht!
Oder wir zwingen diese Länder, die auf einem wesentlich geringeren technischen Niveau arbeiten, wollen wir ihnen die Entwicklungschancen nicht nehmen, zur Nutzung der Kernkraft, die wir auf hohem technischem Niveau für nicht zu verantworten halten. Das verstehe, wer will – wir nicht. – Danke schön.
Reiner Priggen (GRÜNE) : Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Kollege Ellerbrock, das war – ehrlich gesagt – bis jetzt die peinlichste Aktuelle Stunde, die ich je erlebt habe.
Normalerweise beantragen Fraktionen die Durchführung einer Aktuellen Stunde zu einem aktuellen und relevanten Thema. Die Fraktionen stehen dann dahinter und hören sich das an. Wir haben festgestellt: Nachdem heute Morgen alle Abgeordneten anwesend waren, hat die Mehrheit der Abgeordneten der Koalitionsfraktionen fluchtartig den Saal verlassen, als die Aktuelle Stunde aufgerufen wurde. Herr Ellerbrock, Sie haben das erklärt mit dem Hinweis, sie seien gegangen, weil Sie dieses Thema in den Arbeitskreisen immer intensiv diskutieren. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wenn Sie das auf dem gleichen Niveau machen, auf dem sich Ihr Beitrag hier gerade bewegte, dann habe ich Verständnis für die Kollegen.
Ich will Ihnen das an einem Satz aus Ihrer Rede verdeutlichen, der da lautete, es gebe kein Recht auf ein konstantes Klima. – Man muss sich einmal den Zynismus dieses Satzes vor Augen führen.
Aber zum Glück besteht mittlerweile Konsens, und selbst die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende sagt: Wir müssen die Emissionen um 70 bis 80 % reduzieren, weil auf der Welt Millionen von Menschen zu Klimaflüchtlingen werden, da entweder ihre Heimatgebiete ertrinken werden, also nicht mehr belebbar sind, oder es große Dürren geben wird, sodass die Landwirtschaft nicht mehr arbeiten kann. Das heißt, es werden Menschen ganz konkret betroffen sein.
Vor dem Hintergrund nonchalant zu behaupten, es gebe kein Recht auf ein konstantes Klima – natürlich weiß ich, dass man kein Recht auf 13, 14 oder 15 Grad am morgigen Tag und Schnee an Heiligabend hat –, ist beeindruckender Zynismus.
Angekündigt worden ist eine Aktuelle Stunde zum OECD-Umweltreport. Der Umweltreport umfasst sehr viele Themen. Im Prinzip geht es aber heute nur um den Emissionshandel.
Seitens der Regierungsmehrheit gibt es ja immer die Attitüde, dem Kollegen Römer vorzuwerfen, er reite mit seinem Einsatz für den langfristigen Sockelbergbau ein totes Pferd. Ehrlich gesagt ist das kein totes Pferd, sondern wir haben alle zugestimmt, dass es ein Grubenpony ist, das sein Gnadenbrot bis 2018 bekommt. Das ist also nicht tot. Sie reiten jedoch permanent zwei tote Pferde gleichzeitig, und zwar auch in der heutigen Debatte.
Ich spreche zum einen von dem toten Pferd Atomkraft. Das hat für Nordrhein-Westfalen null Relevanz. In dem zeitlichen Bereich, in dem wir alle Politik betreiben, wird nicht ein einziger Reaktor neu gebaut werden, selbst wenn Sie nach der nächsten Wahl noch die Mehrheit für diesen Irrsinnskurs haben. Er wird nicht gebaut, weil wir genau wissen, was das kosten würde.
Sie sind da ja auch unehrlich bis zum Gehtnichtmehr. Herr Pinkwart ist der Einzige, der immer ganz klar sagt: Die Liberalen wollen neue Reaktoren. Das aber spielt für die industrielle Zukunft dieses Landes und für die Gegenwart und die Sorgen der Menschen, die Angst um die Arbeitsplätze haben, überhaupt keine Rolle. – Das ist das eine tote Pferd.
Das zweite tote Pferd, das Sie reiten, ist Ihre – auf Deutsch gesagt – regelrecht verquaste Position zum Emissionshandel. Es gibt eine breite Mehrheit im Deutschen Bundestag, getragen von den CDUBundestagsabgeordneten aus Nordrhein-Westfalen, die wie folgt heißt:
RWE und andere bekommen die Emissionsrechte nicht weiter geschenkt. Sie bekommen nämlich in der laufenden Legislaturperiode 90 % der Emissionsrechte geschenkt. Sie preisen sie ein und stellen sie uns in Rechnung.
Wenn wir konsequent wären, schöpften wir diese Gewinne ab: Das, was Sie uns allen in Rechnung stellen, was Ihnen eigentlich nicht zusteht, wofür Sie nichts tun, das schöpfen wir ab. Dann nutzen wir es genau für Zwecke wie energiesparendes Bauen und Ähnliches, womit man die Konjunktur fördern könnte. Das wäre eine richtige Konsequenz.
Welche Konsequenz ziehen Sie? – Weiterhin die Emissionsrechte an die Unternehmen verschenken! In der politischen Landschaft der Bundesrepublik findet sich keine Mehrheit für diese Position. Sie weichen aus auf so obskure Allianzen mit Niederösterreich und Limburg, wo einzelne, von mir aus ehrenwerte Leute mit Ihnen ein Papier unterschrieben haben. Das hat mit der Realität der Ausgestaltung des Emissionshandels nichts zu tun.
Man könnte ja lächelnd darüber hinweggehen. Das Fatale ist nur: Damit machen sie es unmöglich, mit Ihnen zusammen an anderen Punkten, bei denen wir Gemeinsamkeiten haben könnten, gemeinsam zu handeln.
Beispielsweise wollen wir auch wir nicht – da haben Sie recht –, dass Betriebe belastet werden, die dann im internationalen Wettbewerb praktisch keine Chance mehr haben. Wir wollen nicht, dass diese Betriebe abwandern, weil es uns nichts nützt, wenn die Aluminiumindustrie Europa verlässt und woanders produziert. Wir müssten Konsens darüber herstellen, was sie brauchen, um zu überleben. Darüber könnte man reden.
Aber mit der Auffassung „schenkt E.on und RWE weiterhin das, was sie uns sowieso schon wegnehmen!“ machen sie eine gemeinsame Position völlig unmöglich. Mit jemandem, der so etwas Unrealistisches vertritt, redet doch auch auf der anderen Seite gar keiner mehr seriös. Daher muss man dann auf solche Nebenkriegsschauplätze ausweichen.
Es gibt ja nicht nur die Themen Energie und Emissionshandel, die es immer wert sind, diskutiert zu werden und die wir auch rauf und runter diskutieren. Der OECD-Report enthält darüber hinaus dringend zu beantwortende Fragen zu den Feldern Trinkwasser, Feinstaub, Lärmemission und Freiflächenverbrauch. Es gibt viele relevante Fragestellungen, zu denen es verbal positive Ansätze gibt, Herr Minister – hier komme ich Ihnen völlig entgegen; Ihr Ansatz ist richtig –, aber die konkrete Umsetzung passiert nicht. Da bräuchte man Unterstützung. Man müsste es thematisieren.
Der Vorwand, eine Aktuelle Stunde zum Thema OECD-Umweltreport durchzuführen, um dann über den Emissionshandel zu reden, wird den anderen Themen nicht gerecht. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der OECD-Umweltbericht will der Politik Analysen und Anleitungen geben, wie die zu erwartenden Veränderungen der Umwelt wahrzunehmen sind und wie reagiert werden muss. Er gibt auch für uns in Nordrhein-Westfalen wichtige Hinweise. Der OECD-Bericht ist ein wichtiger Entscheidungsträger für die Politik der Landesregierung. Die Landesregierung nimmt sehr ernst, was in diesem Bericht der OECD steht.
Wir nehmen es nicht nur sehr ernst, sondern die Landesregierung ist in allen Bereichen, die in diesem OECD-Umweltbericht angesprochen werden, sehr gut aufgestellt.
Zum Thema Klimapolitik hat meine Kollegin Christa Thoben bereits einiges gesagt. Deswegen möchte ich mich jetzt – auch aus Zeitgründen – auf die anderen Bereiche konzentrieren, die auch in der Begründung für die Durchführung dieser Aktuellen Stunde im Mittelpunkt standen und die den wesentlichen Teil dieses Umweltberichtes der OECD ausmachen.
Meine Damen und Herren, es geht natürlich um Klimawandel, den Verlust von Artenvielfalt, um Wasser und Gesundheitsgefährdungen durch Umweltverschmutzungen.
Schon bevor es diesen OECD-Bericht gegeben hat, hat die Landesregierung eine Klimaanpassungsstrategie auf den Weg gebracht, nämlich seit 2005. Das hat es bei der vorigen Regierung nicht gegeben.
In der letzten Woche sind wir im Rahmen der Leitungsklausur mit dem Ministerium in Brüssel gewesen. Dort haben wir das Thema Anpassungsstrategie auf europäischer Ebene mit Fachleuten aus dem Europabüro der Naturschutzverbände und der Europäischen Investitionsbank diskutiert. Meine Damen und Herren, auch vom Büro der europäischen Naturschutzverbände ist uns bestätigt worden: Kein anderes Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland ist in der Frage der Anpassungsstrategie so weit wie Nordrhein-Westfalen. Ich bin
Sowohl hier als auch im Rahmen der EncoreKonferenz, bei der Nordrhein-Westfalen den Vorsitz auf dem Gebiet Klima und Umwelt übernommen hat, sind wir vernetzt. Im nächsten Jahr werden die Klimaexperten aus Europa bei uns in NordrheinWestfalen tagen. Im Rahmen eines Symposiums „Regionale Anpassung an den Klimawandel“ werden wir über diese Fragen diskutieren, weil Nordrhein-Westfalen hier eine Vorreiterrolle übernommen hat.
Meine Damen und Herren, Sie sehen, die Landesregierung kommt der Forderung des OECD-Berichts nach einer internationalen Verzahnung der Aktivitäten und Handlungsoptionen sehr intensiv nach. Selbstverständlich stimmen wir uns auch national eng ab; so haben wir diese Themen im Frühjahr 2007 im Rahmen der Umweltministerkonferenz ein Stück vorangebracht.