Protocol of the Session on October 22, 2008

Wir müssen nur darauf achten, dass Spielregeln im Interesse der Menschen eingehalten werden. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dahin sollten wir kommen.

Herr Kollege Weisbrich, gestatten Sie eine erneute Zwischenfrage von Herrn Sagel?

Von Herrn Sagel? – Das muss nicht mehr sein.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Sie haben Nein gesagt.

Er hat eine Zwischenfrage gehabt; das muss damit in Ordnung sein.

Meine Damen und Herren, uns allen muss bei der Handhabung und der Bewältigung dieses Themas in diesem Hause klar sein: Es geht nicht um die Rettung von Banken um der Banken willen. Es geht nicht darum, Bankmanager vor irgendwelchen Schäden zu bewahren. Es geht darum, dass wir die Sparer bei der Anlage ihres Vermögens schützen. Es geht darum, dass wir dafür sorgen, dass die Wirtschaft weiterhin mit Krediten versorgt werden kann. Es geht darum, nicht zuzulassen, dass Massenarbeitslosigkeit wie Anfang der 30er-Jahre entsteht, weil das internationale Finanzsystem zusammenbricht.

Wenn wir in einer solchen Situation sind, kann ich nur sagen: Ich zumindest kenne dabei keine Parteien, sondern es kann nur um das Gemeinwohl gehen. Das hat nichts mit Parteipolitik zu tun.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Diese Situation stellt einen überparteilichen Notstand dar. Darauf muss man entsprechend reagieren. Wenn Sie meinen, Sie könnten das mit Spott und Häme tun, wie Herr Groth, dann tun Sie es. Die Bürger im Lande werden am Ende schon wissen, wer in der Krise vernünftig und verantwortungsbewusst reagiert hat. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von CDU und FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Weisbrich. – Für die FDP-Fraktion erhält der Abgeordnete Brockes das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde viel über die Finanzmarktkrise gesagt. Lassen Sie mich ein Fazit ziehen! Die Finanzkrise ist nicht, wie häufig behauptet wird, Ausdruck des Versagens der marktwirtschaftlichen Kräfte. Nein, vielmehr haben wir es mit einem klassischen Staatsversagen zu tun.

(Beifall von der FDP – Lachen und Zurufe von der SPD – Unruhe – Glocke)

Der Staat – meine lieben Sozialdemokraten, hören Sie gut zu! – hat es versäumt, seiner Aufgabe gerecht zu werden, die Finanzmärkte effizient zu regulieren und die Einhaltung der Regelungen wirksam zu kontrollieren.

(Lachen und Zurufe von der SPD – Glocke)

Das ist genau der Punkt, zu dem Ihre Politik führt. Sie meinen, der Staat müsste alles machen. Das führt dazu, dass der Staat nichts richtig macht, meine Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Es ist definitiv keine Aufgabe des Staates, selbst als Marktteilnehmer in Erscheinung zu treten. Wir sehen gerade, wohin es führt, dass die Banken im öffentlichen Eigentum in Deutschland einen Marktanteil von 43 % haben. In einer sozialen Marktwirtschaft darf sich der Staat nicht als international operierender Banker betätigen. Seine Aufgabe besteht darin, den Banken einen klaren Ordnungsrahmen zu setzen und dafür zu sorgen, dass dieser Rahmen eingehalten wird.

(Unruhe – Glocke)

Nur weil der Staat diese Pflichten vernachlässigt hat, konnte die Finanzkrise dieses Ausmaß annehmen. Im Übrigen ist es bezeichnend, dass ausgerechnet die öffentlich-rechtlichen Landesbanken die ersten Geldinstitute sind, die das Rettungspaket des Bundes und der Länder in der Finanzbranche nutzen werden. Dies lässt sich schwerlich als Indiz für das Scheitern des Neoliberalismus in Deutschland werten.

(Zuruf von Rüdiger Sagel [fraktionslos])

Wenn wir über die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzmarktkrise reden, können wir zunächst feststellen: Durch die überaus schnelle Verabschiedung des Rettungspaketes konnte Schlimmeres verhindert werden. Alle wesentlichen Fraktionen im Deutschen Bundestag und hier im Landtag sind ihrer gesamtstaatlichen Verantwortung gerecht geworden und haben das Finanzmarktstabilisierungsgesetz konstruktiv begleitet. Dadurch ist uns eine Hängepartie wie in den Vereinigten Staaten erspart geblieben, und dadurch konnten auch

schwerwiegendere realwirtschaftliche Auswirkungen vermieden werden.

Finanzminister Helmut Linssen hat recht, als er in der Sondersitzung in der vergangenen Woche und auch heute sagte: Ich halte das Finanzmarktstabilisierungsgesetz, das jetzt vorgelegt worden ist, für das beste Konjunkturprogramm.

Meine Damen und Herren! „Deutschland am Rande einer Rezession“ ist der Titel und zugleich das Fazit des Herbstgutachtens der wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde. Die Forscher rechnen für das kommende Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 0,2 %. Im Frühjahr lag die Prognose noch bei 1,4 %. Nun darf man nicht den Fehler machen, die Eintrübung der Konjunktur allein der Finanzmarktkrise zuzuschreiben. Es sind noch eine Reihe weiterer Faktoren zu nennen:

Wir haben eine internationale Konjunkturschwäche, von der Deutschland als Exporteur von Investitionsgütern in besonderem Maße betroffen ist.

Hinzu kommt die starke Aufwertung des Euros, die die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft verschlechtert hat.

Nicht zuletzt sanken durch den massiven Anstieg der Weltmarktpreise für Energieträger, Rohstoffe und Nahrungsmittel die Realeinkommen und die privaten Konsumausgaben.

Natürlich hat die Lage an den Finanzmärkten die konjunkturellen Aussichten weiter verschlechtert. Es ist aber keineswegs so, dass nach dem Rettungspaket für die Banken nun zwangsläufig ein Rettungspaket für den Rest des Landes geschnürt werden müsste. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Finanzmarktkrise jetzt von vielen als willkommener Vorwand genutzt wird, um ihren Wunschzettel – die Wünsche konnten in der Vergangenheit aufgrund der Unfinanzierbarkeit nicht erfüllt werden – wieder aus der Schublade herauszuziehen und in die Diskussion einzuwerfen. Ich kann nur davor warnen, die wirtschaftliche Lage des Landes schlechtzureden und irgendwelche Untergangsszenarien heraufzubeschwören, denen man mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen begegnen müsse.

(Beifall von der FDP)

Die Wirtschaftsministerin hat schon darauf hingewiesen: Wir haben in Nordrhein-Westfalen keine Kreditklemme zu beklagen. Trotz aller aktuellen Verwerfungen auf den internationalen Kapitalmärkten ist die Mittelstandsfinanzierung in NordrheinWestfalen verlässlich und stabil. Die Rahmenbedingungen für Investitionen am Wirtschaftsstandort Nordrhein-Westfalen sind weiterhin attraktiv. Seit dem Regierungswechsel 2005 ist die NRWWirtschaft deutlich robuster und weniger krisenanfällig. Das hat sehr viel mit dem Vertrauen zu tun,

das der Mittelstand, die Industrie, das Handwerk, die Einzelhändler, die Freiberufler zu dem Standort Nordrhein-Westfalen, aber auch zu den Koalitionsfraktionen von FDP und CDU gefasst haben.

Die Chancen, die sich durch unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung bieten, werden zunehmend genutzt. Seit dem Regierungswechsel im Mai 2005 sind in Nordrhein-Westfalen fast 330.000 Menschen weniger arbeitslos und über 230 neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze entstanden.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

2007 hat Nordrhein-Westfalen mit 2,6 % das stärkste Wirtschaftswachstum seit 15 Jahren zu verzeichnen. Damit konnte das Land endlich wieder zur Spitzengruppe der wachstumsstärksten Bundesländer aufschließen. Unter Rot-Grün hätten die realwirtschaftlichen Auswirkungen der Finanzkrise vermutlich schon längst ein ganz anderes Ausmaß angenommen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, das Vertrauen, das SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit bei Wirtschaft und Mittelstand verspielt haben, werden sie nun aus der Opposition heraus nicht dadurch zurückgewinnen, dass sie in die wirtschaftspolitische Mottenkiste des Keynesianismus greifen.

Es ist geradezu abenteuerlich, welche Vorschläge derzeit herumgeistern, mit denen die Konjunktur angekurbelt werden soll. Nach dem Rettungsschirm für die Banken soll es nun auch einen Rettungsschirm für Arbeitsplätze geben. Für einzelne Branchen des produzierenden Gewerbes sollen neue Förderprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau aufgelegt werden. Der Kauf verbrauchsärmerer Autos soll durch die Kfz-Steuer gefördert werden. Ich könnte diese Liste unendlich fortsetzen.

Dies entwickelt sich wirklich zu einem Überbietungswettbewerb. Während sich die Vorschläge aus den Reihen der Großen Koalition größtenteils noch im einstelligen Milliardenbereich bewegen, greifen der DGB und die Linke mit Konjunkturprogrammen in Höhe von 25 bzw. 30 Milliarden € in die Vollen. Das ist genau das, was wir in der jetzigen Situation nicht brauchen: milliardenschwere, auf Kosten zukünftiger Generationen finanzierte Staatshilfen. Alle Erfahrungen zeigen, dass solche öffentlichen Ausgabenprogramme keine konjunkturellen Wirkungen entfalten, sondern schlichtweg verpuffen und den Staat am Ende des Tages noch tiefer in die Schuldenfalle führen.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, die politische Diskussion verliert sich derzeit in Einzelmaßnahmen. Es herrscht Aktionismus. Hektisch werden irgendwelche Konjunkturprogramme zusammengeschustert, auch wenn sie so nicht heißen dürfen. Nach dem

Staatsversagen bei der Entstehung der Finanzkrise droht nun auch das Staatsversagen bei der Bewältigung ihrer Folgen. Wiederum werden fundamentale Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft außer Acht gelassen.

Deshalb sage ich Ihnen: Was wir in der jetzigen Situation wirklich brauchen, ist ordnungspolitische Vernunft. Wir brauchen ein verlässliches Signal der Politik, das die Menschen wieder Vertrauen schöpfen lässt, das Konsumklima positiv beeinflusst und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen erhöht. Ein solches Signal für mehr Investition, für mehr Beschäftigung kann nur durch eine umfassende Steuerreform mit deutlichen Steuersenkungen umgesetzt werden, bei der Arbeitnehmer, der vergessene Mittelstand, die Kleinbetriebe und Personengesellschaften nachhaltig entlastet werden dürfen. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von FDP und CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Herr Kollege Priggen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist immer eine besondere Herausforderung, nach dem Kollegen Brockes zu reden.

(Heiterkeit von GRÜNEN und SPD)

Inhaltlich kann er einen reizen; gleichzeitig ist das Traurige, dass die Journalisten immer fluchtartig die Pressetribüne verlassen, wenn er anfängt vorzulesen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Ewald Groth [GRÜNE]: Das kann man verstehen! – Zuruf von Dr. Gerhard Papke [FDP])

Ich habe mir sehr interessiert heute die Debatte angehört.