Protocol of the Session on November 20, 2019

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich finde, das sind konkrete Handlungsoptionen, bei denen das Land etwas machen kann. Zeigen Sie, dass Sie das machen wollen! Sonst werden wir das tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Es folgt jetzt der Abgeordnete Oliver Lottke von der SPDFraktion. Bitte sehr! Ich erteilte Ihnen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal bin ich der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sehr dankbar für diese Aussprache. „Soziale Spaltung in Niedersachsen bekämpfen“, das ist der Titel ihres Antrages zur Aktuellen Stunde. Genau dieses Ziel verfolgt die SPD-geführte Landesregierung seit zwei Jahren.

(Beifall bei der SPD - Anja Piel [GRÜNE]: Auch vorher schon!)

Es liegt nicht allein in niedersächsischer Hand, diese Aufgaben zu bewältigen, sondern wir sind maßgeblich auf die Unterstützung der Bundesebene angewiesen. Deswegen bin ich sehr froh, dass es Berlin gelungen ist, die von Minister Hubertus Heil auf den Weg gebrachte Grundrente ab Januar 2021 für bis zu 1,5 Millionen Rentnerinnen und Rentner ohne Bedürftigkeitsprüfung einzuführen. Liebe FDP, wir machen wenigstens etwas in diese Richtung.

(Beifall bei der SPD)

Denn auch Respekt und Lebensleistung sind ein Mittel gegen die soziale Spaltung.

Meine Damen und Herren, vor dem Eintritt in den Niedersächsischen Landtag habe ich als Sozialpädagoge mehr als 20 Jahre mit nachbeteiligten Menschen gearbeitet, u. a. mit psychisch kranken und mit wohnungslosen Menschen. Ich habe es leider sehr häufig erlebt, dass Menschen z. B. mit psychischen Problemen beim Jobcenter ihrer Mitwirkungspflicht nicht in vollem Umfang nachkommen konnten. Es kam dann zu Sanktionen, die aus meiner Sicht nicht gerechtfertigt waren. Daraus folgten häufig große finanzielle Probleme für die Betroffenen. Die Aufgabe der betreuten Einrichtungen war es dann, Lösungen für diese finanziellen Notlagen zu finden. Ich sage es frei heraus: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesen Einrichtungen haben wichtigere Aufgaben, als die Folgen starrer und in Teilen lebensferner Hartz-IVSanktionen zu korrigieren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deshalb bin ich sehr froh, dass das Bundesverfassungsgericht die Sanktionen zum Teil gekippt und die rigiden Regeln kritisiert hat, ohne das System der Mitwirkungspflicht gänzlich infrage zu stellen.

(Zustimmung von Ulrich Watermann [SPD])

Bisher ist es leider nicht möglich, außergewöhnliche Härten zu berücksichtigen, wie etwa die Probleme psychisch kranker Menschen.

Auch die dreimonatige Dauer der Sanktionen sei unverhältnismäßig, urteilten die Richter. Wenn eine Mitwirkungspflicht nachträglich erfüllt werde, müsse dies zum Ende der Sanktionen führen.

Auch ich hoffe nun, ähnlich wie die Kollegin Piel, dass sich der Gesetzgeber zügig mit den Hartz-IVSanktionssystemen befassen wird, um u. a. die von mir beschriebenen Unwuchten bei den Sanktionen zu beseitigen. Auch dies ist ein wichtiger Beitrag, um die soziale Spaltung in unserem Land zu bekämpfen.

Meine Damen und Herren, ich bin unserer Sozialministerin Carola Reimann sehr dankbar, dass sie mit ihrem Einsatz in Niedersachsen und darüber hinaus dem Kampf gegen Armut und für die Verbesserung der Lebensbedingungen wohnungsloser Menschen ein Gesicht gibt.

Im vergangenen Jahr haben wir investive Maßnahmen für wohnungslose Menschen auf den Weg gebracht, beispielsweise den Ausbau von geschlechtergerechten und barrierefreien sanitären Anlagen, die Einrichtung von Hygienecentern zur medizinischen Betreuung in Tagesaufenthalten und die Verbesserung bei den Standards der Obdachlosenunterbringung.

Meine Damen und Herren, unser Land ist reich. Trotzdem gibt es Menschen, die arm oder von Armut gefährdet sind. Dieser scheinbare Widerspruch beschreibt die zwei Seiten einer Medaille. Ich habe das hier in diesem Hohen Hause schon einmal gesagt - ich wiederhole es aus gebotenem Anlass -: Jeder Mensch, der in Armut lebt, ist einer zu viel.

Für uns als SPD reicht es nicht, die Herausforderungen zu beschreiben, wie die Kolleginnen und Kollegen der FDP; wir stellen uns ihnen. In der Großen Koalition auf Bundesebene, aber auch hier bei uns Niedersachsen machen wir Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut. Bis 2030 wird die SPD-geführte Landesregierung 40 000 neue Sozialwohnungen schaffen, weil bezahlbares Wohnen die Basis unseres lebenswerten Miteinanders ist. Und ja, es werden noch weitere folgen müssen, liebe Frau Piel; das ist klar.

Wir als SPD-geführte Landesregierung haben kürzlich das Schulgeld für Gesundheitsberufe abgeschafft und die Kita-Gebühren aufgehoben. Kollegin Bruns, davon profitieren nicht nur Besserverdienende wie wir beide. Ich kenne auch ein paar, die nicht zu den Besserverdienenden gehören und dadurch eine deutliche Entlastung bekommen haben.

(Beifall bei der SPD - Wiard Siebels [SPD]: So ist es!)

Der Mindestlohn, den wir als SPD gerne weiter steigern möchten, ist die Basis für gute Arbeit, damit gute Löhne bezahlt werden können, um am Ende eine Rente abseits der Grundsicherung zu bekommen. Die Grundrente ergänzt dies in wichtiger Weise. Weil in den vergangenen Wochen und Monaten schon so viel darüber diskutiert worden ist, nur zwei Bemerkungen von meiner Seite dazu:

Ich fand und finde es unwürdig, wie Teile der Politik abenteuerliche Klischees konstruiert haben, um die Bedürftigkeitsprüfung zu begründen. Ich sage klar: Die Grundrente ist ein Zeichen, dass wir es mit der sozialen Absicherung im Alter ernst meinen. Es muss aber dabei bleiben, dass gute Renten aus guten Löhnen gebildet werden. Das bedeutet zuallererst die Verantwortung der Arbeitgeber, nicht nach Wegen zu suchen, den Mindestlohn zu umgehen, sondern ihn verantwortungsbewusst zu zahlen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, dies alles zeigt: Niedersachsen ist auf Kurs. Wir wollen, dass unser Land zusammenbleibt. Wir als SPD werden unsere ganze Kraft dafür einsetzen, dass uns das gelingt. Dieser Kampf braucht viele, die ihn führen. Sie sind eingeladen. Schließen Sie sich an!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Dirk Toepffer [CDU])

Wir danken auch, Herr Kollege Lottke. - Jetzt fehlt noch die CDU-Fraktion. Herr Kollege Jörg Hillmer, bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin den Grünen außerordentlich dankbar, dass sie die soziale Spaltung thematisieren; denn über die seit vielen Jahren diskutierten Aspekte der sozialen Ungleichheit hinaus ist die soziale Dimension gerade der Energiewende eine brandaktuelle Frage.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Energiewende verknappt und verteuert Energie und wirft aus mehreren Gründen neue soziale Fragen auf:

Erstens. Der Aufwand für Energie steigt nicht proportional mit dem Einkommen. Bei kleinen Einkommen nehmen die Energiekosten bereits heute

schnell 25 % weg, bei großen Einkommen vielleicht nur 2,5 %.

Zweitens. Kapital bewegt sich international zur vorzüglichsten Verwendung und zum vorzüglichsten Standort. Erhöhte Energiekosten lassen sich nicht auf Kapitalgeber überwälzen. Die beiden anderen wichtigen Produktionsfaktoren Arbeit und Energie verhalten sich dann wie kommunizierende Röhren: Geht das eine hoch, muss das andere sinken. Dieser Zusammenhang wird im Moment von Nullzinspolitik, Exportkonjunktur und Vollbeschäftigung überdeckt. Das wird aber nicht immer so anhalten. Dann, meine Damen und Herren, wirkt dieser Hebel voll auf Löhne und Rentenhöhe.

Drittens. Die Anlagen der erneuerbaren Energien sind teuer, bieten aber zum Teil interessante Renditen. Das Problem ist nur: Wer kein Geld hat, profitiert davon nicht. Er zahlt nur diverse Umlagen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn die Energiewende ein Tagwerk wäre, sitzen wir gerade erst beim Frühstück. Erst in drei Jahren schalten wir die Kernkraft und in weniger als 20 Jahren das letzte Kohlekraftwerk ab. Und den Grünen geht das alles noch nicht schnell genug.

CDU und SPD in Berlin haben einen CO2-Preis von 10 Euro vorgeschlagen. Die Grünen fordern ein Vielfaches davon.

(Anja Piel [GRÜNE]: Ja, zum Zurück- zahlen! - Weitere Zurufe)

Sie treffen damit vor allem die Menschen mit kleinen Einkommen. Nun wollen sich die Grünen mit ihren Parteitagsbeschlüssen und vielleicht auch mit dieser Aktuellen Stunde einen sozialen Umhang überwerfen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Sie haben das Prinzip nicht verstanden! Wir erklären es Ihnen gern!)

Das ist schon von der Dimension her pure Makulatur.

Herr Hillmer, lassen Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Byl zu?

Nein. Ich möchte im Zusammenhang vortragen.

(Lachen bei den Grünen)

Sie sind die Treiber für eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Die soziale Ungleichheit der sozialen Marktwirtschaft, über die wir in den letzten Jahrzehnten gestritten haben, ist winzig gegenüber dem, was die Grünen mit diesem Land vorhaben.

(Lachen bei den Grünen - Miriam Staudte [GRÜNE]: Unter welcher Re- gierung ist denn die soziale Spaltung größer geworden?)

Was heißt das für die Politik? - Erstens. Eine besonnene Umstellung der Energieversorgung ist besser als eine schnelle Energiewende.

Zweitens. Die Grünen sind kein Beschützer des sozialen Friedens, sondern dessen größte Bedrohung.