Protocol of the Session on March 1, 2018

Es geht also darum, Handlungsspielräume zu bewahren - unsere, aber vor allem die unserer Kinder und Enkelkinder. Hier sind wir in der Pflicht.

(Beifall bei der FDP und bei AfD)

Wie bewertet die Wissenschaft nun unseren Vorschlag? - Dazu habe ich ein Zitat von Lars Feld mitgebracht, seines Zeichens Mitglied im Sachverständigenrat der Bundesregierung, also ein Wirtschaftsweiser. Er hat im Handelsblatt am 15. Januar 2017 gesagt: „Konjunkturell gesehen, ist die Verwendung des Überschusses zur Schuldentilgung richtig.“ - Das Thema Schuldenabbau wird also auch von der wissenschaftlichen Seite aus unterstützt.

Im Politikjournal Rundblick hat Klaus Wallbaum am 27. Februar 2018 einen, wie ich finde, sehr richtigen Satz geschrieben, der die Situation in Niedersachsen sehr gut auf den Punkt bringt. „Es dominiert bei den Regierenden eine eigentümliche Lust am Geldausgeben.“ - Genau das ist der Punkt! Wir wollen hier einen Kontrapunkt zu diesem Mainstream setzen, zu diesem allgemeinen Geldausgeben, zu diesem Umgang mit Geld, der mit Sparsamkeit und Disziplin nichts zu tun hat.

Wir wollen mit der von uns vorgeschlagenen Verfassungsänderung dem Land ein Korsett anlegen. Dieses Korsett würde in der Praxis dazu führen, dass die Regierung handeln muss. Sie müsste automatisch in Sachen Aufgabenanalyse tätig werden. Die geplante Regierungskommission darf nicht auf die lange Bank geschoben werden; eine Legislaturperiode unter Rot-Grün haben wir schon vergeudet. Die Landesregierung ist aufgefordert, Prioritäten zu setzen.

Wir sind also verpflichtet, eine enkelfeste Politik zu machen. Es geht um Handlungsspielräume für uns, und es geht um Handlungsspielräume für unsere Kinder und Enkelkinder.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Es folgt jetzt für die Fraktion der AfD der Abgeordnete Peer Lilienthal. Bitte sehr!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Herr Minister Hilbers, manchmal wird einem das Heft des Handelns ja

unfreiwillig aus der Hand genommen. So auch an dieser Stelle.

Sie wollten die Schuldenbremse ohnehin zeitnah in die Verfassung aufnehmen. Das haben Sie immer wieder geäußert, beispielsweise in Ihrer Antwort vom 1. Februar 2018 auf meine Kleine Anfrage vom 8. Januar 2018. Es steht im Koalitionsvertrag, und Sie haben das auch gegenüber der Presse immer ganz deutlich gemacht. Ich zitiere sinngemäß aus Ihrer Antwort: Im Laufe des Jahres 2018 soll die Verfassung entsprechend geändert werden.

Jetzt ist Ihnen die vorlegende Fraktion allerdings zuvorgekommen, und nicht nur das, sie hat Sie sogar überholt. Der Entwurf sieht nicht nur eine Schuldenbremse im klassischen Sinne vor, sondern mit seinem Vorschlag zu Artikel 71 Abs. 3 Satz 3 letzter Halbsatz auch eine Tilgungskomponente oder - wie Herr Grascha es hier eben genannt hat - einen Tilgungsturbo.

Auch zu dieser Tilgungskomponente haben Sie sich, Herr Minister, schon einmal geäußert, und zwar im Rahmen der erwähnten Antwort auf die Kleine Anfrage, die ich gestellt habe. Ich möchte auch das zitieren: „Eine Regelung der Tilgung von Altschulden ist im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Einführung der Schuldenbremse nach derzeitigem Stand nicht beabsichtigt.“

Dabei wäre doch gerade die Tilgung von Altschulden so dringend nötig! In Niedersachsen hat sich ein Schuldenberg von derzeit 60 Milliarden Euro aufgebaut - wobei das eigentlich gar nicht richtig ist; denn er hat sich nicht selbst aufgebaut, sondern er ist durch Ihre Vorgänger aufgebaut worden. Schulden kosten aber Geld: Zinsen! Im Moment ist dieses Geld billig zu haben. Das kann sich aber ändern, und zwar schneller als wir denken. Ich hatte bei anderer Gelegenheit schon einmal gesagt, dass wir in dynamischen Zeiten leben und dass, so langsam die Zinsen gesunken sind, so schnell sie auch wieder steigen können; das muss nicht unbedingt paritätisch sein. Passiert das, gerät Niedersachsen sehr schnell - weil hoch verschuldet - in finanzielle Probleme.

Das wäre eine Belastung für zukünftige Generationen - das ist eben schon ausgeführt worden -, aber eben nicht nur für Generationen von Steuerzahlern, sondern auch - und das zu betonen, ist mir ganz wichtig - von Parlamentariern; denn schon jetzt ist, wie wir in den Beratungen zum Nachtragshaushalt gesehen haben, der Handlungsspielraum für die Politik bei der Aufstellung eines Haus

halts relativ gering, weil es einfach Aufwendungen gibt, die zwangsläufig erfüllt werden müssen. Sie muten zukünftigen Parlamentariergenerationen möglicherweise zu, überhaupt keinen Handlungsspielraum mehr zu haben. Die Parlamentarier würden dann quasi zu Symptomdesignern, könnten also nur noch verwalten und nicht mehr gestalten.

Ich ganz persönlich glaube, dass derjenige Minister oder diejenige Landesregierung, die den Abbau von Altschulden signifikant angeht, in die Geschichte dieses Landes eingehen wird, und das zu Recht.

(Beifall bei der AfD)

Jedem ist nämlich klar, dass Schuldenabbau nur bei einer ausgesprochen kleinen Minderheit der Wähler populär ist. Der natürliche Reflex von Politik - insoweit kann ich die Verwunderung der Presse nicht verstehen - ist, das zu tun, was Zustimmung und Stimmen bringt und was beliebt macht, also Ausgaben, Förderung, Geld. Diesem Reflex zu widerstehen, erfordert Weitblick, und, Herr Minister, es erfordert auch Leidensfähigkeit. Das ist kein einfacher Weg. Deshalb ist eine Schuldenbremse, also eine verfassungsmäßige Regelung, sinnvoll. Und es ist auch sinnvoll, dieses Instrument jetzt in die Verfassung zu bringen.

Das Land liefe übrigens nicht Gefahr - und insofern passt dieses Bild vom Tilgungsturbo nicht ganz -, durch diese Tilgungskomponente erdrosselt zu werden. Denn dieser Turbo springt ja nur an, wenn die Tilgung überhaupt möglich ist und der Handlungsspielraum in Richtung Tilgung geht. Das steht in dem Entwurf auch ganz klar drin.

Es ist also ein Entwurf der aufgrund der guten Haushaltslage in unsere Zeit passt. Wir hätten Ihnen, Herr Minister, auch zugetraut, dass Sie die Schuldenbremse selbst hinbekommen. Diese Tilgungskomponente aber vermutlich nicht; das ist ein echter Kracher. Wir stimmen der Ausschussüberweisung zu. Im Ausschuss werden wir ganz besonderes Augenmerk nicht nur auf diese Tilgungskomponente, sondern auch darauf legen, dass die Ausnahmetatbestände, die die klassische Schuldenbremse vorsieht, vorab genau diskutiert werden, damit nicht im Nachhinein in alles Mögliche eine außergewöhnliche Notsituation hineininterpretiert werden kann.

(Beifall bei der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Es folgt jetzt für die SPD-Fraktion der Abgeordnete Frank Henning. Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die FDP-Fraktion bringt heute einen Gesetzentwurf zur Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung ein. Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, ich begrüße Ihre Gesetzesinitiative ausnahmsweise außerordentlich und ganz besonders.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Das macht mir ein bisschen Sorgen! Da müssen wir etwas falsch gemacht haben, lie- ber Kollege!)

Erstens, liebe Kolleginnen und Kollegen, rennen Sie bei uns offene Türen ein. Denn auch die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, keine neuen Schulden zu machen und die Vorgaben der Schuldenbremse des Grundgesetzes in der Niedersächsischen Verfassung zu verankern.

Die grundgesetzlich eröffnete Möglichkeit, spezielle landesgesetzliche Regelungen zu schaffen, um auf konjunkturelle Schwankungen, Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituation reagieren zu können, werden wir selbstverständlich nutzen. Unser Finanzminister Hilbers hat angekündigt, einen entsprechenden Gesetzentwurf in den Landtag einzubringen.

Zweitens begrüße ich Ihre Gesetzesinitiative allerdings auch deshalb, weil es mir die Möglichkeit gibt, mich bei Ihnen, lieber Herr Grascha, für das Lob, das Sie der konsequenten sozialdemokratischen Finanzpolitik ausgesprochen haben, zu bedanken. Wie Sie nämlich im zweiten Absatz unter Ziffer 1 Ihrer Gesetzesbegründung völlig zu Recht ausführen, muss Niedersachsen von der Ausnahmeregelung des Artikels 143 Grundgesetz erneut - ich betone: erneut - keinen Gebrauch machen, weil der niedersächsische Landeshaushalt bereits seit 2016 ohne neue Schulden auskommt. Genau so ist das, Herr Grascha!

(Beifall bei der SPD)

Sie weisen auch völlig zu Recht darauf hin, dass es dem sozialdemokratischen Finanzminister Peter-Jürgen Schneider bereits in der letzten Wahlperiode gelungen ist - ich betone: als erstem und einzigen Finanzminister des Landes Niedersach

sen seit dessen Gründung im Jahre 1946 -, einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden vorzulegen. Das ist eine historische Leistung der SPD. Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD)

Im Gegensatz übrigens zu Ihnen, meine Damen und Herren von der FDP, die Sie in Ihrer zehnjährigen Regierungszeit von 2003 bis 2013 entscheidend mit dazu beigetragen haben, dass der Schuldenstand des Landes Niedersachsen um satte 50 % gestiegen ist, nämlich von 40 Milliarden Euro bei Ihrer Regierungsübernahme im Jahre 2003 auf 60 Milliarden Euro beim Regierungsverlust 2013.

Ich nenne das eine satte Leistung. Wie gut, dass Sie uns heute hier in Ihrem Gesetzentwurf erklären wollen, wie das mit der Schuldenbremse und der Altschuldentilgung so funktioniert. Da sind Sie offensichtlich der richtige Ratgeber, wenn ich so sehe, was Sie in der Vergangenheit gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Nun aber genug des süffisanten Lobes! Ich will Ihnen auch sagen, an welcher Stelle wir als SPDFraktion die Dinge naturgemäß anders sehen.

Sie wollen im Fall von Naturkatastrophen und außergewöhnlichen Notsituationen eine Ausnahme vom Neuverschuldungsverbot dann zulassen, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln des Landtages das so beschließt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei allem Respekt: Das ist eine typische Oppositionsforderung. Sie wollen sich ein Mitentscheidungsrecht sichern, wenn es darum geht, beim Neuverschuldungsverbot Ausnahmen zuzulassen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Haben wir doch gar nicht! Die zwei Drittel habt ihr ja allein!)

Aber wir wollen genau das nicht; denn es ist nun einmal die ureigene Aufgabe der Regierung, den Landeshaushalt aufzustellen, und dabei trägt die Regierung auch die Gesamtverantwortung für die Finanzpolitik.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Haben Sie Angst, dass Sie die Zweidrittelmehr- heit nicht zustande kriegen?)

- Sie können sich ja gleich zu Wort melden, lieber Kollege.

Eine entscheidungsfreudige Regierung darf sich in Krisenzeiten nicht von der Opposition abhängig machen und darauf hoffen, dass eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Wir setzen klar auf eine einfache Mehrheit, wie es im Übrigen auch der Artikel 115 des Grundgesetzes für die Bundesebene vorsieht: Auch dort reicht eine einfache Mehrheit aus. Ich vermag nicht zu erkennen, warum wir auf Landesebene schärfere Bestimmungen brauchen als auf Bundesebene.

Herr Kollege Henning, lassen Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Limburg zu?

Aber immer gerne - wenn die Zeit angehalten wird.

Ja, das machen wir immer. Selbst bei der Antwort wird die Zeit angehalten.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Vielen Dank, Herr Kollege Henning, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Da Sie gerade auf die Zweidrittelmehrheit rekurriert und sozusagen unterstellt haben, die Opposition wolle einen Mitsprachevorbehalt haben: Es ist ja nun mal leider so, dass die Regierungskoalition in diesem Land bereits eine Zweidrittelmehrheit hat. Darf ich Ihre Ausführungen also so verstehen, dass Sie Angst haben, dass Sie eine solche Zweidrittelmehrheit innerhalb der Reihen von SPD und CDU nicht zusammenbekommen, um einen Ihrer zukünftigen Haushalte durchzubringen?

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Jörg Hillmer [CDU]: Herr Limburg, darf ich Sie so verstehen, dass Sie damit rechnen, nie wieder zu regieren?)

Herr Limburg, vielen Dank für die Frage. Selbstverständlich hat die Große Koalition eine Zweidrittelmehrheit. Aber wie Sie wissen: Alle diese Dinge sind auf Zeit. Und ich gehe nicht davon aus, dass wir diese Große Koalition über das Jahr 2022 hinaus haben werden - weil wir dann im Landtag natürlich eine absolute Mehrheit der SPD haben werden.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, zurück zur Sache! Was aus unserer Sicht gar nicht geht - nach dem kräftigen Lob für die FDP war ich ja gerade dabei, die Unterschiede aufzuzeigen -: Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf in Artikel 71 Abs. 3 der Verfassung einen Tilgungsturbo einführen. Es geht Ihnen darum, zusätzliche Steuereinnahmen im Fall einer positiven konjunkturellen Entwicklung automatisch zur Altschuldentilgung zu verwenden. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung würde jedem Finanzminister, gleich welcher Couleur - es kann ja auch mal wieder einen gelben geben -, jegliche Luft zum Atmen nehmen. Über die Verwendung von Steuermehreinnahmen muss am Ende das Parlament auf Vorschlag der Landesregierung entscheiden. Ein Automatismus in der von Ihnen gewählten Art würde uns als Parlamentariern jeglichen finanziellen Spielraum nehmen und uns als Abgeordnete zu Statisten degradieren. Genau das wollen wir aber nicht.