Peer Lilienthal

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Last Statements

Vielen Dank, Frau Präsidentin.
Ich verlese die Dringliche Anfrage der AfD „Millionen vergeudet? - Zur Verwendung der Mittel des zweiten Nachtrags 2020 bei der Staatskanzlei“.
Im Rahmen des zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 sind der Staatskanzlei insgesamt 2 800 000 Euro zugeteilt worden. Im Rahmen der Beratungen zum zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2020 sind diese Mittel damit begründet worden, dass man den Zusammenhalt der Gesellschaft besonders in schwierigen Zeiten fördern wolle und der Kommunikation dabei eine zentrale Rolle zukäme. Nach der Übersicht über den Mittelabruf und Mittelabfluss vom 3. September 2020 wurden von den 1 800 000 Euro für das Bündnis „Niedersachsen hält zusammen“ bisher 475 000 Euro abgerufen. Die „Soforthilfen Film- und Medienbranche“ wurden in voller Höhe abgerufen.
Der Landesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 angemahnt, dass „die im Rahmen des Nachtragshaushalts gemeldeten Bedarfe … nicht allein unter dem Aspekt politischer Zielsetzungen zu betrachten (sind). Vielmehr treten das Erfordernis der Zweckbindung an die Bewältigung der außergewöhnlichen Notsituation und der Grundgedanke des verfassungsrechtlichen Verschuldungsverbots hinzu“.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wofür sind die im Rahmen des zweiten Nachtragshaushaltsgesetzes 2020 der Staatskanzlei zugeteilten Mittel in Höhe von 475 000 Euro verwendet worden?
2. Werden die Inhalte des YouTube-Kanals „Niedersächsische Landesregierung“ teilweise aus Mitteln des zweiten Nachtragshaushalts 2020 finanziert?
3. Welchen Beitrag zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie hat das Bündnis „Niedersachsen hält zusammen“ bisher geleistet?
Frau Präsidentin, ich kann, wenn das für Sie in Ordnung ist und wenn die Landesregierung damit einverstanden ist, auch alle drei Zusatzfragen, die ich bisher vorgelegt habe, zusammen vortragen, um dadurch Zeit zu sparen.
Ich stelle die erste Zusatzfrage. Uns ist im Rahmen der Nachtragshaushaltsberatung immer wieder gesagt worden, dass es ganz, ganz wichtig ist, dass die Finanzierung der Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Pandemie und der normale Haushalt getrennt sind. Ich frage die Landesregierung vor diesem Hintergrund: Wie soll das gewährleistet werden, wenn an der Stelle schon die Kanäle nicht getrennt sind?
Die zweite Zusatzfrage: Unter dem Motto „Niedersachsen hält zusammen“ sind ja diverse Projekte zusammengefasst. Ich frage die Landesregierung, wie beispielsweise die Projekte „ROpen-Air“, der Seilsprungwettbewerb in Bad Münder oder „Kunst und Keks - Kreative Beutel zum Mitnehmen“ die Bewältigung der Corona-Pandemie verbessern.
Die dritte Frage ist: Der YouTube-Kanal der Landesregierung hat im Moment 332 Abonnenten. Ich frage mich: Wie will die Landesregierung mit dieser Abonnentenzahl Reichweite in der Bevölkerung generieren?
Die Wortmeldung für meine fünfte Frage habe ich auch bereits abgegeben, Frau Präsidentin. Ich würde diese beiden Fragen gerne zusammen stellen.
Die vierte Zusatzfrage ist, ob die Ergebnisse der Filmförderung auch in das Bündnis für Niedersachsen eingehen, ob das also doppelt verwendet wird.
Die fünfte Zusatzfrage bezieht sich darauf - den Hinweis auf die Multiplikatoren habe ich verstanden -, dass es bei YouTube einen eigenen Kanal „Niedersachsen hält zusammen“ gibt. Er hat tatsächlich keinen Abonnenten, und das beste Video
ist zehnmal gesehen worden. Wie wollen Sie das noch multiplizieren?
Vielen Dank, Herr Präsident. - Das mobile Arbeiten, das Kern dieses Antrags ist, ist natürlich durch die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen aufs Tapet gekommen. Das halten wir auch für richtig. Die Rahmenbedingungen, unter denen das mobile Arbeiten, das Homeoffice im Moment stattfinden, sind sicherlich verbesserungswürdig.
Die Beweislastumkehr, die jetzt im Raum
schwebt - dass man im Grunde genommen sagt, man kann grundsätzlich immer Homeoffice machen; wenn der Arbeitgeber das nicht will, hat er die Pflicht, zu beweisen, dass das nicht geht -, ist natürlich eine schwierige Geschichte. In den Niederlanden beispielsweise hat das am Anfang zu erheblichen Verwerfungen geführt. Mittlerweile geht das.
Aber es ist natürlich ganz schön bürokratisch, wenn jeder Arbeitgeber Musterverfahren entwickeln muss, unter welchen Bedingungen er das Homeoffice versagt. Das würde ja zunächst einmal für alle Arbeitgeber gelten, auch wenn der Antrag ganz deutlich von Büroarbeitskräften spricht. Grundsätzlich wäre jeder Arbeitgeber in der Pflicht, beispielsweise auch derjenige, der nur Maurer anstellt.
Der Antrag hat einen steuerlichen Schwerpunkt. Jedenfalls haben wir den aus ihm herausgelesen. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion zunächst eine Mitberatung durch den Haushaltsausschuss - bevor ich das vergesse.
Das Steuerrecht ist ein ganz kleines bisschen wie das Spiel Jenga - Sie kennen vielleicht diese Bauklötze -: Wenn man irgendetwas an dem Gebäude verändert, droht es zusammenzubrechen.
So ganz durchschaut kaum einer unser Steuersystem. Es ist vielleicht auch gar nicht durchschaubar. Ein bisschen hängt alles mit allem zusammen. Fakt ist aber: Es ist nicht auf der Höhe der Zeit. Ich denke, das ist unstrittig. Das mobile Arbeiten gewinnt an Bedeutung, und diese Bedeutung ist im Einkommensteuergesetz und in den einschlägigen Vorschriften einfach nicht repräsentiert. Das ist überhaupt keine Frage.
Das Problem des Arbeitsplatzes bindet zudem Kräfte in der Finanzverwaltung. Das ist natürlich ein Prüfungspunkt. Die Absetzung des Arbeitsplatzes - ich sage es einmal mit Laienworten - ist ein beliebter Sport. Dem geht das Finanzamt dann nach. Das kostet unheimlich viel Kraft und spart
wahrscheinlich insgesamt wenig Geld. Da wäre eine Erleichterung für die Verwaltung nötig. Für die Steueranwärter und die Finanzanwärter müsste man dann natürlich eine andere Prüfungsfrage finden; denn bislang ist der heimische Arbeitsplatz ein Klassiker im ersten Teil des Studiums.
Ich bin ein großer Freund von Pauschbeträgen, weil sie die Arbeit unheimlich erleichtern und alle möglichen Lebenssachverhalte gleich mitentscheiden. All das, was man ansonsten gesetzlich regeln müsste oder wozu es sonst - das sehe ich nach der Corona-Pandemie kommen - eine Menge Klagen gäbe - die Arbeitsplätze waren schlicht nicht mehr erreichbar; die Leute mussten von zu Hause arbeiten, erfüllen ansonsten aber nicht die Voraussetzungen; das wird richtig prickelig -, fällt bei Pauschbeträgen komplett weg. Da kann es sich der Gesetzgeber vergleichsweise einfach machen. Ich halte das eigentlich für eine zeitgemäße Sache.
Eventuell - dazu sagt der Antrag nichts aus, der Antragsteller aber sehr wohl - könnte ein Bereich der Landesverwaltung Vorreiter für so etwas sein. Man könnte z. B. mit einem Amt, einer Rechtspflegerstelle oder sonst irgendetwas probieren, wie mobiles Arbeiten geht, welche Probleme dabei auftreten. In Gesetzesform regelt man das dann natürlich noch nicht, sondern meinetwegen in einer Verordnung. Das wäre kein Thema, weil es sich um einen überschaubaren Bereich handelt und man vorher ganz genau weiß, was er macht. Das ist ja in der Wirtschaft ein bisschen anders.
Diesen Punkt werde ich möglicherweise in die Beratungen, auf die wir uns natürlich freuen, einspeisen. Ansonsten sehen wir das sehr positiv.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich halte meine Frage kurz. Herr Ministerpräsident, am Anfang der Corona-Pandemie ging es darum, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten, dann um R-Werte, Neuinfektionen usw. Ich frage Sie: Was muss eigentlich erreicht sein, damit es keine CoronaVerordnung mehr gibt?
Danke schön.
Herr Ministerpräsident, vor dem Hintergrund, dass Ihre Sozialministerin Frau Dr. Reimann Ende April gesagt hat: „Die wichtigste Botschaft ist: Das Tragen einer einfachen Mund-Nase-Bedeckung
schützt uns nicht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus“, frage ich Sie, warum ich jetzt mit meiner sechsjährigen Tochter maskiert einkaufen muss.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Normalerweise laufen die Haushaltsberatungen ja annähernd gleich ab. Man hat gelegentlich das Gefühl, man befindet sich bei den Passionsspielen in Oberammergau: irgendwie jedes Jahr dasselbe. Das darf dieses Jahr natürlich nicht passieren.
Wie war es in den vergangenen Jahren? - Eigentlich lief es immer gleich ab: Die Landesregierung legt einen Haushaltsplanentwurf vor. Danach verhalten sich die großen Fraktionen und setzen gemäß der politischen Liste ihre Prioritäten, die in der Regel aus dem Koalitionsvertrag geboren sind. Danach kommt etwas zum Thema „Volk“, ein bisschen Flüchtlingskritisches und Schuldenabbau von der AfD. Dann kommen von der FDP meist Anglizismen - „Start-ups“, „Pre-Seeds“ - und auch viel Schuldenabbau. Und von den Grünen kommt dann Fahrradfahren, Krötentunnel und mehr Geld ausgeben.
Das, meine Damen und Herren, darf dieses Jahr auf keinen Fall so sein; denn die fetten Jahre sind vorbei. Wer hat’s nicht gemerkt?
Wir sehen allerdings auch - der Minister hat seine Rede ja fast ausschließlich als Rückblick formuliert; das hätte ich in der jetzigen Situation auch gemacht -, dass die fetten Jahre vor allem ungenutzt verstrichen sind. Sie sind insofern ungenutzt verstrichen, als dass Schulden nicht seriös getilgt wurden - jedenfalls nicht in dem Umfang, wie es hätte sein müssen.
Die digitale Verwaltung liegt darnieder. Denken Sie mal an das Finanzamt: Als ganz großer Wurf gilt ja schon, dass die Finanzbeamten jetzt per E-Mail antworten dürfen. Ausgedruckt werden die E-Mails übrigens immer noch.
Krisenvorsorge - Frau Dr. Reimann ist schon weg -: Fehlanzeige! Die hat es im Prinzip während der fetten Jahre nicht gegeben; sie sind nicht genutzt worden.
Netzausbau: ein absoluter Skandal! Ich war neulich in Schweden, nachdem es kein Risikogebiet mehr war. Da gibt es in jedem Waldzipfel, auf jeder Insel 4G, demnächst 5G. Bei uns: absolutes DritteWelt-Land, was den Netzausbau angeht!
Die wesentlichen Fragen der Zukunft behandelt dieser Haushaltsplan gar nicht - er setzt nämlich fort. Er ist auch nicht das, was mehrfach gesagt worden ist, nämlich Politik in Zahlen, sondern er ist Verwaltung in Zahlen. Sie versuchen, sich durch die Legislaturperiode durchzuadministrieren und irgendwie das Jahr 2022 zu erreichen, damit dann andere entscheiden oder Sie sagen können: Diskontinuität - ging nicht anders usw. usf.
Dabei müsste gerade jetzt die Zeit genutzt werden, um zu konsolidieren. Das habe nicht nur ich eingesehen, sondern vor allem auch der Finanzminister, indem er sagte: „Wir werden im Zuge der Konsolidierung des Haushalts auch nicht umhinkommen, den Personalkostenblock für Einsparungen heranzuziehen.“ - Herr Minister, wann denn, wenn nicht jetzt? Wann wollen Sie das denn machen? Wie viel Zeit haben Sie denn noch in dieser Legislaturperiode?
Ich wage mal einen ganz kurzen Blick in den Haushalt selbst; ich will mich da gar nicht in Details verstricken. Vorhaben, die nach unserem Dafürhalten in den vergangenen Jahren unstrittig anderswo besser aufgehoben wären, z. B. beim Bund, müssen jetzt unbedingt auf die Prüfliste.
Ein Beispiel ist die Entwicklungszusammenarbeit mit Tansania und Eastern Cape. Die ist in dieser Lage, in der wir wirklich wirtschaftliche Probleme haben, tatsächlich immer noch im Haushalt drin. Meine Damen und Herren, dafür habe ich schlicht kein Verständnis. Dafür haben wir nicht nur kein Geld, sondern das ist auch besser beim BMZ aufgehoben; denn dort gehört Entwicklungshilfe nun mal hin.
Der Haushaltsplan enthält keine Antworten auf die Zukunftsfragen, sagte ich. Was sind denn eigentlich die wichtigen Zukunftsfragen?
Das ist zunächst mal - situationsbedingt -: Wie können die negativen Folgen der Corona
Pandemie bewältigt werden?
Das kann man nicht unabhängig von diesen Haushaltsberatungen sehen. Wir als AfD haben versucht, uns einzubringen. Wir sind eine kleine Oppositionspartei, aber wir haben immer wieder Vorschläge wie den Zehn-Punkte-Plan, Stufenpläne usw. usf. gemacht, weil uns der Gedanke leitet, dass nur das Geld, das erwirtschaftet wird, auch verteilt werden kann. Das geht einfach nicht anders.
Deshalb - daran halten wir auch fest; das werden wir in den Haushaltsberatungen auch wieder tun - kommen wir nicht umhin, wieder ins Wirtschaften zu geraten, die Handelshemmnisse - dazu gehören nun einmal auch die Restriktionen, die jetzt im Rahmen der Corona-Pandemie auferlegt sind - nach und nach abzubauen und die Verantwortung wieder den Unternehmern zu übergeben; denn - ob Sie es glauben oder nicht - die können das.
Die zweite Zukunftsfrage, die unbeantwortet bleibt, ist: Wie kann eigentlich die Digitalisierung gelingen?
Damit meine ich nicht das, was ich eben angesprochen habe, nämlich den Netzausbau. Dieser gestaltet sich schwierig; er ist in Angriff genommen worden und läuft noch nicht so gut - aber das ist ein ganz anderes Thema. Vielmehr steckt hinter der Frage, wie die Digitalisierung gelingen kann: Wie bringt man eigentlich Gesellschaft und Digitalisierung - am Beispiel Arbeit und Digitalisierung - sinnvoll zusammen?
Wir sehen jetzt, dass es im Rahmen der CoronaKrise auf dem Feld Arbeit und Digitalisierung im Grunde genommen Gewinner und Verlierer gibt. Es gibt nämlich eine ganze Menge Leute, deren Erwerbsleben nicht negativ beeinflusst wurde. Sie arbeiten einfach von zu Hause aus weiter. Und dann gibt es eine andere Gruppe. Das sind meist Menschen, die weniger verdienen als die erste Gruppe. Die haben erhebliche Probleme. Ein Taxifahrer z. B. kann kein Homeoffice machen.
Oder Staat und Digitalisierung: Dieses Feld ist bisher skandalöserweise einfach dermaßen unbeackert, dass das auf jeden Fall aufgegriffen wer
den muss. Der Bildungsbereich ist da sicherlich einer, der ganz besonders hervorsticht.
Die dritte Frage ist: Woran liegt es, dass unter den Voraussetzungen, die ich eben genannt habe, wir möglicherweise davorstehen, dass sich die Gesellschaft spaltet?
- An uns, ja genau!
Kann es sein, dass ein Problem, das eigentlich überwunden wurde - nämlich arm und reich - wieder aufkommt? Ein Mitglied der Grünen-Fraktion betreibt diese Seite „Adel Watch“.
Es ist immer wieder in der Diskussion, dass es Spaltungsversuche gibt und Hass und Hetze gesät werden. Ich finde, das ist ein ziemlich gutes Beispiel für gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.
- Sie lachen, Herr Limburg.
Da sind Zitate drauf wie z. B.: „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ - ein Büchner-Zitat, im Übrigen völlig aus dem Zusammenhang gerissen. Das stammt aus dem Jahr 1832, kurz nach dem Hambacher Fest. Dabei ging es um etwas ganz anderes unter ganz anderen Rahmenbedingungen - Großherzogtum Hessen usw. usf. Im Grunde genommen war das eine Anklage der Steuerungerechtigkeit. Das heute unkommentiert auf eine Homepage zu stellen, finde ich brandgefährlich und heiße ich nicht gut. Das ist auch ein Punkt, der zu diskutieren ist.
Wir freuen uns jedenfalls - Herr Limburg - auf die gemeinsamen Haushaltsberatungen und werden uns daran auf jeden Fall konstruktiv beteiligen.
Frau Präsidentin! Abschließende Haushaltsberatungen mitten im Sommer: Da kommt die innere Uhr von uns allen - und ganz besonders von den Haushältern - doch irgendwie durcheinander.
Haushaltsberatungen: Sie erinnern sich noch, was das ist? Das fängt im Sommer an, irgendwann werden die Tage kürzer, und schließlich - wenn es vor dem Landtag nach Glühwein und gebrannten Mandeln duftet - kommt so etwas wie eine abschließende Beratung. Die Minister bringen ihre Einzelpläne einzeln ein. Der Finanzminister erscheint natürlich persönlich im Haushaltsausschuss. Fragen können an die Minister gestellt werden, sicherlich nur zu grundsätzlichen Dingen, die Kleinigkeiten werden dann mit Mitarbeitern des Hauses geklärt. Stundenlange Debatten, vor allem auch in den Fachausschüssen und nicht nur im Haushaltsausschuss. Die Haushaltsberatungen
können durch parlamentarische Initiativen begleitet werden: Kleine Anfragen, Dringliche Anfragen usw. usf.
Insgesamt - schon unter normalen Bedingungen - ein straffes Verfahren. Anspruchsvoll. Wir haben uns letztes Jahr im Dezember hier darüber ausgetauscht, wie man es möglicherweise noch straffen oder verbessern könnte. Aber, gar keine Frage: machbar und eines parlamentarischen Ablaufes würdig.
Und heute, seit Corona? - Eine neue Zeitrechnung!
Denken wir zurück an den ersten Nachtrag 2020! Es herrschte hier - wir alle waren von der Situation ein wenig überrascht - Einigkeit. Wir haben der Exekutive fraktionsübergreifend Beinfreiheit gegeben, weil wir das für richtig gehalten haben. Ich muss ganz deutlich sagen: Auch im Rückblick auf damals halte ich das heute noch für richtig. Ich halte es für richtig, dass dieser Landtag schnell gehandelt und der Exekutive - bei allen Fehlern, die gemacht wurden - Beinfreiheit gegeben hat.
Frau Heiligenstadt, dem Parlament, den Fraktionen vor diesem Hintergrund zu sagen, wir wären nicht in der Lage, flexibel und schnell zu reagieren, ist einfach nur unverschämt.
- Das haben Sie gesagt.
Wir haben fraktionsübergreifend unter Beweis gestellt, dass wir im Grunde genommen aus dem Stand in der Lage sind - und zwar ungeachtet aller Sommerferien und allem anderen -, hier zu entscheiden. Wir als AfD-Fraktion sind auf jeden Fall von heute auf morgen dazu bereit.
Das Problem bei diesem ersten Nachtrag ist, dass wir damit, glaube ich, eine Mauer eingerissen haben; denn jedenfalls mir kommt es so vor, dass wir diesen parlamentarischen Krisenmodus seitdem nicht wieder verlassen haben.
Wenn ich mir diese Beratungen anschaue, fühle ich mich immer noch so, als ob ich über den ersten Nachtrag beraten würde, auch wenn die Zeit ein ganz kleines bisschen kürzer ist. Was wir hier veranstalten, ist sicherlich keine parlamentarische Sternstunde und wird meinem Anspruch als Parlamentarier jedenfalls nicht gerecht. Das geht so nicht weiter; denn der Motor der Demokratie muss doch hier im Parlament laufen.
Herr Thiele, Sie sagten, dass das hier im Rahmen der Geschäftsordnung funktioniert: Ja, was denn sonst?
Parlamentarismus ist doch nicht das Durchexerzieren von niedergeschriebenen Regeln. Der Zwischenraum muss mit Leben gefüllt werden. Dieses Leben besteht vor allem aus harter Debatte, u. a. in den Fachausschüssen. Das halten jedenfalls wir für eine vernünftige Haushaltsberatung.
Ich erwarte von allen, die hier im Haus sitzen, dass sie - vor dem Hintergrund ihres Selbstbildes als Parlamentarier - so etwas nie wieder zulassen. Sie sollten es nie wieder zulassen, dass wir so übereilt über eine so große Summe entscheiden. Vergessen Sie bitte nicht: Im Unterschied zum richtigen Haushalt haben wir zwar wenig Beratungszeit, aber vom dispositiven Vermögen her, vom Volu
men, über das wir entscheiden, geht es gar nicht um viel weniger. Das darf so nie wieder sein.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch noch ein appellatives Wort an die Präsidentin richten. Frau Präsidentin, Sie sind auch unsere Präsidentin. Wir haben Sie damals mit gewählt. Sie sind nach meiner Auffassung der Kopf dieses Parlamentes, und ich würde mir von Ihnen wünschen, dass Sie sich auch für das Parlament insgesamt und für parlamentarische Gepflogenheiten stärker engagieren.
- Ja, ich weiß, was das ist.
Zum Inhalt: Wir sprechen heute über Geld, das wir nicht haben. Das unterscheidet im Übrigen auch diese Beratung von den üblichen Haushaltsberatungen, bei denen wir ja strukturell ausgeglichen sind - die sogenannte schwarze Null. Das ist hier heute völlig anders. Nach meinem Dafürhalten müssen wir deshalb eine viel größere Sorgfalt in die Beratung bringen.
Im Übrigen: Nicht nur, dass wir das nicht selber abzahlen, viele von uns erleben die Tilgung gar nicht mehr. Sie wissen ja: Das endet irgendwann in fast 30 Jahren. 61 von 137 Abgeordneten sind 55 Jahre und älter, also etwa 40 %. Die statistische Lebenserwartung - ich wünsche jedem von Ihnen ganz aufrichtig ein langes Leben - beträgt im Moment für Frauen 84 Jahre. Statistisch sind also 40 % von uns gar nicht mehr da, wenn der letzte Euro getilgt sein wird.
Im Übrigen: Ich will noch einmal deutlich sagen, dass ich an dieser Stelle Tilgungsplan-Leugner bin.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie auch nur annährend die Tilgungsraten schaffen, die Sie sich vorgenommen haben. Überhaupt keine Frage!
Da ist der Hinweis auf NRW immer wohlfeil. Die haben 50 Jahre genommen. Das ist realistischer. Ich glaube, dass NRW mit seinem Tilgungsplan am Ende näher an der Realität ist als wir mit unseren 25 Jahren. Das hier wird niemals funktionieren.
Die Menschen, die das tilgen müssen, sitzen also nicht hier. Die sind möglicherweise noch gar nicht berufstätig. Die sitzen heute in der Uni, in der Schule, im Kindergarten, oder sie sind noch gar nicht geboren. Für diese Leute müssen wir nämlich mitdenken.
Daraus folgt, dass nur solche Maßnahmen im Rahmen dieses Nachtragshaushaltes zu finanzieren sind, die tatsächlich geeignet sind, die Folgen der COVID-19-Pandemie zu bekämpfen, um Zukunft überhaupt wieder möglich zu machen.
Das ist, meine Damen und Herren, ein ganz anderer Maßstab als in normalen Haushaltsberatungen. Wenn ich in den Entwurf der Landesregierung blicke, habe ich erhebliche Zweifel, dass das gelingt.
Ich möchte dazu drei Beispiele anführen.
Die E-Mobilität ist Ihre Antriebsart der Zukunft. Das ist politisch gewünscht. Das müssen wir so hinnehmen. Ich nehme auch hin, dass die Wirtschaft - VW ist hier schon erwähnt worden - diesen Faden aufgenommen hat. VW macht sich ja elektromobil sehr stark und folgt möglicherweise Ihrem Pfad.
Auch gesellschaftlich scheint es so zu sein, dass die E-Mobilität gewünscht ist. Wenn man einen Indikator dafür braucht, kann man sich die letzten Wahlergebnisse aus anderen Bundesländern - oder, oder, oder - anschauen. Es scheint also so zu sein, dass es in Ordnung ist. Der Markt macht das im Moment noch nicht mit. Das ist eine ziemlich beschönigende Formulierung dafür, dass der Kunde - der böse Lümmel - den E-Kram nicht kauft. Aber das sei mal dahingestellt. Man kann das machen. Ich halte es für legitim, solche Dinge im Rahmen normaler Haushalte zu fördern.
Wenn Sie das allerdings im Rahmen der Bewältigung der COVID-19-Pandemie machen, müssen Sie dezidiert darlegen - nicht nur mit der Denkakrobatik, die Sie in den Ausschüssen gemacht haben -, wie die Förderung von E-Mobilität tatsächlich und nicht über fünf Banden die Auswirkungen der Corona-Pandemie begrenzen soll. Das haben Sie nicht gekonnt. Das konnten Sie heute auch wieder nicht.
Ein Sonderfall ist aber sicherlich die Elektrifizierung des Landesfuhrparks. Es werden ja horrende Summen ausgegeben, um den Landesfuhrpark zu elektrifizieren. Ich verstehe auch: Der Gedanke, der dahinter steckt, ist möglicherweise, dem
Volkswagen-Konzern unter die Arme zu greifen. Es ist allerdings klar, dass diese Volumina nur mit Ausschreibungen funktionieren. Ich formuliere es einmal vorsichtig: VW ist nicht unbedingt Technologieführer im Bereich der E-Mobilität. Es kann durchaus sein, dass hier ausgeschrieben wird und dann möglicherweise BMW, Opel oder Toyota die landeseigenen E-Fahrzeuge stellt. Dann haben Sie mit diesem Nachtrag die Konkurrenz des fast landeseigenen VW-Konzerns quasi gepampert.
Zu den Radwegen ist einiges gesagt worden. Mir wäre übrigens neu - aus den Gesprächen, die ich in den letzten Wochen geführt habe, ist es jedenfalls nicht herausgekommen -, dass die Baubranche jetzt ganz besonders schlimm betroffen wäre. Da fallen mir einige Wirtschaftsbereiche ein, die deutlich schwerer betroffen sind. Im Übrigen ist der Bau dieser Radwege natürlich ein mittel- und langfristiges Vorhaben. Oder - um Herrn Althusmann vielleicht noch etwas an die Hand zu geben -: Das ist eine strategische Frage und keine taktische.
Letztes Beispiel - da wird es dann besonders frivol - sind der Notfallfonds in Höhe von 100 Millionen Euro und die Vorsorgemittel in Höhe von 500 Millionen Euro. Da haben Sie sich die Debatte gleich ganz gespart und gar nicht hineingeschrieben, wofür dies da ist. Das ist natürlich besonders einfach, weil sich das dann auch der Kritik entzieht.
Da können Sie dann abschnittsweise sagen: „Das ist dafür, und das ist dafür“, sodass es immer irgendwie passt. Das funktioniert natürlich nicht. Dazu ist allerdings schon lang und breit ausgeführt worden.
Keine Frage: Es gibt auch einige unstrittig sinnvolle Ausgaben in diesem Haushaltsplan, wie das immer so ist. Ich nenne hier nur die Laboruntersuchungen im Geschäftsbereich des MJ. Das ist eindeutig Corona-indiziert. Das wird von uns auch überhaupt nicht bestritten. Oder der Kauf von Schutzausrüstung: Das ist mit Blick auf die Zukunft auch nicht wirklich unstrittig. Ich weise an dieser Stelle noch einmal darauf hin, dass wir, Frau Dr. Reimann, hier Millionen gespart hätten, wenn wir im Februar/März schon auf den „Plan Bothe“ gehört und in diesem Moment Schutzausrüstung zu marktüblichen Preisen gekauft hätten - und nicht zu Apothekenpreisen, wie es später im Jahr der Fall war.
Es gibt sogar ein paar Punkte, bei denen wir mehr ausgeben. Wir erweitern den Pflegebonus auf im Rettungsdienst und im Krankenhaus tätige Personen.
Hier wollen wir einen ganz deutlichen Anreiz setzen und sagen: Arbeit in der Pflege - auch im Krankenhaus - muss sich wieder lohnen. Das ist unser Zeichen der Solidarität an diese Menschen.
Für die Änderungsanträge der Opposition bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Ich spare mir das, bis auf einen Hinweis. Der Antrag der FDP ändert ernsthaft in Tabellenform das Haushaltsjahr 2019. Das ist natürlich an sich nicht möglich. Den Antrag müssen Sie entweder korrigieren oder zurückziehen.
Das Verfahren: unangemessen. Dazu habe ich lange ausgeführt. Der Inhalt: teilweise nicht Corona-indiziert. Das kann von der AfD nur abgelehnt werden.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, weil es bei den Vertretern von SPD und CDU hier gerade so geklungen hat, als habe es eine ganz normale Beratungstiefe gegeben, als wäre das alles völlig üblich so.
Erinnern wir uns noch einmal zurück an Anfang Juli: Die schriftliche Stellungnahme des Landesrechnungshofs ist vom 2. Juli, und mündlich hat Frau Dr. von Klaeden das am 3. Juli vorgetragen. Jetzt ist es so, dass man da natürlich vor Ort jede Frage stellen kann, gar keine Frage. Aber in der Regel ist es so, dass sich - jedenfalls als Oppositionspartei - aus der Unterrichtung, aus der Debatte - jetzt sind wir wieder beim dialogischen Prinzip - noch Fragen ergeben, die man möglicherweise aber erst mit seinen Fachsprechern diskutiert, um in der Fraktion eine Position zu erarbeiten usw. So funktioniert nach unserem Dafürhalten echte Beratung. Dasselbe gilt im Übrigen für die kommunalen Spitzenverbände und den GBD. Alle haben gesagt: Oh, wir hatten so wenig Zeit! - Genau darum geht es doch an dieser Stelle.
Frau Heiligenstadt, Sie waren ja als haushaltspolitische Sprecherin am 3. Juli leider nicht selber zugegen. Sonst hätten Sie möglicherweise die Stimmung in diesem Raum aufgenommen und gesehen,
wie alle - auch die Vertreter Ihrer Fraktion - auf die Antworten beispielsweise des Wirtschaftsministeriums reagiert haben, als uns im Grunde genommen auf die Fragen kapitelweise „Einführung in die Volkswirtschaftslehre Teil 1“ vorgelesen wurde und im Nachklapp dann immer wieder auf „Wie in den Ausführungen dargelegt“ verwiesen wurde. - So funktioniert eine vernünftige parlamentarische Beratung auf gar keinen Fall!
Vielen Dank, Herr Präsident.
Wie gerecht wird das niedersächsische Grundsteuermodell?
Ende des Jahres 2019 hat Finanzminister Hilbers angekündigt, die Öffnungsklausel für eine niedersächsische Grundsteuer zu nutzen und einen eigenen Vorschlag, der sich an Fläche und Lage der Grundstücke orientiert, vorlegen zu wollen. Nachdem im Rahmen verschiedener Anfragen betont wurde, dass sich die Landesregierung bisher auf kein Modell zur Grundsteuer festgelegt habe, ist jüngsten Presseberichten zu entnehmen, dass nunmehr ein Modell präferiert werde. Demnach solle die künftige Berechnung der Grundsteuer fast ausschließlich die Fläche von Immobilien berücksichtigen. Die Lage solle ebenfalls eine grundsätzliche Rolle spielen, doch dieser Faktor habe in der Gesamtrechnung eine zu geringe Gewichtung und sei in der Definition der verschiedenen Lagen gerade in den Zentren einer Gemeinde zu ungenau.
Vor diesem Hintergrund fragen wir die Landesregierung:
1. Wie ist das seitens der Landesregierung präferierte Modell ausgestaltet?
2. Inwiefern wurde dieses Vorgehen mit anderen Bundesländern abgestimmt?
3. Wird der Gesetzesentwurf eine Aufkommensneutralität gegenüber der bisherigen Berechnung der Grundsteuer gewährleisten?
Herr Präsident, Ihr Wunsch ist mir Befehl. Ich werde die Fragen am Stück stellen.
Alles klar; ich bemühe mich.
Zunächst vielen Dank für die Ausführungen.
Meine erste Frage: Vor dem Hintergrund, dass Anfang Juni auf eine Anfrage der FDP geantwortet wurde, dass noch gar nicht ganz klar ist, ob und vor allem wie diese Öffnungsklausel genutzt wird, frage ich: Wann in den letzten Wochen hat sich das denn verdichtet? Also wann ist Ihr Haus zu der Entscheidung gekommen?
Meine zweite Frage vor dem Hintergrund, dass sich die Werte entsprechend der Lage ändern - gute Lagen von gestern können schlechte Lagen von morgen sein -: Ist tatsächlich nur eine Erhebung geplant und findet nie wieder eine Nacherhebung statt? Habe ich das richtig verstanden?
Meine dritte Frage: Können wir davon ausgehen, dass das gesamte Verfahren ausschließlich digital stattfindet, also von der Abgabe der Erklärung bis zum Einspruch?
Meine vierte und zunächst letzte Frage: Sie haben noch einmal die Aufkommensneutralität betont. Ich frage mich, wie das ausgestaltet werden soll. Gibt es für die Gemeinden beim Hebesatz eine Obergrenze, oder wie soll auf die Gemeinden eingewirkt werden, dass am Ende tatsächlich eine Aufkommensneutralität gewährleistet wird?
Danke.
Vielen Dank. - Vor dem Hintergrund, dass die Legislatur ja schon über die Halbzeit hinaus ist und der Richterspruch schon zwei Jahre her ist, frage ich, wann wir in dieser Legislatur mit einem Gesetzentwurf rechnen können.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Die Aktuelle Stunde passt eigentlich viel besser in die Diskussion, als ich das beim Erstellen des Titels angenommen habe. Denn ich möchte mich mit Ihnen über Solidarität unterhalten. Damit ist ja im Rahmen der Regierungserklärung und im Zusammenhang mit dem Haushalt schon begonnen worden.
Solidarität ist so eine Sache. Gerade in der Krise werden Solidarität, Gemeinsamkeit, Zusammenhalt auf die Probe gestellt. Das ist auch in der CoronaKrise nicht anders und auf allen Ebenen zu beobachten. Denken Sie nur an die Familie!
Mich betrifft die Corona-Krise finanziell gar nicht. Bei meinem Bruder, der selbstständig ist, sieht das schon anders aus. Meine Tochter leidet besonders
unter der Schließung der Kita usw. Jeder leidet also anders.
Fakt ist: Die Menschen sind unterschiedlich stark betroffen. Somit stellt sich die Frage, wie eine Gemeinschaft solidarisch damit umgeht.
Diese Frage stellt sich natürlich nicht nur in der Familie, sondern beispielsweise auch zwischen Dörfern und zwischen Bundesländern. Niedersachsen ist vergleichsweise wenig betroffen, Mecklenburg-Vorpommern fast gar nicht, Nordrhein-Westfalen deutlich mehr, und auch dort gibt es regionale Unterschiede.
Ich möchte eines vorwegnehmen: Wenn ich von Solidarität und Zusammenhalt rede - ich werde gleich auf den Bereich der europäischen Solidarität zu sprechen kommen; denn darum soll es mir heute besonders gehen -, dann ist eines für mich unstrittig und nicht verhandelbar: Immer dann, wenn es um Leib und Leben, also um die Gesundheit von Menschen, geht, gibt es im Grunde genommen einen anderen Maßstab, der an Solidarität angelegt werden muss. Ich halte es als Mensch, der ich nun einmal auf dieser Welt bin, für völlig richtig, anderen Menschen bei Gefahr für Leib und Leben, ungeachtet ihrer Ausrichtung, Anschauung, Religion usw., zu helfen.
Das haben wir als Deutsche auch gemacht. Ich weise darauf hin, dass es in grenznahen Regionen, beispielsweise an der Grenze von Deutschland zu den Niederlanden, Krankenhäuser gab, die im Rahmen freier Kapazitäten selbstverständlich Notfallpatienten aufgenommen haben. Das ist für mich über nicht verhandelbar und gar keine Frage. Das ist quasi die eine Grenze der Solidarität. Die andere ist, dass man sich natürlich nicht selbst aufgibt. Das, was man hier benötigt, beispielsweise Beatmungsgeräte, verwendet man natürlich zunächst einmal, um die eigene Bevölkerung zu retten, wenn man denn so viele Patienten hat. Das ist für mich auch keine Frage. Nur, was ist mit dem dazwischen, mit dem quasi verhandelbaren, dem dispositiven Bereich der Solidarität?
Da muss ich schon sagen: Wir verzichten im Moment - ab dem 15. Juli wahrscheinlich auch in Gesetzesform - auf ein Stück Zukunftsgestaltung. Wir beraten einen Nachtragshaushalt, der sagt: Wir wollen jetzt mit unseren Raum- und Zeitgenossen solidarisch sein, indem wir die Wirtschaft fördern usw. Inhaltlich werden wir uns darüber weiter austauschen; das ist gar keine Frage. Wir verlegen die Haftung dafür in die Zukunft, indem wir Schulden aufnehmen. Der Zusammenhalt ist für uns also so
wichtig, dass wir uns auf Kosten unserer Kinder verschulden. Es ist ja schon auf die Zeitschiene gelegt worden. Ich persönlich glaube nicht, dass eine Tilgung innerhalb von 25 Jahren in die Realität umgesetzt werden kann, aber das ist im Moment der Tilgungsplan. Das muss man im Moment glauben und so hinnehmen. Allerdings verschieben wir die Haftung für diese Schulden auf jeden Fall in die Zukunft. Das kann man machen, wenn man stark genug ist, um so etwas zu tun.
Schauen wir uns einmal die momentane wirtschaftliche Situation Deutschlands an! Ich nenne zunächst eine Zahl des ifo-Instituts aus dem Mai. Ihr zufolge - man kann auch noch dramatischere Zahlen finden; das wissen sie - gibt es 7,3 Millionen Beschäftigte, die sich in der sogenannten Kurzarbeit befinden - dies ist im Übrigen ein herausragendes Instrument, auch mit Alleinstellungsmerkmal, ein typisch deutsches Instrument, würde ich fast sagen - und die erhebliche Gehaltseinbußen zu verzeichnen haben, auch nach der Erhöhung des Kurzarbeitergeldes.
Dem Bund liegen Anträge in Höhe von fast 50 Milliarden Euro auf die KfW-Notkredite vor. Diese Zahl stammt vom Bundesministerium für Wirtschaft.
Im ersten Quartal 2020 haben wir einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um 2,2 % zu verzeichnen. Das ist, europaweit gesehen, relativ wenig, aber dennoch der stärkste Rückgang des BIP in den letzten zehn Jahren. Das letzte Mal war er in den Nachwehen der Finanzkrise so stark.
Das bedeutet für mich jedenfalls, dass wir in den nächsten Jahren und Monaten jeden Euro brauchen, um unsere eigene Wirtschaft hier in Deutschland wieder auf die Beine zu bringen. Über die Ausgestaltung kann man streiten. Ich sehe die Energiemaßnahmen so ähnlich, wie dies hier schon vorgetragen worden ist, nämlich sehr kritisch. Andere Maßnahmen unterstützen wir. Jedenfalls werden wir das Geld für uns brauchen. Ich glaube, wir haben nicht die Kraft, auch noch andere Ökonomien in Europa wieder auf die Beine zu stellen.
Schauen Sie sich beispielsweise einmal die italienische Wirtschaft an! Sie hat ganz andere Rahmenbedingungen. In Italien ist z. B. das BIP im ersten Quartal um 10 % gesunken. Die Staatsverschuldung ist nach den neuerlichen Kreditmaßnahmen, die es auch in Italien gab, auf 159 % des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. - Das ist jenseits aller Maastricht-Kriterien!
Wer jetzt glaubt, in Italien sei ein Schuldenschnitt möglich - das schwingt ja immer mit -, der muss wissen, bei wem sich Italien verschuldet hat. Das hat es in erster Linie bei sich selbst über seine Nationalbank, aber auch in Höhe von 280 Milliarden Euro bei französischen Kreditgebern getan. Wer meint, dass die auf ihr Geld verzichten, der ist mit dem Klammerbeutel gepudert.
Ich will gar nicht auf die geplanten italienischen Maßnahmen eingehen. Die haben ja auch ein Dreisäulenmodell. Ich halte es für richtig, das anderen zu überlassen. Wer also meint, er kann seine Wirtschaft mit einem Modell, wie es Italien vorhat, retten, soll das tun. Es wäre anmaßend, als Deutscher einzugreifen und zu sagen: Ihr macht das falsch!
- Ich bin gleich fertig.
Ich finde, diese Bevormundung anderer Staaten spaltet Europa, spaltet Nationen, spaltet Gesellschaften viel mehr als andere Dinge. Wir haben das ja im Rahmen dieser Troika-Geschichte erlebt, als immer wieder auf Griechenland gezeigt wurde. Ich halte das für verfehlt und für nachteilig für den europäischen Einigungsprozess, der ja uns allen wichtig ist.
Ich glaube - um ein Zitat von der EU-Kommission aufzugreifen -, wir sollten jetzt wirklich unsere Probleme hier lösen und Perspektiven für die nächste Generation in Deutschland eröffnen.
Vielen Dank.
Ich möchte eine Bemerkung des Abgeordneten Wenzel zurückweisen, die er eben bei der Aussprache zur Aktuellen Stunde gegen mich gerichtet hat, indem er gesagt hat, vielleicht sei das auch Korruption. Davor war über unser Verhalten in der Corona-Krise gesprochen worden.
Korruption wird von Transparency International so definiert, dass man verliehene Macht zum eigenen Vorteil nutzt.
Hier kann allenfalls das Landtagsmandat gemeint sein, das ich zu meinem eigenen Vorteil nutzen würde. Herr Wenzel, das weise ich ausdrücklich zurück. Das tue ich natürlich nicht!
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wann herrscht schon einmal solche Einigkeit hier im Haus? Hinsichtlich des Regelungsziels unseres Antrags sind wir alle uns einig: Niemand möchte in diesem Jahr die Grundentschädigung erhöhen. Nichtsdestotrotz haben Sie das anders geregelt als wir. Das ist völlig legitim. Wir haben uns aktiv geäußert und hätten hierüber gerne einen Beschluss des Landtags herbeigeführt.
Um den Regelungsinhalt noch einmal aufzunehmen: Ich glaube, das Signal ist völlig richtig. Wir leben in wirtschaftlich schwierigen Zeiten und sparen dem Steuerzahler durch unseren Verzicht, wie auch immer er zustande kommt, rund 170 000 Euro. Ich denke, das ist das richtige Signal in das Land Niedersachsen hinein.
Wir sehen ein Problem mit Blick auf die Zukunft, wenn wir so verfahren, wie Sie es jetzt tun werden, nämlich nicht abstimmen. Sie wissen, dass nach dem Abgeordnetengesetz im Rahmen der Diätenanpassung immer zurückgeschaut wird, dass also der Vorjahreszeitraum betrachtet und geschaut wird, wie sich Löhne und Gehälter entwickelt haben. Ich glaube, dass uns das einmal auf die Füße fallen wird, und zwar in dem Moment, in dem wir diese Corona-Krise hinter uns lassen und tatsächlich wieder in einen - sagen wir mal - normalen Modus einsteigen wollen. Also in dem Moment, in dem wir die eigentlich richtige und gute Vorgehensweise des Abgeordnetengesetzes wieder nutzen wollen, glaube ich, bekommen wir ein Problem, weil der Vorjahreszeitraum dann möglicherweise überhaupt nicht das widerspiegelt, was sich wirtschaftlich gerade entwickelt.
Das Problem haben wir natürlich auch, wenn wir aktiv zustimmen. Nach meinem Rechtsverständnis ist es aber etwas anderes, wenn sich ein Gremium, also hier der Landtag, einmal aktiv dazu verhalten hat und das auch dokumentiert hat, als wenn man
einfach nichts gemacht hat. Aber das besprechen wir, wenn es so weit ist.
Zunächst einmal vielen Dank fürs Zuhören.
Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich bringe hier einen Antrag ein, der im Ergebnis dazu führt, dass die Grundentschädigung in diesem Jahr nicht angepasst wird. Ich will der Einbringung als solcher zwei Überlegungen voranstellen.
Erstens. Wir wollen damit keine Grundsatzdebatte aufmachen in die Richtung „Politiker verdienen zu viel“ oder dergleichen. Vielleicht haben auch Sie im Rahmen der Corona-Krise mit Bürgern gesprochen, die gesagt haben: „Dein Einkommen ist ja gesichert!“ oder so ähnlich. Ich habe diese Situation jedenfalls erlebt. Ich bin jemand, der es relativ robust verteidigt, dass eine Demokratie auch teuer ist und dass Politiker auch Geld verdienen müssen und selbstverständlich nicht von Sägemehl und Essensmarken leben. Ich sage also ganz deutlich: In diese Richtung soll diese Initiative nicht gehen.
Zweitens. Wir wollen mit diesem Antrag auch die Methodik des Abgeordnetengesetzes nicht angreifen. Hierzu hatte ich schon im letzten Jahr ausgeführt. Das Abgeordnetengesetz hat nach unserem Dafürhalten eine nachvollziehbare und gute Systematik gefunden, um die Grundentschädigung jahrweise anzuheben. Die Systematik sieht ja im Grunde genommen vor, dass in das Vorjahr geschaut wird, also im Falle einer Erhöhung in 2020 auf das Jahr 2019, auch wenn das dort ein bisschen verklausuliert steht. Im Grunde genommen wird die Lohnentwicklung in 2019 betrachtet, wie Vergleichslöhne angestiegen sind, und dann lässt man die Politiker an einer möglichen Lohnsteigerung teilhaben. Eine solche Betrachtung kann im Übrigen auch einmal in die andere Richtung ge
hen. Dann würden die Abgeordneten auch in diese Richtung folgen.
Ein Manko hat dieses Verfahren allerdings: Es ist zeitverzögert. Für das Jahr 2020 blickt man auf das Jahr 2019 und stellt fest, dass die Löhne im Jahr 2019 durchschnittlich um 2,8 % gestiegen sind. Die Erhöhung greift aber erst zum Juli 2020. Wenn Sie ehrlich sind, dann stimmen Sie mir wahrscheinlich zu, dass eine Erhöhung der Grundentschädigung um 2,8 % in 2020 irgendwie aus der Zeit gefallen ist. Eine solche Erhöhung passt nicht mehr so richtig in die Zeit. Die Begründung ist völlig klar: die Corona-Pandemie.
Viele Menschen in unserem Land sind in Kurzarbeit. Unternehmen und Unternehmer stecken in schwersten Schwierigkeiten. Die Einkommenssituation dieser Unternehmer ist - man kann das ruhig so sagen - prekär. Das gilt auch für private Vermieter. Wir haben ja in diesem Plenarabschnitt unendlich lange über solche Geschichten gesprochen. Das betrifft natürlich auch ganze Konzepte für die Altersversorgung, die für die Zukunft überlegt wurden und die jetzt nicht mehr passen.
Gleichzeitig sind die Leistungsträger unserer Gesellschaft manchmal die - das müssen wir jetzt feststellen -, die ganz besonders wenig verdienen. Kassiererinnen und alle, die im Pflegebereich tätig sind, verdienen unterdurchschnittlich wenig.
Dazu kommt noch, dass wir mit Steuerausfällen rechnen müssen. Auch wenn die Schätzung erst am Freitag vorgelegt wird, ist doch wahrscheinlich jedem klar, dass alles, was mit Steuern zu tun hat, im Moment nicht hinaufgeht, wie in den letzten Jahren, sondern nur hinuntergeht. Deshalb meint meine Fraktion: Es ist richtig, wenn wir jetzt hier ein Zeichen setzen.
Sie wissen ja, dass wir immer im Sommer darüber beraten, ob die Grundentschädigung angepasst werden soll. Man könnte jetzt natürlich auch sagen: Wir warten diese Beratung ab und legen dann als Landtag einfach fest: Nein, wir erhöhen sie dieses Jahr nicht! - Ich glaube aber, dass es an der Zeit ist, einen deutlichen proaktiven Schritt in Richtung Bevölkerung, in Richtung Wählerschaft zu machen und zu sagen: Ihr seid in einer harten Situation! Wir erkennen das und verzichten deshalb auch!
Ich glaube, dass die Vorbildfunktion, die die Politik hat, nicht nur bei Infektionsschutzmaßnahmen greift, wie z. B. Abstandhalten oder solche Sachen. Schauen Sie sich nur das Beispiel des vormaligen
Thüringer Ministerpräsidenten Kemmerich an! Er hat an einer Demonstration teilgenommen und möglicherweise - ich weiß gar nicht, ob das wirklich so ist - zu wenig Abstand gehalten.
Was meine ich damit? - Das Volk schaut ganz genau darauf, was wir jetzt machen. Das gilt natürlich auch für solche Sachen wie die Diätenerhöhung. Deshalb unser Antrag.
Warten wir nicht zu, sondern machen wir das jetzt gemeinsam! Warten wir nicht bis zum Sommer, sondern erledigen wir das jetzt! Setzen wir ein ganz klares Zeichen an unsere Niedersachsen, dass wir an deren Seite stehen, und verzichten wir auf die Erhöhung der Grundentschädigung!
Vielen Dank.
Ja, wenn er denn rekurrieren möchte.
Ich habe leider nur 90 Sekunden Zeit. Herr Limburg, dies würde durchaus Anlass bieten - das können wir ja dann im Ausschuss nachholen -, da noch ein paar andere Sachen auszuräumen.
Ich möchte etwas zu dem Punkt sagen, der mir am allerwichtigsten ist. Sie haben eben gesagt, Sie hätten öffentlich erklärt - dies gilt richtigerweise auch für alle anderen Fraktionen -, dass Sie auf die Erhöhung der Grundentschädigung und der Aufwandsentschädigung verzichten.
Gestern haben alle Vorsitzenden der Oppositionsfraktionen das Hohelied der Debatte hier im Parlament gesungen und immer und immer wieder darauf gedrungen: Mensch, Leute, ihr entscheidet irgendetwas, ihr macht irgendetwas, hier bewegt sich irgendetwas im Land! Das muss doch hier im Parlament besprochen werden!
Ganz genau so sehe auch ich das. Für mich ist dieses Plenum die Herzkammer der politischen Debatte in Niedersachsen - nicht die Zeitung, das Fernsehen oder sonst irgendetwas. Deshalb haben wir diesen Antrag hier in das Parlament eingebracht, um ihn hier mit Ihnen zu besprechen und dann natürlich auch Reaktionen zu bekommen. Das ist ja all das, was beim Spielen von Dingen über die Presse wegfällt, Herr Limburg.
Ich denke, Sie stimmen mit mir überein, dass es der wesentlich bessere Weg ist, das hier im Parlament zu besprechen.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Zunächst der Hinweis an meine Vorrednerin: Wenn Sie einmal in den Bereich von hannoverimpuls schauen, dann werden Sie feststellen, dass es für Gründerinnen, also speziell für Frauen, einen ganzen Strauß sehr guter Initiativen gibt. Das aber nur am Rande.
Es sind schwere Zeiten für junge und werdende Unternehmen, überhaupt keine Frage. Die Krise stellt viele Unternehmerinnen und Unternehmer vor Probleme. Ganz, ganz wenige nutzen auch die Krise. Sie haben, wenn Sie vom Landtag Richtung Hauptbahnhof unterwegs waren, festgestellt, dass es Unternehmer gibt, die aus der Maskenpflicht oder anderen Auflagen, die wir jetzt haben, Kapital schlagen. Aber die allermeisten haben wohl deutliche Probleme.
Die Frage, die - das hat der Vorredner von der FDP ja auch schon gesagt - ist natürlich, wie man die Wirtschaft danach eigentlich wieder aufs Gleis setzt. Auch damit hängen diese Anträge zusammen. Und da - das schon einmal vorweggenommen - wenden wir uns auch ganz klar gegen diese permanenten Abwrackprämienideen, also dagegen, ständig die Nachfrageseite anreizen zu wollen. Wir glauben, dass das nur über steuerliche Regelungen geht. Und natürlich auch - und das ist ja hier das Thema - über Wirtschaftsförderung, und dabei, glauben wir, spielen die Start-ups eine ganz entscheidende Rolle.
Wir müssen das Ganze vielleicht auch einmal grundsätzlicher angehen, und schauen, ob Arbeit in Zukunft überhaupt noch so geregelt wird, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Denken Sie an die Heimarbeit! Die hat sich ja durch die Krise rasant entwickelt. Vielleicht kann man ja auch in dem Bereich Start-ups anreizen, mehr zu forschen, weil, wie ich glaube, die Heimarbeit auch nach der Krise noch massiv vertreten sein wird. Das ist, glaube ich, so gut wie gesetzt.
Alles andere erklärt Ihnen Stefan Henze - dem ich von dieser Stelle recht herzlich gute Besserung wünsche - im Ausschuss.
Danke.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Maßnahmen zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Krise kosten Geld. Das ist überhaupt gar keine Frage. Man muss an diesem Punkt auch noch einmal sagen - auch das gehört zur Wahrheit -, sie würden weniger Geld kosten, hätte man denn vor mehr als acht Wochen den sogenannten Bothe-Plan - wenn Ihnen das zu pathetisch ist, können Sie auch Plan Bothe sagen - umgesetzt.
Er hätte dem Land Niedersachsen nachweislich Millionen von Euro gespart. Ich erinnere nur an die Beschaffung von Schutzkleidung usw. Das haben wir schon zu einem Zeitpunkt thematisiert, da gab es hier auf den Regierungsbänken noch rollende Augen bei solchen Sachen.
Nichtsdestotrotz, Flexibilität - auch Flexibilität in Geldfragen - ist jetzt wichtig. Denn - wer wüsste das besser als wir, das haben wir aus der Erfahrung gelernt - wir wissen nicht, was kommt. Jeder von uns bekommt im Moment eine ganze Reihe Zuschriften aus allen möglichen Bereichen, nicht nur aus den Bereichen der Wirtschaft, sondern jetzt natürlich auch verstärkt von den Kommunen. Jetzt gerade - habe ich gesehen - wenden sich die Jugendherbergen an uns. Wir wissen gar nicht so genau, wo wir als erstes helfen sollen und in welcher Form. Von daher müssen wir flexibel sein. Flexibilität stellen wir dadurch her, dass wir das Geld in die allgemeine Rücklage führen, und das - da greife ich auf die Beratung im Haushaltsausschuss zurück, sehr geehrter Herr Wenzel - bedeutet nach der Landeshaushaltsordnung keinesfalls - „leider“, könnte man fast sagen -, dass das der Tilgung von Altschulden zugeführt wird, sondern es ist dann eben in der allgemeinen Rücklage.
Man möchte meinen, es sind ein bisschen chaotische Zeiten, was die Finanzen des Landes angeht. Wir haben hier einen ersten Nachtrag verabschiedet. Ich erinnere einmal daran, dass es hier eine große Harmonie - das ist ja selten im Parlament - in dieser Frage gab. Wir haben gesagt: Mensch, die Landesregierung braucht Beinfreiheit! Lasst uns der Landesregierung diese Beinfreiheit geben! - Das haben wir getan, und Sie haben sich natürlich gleich verdribbelt. Ich erinnere nur - das ist hier ja vorhin als gutes Beispiel dargestellt worden - an
das Desaster mit der NBank. Da haben wir bei der Verabschiedung des Nachtragshaushaltes schon gesagt: Mensch, Leute, das wird aber problematisch! Wer soll das denn alles machen? - Die Mitarbeiter der NBank! Das ist natürlich nur die halbe Wahrheit, daran arbeiten ja längst nicht nur Mitarbeiter der NBank. Von Herrn Toepffer ist das hier vorhin als Erfolgsgeschichte dargestellt worden.
Nichtsdestotrotz - es ist kein Geheimnis - steht ein zweiter Nachtragshaushalt ins Haus und am Freitag die Steuerschätzung. Da wirkt es schon sehr holprig, wenn man jetzt hier mit einem Gesetz zur Bildung eines Sondervermögens kommt.
Ich komme zum Inhalt. Die Schwerpunkte sind für mich zwar erkennbar, aber deutlich zu gering ausgeprägt. Ich sehe immer noch keine deutliche Priorisierung. Das ist doch die große Frage hier. Die Frage ist doch: Befinden wir uns immer noch in einer Zeit vor Corona und können es uns leisten, gewisse Dinge vor die Klammer zu ziehen, oder eben nicht? - Da sind wir ganz eindeutig der Auffassung: Nein, das können wir nicht. Wir befinden uns in einer Sonderlage, und im Moment ist einfach für Artenschutz kein Platz, so traurig das ist. Sie finden immer gute Gründe, um Artenschutz finanziell zu unterfüttern. Aber wenn man Prioritäten setzen muss, fällt traurigerweise auch irgendetwas herunter. Und wenn Sie richtigerweise anmerken, dass dort EU-Regeln gelten, dann weise ich darauf hin, dass die EU weite Teile ihrer Eigenkapitalanforderungen - also das, was allgemein als Basel IV bezeichnet wird - ausgesetzt und verschoben hat. Und dasselbe muss doch beim Artenschutz gelten. Die bedrohteste Art ist im Moment doch nicht der Waldrapp, sondern der deutsche Mittelstand, der niedersächsische Unternehmer. Für den müssen wir uns im Moment starkmachen.
Zur Methodik des Sondervermögens: Das sehe ich deutlich weniger kritisch als die beiden anderen Oppositionsparteien. Ich glaube, das geht theoretisch. Man könnte das machen, wenn denn die Ränder klar sind. Also wenn klar abgesteckt ist, wofür dieses Sondervermögen verwendet wird, und zwar erstens sachlich. Was fällt darunter? Was ist eigentlich Corona-bedingt? - Das fällt ja schwer. Schon bei der Einbringung war nicht so ganz klar, wo eigentlich die Linie verläuft. Ich sage nur: Wirtschaftsförderfonds. Der sollte ja auch dazu dienen, Corona-Folgen abzumildern. Aber genau das fällt eben nicht in das Sondervermögen.
Das ist also nicht stringent. Zweitens zeitlich. Es muss ganz klare Zielmarken geben, wann das Sondervermögen endet. Es kann ja nicht die Lösung sein - wie im Ausschuss vorgetragen -: Wenn das Geld alle ist. - Was ist das denn für eine Politik? - Das kann natürlich nicht die Lösung sein. Viel besser als eine zeitliche Limitierung wäre, klare Wegmarken zu setzen, wie auch immer,
dass man zumindest sagt: Wenn dies und jenes erreicht ist, dann steigen wir aus dem Sondervermögen wieder aus.
R-Faktor, Neuinfektionen oder, oder, oder. Eine solche Klarheit wäre wahrscheinlich noch besser als eine zeitliche Begrenzung.
Zum Zeitdruck möchte ich Folgendes ganz klar sagen: Irgendwann ist dieses Schwert auch einmal stumpf geschlagen. Wir befinden uns jetzt seit mehr als neun Wochen in dieser Situation.
Deshalb komme ich auch zum letzten Satz.
Aus meiner Sicht müssen diese Hektik und diese Hast jetzt mal beendet sein. Wir müssen wieder zu geordneten Verfahren kommen.
Vielen Dank.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bevor ich es nachher vergesse, stelle ich es an den Anfang meiner Rede: Ich beantrage im Namen meiner Fraktion, dass die Beratung federführend im Haushaltsausschuss stattfindet; die anderen genannten Ausschüsse sowie natürlich der Wirtschaftsausschuss sollen mitberatend sein. Ihn zu nennen, ist versäumt worden. Dagegen wird vermutlich niemand etwas haben. Seine Beteiligung wäre hochgradig sinnvoll. Wir sehen anhand der Rednerliste und der schon vorgetragenen Rede, dass das eher ein Wirtschafts- und Finanzthema ist und der Gesetzentwurf im Sozialausschuss nicht so ganz richtig aufgehoben ist.
Das Ziel des Gesetzentwurfs ist natürlich nobel, und er klingt erst einmal gut. Nach meinem Dafürhalten geht es etwas darum, die Lücke zwischen Liquiditätshilfe und Nichts zu schließen, sich also den Unternehmen noch einmal genauer zu widmen. Das klingt genauso edel wie viele andere Dinge, die ich hier heute schon gehört habe: Kommunen nicht im Regen stehen lassen, Gewerbesteuerausfälle ersetzen usw. usf.
Das blendet natürlich ein kleines bisschen aus, dass all das Geld, das auf der Grundlage dieses Gesetzes ausgegeben werden soll, erst einmal irgendwie verdient werden muss. Nur das, was man vorher eingenommen hat, kann auch verteilt werden. Wenn wir in den Haushalt des Landes Niedersachsen schauen, sehen wir, dass die Einnahmen ganz wesentlich durch Steuereinnahmen generiert werden. Die gibt es aber nicht mehr, wenn die Betriebe nicht tätig sind. Man kann also
nur das verteilen, was man hat - oder nur mit den Damen tanzen, die im Raum sind -, es sei denn, man möchte sich ohne Ende verschulden. Aber das wollen wir alle nicht. Das haben wir im letzten Jahr sogar verfassungsmäßig festgehalten.
Aber die Idee ist natürlich völlig richtig, weil es dazu eine Regelungslücke gibt. Die Frage ist, wie man das angeht. Dazu stellt der vorgelegte Gesetzentwurf sicherlich einen sinnvollen Beitrag dar. Wir werden im Ausschuss ja noch über ihn sprechen.
Es gibt einige Punkte, die ich schon jetzt in die Runde geben möchte, die so natürlich nicht bestehen bleiben können:
Zum Beispiel haben Sie versucht, die Zahlung von Liquiditätshilfen mit diesem Antrag etwas zu entzerren; man soll also nicht beides bekommen. Sie schreiben, dass erhaltene Zuschüsse aus den Liquiditätshilfen natürlich anzurechnen sind. Da Sie aber wollen, dass das Gesetz ab dem 1. Januar gilt, gleichzeitig aber Anträge auf Liquiditätshilfen noch laufen und auch noch bis zum 31. Dezember gestellt werden können, reicht diese Formulierung „erhaltene … Zuschüsse“ nicht aus. Sie haben in der Begründung versucht, das zu aufzulösen. Aber die Begründung wird ja nicht zum Gesetz, sondern nur der Gesetzestext.
Von daher ist Ihnen an der Stelle ein ganz krasser und deutlicher handwerklicher Fehler unterlaufen, den wir aber sicherlich gemeinsam im Ausschuss beheben können.
Ein weiterer Punkt in dem Gesetzentwurf ist zumindest schwierig und birgt gewisses Konfliktpotenzial. Sie setzen an der Umsatz- und der Lohnsteuer an, um auf den Gewinn des Betriebes zu schließen. Das ist grundsätzlich möglich.
Man kann das machen. Hierin sind aber ein paar Fallstricke, die wir auf jeden Fall beachten müssen. Ich denke an solche Dinge wie die Differenzbesteuerung beim Kfz-Handel, innergemeinschaftliche Erwerbe, Dreiecksgeschäfte und dergleichen mehr. Es ist immer schwierig, wenn man von der Umsatzsteuer direkt auf den Gewinn schließt. Man muss da sehr kundig unterwegs sein. Was dann die Lohnsteuer darin zu suchen hat, erschließt sich mir hingegen gar nicht.