Protocol of the Session on March 1, 2018

Meine Damen und Herren, zurück zur Sache! Was aus unserer Sicht gar nicht geht - nach dem kräftigen Lob für die FDP war ich ja gerade dabei, die Unterschiede aufzuzeigen -: Sie wollen mit Ihrem Gesetzentwurf in Artikel 71 Abs. 3 der Verfassung einen Tilgungsturbo einführen. Es geht Ihnen darum, zusätzliche Steuereinnahmen im Fall einer positiven konjunkturellen Entwicklung automatisch zur Altschuldentilgung zu verwenden. Meine Damen und Herren, eine solche Regelung würde jedem Finanzminister, gleich welcher Couleur - es kann ja auch mal wieder einen gelben geben -, jegliche Luft zum Atmen nehmen. Über die Verwendung von Steuermehreinnahmen muss am Ende das Parlament auf Vorschlag der Landesregierung entscheiden. Ein Automatismus in der von Ihnen gewählten Art würde uns als Parlamentariern jeglichen finanziellen Spielraum nehmen und uns als Abgeordnete zu Statisten degradieren. Genau das wollen wir aber nicht.

Damit ich aber aus Ihren Reihen nicht wieder falsch verstanden werde: Selbstverständlich kann man Steuermehreinnahmen auch zur Tilgung von Altschulden verwenden. Das kann im Einzelfall durchaus sinnvoll sein; schließlich haben wir uns als Koalitionsfraktionen im Koalitionsvertrag auch darauf verständigt. Das setzt aber eine sorgfältige Prüfung im Einzelfall voraus. Ein Automatismus, nun wirklich jede Steuermehreinnahme im Fall positiver konjunktureller Entwicklungen in die Altschuldentilgung zu stecken, kann aus unserer Sicht nicht der richtige Weg sein.

(Christian Grascha [FDP]: Das steht da auch gar nicht drin!)

Wir haben andere Prioritäten gesetzt. Wir wollen in erster Linie etwas für die Bildung tun. Aus diesem Grund haben wir mit dem Nachtragshaushalt die Grundlage für die Gebührenfreiheit unserer Kindergärten geschaffen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Chancengleichheit im Bildungswesen geleistet.

(Zustimmung bei der SPD)

Eine drängendere Frage als die Altschuldentilgung ist im Übrigen die zu geringe Investitionsquote des Landes im Bereich der Krankenhäuser, der Schulen und der Verkehrsinfrastruktur. Darüber haben wir heute schon einiges gehört.

(Christian Grascha [FDP]: Die stag- niert ja!)

Im Übrigen wird Verschuldung auch durch den Erhalt von Landesvermögen abgebaut. So bewir

ken beispielsweise Investitionen in die Substanz des Landesvermögens nach unserer Auffassung einen Abbau der durch jahrelang unterbliebene Bauunterhaltung und Sanierung aufgelaufenen impliziten Verschuldung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der FDP, lassen Sie mich zum Schluss noch etwas Versöhnliches sagen. Sie haben recht, wenn Sie darauf verweisen, dass es ein Zinsrisiko gibt und dass die Tilgung von Altschulden im Interesse der nachwachsenden Generation ist. Es ist aber zumindest genauso nachhaltig und auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, wenn die kommende Generation die gleiche intakte Infrastruktur nutzen kann, die schon die jeweilige Vorgängergeneration nutzen konnte. Deswegen müssen wir in erster Linie investieren und nicht Altschulden tilgen.

In diesem Sinne gilt es aus unserer Sicht, das richtige Maß zwischen Investitionstätigkeit und -freudigkeit auf der einen und Altschuldentilgung auf der anderen Seite zu finden. Und da es schon fast eine philosophische Frage ist, hier das richtige Maß zu finden, freue ich mich auf die Ausschussberatungen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei der CDU)

Danke, Herr Kollege. - Jetzt ist die CDU-Fraktion dran. Es spricht der Abgeordnete Thiemo Röhler. Herr Röhler, bitte!

(Beifall bei der CDU)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Kollege Grascha, erst einmal herzlichen Dank für die Einbringung Ihres Gesetzentwurfs. Sie werden sehen, in vielen Punkten sind wir grundsätzlich Ihrer Auffassung, aber - das darf ich vorwegnehmen - nicht in allen.

Sie sprachen vorhin davon, für die Zukunft einen enkelfesten Haushalt aufstellen zu wollen. Ich sehe es genauso wie Sie: Bei der Schuldenbremse geht es um Generationengerechtigkeit. Das haben auch meine Vorredner schon gesagt.

Die Höhe der Schulden, die Sie gerade genannt haben, zeigt, dass man die Schulden nicht einfach so ohne Weiteres wieder abtragen kann. Nur der wirklich historische Tiefstand der Zinsen und die

Zinspolitik machen es möglich, dass die Situation der Schuldenbelastung gar nicht so dramatisch aussieht. Auch das ist schon vorgetragen worden.

Diese Schulden werden uns aber, wenn die Zinsen wieder steigen, langfristig die Luft zum Atmen und Handeln nehmen. Gerade deswegen ist, glaube ich, Ihr Vorschlag des Tilgungsturbos falsch.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Es ist richtig, dass diejenigen, die in der Vergangenheit die Schulden in den Haushalten aufgetürmt haben, diese Schulden nicht wieder zurückzahlen werden, sondern das müssen die Folgegenerationen irgendwann bereinigen. Die Kinder und Kindeskinder müssen diese Schulden und die Zinslast abtragen, was ihr eigenes Gestalten einengen wird.

Es ist auch klar - ich glaube, da sind wir uns in diesem Haus einig -: Schulden und Zinsen sind die Steuern von morgen. Daher ist es auch richtig, dass der Bundesgesetzgeber - Bundestag und Bundesrat - die Schuldenbremse in Artikel 109 des Grundgesetzes aufgenommen hat. Die CDULandtagsfraktion bekennt sich ganz ausdrücklich zu der Schuldenbremse und dem Neuverschuldungsverbot.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Aufwendungen der Gegenwart müssen mit den Erträgen der Gegenwart bezahlt werden. Der Staat muss die Zukunft nachfolgender Generationen sichern. Er darf nicht auf Kosten unserer Kinder und Kindeskinder leben. Wenn der Staat mehr ausgibt, als er einnimmt, ist der Wohlstand des Landes langfristig gefährdet. Er muss immer in der Lage bleiben, die notwendigen Aufgaben finanziell zu meistern. Das ist aber nur mit soliden Finanzen möglich. Genau deswegen kommt es auf eine kluge Mischung zwischen dem Abtragen von Schulden und dem Investieren in den Fortschritt und die Zukunft dieses Landes an.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der SPD)

Sehr geehrter Herr Kollege Grascha, die Regierungsfraktionen haben sich daher dazu bekannt, dass die Schuldenbremse in dieser Legislaturperiode in der Niedersächsischen Verfassung verankert wird. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies auch umgesetzt wird. Der Finanzminister hat schon mehrmals entsprechende Ankündigungen

gemacht. Er wird einen entsprechenden Entwurf einbringen.

Diese Landesregierung wird gemeinsam mit den Regierungsfraktionen weitere gesetzliche Regelungen verankern. Dies ist schon daher notwendig - da sind wir uns ja zum Glück alle einig -, weil besondere Lagen wie etwa Naturkatastrophen, aber sicherlich auch viele andere geregelt werden müssen. Es muss möglich gemacht werden, dass wir hierauf in besonderer Weise reagieren können.

Der von Ihnen eingebrachte Gesetzentwurf hat aber letztlich für uns keine wirkliche Lösung parat. Deswegen werden wir ihn sicherlich nicht ohne Weiteres unterstützen können. Sie sprechen davon, dass Sie Tilgung aus Überschüssen verpflichtend machen wollen und wollen diesem Umstand sogar Verfassungsrang geben. Das ist meines Erachtens eine grundsätzlich verfassungsfremde Regelung.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

So etwas gehört nicht in einen Verfassungstext. Dort sind die groben Grenzen aufzuführen, und die konkreten Regelungen und Ausführungen haben in Gesetzen stattzufinden. Ich darf Ihnen insofern sagen: Ich glaube, dass es sogar verfassungsrechtlich bedenklich wäre, wenn man dies so umsetzen würde.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Die Idee ist aber auch in Gänze nicht zielführend. Ihr Vorschlag würde nämlich dazu führen, dass jegliche Überschüsse, die wir in Zukunft machen, in die Tilgung fließen. Das würde zum einen politische Handlungsspielräume unnötig einengen, und zum anderen würden wir das Ihnen sicherlich bekannte Dezemberfieber aufleben lassen, in dem alle Verwaltungen im Dezember ihre Budgets und Töpfe leeren, damit bloß kein Überschuss da ist, der am Ende etwa in die Entschuldung eingebracht werden muss. Von daher ist das genau das falsche Signal gegenüber den handelnden Personen. Wir engen uns politisch ein und sorgen dafür, dass die Zurückhaltung beim Finanzmittelverbrauch nicht gefördert wird.

(Beifall bei der CDU)

Eines müssen Sie uns am Ende auch noch erklären: Wie wollen Sie solche Sondervermögen - wie derzeit für die Digitalisierung - in Zukunft finanzieren? Ihre Fraktion hat am 20. Februar einen Entschließungsantrag eingereicht, Herr Kollege Grascha, in dem Sie schreiben: „Damit in Niedersach

sen die erforderlichen Voraussetzungen für die Chancen der Digitalisierung geschaffen werden können, ist die Bereitstellung von mindestens 1 Milliarde Euro an Landesmitteln in den nächsten Jahren erforderlich.“ Wie soll das funktionieren, wenn dies in Zukunft nicht aus Steuerüberschüssen bezahlt werden soll?

(Christian Grascha [FDP]: Im Haus- halt sparen!)

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, abschließend ist daher aus unserer Sicht festzuhalten: Der von der FDP geforderte Tilgungsturbo, mit dem sie den Haushalt enkelfest machen will, stellt sich eher als Enkeltrick dar: Während der Kollege Dr. Birkner vorne an der Haustür klingelt und Milliarden für die Digitalisierung fordert, steigt der Kollege Grascha hinten in den Haushalt ein und entnimmt sie wieder.

(Christian Grascha [FDP]: Sie haben es leider nicht verstanden!)

Ich freue mich auf die Diskussionen im Ausschuss.

Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Röhler. Das war Ihre Jungfernrede. Vielen Dank dafür.

Nun geht es weiter, meine Damen und Herren. Andere Wortmeldungen aus dem Plenum liegen mir nicht vor, sodass jetzt Herr Finanzminister Hilbers für die Landesregierung redet. Bitte!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Regierungskoalition hat sich darauf verständigt, eine nachhaltige Finanzpolitik zu machen, in 2018 keine neuen Schulden zu machen, in 2019 keine neuen Schulden zu machen, die Verankerung der Schuldenbremse in die Verfassung aufzunehmen und neben der Nachholung von Investitionen auch in die Tilgung einzusteigen.

Vor diesem Hintergrund habe ich mehrfach angekündigt, dass uns die Bedeutung des Neuverschuldungsverbots am Herzen liegt. Ich möchte hervorheben, dass es für eine sichere Politik für nachfolgende Generationen wichtig ist, die Schuldenbremse auch in unsere Verfassung aufzunehmen. Einen Entwurf zur Verfassungsänderung werde ich noch in diesem Jahr vorlegen.

Wir streben eine schlanke Änderung der Verfassung an. „Schlank“ heißt nicht, dass man sie umgehen kann. „Schlank“ heißt, dass Bestimmungen technischer Art, die die Konjunkturkomponente oder den Umgang mit Naturkatastrophen definieren, in einer einfachgesetzlichen Regelung behandelt werden sollen. Solche detaillierten Regelungen gehören nicht in die Verfassung. Die Verfassung soll man damit nicht überladen. Deswegen wenden wir dieses Prinzip an.

Die FDP-Fraktion will uns nun allerdings überholen. Das ist hier deutlich dargestellt worden. Schnell ist aber nicht unbedingt gut. Deswegen wollen wir Ihnen zusammen mit der Verfassungsänderung auch die einfachgesetzliche Regelung vorlegen, damit Sie einen genauen Überblick darüber haben, wie die Konjunkturkomponente und andere Dinge greifen.

Gegen den Entwurf ist in vielen Punkten nichts zu sagen. In den wesentlichen Grundsatzfragen, was die Veränderungen angeht, fußt er darauf, was die CDU und die FDP in der vergangenen Wahlperiode schon in Form eines Antrags hier eingebracht haben. Den Abbaupfad braucht man nicht mehr darzustellen, weil er mittlerweile erreicht ist. Die anderen Fragen orientieren sich stark daran. Eine Veränderung bedarf aber eines Ausführungsgesetzes. Das wollen wir im Zusammenhang vorlegen.

Die FDP-Fraktion hat nun offenbar auch ein besonderes Interesse daran, die Tilgung von Altschulden in die Verfassung aufzunehmen. Ich weise noch einmal deutlich darauf hin, dass auch uns die Tilgung von Altschulden am Herzen liegt. Auch mir persönlich liegt sie am Herzen. Ich habe gerade gesagt, dass dies zu den haushaltstechnischen Grundsätzen gehört, die wir in der Koalitionsvereinbarung festgehalten haben.