Protocol of the Session on December 14, 2015

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Westphely das Wort. Bitte!

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Überschrift des Gesetzentwurfs der CDU-Fraktion lässt, oberflächlich betrachtet, zunächst Gutes vermuten. Im Ziel waren wir uns ja auch einig, nämlich dass die Vergabe von Beschaffungen mit dem Zweck der Flüchtlingsversorgung angesichts der schnell steigenden Flüchtlingszahlen beschleunigt werden musste. Aber in dem Weg dahin waren wir uns dann nicht mehr einig.

Für die Beschleunigung ist nicht entscheidend, ob der Auftragnehmer noch einen Nachweis vorlegt, ob er Tarif- oder Mindestlohn zahlt; denn dazu ist er bundesgesetzlich ohnehin verpflichtet. Entscheidend ist vielmehr, dass die Kommunen und das Land auch größere Aufträge freihändig, also ohne eine öffentliche Ausschreibung, vergeben können.

Zu diesem Zweck hat die Landesregierung bereits Mitte August - lange bevor der CDU-Gesetzentwurf überhaupt vorgelegen hatte - die Anhebung der Wertgrenzen mit einem entsprechenden Verordnungsentwurf angeschoben. Insofern kann ich dem Zeitablauf, der hier von Herrn Toepffer vorgestellt worden ist, nicht folgen. Diese Verordnung ist bereits seit drei Monaten in Kraft, und es sind bei der landesweiten Vergabestelle auch keine Beschwerden von Kommunen eingegangen, die darauf schließen lassen, dass die Maßnahme noch ausgeweitet werden müsste. Im Übrigen haben CDU und FDP sich derselben Maßnahme bedient, als es darauf ankam, Mittel des Konjunkturpaketes zügig zu investieren.

Wenn sich hier und heute nun aber der CDUGesetzentwurf durchsetzen würde, dann würde für alle Beschaffungen, die dem Zweck der Versorgung der Flüchtlinge dienten, die Landeshaushaltsordnung gelten. Dies wiederum würde bedeuten, dass sogar schon sehr viel kleinere Aufträge ausgeschrieben werden müssten. Das heißt, es würden noch mehr Aufträge ausgeschrieben, als vor der Anhebung der Wertgrenzen ausgeschrieben worden sind.

Meine Frage nach einer flexiblen Handhabung aufgrund der Dringlichkeit, die Sie, Herr Toepffer, eben zitiert hatten, und die Antwort des Wirtschaftsministeriums bezogen sich auf Vorhaben, die oberhalb dieser Wertgrenzen liegen. Dazu gibt es ein Schreiben des Bundeswirtschaftsministeriums.

Die Überschrift dieses Gesetzentwurfes müsste aus meiner Sicht korrekterweise heißen: „Gesetz zur Entschleunigung der Auftragsvergabe zum Zweck der Unterbringung, Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen“. Diesem Ziel können wir uns nicht anschließen, und wir werden Ihren Vorschlag insofern ablehnen.

Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Westphely. - Jetzt hat Herr Bode für die FDP-Fraktion das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Kollege Toepffer, auch die FDP-Fraktion wird den Gesetzentwurf der CDU-Fraktion ablehnen.

(Dirk Toepffer [CDU]: Das trifft mich tief!)

Das tut sie allerdings aus ganz anderen Gründen als Rot-Grün.

Natürlich hat die CDU das Problem richtig erkannt: Wir haben in Niedersachsen inzwischen ein Landesvergabegesetz, das Auftragsvergaben insbesondere an die heimische Wirtschaft verbürokratisiert, verzögert und verlängert und Handwerker quasi vom Wettbewerb ausnimmt.

(Ronald Schminke [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

Dieses Problem ist real existierend, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Das wird vom Wirtschaftsministerium auch noch nicht einmal abgestritten. In den Antworten wird sogar dargelegt, dass das Landesvergabegesetz - das man selbst beschlossen hat! -, lebensfremd sei.

Durch die Aktenvorlage wissen wir, dass die China-Reise der Delegation des Ministerpräsidenten fast vor der Absage stand, weil sich die Dienstleister geweigert haben, die Vorgaben des Vergabegesetzes zu erfüllen. Da hat Sie das EuGH-Urteil gerade noch einmal gerettet, meine sehr geehrten Damen und Herren; sonst wäre die Blamage für den Ministerpräsidenten komplett gewesen.

(Gerd Ludwig Will [SPD]: Es geht aber jetzt um Flüchtlinge!)

Jetzt kommen wir zu der eigentlichen Schlussfolgerung, und das ist der Punkt, in dem wir uns unterscheiden, liebe Kollegen von der CDU.

Wenn man ein Gesetz hat, das schlicht und ergreifend nicht praktikabel ist, das Wachstum hemmt und das Handwerk in Niedersachsen schädigt, dann muss man das Gesetz grundlegend, und zwar für alle Tatbestände, ändern, und nicht nur für einen einzigen Ausnahmetatbestand, hier die Frage der Flüchtlingsunterbringung.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Das Ge- genteil stimmt doch!)

Dafür gäbe es auch eine relativ einfache Lösung, lieber Kollege Toepffer. Es ist nicht nur so, dass Gesetzentwürfe der Oppositionsfraktionen einfach pauschal abgelehnt werden. Nein, die FDP hat hierzu auch einen Gesetzentwurf vorgelegt, und

der wird von Rot-Grün im Ausschuss liegen gelassen.

(Ronald Schminke [SPD]: Wie kom- men Sie denn darauf?!)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von RotGrün, Sie weigern sich, unseren Gesetzentwurf zu beraten. Sie verstecken sich hinter einer Evaluation, deren Ergebnisse im Wesentlichen schon bekannt sind. Sie wissen genau, dass Ihr Gesetz teilweise europarechtswidrig war. Die Bedenken des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes, dass es der Verfassung widerspricht, sind auch noch nicht ausgeräumt.

Deshalb: Man könnte das im Ausschuss liegende Gesetz einfach beraten und beschließen. Dann wäre für das Handwerk etwas erreicht, dann wäre für die Kommunen etwas erreicht, dann würden die Baumaßnahmen schneller vollzogen, und dann hätte man nicht einen solchen Wirrwarr. Aber dafür fehlt Ihnen der Mut, weil Sie dann einräumen müssten, dass Ihre Ideologie gescheitert ist. So wie jetzt kann es aber einfach nicht weitergehen. Darunter müssen alle Beteiligten im Land leiden.

Herr Kollege Will, Sie haben vorhin gesagt, dass auch die kommunalen Spitzenverbände mit der Variante von Minister Lies einverstanden und zufrieden sind, und auch deshalb bräuchte man das CDU-Gesetz nicht. Aber damit erzählen Sie hier nur die halbe Wahrheit. Die kommunalen Spitzenverbände wollten Ihr ganzes Vergabegesetz nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie haben gesagt, es sei nicht notwendig.

(Ronald Schminke [SPD]: Das stimmt doch gar nicht! - Gerd Ludwig Will [SPD]: Das ist die Unwahrheit!)

- Herr Schminke, schauen Sie sich die Anhörung an! Dort wurde gesagt, dass das Gesetz wettbewerbshemmend ist und dass Handwerker vor Ort, die günstiger und qualitativ hochwertigere Arbeiten abliefern, nicht mehr beauftragt werden könnten.

Das ist die Wahrheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. Sie zementieren hier Ihre Position, weil Sie beratungsresistent und nicht bereit sind, die richtigen Schlüsse heute zu ziehen, damit es allen besser geht. Dabei werden wir Sie immer weiter stellen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP - Ronald Schmin- ke [SPD]: Und sowas sagt ein ehema- liger Minister! Das ist schlimm!)

Vielen Dank, Herr Bode. - Für die Landesregierung hat nun Herr Wirtschaftsminister Lies das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bode, ich bin schon ein bisschen überrascht über das, was Sie hier ausgeführt haben. Ich will daran erinnern, welchen elementaren Sinn der Gesetzentwurf der CDU hatte. Er sollte dafür sorgen, dass die Unterbringung, die Betreuung und die Versorgung von Flüchtlingen gewährleistet wird. Über die Umsetzung kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Aber Ihre Rede, Herr Bode, ging völlig am Thema vorbei.

(Beifall bei der SPD - Jörg Bode [FDP]: Wir haben seit zwei Jahren ei- nen Gesetzentwurf vorliegen! - Unru- he - Glocke der Präsidentin)

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, einmal die Gespräche mit denjenigen zu führen, die aus Ihrer Sicht betroffen sind. Reden Sie doch einmal mit dem Handwerk! Reden Sie mit dem Baugewerbe! Reden Sie mit denen, die mit uns am Tisch sitzen, die sagen, dass das genau der richtige Weg ist, und die durchaus skeptisch aufblicken, wenn man Veränderungen und Vereinfachungen vornimmt. Diese Leute meinen, dass gerade unser Gesetz den fairen Wettbewerb in Niedersachsen schafft, weil unsere regionalen Unternehmen, unser Mittelstand, unser Handwerk sich unter fairen Bedingungen am Markt platzieren können. Das war auch das Ziel, und deshalb bin ich stolz darauf, dass wir als Landesregierung mit den uns stützenden Fraktionen das auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der SPD)

Zurück zum Antrag. Jetzt, wo der Winter naht und wir insofern schwierige Bedingungen haben, ist es wichtig, zu fragen, wie es gelingt, die Menschen nicht in Zelten unterbringen zu müssen, sondern kluge Lösungen zu finden. Insofern, Herr Toepffer, verfolgt Ihr Gesetzentwurf durchaus den richtigen Ansatz. Allerdings passt der zeitliche Rahmen, den Sie dargestellt haben, nicht ganz. Das ist auch mehrfach dargestellt worden. Wir haben Ende Juli mit den Beratungen begonnen und sind im August in die Verbandsanhörung gegangen. Mithin ist klar, dass wir unseren Weg schon länger gegangen sind. Sie mögen diesen Weg nicht teilen, aber er

ist jedenfalls nicht aus Ihrem Antrag heraus entstanden.

Ich glaube, es ist richtig, wie wir es gelöst haben. Die Anhebung der Wertgrenzen ist der zügige und vernünftige Weg. Die Abschaffung des Landesvergabegesetzes würde, wie Sie ausgeführt haben, zur Anwendung des Haushaltsrechts führen, also der vorrangigen Ausschreibung mit allen ihren Schwierigkeiten.

Bis zum 30. Juni 2016 sind die Wertgrenzen angehoben worden, bei der beschränkten Ausschreibung von bisher 50 000 Euro auf 150 000 Euro und bei der freihändigen Vergabe von 25 000 Euro auf 1 Million Euro - für Bauleistungen. Die Wertgrenze von 1 Million Euro stammt aus der Zeit der Konjunkturpakete. Sie beruht auf praktischen Erfahrungen; damit kann der überwiegende Teil abgedeckt werden. Bei den Liefer- und Dienstleistungen sind wir von bisher 25 000 Euro bzw. 50 000 Euro auf 100 000 Euro heraufgegangen.

Uns ging es darum, schnell vernünftige Lösungen zu finden, und deswegen ist der Weg absolut richtig.

Ich will einen zweiten Punkt nennen, der auch schon einmal angesprochen worden ist: Der Innenminister, Boris Pistorius, und ich haben uns am 17. August mit einem Schreiben an den Bundeswirtschaftsminister gewandt, um klarzustellen, wo wir wirklich mit den Möglichkeiten der besonderen Dringlichkeit arbeiten können. Ich bin sehr froh, dass am 24. August 2015 die bestehenden Möglichkeiten vom Bundesminister noch einmal aufgezeigt wurden. Das zeigt noch einmal, wie intensiv bei dieser Frage Landes- und Bundesebene Hand in Hand arbeiten.

Wir haben einen vernünftigen Weg gewählt. Aber ich will noch einmal sagen: Dass wir diese Diskussion hier führen, dass wir uns grundsätzlich darüber unterhalten, wie wir in einer schwierigen Zeit dafür sorgen, dass die Menschen, die als Flüchtlinge/Asylsuchende kommen, nicht leiden, sondern wir eine vernünftige, schnelle Lösung haben, liegt in unserem gemeinsamen Sinne. Deswegen ist die Beratung in Ordnung. Aber der Weg, den wir gefunden haben, ist absolut richtig, absolut zukunftsfähig. Er hilft denen, um die es uns gerade geht, nämlich den Menschen, die zu uns kommen und Unterbringung benötigen.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung.