Protocol of the Session on February 18, 2015

junkturforschung stärkt der gesetzliche Mindestlohn 2015 die Einkommen in Deutschland. Durch den gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro erhöht sich 2015 die Bruttolohn- und Gehaltssumme um ca. 1 %. Er trägt also zur kräftigen Binnennachfrage bei, die in diesem und im kommenden Jahr so zum Zugpferd des wirtschaftlichen Aufschwungs wird. Also auch gesamtwirtschaftlich sinnvoll.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, doch kaum ist der Mindestlohn eingeführt, ist plötzlich alles zu bürokratisch und wirtschaftsfeindlich.

(Zurufe von der CDU: Ja!)

Lassen Sie sich daran erinnern: In den Branchen, in denen aufgrund der Neigung zur Schwarzarbeit eine Meldepflicht gegeben ist, wollen Sie doch wohl nicht die Dokumentation abschaffen. Sie ist stattdessen auf weitere Branchen auszuweiten, und das ist folgerichtig; denn das, was die einen als Auflage nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz haben und auch durchführen, können auch andere leisten.

Ich möchte Ihnen einmal ein Beispiel aus dem Tariftreue- und Vergaberecht nennen. Dort findet Folgendes statt: Wenn einer einen Auftrag hat, Schüler zu befördern, dann wird das gesondert abgerechnet, aber nicht mit dem Ziel, dass das alles sauber gemacht wird, sondern deshalb, um Lohn zu sparen bei den Aufträgen, die nicht unter das Vergaberecht fallen. Da ist Bürokratie dann plötzlich keine Größenordnung mehr.

Wenn Sie es einmal ausgedruckt hätten, wüssten Sie, dass auf den Meldezetteln nur Name, Tag und Arbeitszeit zu vermerken sind. Wer das wieder abschaffen will, ist gegen Kontrollen und für den Schutz schwarzer Schafe. Aber genau das wollen wir nicht.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch Niedersachsen ist durch den gesetzlichen Mindestlohn auf dem Weg, das Markenzeichen guter Arbeit und guter Bezahlung weiter auszubauen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Will. - Für die CDUFraktion hat nun Herr Kollege Toepffer das Wort. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Deutschland hat jetzt einen Mindestlohn, und das ist erst einmal gut so.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Auch die CDU-Landtagsfraktion hat einen solchen Mindestlohn in vielen Debatten unterstützt und gewollt. Das, was wir nicht gewollt haben, lieber Kollege Will, war aber etwas ganz anderes. Wir wollten nicht, dass die Höhe des Mindestlohnes durch die jeweiligen Bundestagsmehrheitsfraktionen im Rahmen von Debatten im Bundestag festgelegt wird. Das war das, was wir nicht wollten. Wir wollten, dass dies die Tarifpartner machen. Es ist gut so, dass dies jetzt so passiert.

(Zustimmung bei der CDU)

Unsere Horrorvorstellung war, dass sich künftig Frau Nahles und Herr Gisy in endlosen Debatten mit Versprechungen übertrumpfen, ohne auf wirtschaftliche Notwendigkeiten Rücksicht zu nehmen, und so den Mindestlohn festlegen. Deswegen ist es gut, dass sich die SPD mit dem einen oder anderen Modell, das sie hier vertreten hat, Herr Lies, nicht durchgesetzt hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Es gibt aber noch ein Zweites, was wir nicht gewollt haben. Wir wollen nicht, dass die Menschen in diesem Land - insbesondere nicht die Arbeitgeber und die Unternehmen - im Zuge dieses Mindestlohns mit bürokratischen Vorschriften überhäuft werden, die überflüssig sind, die Wirtschaftsleistung letztendlich behindern und so Arbeitsplätze vernichten.

Über die Dokumentationspflichten, Herr Will, ist im Bundestag im Vorfeld viel diskutiert worden. In den parlamentarischen Debatten ist vonseiten des Hauses von Frau Nahles immer gesagt worden: Ja, wir sorgen dafür, dass das praxisnah umgesetzt wird. - Was letztendlich aber herausgekommen ist, ist schlichtweg nichts anderes als ein absolutes Bürokratiemonster.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Festlegung erfolgt jetzt nicht nur im Mindestlohngesetz und im Arbeitszeitgesetz, sondern auch in der Mindestlohnmeldeverordnung, in der Mindestlohnaufzeichnungsverordnung und in der Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung. Unabhängig von dem, was genau darinsteht, kann ich Ihnen eines sagen: Das sind aus unserer Sicht mindestens zwei Verordnungen zu viel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Natürlich muss man, wenn man Gesetze beschließt, auch dafür sorgen, dass sie eingehalten werden. Aber es ist ja tagtäglich so, dass wir hier Gesetze beschließen und nicht automatisch einen wahnsinnigen Kontrollwahn auslösen. Wir gehen erst einmal davon aus, dass sich die Menschen in diesem Land an die Gesetze halten. So sollte das an sich auch bei den Arbeitgebern sein. Das ist doch keine Bande von notorischen Gesetzesbrechern in diesem Lande! Die halten sich doch in der Masse an die Gesetze!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lieber Herr Will, Sie hätten vor dieser Rede einmal gucken sollen, wie es im Ausland ist. Im Ausland gibt es keine Erfahrungen mit massenhaftem Missbrauch der dortigen Mindestlohngesetze. Das sind in der Regel Ausnahmeerscheinungen. Nur in Deutschland sind wir wieder besonders gründlich.

Gehen wir einmal weg von den Dokumentationspflichten an sich. Gucken wir einmal zur nationalen Arbeitsinspektion, die bei uns durch den Zoll, durch die FKS durchgeführt wird. Die Internationale Arbeitsorganisation hat sich einmal überlegt: Wie viele Kontrolleure brauche ich eigentlich, um solche Gesetze wie das Mindestlohngesetz tatsächlich umsetzen zu können?

(Vizepräsident Karl-Heinz Klare über- nimmt den Vorsitz)

Sie hat festgestellt, dass man etwa für 10 000 Beschäftigte einen Kontrolleur braucht. In Deutschland haben wir ab 2020 für etwa 35,5 Millionen Beschäftigte 8 470 Kontrolleure. Für alle, die nicht rechnen können: Das ist nicht ein Kontrolleur auf 10 000, das ist ein Kontrolleur auf 4 200 Beschäftigte. Das ist etwa das Doppelte dessen, was als internationaler Standard angenommen wird.

Da fragt man sich: Warum treiben wir in Deutschland eigentlich diesen Wahnsinnsaufwand? - Klar gibt es Menschen, die früher weniger als 8,50 Euro brutto verdient haben. Aber es war ja nicht so, dass die Arbeitgeber damals kriminell waren. Das

war legal, und ich gehe davon aus, dass sie sich jetzt auch daran halten werden und künftig mehr bezahlen werden, weil eben dieses Gesetz beschlossen worden ist.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Frage ist deswegen auch nicht, was nun in diesen Dokumentationen steht, ob sie zumutbar sind, Herr Will. Die Frage ist: Welche Einstellung haben Sie eigentlich zu den Arbeitgebern in diesem Lande?

Kontrolliert werden ja jetzt alle. Die, die früher schon mehr bezahlt haben - weitaus mehr als 8,50 Euro brutto -, werden kontrolliert, und es werden auch die kontrolliert, die früher weniger bezahlt haben und jetzt in der breiten Masse mehr bezahlen.

Ich kann Ihnen nur eines sagen: Ändern Sie einfach einmal Ihre Einstellung! Stellen Sie die Arbeitgeber in diesem Lande nicht weiter unter Generalverdacht!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Toepffer, der Kollege Will möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen. Erlaubt?

Herr Will, bitte schön!

Lieber Kollege Toepffer, können Sie mir erklären, weshalb wir überhaupt den Mindestlohn eingeführt haben?

(Jörg Bode [FDP]: Das ist eine sehr gute Frage!)

Herr Will, das kann ich Ihnen erklären: Weil es früher in diesem Lande erlaubt war, Menschen unter 8,50 Euro brutto zu beschäftigen, haben wir einen Mindestlohn eingeführt. Jetzt darf man das nicht mehr. Und noch einmal: Wir gehen davon aus, dass die Menschen sich daran halten. Das ist doch eigentlich ganz logisch nachvollziehbar.

(Zustimmung bei der CDU)

Ihnen ist sicherlich die Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung, die die Landesregierung in NRW berät, bekannt. Die hat in ihrem Rundbrief 04/2014 eine ganz wunderbare, ellenlange Aufstellung dazu vorgenommen, was man machen muss, wenn man solch einen Mindestlohn beschlossen hat, was man alles kontrollieren kann, wie man aufpassen muss, zu Dokumentationspflichten etc. Am Schluss dieser wunderbaren Aufstellung gibt es einen Satz, den ich hier zitieren will. Er lautet wie folgt: Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung des Mindestlohn liegt in der gesellschaftlichen Akzeptanz. - Diese Akzeptanz setzen Sie durch Ihren Kontrollwahn derzeit aufs Spiel.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP- Johanne Modder [SPD]: Gucken Sie sich einmal die Realität an!)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Zu Wort gemeldet hat sich jetzt Herr Kollege Jörg Bode, FDP-Fraktion. Bitte, Herr Bode! Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In der Tat ist es so, dass man bei der Frage des Mindestlohns - ob er sinnvoll ist oder nicht, in welcher Art und Weise der Ausgestaltung er sinnvoll ist oder nicht - unterschiedlicher Meinung sein kann. Das haben wir in den Diskussionen der letzten Jahre hier ja auch immer wieder deutlich miteinander ausgefochten.

Wenn man dann allerdings zu der Überzeugung kommt, dass man einen Mindestlohn einführen will - das hat der Kollege Toepffer hier auch deutlich gemacht -, dann sollte man es doch bitte auch bei der Einführung eines Mindestlohns belassen und nicht noch durch zusätzliche Regelungen, durch zusätzliche Kontrollpflichten ein Bürokratiemonster entstehen lassen, das noch schlimmere Wirkungen hat als der Mindestlohn an sich, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wenn es tatsächlich so wichtig ist, Arbeitszeiten neu aufzuschreiben, und wenn man dort auch Freigrenzen macht, warum gehen Sie denn dann vom Betrag her so weit über den Mindestlohn drüber? Warum müssen Sie weitergehende Dokumentationen in dem Bereich einführen, die hinterher dann auch noch zwei Jahre lang von neuen Kontrolleuren kontrolliert werden?

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt Arbeitsplatzeffekte - allerdings in erster Linie bei zusätzlichen Kontrolleuren staatlicherseits, die Arbeitsplätze bekommen haben. Das kann doch nicht der Sinn der Politik in Deutschland sein, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)