Protocol of the Session on May 14, 2009

- Einen Nachtrag brauchen wir rechtlich überhaupt nicht. Darüber können wir beraten, sobald die Steuerschätzung vorliegt. Wir brauchen keinen Nachtrag, weil nach der rechtlichen Lage ein Steuereinnahmefehl eines Jahres innerhalb der nächsten zwei Haushaltsjahre auszugleichen ist. Das heißt, wir sind hier in der Handhabung völlig frei, weil wir nach der Devise verfahren sind: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. - Wir sind in der Lage, die Dinge zu finanzieren, die jetzt finanziert werden müssen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Riese von der FDP-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben ja heute gehört, dass die Landesregierung die Auffassung vertritt, dass Steuern weder gerecht noch gerechter sein können. Deswegen frage ich, wie die Landesregierung die Wirkung der gegenwärtig geltenden Einkommensteuertabelle auf die Verteilung der Einkommensanteile auf Private und Staat beurteilt, besonders angesichts der Tatsache, dass auch in diesem Jahr die tariflichen Einkommen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst um einige Prozente steigen, und welche Wachstumsimpulse sich aus dieser sich verschiebenden Einkommensverteilung auf mittlere und lange Sicht ergeben.

Herr Ministerpräsident, bitte!

Die Landesregierung wertet gerade die OECDStudie aus, die uns zu bestätigen scheint, dass kleine und mittlere Einkommen zu entlasten sind. Dazu kommt noch der Effekt, dass in Deutschland bereits der erst verdiente Euro mit 41 % Sozialabgaben versehen wird, was bedeutet, dass es hier eine besonders schwierige Schwelle gibt, von Transfereinkommen wie Hartz IV in Beschäftigung

zu gehen. Dazu gibt es ja auch viele kluge Vorschläge.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja, Mindest- lohn!)

Diese Debatte muss im Bundestagswahlkampf geführt werden. Die Sozialdemokraten - ich sage es noch einmal - haben in ihrem Programm eine Steuersenkung beim Eingangssteuersatz auf 10 % und einen Steuerbonus von 300 Euro beschlossen. Alle Parteien haben ihre Steuermodelle und treten da in Konkurrenz. Auf jeden Fall stehen wir dazu, dass man über Steuerpolitik Wachstum akquirieren kann und dass man das Wachstum zu einem Drittel zur Senkung der Neuverschuldung, zu einem Drittel für Investitionen in Forschung und Bildung und zu einem Drittel für eine Steuerstrukturreform nach den Grundsätzen „einfacher, niedriger und gerechter“ verwenden soll. Es gibt die kalte Progression und den Mittelstandsbauch, und wir haben das Problem, dass ein Facharbeiter, der Überstunden macht oder am Wochenende arbeitet - ich glaube, das wollten Sie hören, Herr Riese -, im Grunde genommen einen zu großen Teil dessen, was er mehr verdient, wegbesteuert bekommt. Da müssen wir etwas tun. Dies kann man nach meiner Überzeugung durch eine Rechtsverschiebung der linearen Besteuerung erreichen. Darüber könnte man sich verständigen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Perli von der Fraktion DIE LINKE stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Möllring, vor dem Hintergrund, dass Sie auf meine erste Frage soeben ausgeführt haben, dass keiner für die Krise des Kapitalismus zahlen müsse, frage ich Sie, ob ich das so interpretieren kann, dass Sie sich in der Zukunft dafür einsetzen werden, dass es zu keinen Einsparmaßnahmen oder Kürzungen im Bildungsbereich, im Sozialbereich und im Kulturbereich kommt.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Minister Möllring!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird nicht gelingen, die Haushaltsberatungen, die in den nächsten zwei Monaten im Einzelnen geführt werden müssen, um dem Landtag einen verantwortungsvollen Haushaltsplanentwurf vorzulegen, hier vorzuziehen. Von keinem Bereich kann von vornherein gesagt werden, dass er sich an der Konsolidierung des Haushaltes nicht beteiligen muss.

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Vorhin haben Sie das Gegenteil gesagt! „Keiner“ haben Sie gesagt!)

- Ich habe nur gesagt, dass leider keiner das bezahlt, sondern dass wir alle das werden bezahlen müssen, weil die Steuern natürlich von der Gesamtheit des Volkes aufgebracht werden müssen und es leider keinen ominösen Dritten gibt, der uns diese Last abnimmt. Das ist nun einmal die Wahrheit.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Aber Sie müssen die Zahlen offenlegen, und das verweigern Sie vor der Bundes- tagswahl!)

- Herr Wenzel, wenn ich es richtig sehe, wird die Bundestagswahl im September stattfinden. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Haushaltsklausur des Kabinetts Anfang Juli stattfinden wird.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Deswegen ja ein Nachtragshaushalt!)

Dann werden wir die Zahlen selbstverständlich der Öffentlichkeit und dem Landtag präsentieren, weil wir - wie es üblich ist - nach einer Haushaltsklausur des Kabinetts eine entsprechende Presseinformation machen und den vom Kabinett beschlossenen Haushaltsplanentwurf dem Landtag zusenden.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist schlafmützig!)

Damit ist jeder in der Lage, sich vor der Bundestagswahl sowohl das, was wir der Presse mitteilen, als auch das, was wir nach unserer Verfassung dem Landtag mitteilen, anzusehen und zu veröffentlichen. Das ist doch gar kein Problem.

(Victor Perli [LINKE]: Alle sind keiner, und keiner ist alle! - Gegenruf von Jens Nacke [CDU]: Noch dämlicher geht es ja wohl nicht!)

Frau Kollegin Geuter von der SPD-Fraktion stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass sich die Landesregierung vor Kurzem für 200 000 Euro eine Expertise zu den Rechtsverhältnissen der öffentlichen Versicherungen hat erstellen lassen, frage ich die Landesregierung: Gibt es Planungen, Landesanteile an den öffentlichen Versicherungen zur Haushaltskonsolidierung zu veräußern, und wie weit sind diese gediehen?

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Herrn Minister Möllring das Wort gebe, erteile ich dem Kollegen Nacke einen Ordnungsruf aufgrund seiner eben getätigten Aussage.

(Zustimmung von Victor Perli [LINKE], von Frauke Heiligenstadt [SPD] und von Andrea Schröder-Ehlers [SPD])

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Moment gibt es keine derartigen Planungen.

Frau Kollegin Dr. Gabriele Heinen-Kljajić stellt die nächste Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Ministerpräsident Wulff eben darauf hingewiesen hat, dass die derzeitige Krise die Zeit ist, in der es darum geht, neue, innovative Güter zu entwickeln und zu erforschen, vor dem Hintergrund der grundsätzlichen Aussage, dass es zurzeit nicht sinnvoll ist, prozyklische Kürzungen vorzunehmen, und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass man daran festhält, alle bisher angedachten Investitionsprogramme umzusetzen, frage ich: Warum wurde ausgerechnet bei einem Bund-Länder-Sonderprogramm im Bereich Wissenschaft, Forschung und Innovation, das die Wissenschaftsminister bereits beschlossen hatten und das sich bei uns in der Mipla bereits abbildet, auch mit Unterstützung des niedersächsischen Finanzministers eine Entscheidung gestoppt und bis auf einen Zeitpunkt nach der Bundestagswahl vertagt?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zwischenzeitlich gibt es zu diesem Programm eine Beschlussfassung der Wissenschafts- und Kultusminister und eine Beschlussfassung der Finanzminister. Am 4. Juni werden sich die Ministerpräsidenten hierzu positionieren. Gerade läuft der Abstimmungsprozess in der Landesregierung. Ich bin zuversichtlich, dass Niedersachsen auch bei diesem Programm einen sehr konstruktiven Beitrag liefern wird und dass es bereits im Juni zu entsprechenden Entscheidungen kommt, was uns im Gegensatz zu anderen Bundesländern leichter fällt. Sie haben es in Ihrer Frage gesagt: Weil wir ähnlich wie Grafite vom VfL Wolfsburg - - - Ich habe den VfL Osnabrück nicht nennen können, weil er gestern zwei Tore von Mintal kassiert hat. Sonst hätte ich gern den VfL Osnabrück als Beispiel genannt. Aber die Tatsache, dass wir zeitlich vor unserer Planung liegen, bildet sich in unserer mittelfristigen Finanzplanung ab; denn wir haben die Fortsetzung unseres Innovationspaktes in unserer mittelfristigen Finanzplanung bereits fast ideal abgebildet. Das ist der Vorteil Niedersachsens. Das erleichtert es uns erheblich, am 4. Juni dem Beschluss der Wissenschaftsminister zuzustimmen. Ich kann Ihnen Hoffnung machen, dass sich Ihre Wünsche durch unsere Regierung erfüllen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Möhrmann von der SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bleibe dabei, dass die Regierung bei bestimmten Antworten merkwürdigerweise sehr unpräzise bleibt. Das betrifft nicht nur die Nettoneuverschuldung. Ich weise darauf hin, dass uns eine Mipla vorliegt - das muss unbedingt mit erwähnt werden -, wonach in den Folgejahren mit einem sogenannten Handlungsbedarf zu rechnen ist, z. B. nächstes Jahr über 1 Milliarde Euro. Ob das so seriös ist, wo Sie doch finanziell so gut gearbeitet haben, Herr Wulff, weiß ich nicht. Da Sie noch zusätzlich versprechen, die Kindergartenbeiträge

für die Eltern in den nächsten Jahren auf null zu senken, und dann noch sagen, Sie können auch die Steuern in bestimmten Bereichen senken, wollte ich gern fragen: Welche Erfahrungen gibt es mit den Zusagen derer, die von Steuersenkungen insbesondere im Unternehmensbereich profitiert haben, und wie hat sich das auf die Einnahmesituation - das kann man ja inzwischen ablesen - der öffentlichen Hände ausgewirkt? Wann werden Sie der staunenden Öffentlichkeit sagen, dass die weitere Freistellung der Eltern von der Kindergartengebühr bis 2013 nicht zu finanzieren ist?

(Zustimmung bei der SPD)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Wenn ich die Geschäftsordnung richtig kenne, muss man ja zwei Fragen von den vielen, die Sie gestellt haben, beantworten. Ich möchte deswegen die Frage nach der Seriosität beantworten.

Ihr Vertrauen in die Seriosität sollte darin seine Grundlage finden, dass wir seit 2003 jedes Jahr bei den Aufstellungen des Haushalts für das Folgejahr alle Handlungsbedürfnisse und alle zu schließenden Lücken geschlossen haben und dass wir jedes Jahr mit dem beschlossenen Haushalt zurechtgekommen sind. Daraus sollten Sie Vertrauen in die Seriosität dieser Landesregierung schöpfen; denn das unterscheidet sich signifikant von den Haushaltsbeschlussfassungen und Abwicklungen Ihrer Regierungszeit.

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt einfach die Erfahrung. Wir hatten jedes Jahr eine zu schließende Deckungslücke und haben sie jedes Jahr geschlossen. Daneben haben wir erreicht, dass die Neuverschuldung von 3 Milliarden Euro im Jahr 2002 auf etwas unter 3 Milliarden im Jahr 2003 zurückging. Dann sollte sie jedes Jahr um 350 Millionen Euro geringer sein. Das haben wir geschafft. Damit haben wir mehr geschafft als jedes andere Bundesland. Kein einziges Bundesland hat die Nettoneuverschuldung jedes Jahr um mindestens 350 Millionen Euro abgesenkt.

(Beifall bei der CDU)

In guten Zeiten haben wir sie stärker abgesenkt, z. B. vorletztes Jahr um 950 Millionen Euro. Eventuell hätten wir das Ziel ohne diese Weltwirtschaftskrise schneller erreichen können. Jetzt

müssen wir sehen, ob wir das ursprüngliche Ziel bis 2013 trotz der Weltwirtschaftskrise erreichen können. Daran werden wir arbeiten müssen. Aber ich kann ebenso wenig wie Sie in die Zukunft schauen. Ich kann nur sagen: Sie können uns vertrauen. Wenn Sie die letzten sechs Jahre betrachten, sehen Sie, dass es gut ist, dass eine solch seriöse und solide Regierung jetzt am Ruder ist, die solche sechs Erfolgsjahre hingelegt hat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ihr kann man am ehesten zutrauen, dass sie auch die nächsten schwierigeren Jahre bewältigt.