Protocol of the Session on May 14, 2009

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lernen heute Morgen ja, dass externe Einflüsse einen Landeshaushalt völlig kalt erwischen können. Wenn man der heutigen Debatte folgt, erinnert man sich bisweilen an die Jahre 2000 oder 2001. Trotzdem haben wir heute eine veränderte Situation, weshalb ich die Landesregierung erstens

frage, ob es zutrifft, dass die vom Ministerpräsidenten und vom Finanzminister dargestellte relativ komfortable Situation auch etwas damit zu tun hat, dass die Finanzierung der Beamtenbesoldung über den Nachtragshaushalt und die Ausfinanzierung des Konjunkturprogramms II im Wesentlichen dadurch erfolgen konnten, dass man die Rücklagen, also nicht aufgenommene Kredite, eingeworfen und gegen null entwickelt hat und dass das Land beim Konjunkturprogramm netto verschwindend geringe eigene Beiträge geleistet hat. Dadurch ist das Land im Vergleich zu anderen Bundesländern natürlich in eine relativ komfortable Situation gekommen.

Meine zweite Frage hat etwas damit zu tun, dass ich das, was Sie, Herr Ministerpräsident, diesem Hohen Hause versprechen, sehr ernst nehme. Sie haben gesagt: Es wird ein sehr solides Haushaltsaufstellungsverfahren geben. - Der Kalender macht es nun aber dringend erforderlich, die Eckdaten, die die Landesregierung dem Landtag vorlegen möge, so zu gestalten, dass schon vor der Bundestagswahl klar ist, wie die reale Situation aus Sicht der Landesregierung sein wird, und auch den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes klargemacht werden kann, welche zusätzlichen Einnahmeausfälle in der mittelfristigen Finanzplanung auf das Land Niedersachsen zukommen würden, wenn Sie Ihre Steuersenkungspläne zusammen mit den Liberalen tatsächlich durchsetzen können.

Herr Ministerpräsident, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manche Frage verdutzt einen einfach nur noch, wenn ein früherer Finanzminister diese beiden Punkte hier erwähnt.

(Zustimmung bei der CDU)

Lieber Herr Kollege Aller, in beiden Punkten werden wir es so machen wie angekündigt. Damit werden wir es auch anders machen, als Sie es in den meisten Jahren, in denen Sie Finanzminister waren, gemacht haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben uns eine komfortable Lage geschaffen, weil wir inzwischen die geringsten Pro-KopfAusgaben aller 16 Bundesländer haben, weil wir also konsolidiert, gespart und Ausgaben reduziert haben. Dafür gibt es viele Beispiele. Es ging ja bei

der Staatskanzlei los. Damals belief sich der Etat auf 43 Millionen Euro, jetzt sind es 31 Millionen Euro. Wir haben also überall geguckt, wie wir mit weniger mehr machen können, und haben dies auch unter Beweis gestellt. Auf der anderen Seite haben wir Grenzen für die Nettokreditaufnahme nicht ausgeschöpft. Sie jedoch sind immer darüber hinausgegangen mit der Folge, dass Sie das Defizit ausgleichen mussten, das zwei Jahre vorher entstanden war.

Wir haben in unseren Steuerschätzungen, in unseren Ausgabekatalogen und in den Grenzen für die Nettoneuverschuldung inzwischen eine so große Präzision, dass wir immer mit dem ausgekommen sind, was wir zur Verfügung hatten. In der Regel sind wir sogar darunter geblieben, sodass wir gegenüber der Zielplanung 2003 - so hat es der Finanzminister gesagt - nunmehr rund 2 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Das ist der Grund für unsere komfortable Lage.

Was das Haushaltsaufstellungsverfahren anbelangt, haben Sie mit Doppelhaushalten gearbeitet, die im zweiten Jahr der Haushaltsführung im Grunde genommen das Papier nicht mehr wert waren, auf das sie gedruckt waren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ihre Landtagswahlkämpfe haben Sie immer mit einem eineinhalb Jahre alten Haushalt, in dem keine Eckzahl mehr stimmte, geführt und jegliche Intransparenz gepflegt und ausgebreitet. Wir aber arbeiten transparent: im Sommer Vorlage des Haushaltsplanentwurfs, im Herbst die Debatte, im Dezember die Verabschiedung. Dann wissen zu Anfang des nächsten Jahres alle, wie viel zur Verfügung steht und wie viele Schulden gemacht werden sollen. Damit unterscheiden wir uns hinlänglich von Ihrer Regierungszeit, die von dieser Transparenz nicht gezeichnet war.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Kollege Brinkmann von der SPD-Fraktion stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage die Landesregierung: Wie beurteilt sie auch angesichts der sich abzeichnenden Haushaltsentwicklung den aktuellen Vorschlag zur Vermeidung von Doppelstrukturen und zur Aufgabenbündelung,

das Kultusministerium aufzulösen und in die Staatskanzlei zu integrieren?

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU: Oh! Oh!)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Als Ministerpräsident möchte ich nichts daran ändern, dass unsere Staatskanzlei für unsere Vertretung in Brüssel, für unsere Vertretung in Berlin, für die Medienpolitik und ansonsten dafür verantwortlich ist, dass alles gut läuft. Ansonsten findet die Arbeit in den Ressorts statt, und daran halte ich mich. Das halte ich auch für richtig. Sie können weiter darauf vertrauen, dass Sie es mit einem kompetenten Kultusministerium zu tun haben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt die Kollegin Zimmermann von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund, dass Herr Möllring hier anscheinend nicht alle Fragen beantworten möchte oder kann - ich erinnere z. B. an die Frage nach den Einnahmen aus der Gewerbesteuer; obwohl das Land über die Gewerbesteuerumlage partizipiert, weiß er die Zahl nicht -, und vor dem Hintergrund, dass Herr Wulff den VfL Wolfsburg als Vorlage für Regierungspolitik nimmt, was ich als Wolfsburgerin natürlich spannend finde, frage ich die Landesregierung, was sie im Hinblick auf die Ausgestaltung der Arbeit der Kommunalaufsicht zu tun gedenkt und welche Maßnahmen dort bezüglich der Genehmigung von kommunalen Haushalten ergriffen werden.

Herr Minister Möllring, bitte!

Die Kommunalaufsicht ist nicht willkürlich - sie kann nicht machen, was sie will -, sondern an die vom Landtag beschlossenen Gesetze gebunden. Natürlich werden wir auch weiterhin, wie Sie es von uns gewohnt sind, die Gesetze penibel einhalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Dr. Sohn stellt eine weitere Zusatzfrage.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dazu habe ich gleich eine Nachfrage: Dass die Gesetze penibel eingehalten werden, muss von einer Regierung eigentlich nicht betont werden. Insofern irritierte mich Ihre Einlassung eben. Das ist ja eine Selbstverständlichkeit.

Nun zu meiner Frage: Wie reagiert denn die Kommunalaufsicht - vorausschauend, wie ich hoffe - auf die von Ihnen dargestellten Zahlen, die deutlich machen, dass auch die kommunalen Einnahmen deutlich zurückgehen werden?

Herr Ministerpräsident, bitte!

Die größte Weltwirtschaftskrise innerhalb der letzten 60 Jahre erfordert eine besondere Betrachtung aller Verhältnisse. Dies wird man auch bei den Genehmigungen kommunaler Haushalte zu berücksichtigen haben. Solche exogenen Faktoren, für die keine Kommune, kein Landkreis in irgendeiner Form herangezogen werden kann, weil die kommunalen Gebietskörperschaften relativ wenig bei Lehman Brothers, an der Wall Street in New York und andernorts gezockt haben, werden der Innenminister und die Kommunalaufsicht berücksichtigen. Aber sie sind natürlich an Recht und Gesetz gebunden. Das heißt, sie müssen genau gucken, was an endogenen Faktoren auf der Ausgaben- und Einnahmenseite beeinflusst werden kann, z. B. bei der Anpassung der Gewerbesteuer. Dies ist völlig klar. Insofern sind solche allgemeinen Fragen - das müssen Sie bitte verstehen - auch nur allgemein zu beantworten. Man muss dann in jedem Einzelfall, also bei jedem Haushalt einer jeden Kommune, betrachten, wie die Bilanz endogener und exogener Faktoren aussieht.

(Beifall bei der CDU - Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Gibt es denn - vielleicht etwas konkreter - Änderungen der Vorgaben?)

- Es gibt keine Änderung der grundsätzlichen Linie der Landesregierung, auf Konsolidierung und eine möglichst geringe Belastung nachfolgender Generationen zu achten, weil wir Schulden für etwas halten, was die Zukunft ein Stück weit vorweg

nimmt, zumal sie in der Regel nicht für investive Ausgaben, die der Zukunft zugute kommen, sondern für konsumtive Ausgaben verwandt werden. Jede Generation muss selber entscheiden können, was sie mit dem eingehenden Geld zu tun gedenkt. Wir halten Verschuldung für etwas, was zumindest im Hinblick auf die Neuverschuldung dringend abgebaut gehört, um hier auch wieder zu mehr demokratietheoretischer Klarheit zu kommen. Es ist einfach unschön, wenn die Bürger in Niedersachsen in zehn Jahren eine Regierung wählen werden, die dann feststellen wird, dass viele ihrer Spielräume schon von Vorgängerregierungen verfrühstückt worden sind. Dies erleben wir zurzeit, indem wir täglich 7 Millionen Euro Zinsen vor allem für Schulden von Regierungen zu zahlen haben, die vor uns gearbeitet haben. Das ist einfach unmoralisch und unsittlich. Davon wollen wir weg.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die nächste Zusatzfrage stellt der Kollege Klein von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU hat 2002 einen Oppositionsantrag zur Haushaltssituation gestellt, in dem sie ein Notgesetz gefordert hat. Da die Situation heute - ich sage es einmal so - vergleichbar ist, interessiert mich, wann das Notgesetz der Landesregierung für dieses Jahr kommt und wie der Ablauf im Hinblick auf den dritten Nachtrag 2009 geplant ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Ministerpräsident, bitte!

Die Ziele des damals von uns eingereichten Antrags sind nahezu erreicht; denn damals - 2002, 2003 - betrug die Neuverschuldung jeweils etwa 3 Milliarden Euro. Wir haben uns vorgenommen, die Ausgaben des Landes den Einnahmen anzupassen. Dieses Ziel ist jetzt nahezu erreicht. Der gegenwärtige Haushalt enthält eine Neuverschuldung von 250 Millionen Euro; das sind etwa 96 % weniger als damals. Jetzt ein Notgesetz zur Bewältigung dieser Krise im Landtag einzubringen, machte keinen Sinn, weil die Einnahmeausfälle weltweit bedingt sind. Allerdings bedarf es eines solchen Notprogramms innerhalb der G 20, der

Weltgemeinschaft, um die Finanzmärkte zu stabilisieren und die Kreditvergaben von Bankinstituten wieder zu ermöglichen und Geld im Kreislauf für Investitionen und Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Ein solches Notgesetz ist z. B. der Rettungsschirm für die Banken in Deutschland von rund 500 Milliarden Euro,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Es geht hier um Niedersachsen!)

aber auch die Bereitstellung einer Garantie von 20 Milliarden Euro für unsere Landesbank. Unsere Notmaßnahme ist die Beteiligung an dem Rettungsschirm im Umfang von bis zu 770 Millionen Euro. Wir als Landesregierung haben also als Notmaßnahme im letzten Herbst die 20 Milliarden Euro, die 770 Millionen Euro und beim ersten Konjunkturprogramm - von Abwrackprämie bis Absetzbarkeit von Handwerkerrechnungen - etwas auf den Weg gebracht. Wir haben im zweiten Konjunkturpaket die Investitionen mit auf den Weg gebracht und auch die Steuer- und Abgabesenkungen am Ende mitgetragen. Es gibt also seit Oktober letzten Jahres ein ganzes Bündel von Notmaßnahmen in diesem Land, die aber noch nicht so greifen, wie wir es uns vorstellen, um einen solchen Absturz des Bruttoinlandsprodukts in Höhe von 6 % - das hatten wir noch nie - und, damit verbunden, einen Absturz der Steuereinnahmen um 10 % aufzuhalten. Die Zahlen, die heute Mittag oder morgen von den Steuerschätzern vorgestellt werden - Steuereinnahmeausfälle bis 2013 in Höhe von etwa 300 Milliarden Euro -, machen genau die Notmaßnahmen, von denen ich gesprochen habe, erforderlich.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Nachtrag vorlegen, das ist doch klar!)

Hier in Niedersachsen, Herr Wenzel, müssen Sie sich positionieren, ob Sie in die Krise hinein prozyklische Kürzungen erwarten. Die werden wir nicht vornehmen, weil wir die Investitionen brauchen, weil wir die Gehaltserhöhungen des öffentlichen Dienstes brauchen. Bei einem Haushalt, der zu 10 % Zinsen und zu 44 % Personalausgaben beinhaltet und im Übrigen möglichst viel Investitionen beinhalten soll, macht Sparen in der Krise keinen Sinn.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Aber Sie müssen die Wahrheit offenlegen!)

Vielmehr werden wir das sich jetzt ergebene Steuereinnahmesoll auf der Seite der Nettoneuverschuldung unterbringen müssen, wie es die Grü

nen in Hamburg machen, wie es die Sozialdemokraten mit Herrn Steinbrück in Berlin machen, wie es alle anderen Länder machen. Anders geht es nicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Ohne Nachtrag?)

- Einen Nachtrag brauchen wir rechtlich überhaupt nicht. Darüber können wir beraten, sobald die Steuerschätzung vorliegt. Wir brauchen keinen Nachtrag, weil nach der rechtlichen Lage ein Steuereinnahmefehl eines Jahres innerhalb der nächsten zwei Haushaltsjahre auszugleichen ist. Das heißt, wir sind hier in der Handhabung völlig frei, weil wir nach der Devise verfahren sind: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. - Wir sind in der Lage, die Dinge zu finanzieren, die jetzt finanziert werden müssen.