Protocol of the Session on May 14, 2009

Ihr kann man am ehesten zutrauen, dass sie auch die nächsten schwierigeren Jahre bewältigt.

Wir haben - da wird uns allen alles abverlangt - jetzt eine Zeit, die wir so seit 60 Jahren nicht gehabt haben. Alle, die regieren - ob die Grünen in Hamburg oder die Sozialdemokraten in RheinlandPfalz oder Berlin oder die Linkspartei in Berlin oder die FDP und die CDU in vielen Bundesländern oder die CSU in Bayern -, stehen vor dieser Situation, die besondere Vernunft und besondere Klugheit erfordert.

Glücklicherweise geht es uns nicht wie NordhreinWestfalen, Baden-Württemberg, Hamburg oder Schleswig-Holstein oder gar Bayern, das 10 Milliarden Euro in die Landesbank stecken muss. Glücklicherweise haben wir mit VW nicht die Probleme, die andere mit ihren Automobilfabriken haben. In einigen Bereichen merken wir es also.

Zu Ihrer zweiten Frage, Herr Möhrmann: Wie wirkt sich das Verhalten der Landesregierung auf die Wirtschaft aus? - Ist es nicht ein schöner Erfolg, dass wir im letzten Jahr das höchste Wirtschaftswachstum hatten und in diesem Jahr von den Flächenländern den geringsten Anstieg der Arbeitslosenzahlen hatten?

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ist es nicht auch ein Erfolg, dass sich die Wirtschaft in diesem Lande gut aufgehoben, unterstützt und sich mit ihren Sorgen ernst genommen fühlt?

Am Freitag der letzten Woche haben wir - und dazu haben wir keine große Pressekonferenz veranstaltet - den Koordinierungsrat gegründet: mit den Banken, den Genossenschaftsbanken und den Sparkassen - wegen der Kreditvergabe -, mit dem DGB, mit den Unternehmerverbänden, mit dem Handwerk, mit den im Zusammenhang mit dem Konjunkturprogramm entscheidenden Ressorts: Innen, Finanzen, Wirtschaft, Soziales - Stichwort „Arbeitsmarktprogramm“.

(Vizepräsidentin Astrid Vockert über- nimmt den Vorsitz)

Jetzt wollen wir etwas tun, damit die Anzahl der Ausbildungsplätze in Niedersachsen in der Krise nicht sinkt, sondern steigt. Wir haben in den letzten Wochen entsprechende Gespräche geführt und nun die Aussicht, dass jeder junge Mensch, der im Sommer die Schule verlässt, auch einen Ausbildungsplatz bekommt. Das sind die Aufgaben dieser Regierung, denen wir uns jetzt gemeinsam mit der Wirtschaft und nicht gegen die Wirtschaft widmen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herzlichen Dank. - Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Twesten von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Herr Wulff, gestatten Sie mir die Anmerkung: Ihre Selbstbeweihräucherung und Ihre Rechtfertigungsstrategie sind kaum auszuhalten.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich kann mich daran erinnern - - -

(Zurufe von der CDU: Nicht das Mik- rofon kaputt machen!)

- Darf ich bitte weiterreden? Ich möchte Herrn Wulff gerne eine Frage stellen.

Frau Kollegin Twesten, lassen Sie sich nicht irritieren. Es geht nur um Folgendes: Das Mikrofon kann man nicht drehen. Und weil es so aussieht, als ob Sie das versuchen, haben einige Kollegen Angst, dass es abbricht.

Das brauchen sie nicht.

Herr Wulff, ich erinnere mich daran, dass Sie im Jahre 2005 dem Focus in einem Interview gesagt haben: „Wir brauchen eine ethische Einstellung zur Finanzpolitik. … Die nachfolgenden Generationen dürfen nicht belastet werden.“ Das hört man ja immer wieder. In diesem Zusammenhang ist mir immer noch nicht klar, wie Steuersenkungen und Nettoneuverschuldung zusammenpassen sollen. Ich möchte wissen, wie vor diesem Hintergrund Ihre heutigen Beiträge zur Steuerdiskussion zu

verstehen sind. Was verstehen Sie in diesem Zusammenhang unter Ethik?

Danke schön. - Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Meine sehr verehrte Frau Kollegin! Erst einmal freue ich mich, dass Sie sich an meine Äußerungen aus dem Focus 2005 erinnern.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Wir arbeiten an der im Focus und auch ansonsten von mir immer wieder geäußerten Überzeugung. Ich habe 2003 mit meiner Arbeit als Ministerpräsident angefangen. Zu diesem Zeitpunkt lag die Verschuldung des Landes bei über 40 Milliarden Euro und die jährliche Neuverschuldung bei 3 Milliarden Euro. In einer solchen Situation muss man sich am Anfang das Ziel setzen, die Neuverschuldung Jahr für Jahr mithilfe von einschneidenden Ausgabekürzungen abzusenken. Diese haben wir vorgenommen; das hat uns viel Ärger gebracht. Wenn man dann, so wie wir, jedes Jahr weniger neue Schulden macht - zum Teil war es fast 1 Milliarde Euro weniger - und schließlich bei einer Neuverschuldung in Höhe von 250 Millionen Euro angelangt ist und kurz vor dem angestrebten Ziel „Nettoneuverschuldung gleich null“ steht - ohne diese Weltwirtschaftskrise hätten wir das auch erreicht -, dann hat man bewiesen, dass man eine Politik verwirklicht hat, die mit den Einnahmen auch die Ausgaben befriedigt. Jede Generation, jede Regierung muss mit dem auskommen, was sie aktuell zur Verfügung hat, und darf nicht Geld, was ihr noch gar nicht zur Verfügung steht, zulasten kommender Generationen ausgeben, die darüber erst noch verfügen können sollen.

Zu Ihrer zweiten Frage nach der Steuerpolitik: Wenn ich Sie wirklich von meiner Position bzw. der Position der Regierung überzeugen würde, dann wäre eigentlich die logische Folge, dass Sie die Seite wechseln und sagen: Jetzt bin ich überzeugt, jetzt komme ich zur FDP- oder CDU-Fraktion und reihe mich dort ein.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Es besteht aber einfach ein inhaltlicher Dissens bei der Steuerpolitik. Manche meinen, Steuerpolitik

diene allein der Einnahmeerzielung des Staates. Nach unserer Überzeugung ist Steuerpolitik mehr. Kluge Steuerpolitik ist Bestandteil von Wachstumspolitik, weil sie Akzente setzt und Incentives schafft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Verschiedenste Steuerreformen in verschiedensten Industrienationen der Welt haben gezeigt, dass mit einer Vereinfachung der Steuerpolitik und einer gerechteren Steuerstruktur letztlich die Steuersätze gesenkt werden, aber die Steuereinnahmen gleichzeitig vermehrt werden konnten,

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Das ist ein Märchen, Herr Wulff! - Kreszentia Flauger [LINKE]: Doch gerechtere Steuern?)

weil die Menschen nicht mehr den ganzen Tag darüber nachgedacht haben, wie sie mit Steuervermeidungsmodellen am Finanzamt vorbeikommen, sondern darüber nachgedacht haben, wie sie Mehreinnahmen erzielen können, sodass sie dann auch mehr Steuern gezahlt haben. Das ist die Philosophie der Regierung zur Steuerpolitik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Kollegin König von der Fraktion DIE LINKE.

Herr Präsident! Vor dem Hintergrund der immer wieder diskutierten Frage, wer für die Krise zahlt, frage ich die Landesregierung: Wer zahlt denn nun für die Krise, keiner oder alle, oder ist keiner alle?

(Beifall bei der LINKEN - Björn Thüm- ler [CDU]: Herr Aller! Immer Herr Al- ler!)

„Frau Präsidentin“ wäre die richtige Anrede gewesen. - Das Wort hat jetzt Herr Ministerpräsident Wulff.

Frau Präsidentin! Allgemein geantwortet: Alle haben von den Voraussetzungen für die Krise profitiert.

(Victor Perli [LINKE]: Hartz IV?)

Denn die ungebremste Geldverbilligung in Amerika hat dort eine entsprechende Nachfrage provoziert

und mehr Exporte aus Deutschland ins Ausland ermöglicht.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie stellen sich nicht der Analyse! Das ist Blöd- sinn, was Sie da erzählen! - Gegenruf von Dr. Bernd Althusmann [CDU]: Für „Blödsinn“ kann man auch einen Ord- nungsruf kriegen!)

Die Tatsache, Herr Wenzel, dass wir in 2005 in Niedersachsen 450 000 Arbeitslose hatten und in 2008 nur noch unter 300 000 - das sind 150 000 Arbeitslose weniger -, hatte auch etwas mit diesem Boom, mit der Finanzblase, der Immobilienblase zu tun. Sie ist jetzt geplatzt. Jetzt ist darauf zu achten, dass diejenigen, die die Gewinne erzielt haben, möglichst auch die Verluste tragen

(Dr. Manfred Sohn [LINKE]: Oho!)

und dass die Gewinne nicht bei Einzelnen verbleiben und die Verluste kollektiviert, sozialisiert werden. Das ist eine der schwierigsten Aufgaben in dieser Krise. Es kann nicht sein, dass diejenigen, die große Gewinne gemacht haben, sich aber damals nie bei uns gemeldet haben nach dem Motto „Die Firmenübernahme hat geklappt, jetzt möchten wir euch an dem Erfolg beteiligen“, sich jetzt bei uns melden und sagen „Die Firmenübernahme hat leider nicht geklappt, jetzt müsst ihr den Schaden tragen“. Darin besteht eine echte Problematik.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP sowie Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

In der sozialen Marktwirtschaft liegen Risiko und Chance eng beieinander. Gewinn und Verlust müssen daher zurechenbar sein. Deswegen besteht zurzeit auch eine ethische und moralische Krise in unserer Gesellschaft.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Wo die wohl herkommt!)

Manche zweifeln daran, ob die Verluste richtig zugeordnet werden, nachdem Einzelne große oder übergroße Gewinne in der Phase der Überhitzung gemacht haben. Wir müssen darauf achten, dass eine richtige Zuordnung erfolgt. Dieses Problem stellt sich für alle Parteien und alle Verantwortungsträger. Die Einzelheiten lassen sich im Rahmen der Fragestunde schlecht darstellen.

Ihre Frage nach den Verlusten halte ich für berechtigt. Darüber wird zu diskutieren sein - gerade auch im Zusammenhang mit den Rettungspaketen für die Banken. Denjenigen, die das Risiko tragen,

müssen auch die Gewinne wieder zugute kommen; sie dürfen nicht bei einzelnen Aktionären der Banken verbleiben, denen wir aus der Krise geholfen haben. Das ist ja auch der Konflikt bei der Hypo Real Estate mit Herrn Flowers und anderen. Es kann nicht sein, dass wir die Krise bewältigen und anschließend andere einen Vorteil daraus ziehen.