„Nein zur Massenschülerhaltung! Wir fordern … die sofortige Einstellung von ausreichend LehrerInnen, um im ersten Schritt alle Klassen auf maximal 20 SchülerInnen zu begrenzen und volle Unterrichtsversorgung zu garantieren. Schluss mit dem ständigen Unterrichtsausfall!“
(Beifall bei der LINKEN - Karl-Heinz Klare [CDU]: Haben Sie „20“ gesagt? Ich bin auf Ihre Haushaltsanträge ge- spannt!)
- Das wird darin stehen. - Das ist zwar ein sehr großer erster Schritt, den die Schülerinnen und Schüler hier fordern, aber wir wollen diesen in Sichtweite haben. Die angeblich 100-prozentige Unterrichtsversorgung, von der Frau Kultusministerin Heister-Neumann hier vor wenigen Wochen sprach, wird von den Betroffenen vor Ort offensichtlich nicht nur nicht bemerkt, sondern Zeitungsberichte, Berichte von Gewerkschaften und Gespräche vor Ort vermitteln ein völlig anderes Bild.
Zu guter Letzt die Forderung nach einer Schule für alle. An manchen Orten, so z. B. in Braunschweig, wollen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit einer freien Wahl ihrer Schulform. Das ist ein klares Nein zum bestehenden Gesamtschulverhinderungsgesetz dieser Landesregierung.
In Oldenburg wird ausdrücklich zu einer Gemeinschaftsschule aufgerufen - ich zitiere -, in der nicht Leistungsansprüche und Zensuren, sondern das
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Anliegen der Schülerinnen und Schüler sind berechtigt. Sprechen Sie nicht über die demonstrierenden Schüler, sondern mit ihnen. Nehmen Sie deren Sorgen und Nöte endlich zur Kenntnis. Packen Sie an, anstatt Nebelkerzen zu werfen und Angst zu verbreiten.
Ich hoffe, dass die Zehntausenden von Schülerinnen und Schülern, die heute für dieses Ziel auf den Straßen Niedersachsens sind, ein Umdenken bei Ihnen, Frau Heister-Neumann, und Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, bewirken können.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute demonstrieren nicht nur in Niedersachsen, sondern bundesweit voraussichtlich Hunderttausende von Schülerinnen und Schülern für eine bessere Bildungspolitik; denn sie halten die Bildungspolitik, die derzeit praktiziert wird, für verfehlt.
(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: In Bremen und Rheinland- Pfalz wird auch demonstriert!)
Allein in Niedersachsen werden mehr als 20 000 Schülerinnen und Schüler auf die Straße gehen und für kleinere Klassen, mehr Lehrerinnen und Lehrer, für Investitionen und für Bildung demonstrieren. Diese jungen Menschen, meine Damen und Herren, machen von ihrem ureigensten Recht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch.
Sie nehmen an unserer Demokratie teil, indem sie ihre eigenen Forderungen formulieren und für diese Forderungen auch einstehen. Sie beteiligen sich mit ihren Positionen an der Willensbildung in unserem Land. Sie protestieren nicht um des Protestierens willen, nein, meine Damen und Herren, sie protestieren für ihr Recht auf Bildung und vor
denn es geht um ihre eigene Zukunft, um die Zukunft der Schülerinnen und Schüler und dann auch um unser aller Zukunft.
Die Schülerinnen und Schüler demonstrieren für ihr Recht auf mehr Lehrer, auf kleinere Klassen, auf mehr Gesamtschulen. Sie gehen eben nicht auf die Straße, um irgendein System zu zerschlagen, wie es von einigen Ideologen in den letzten Tagen behauptet wird.
Diese Forderungen zur Zerschlagung irgendeines Systems finden sich nämlich nicht in den offiziellen Aufrufen wieder. Bezogen auf das Schulsystem sind lediglich Forderungen nach mehr Gesamtschulen enthalten, nicht jedoch Forderungen z. B. zur Abschaffung der Gymnasien. Die Schülerinnen und Schüler, meine Damen und Herren, sind sehr wohl in der Lage, das intellektuell auseinanderzuhalten. Andere scheinen das nicht zu können.
Meine Damen und Herren, besonders wichtig ist aber auch, dass die Demonstrationen ein Gradmesser für Ihre Bildungspolitik in diesem Lande sind. Doch anstatt sich inhaltlich mit diesen Forderungen auseinanderzusetzen und Ihre verfehlte Politik vielleicht auch einmal selbst zu reflektieren, verrechtlichen Sie die Diskussion. Sie schwadronieren über Schulpflicht und lassen es zu, dass Schulen mit Repressalien wie Einträgen oder Sechsen bei Nichtteilnahme an Klausuren drohen.
Sie lassen es sogar zu, dass die Schülerinnen und Schüler, die an den Demonstrationen teilnehmen, von Schule zu Schule unterschiedlich behandelt werden. Einige Schulen respektieren diese Grundrechte, andere drohen mit Sanktionen. Die CDU schickt sogar ihre Kreisverbände und die Mitglieder der Jungen Union vor Ort an die Front und lässt kurz vor den Demonstrationen öffentlich erklären, dass diese radikal unterwandert seien, um die Schülerinnen und Schüler, die sich engagieren, einfach nur einzuschüchtern.
Einige Ihrer Parteilkollegen versteigen sich sogar zu der Behauptung, dass sich die Schülerinnen und Schüler selbst schaden würden; so war es z. B. in der HNA vom gestrigen Tag zu lesen.
Meine Damen und Herren, nicht diese Schülerinnen und Schüler schädigen sich selbst, wenn sie zwei Stunden lang demonstrieren, sondern Sie schädigen die Schülerinnen und Schüler, wenn Sie sie in Klassen mit mehr als 32 Kindern stecken.
Sie schädigen die Schülerinnen und Schüler, wenn sie Unterrichtsausfall hinnehmen müssen, wenn sie jahrgangsweise keinen Religions- oder Musikunterricht erhalten.
Meine Damen und Herren, die Schülerinnen und Schüler demonstrieren vor allen Dingen für ehrliche Bildungspolitik. Sie sind es leid, dass ihnen vor der Wahl erzählt wird, es gibt kleinere Klassen, und nach der Wahl die kleineren Klassen bis ans Ende der Legislaturperiode verschoben werden. Sie sind es leid, wenn ihnen erzählt wird, jeder solle einen freien Zugang zur Bildungseinrichtung haben, und gleichzeitig mit der Abschaffung der Lernmittelfreiheit und mit der Einführung von Studiengebühren dieser freie Zugang deutlich erschwert wird. Sie sind es leid, dass man sonntags über Bildungsgipfel redet und montags nicht einen einzigen Erfolg in diesem Bereich hinbekommt.
Wenn Sie Ihre Bildungspolitik nicht verändern, werden Sie noch weitere Demonstrationen erleben. Wir werden die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute demonstrieren wieder Tausende von Schülerinnen und Schülern in Niedersachsen für ihr Recht auf bessere Bildung. Eines muss man Ihnen lassen, Frau Heister-Neumann: Sie bringen die Menschen auf die Straße. 11 000 Lehrkräfte demonstrierten gegen den Wortbruch bei den Lehrerarbeitszeitkonten. Im Sommer schon gab es Schülerdemonstrationen und -streiks, und heute werden wieder Schülerinnen und Schüler massenhaft gegen die schlechte Bildungspolitik im Lande Niedersachsen demonstrieren und für ihr gutes Recht auf bessere Bildung eintreten - in Braunschweig, in Oldenburg, in Göttingen, in Lüneburg und in vielen anderen Städten.
Ein solcher Proteststurm gegen die schwarz-gelbe Schulpolitik in nur einem halben Jahr Amtszeit, das muss Ihnen erst mal einer nachmachen, Frau Heister-Neumann.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der SPD und bei der LINKEN - David McAllister [CDU]: Warum wird in Hamburg und Berlin demonstriert?)
Was sind die Forderungen der Schülerinnen und Schüler? - In Braunschweig z. B. kostenfreie Bildung für alle, Zeit für Bildung statt Leistungsdruck, optimale Unterrichtsversorgung und kleinere Klassen, mehr Demokratie und Mitsprache, und auch eine Schule für alle. Diese Forderungen, meine Damen und Herren, müsste eigentlich jeder hier im Hause unterstützen können. Recht haben sie mit ihren Demonstrationen, genau richtig ist das. Es ist gut und richtig und auch nötig, dass sich die Schülerinnen und Schüler selbst für ihre ureigensten Belange einsetzen.