Die Demonstrationen sind auch dringend nötig und berechtigt, wenn wir uns die Verhältnisse in Niedersachsen ansehen: Schulklassen, in denen sich mehr als 30 Schülerinnen und Schüler drängen müssen, unerträglicher Druck mit dem niedersächsischen Turbo-Abitur, Ganztagsschulen, in denen Schülerinnen und Schüler nicht am warmen Mittagessen teilnehmen können, weil das Geld sonst
zu Hause fehlt. - Da wundert es mich nicht, dass diese Demonstrationen für die Landesregierung unbequem sind. Das wollen Sie natürlich lieber nicht hören.
Als völlig überzogen erscheinen mir jedoch einige geradezu hysterische Äußerungen im Vorfeld dieser Demonstrationen. Stichwortgeber war das Aktionsbündnis gegliedertes Schulwesen, das am 30. Oktober vor angeblich „stramm ideologischen Zielen“ warnte.
Sofort eingestimmt hat, wenn man der Braunschweiger Zeitung glauben darf, die Kollegin Mundlos, die von einer „hinterhältigen Verknüpfung unverdächtiger Forderungen mit dem Verlangen, das gegliederte Schulsystem aufzulösen“, sprach.
Sehr schnell reagiert hat offenbar auch die Landesregierung. Jedenfalls berichtete die Braunschweiger Zeitung am 1. November, die Landesschulbehörde habe die Schulleiter eingenordet, die Teilnahme an der Demonstration nicht zu dulden.
Will sie die schon von der OECD betonte Kritik an der frühen sozialen Selektion unter den Generalverdacht der Ideologie stellen? - Das kann man den Schülerinnen und Schülern wirklich nicht unterstellen, wenn sie für ein gerechteres Schulsystem eintreten.
Und wer argumentiert da eigentlich ideologisch? - Meine Damen und Herren, das Recht der Schülerinnen und Schüler, sich für ihre ureigensten Interessen auf gute Bildung einzusetzen, ist hier höher zu veranschlagen als der einmalige Ausfall von drei oder vier Unterrichtsstunden.
Das Verwaltungsgericht Hannover hat übrigens in einem Beschluss vom 24. Januar 1991 festgestellt, dass die Schulpflicht in jedem Einzelfall gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit abzuwägen ist.
nen und Schüler für eine gute Bildung für alle und unterstützt die Forderungen. Die Landesregierung fordern wir auf, jegliche Repressalien gegen Schülerinnen und Schüler, die heute an der Demonstration teilnehmen, und gegen die Schulleitungen zu unterlassen.
(Oh! bei der SPD und bei den GRÜ- NEN - Gegenruf von David McAllister [CDU]: Herr Bartling, hatten wir nicht etwas vereinbart? - Unruhe - Glocke des Präsidenten)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier heute um die Frage der Berechtigung von Schülerdemonstrationen und Demonstrationen, die zurzeit bundesweit - ich betone: bundesweit - stattfinden. Es geht also nicht um die niedersächsische Bildungspolitik, sondern es geht um Missstände im Bildungssystem bundesweit. Ich finde, dass dazu jeder seine eigene Auffassung haben darf. Ich habe auch schon einmal gegen die Schulpolitik demonstriert und bin dem Unterricht ferngeblieben. Sie mögen jetzt selbst entscheiden, ob mir dieser Unterrichtsstundenausfall geschadet hat oder nicht.
Das Blatt wendet sich immer in die eine oder andere Richtung, und es gibt immer wieder dieselben politischen Diskussionen. Das gehört zur Meinungsfreiheit, das gehört zur Demokratie dazu.
Zur Demokratie gehört aber auch, dass man, wie ich es in diesem Fall mache, sehr kritisch hinterfragt, ob das Mittel, dem Unterricht fernzubleiben, jeweils das richtige ist. In der Abwägung gelangen Sie zu einem anderen Ergebnis als ich. Das ist legitim, das ist Demokratie.
Was ich an der ganzen Diskussion, die im Vorfeld stattgefunden hat, und an dem, was hier soeben unterschwellig angedeutet worden ist, aber als sehr problematisch ansehe, ist, dass denjenigen,
die kritisch hinterfragen, ob das Mittel, das gewählt worden ist, das richtige ist, vorgeworfen wird, dass sie ein falsches Demokratieverständnis hätten. Dann kommt - wie immer - die Linke und versucht, mit einer Aktuellen Stunde zu suggerieren, dass sie die Einzigen sind, die Proteste wahrnehmen und die Seit’ an Seit’ mit den Schülern kämpfen, dass sie die Einzigen sind, die noch ein richtiges Demokratieverständnis haben.
Dabei ist aber von der Kollegin Reichwaldt verschwiegen worden, dass der bundesweite Protest seine Wurzeln in Berlin hat,
wo die rot-roten Kürzungen im Bildungsetat so weit greifen, dass im nächsten Jahr Burundi mehr Geld für Bildungspolitik ausgeben wird als der Berliner Senat.
Wenn man sich dann einmal anschaut, welchen Hintergrund einige der bundesweit agierenden Akteure haben, dann darf man, denke ich, zu Recht Kritik üben. Einer dieser Akteure, selbst kein Schüler, ist Mitglied der Sozialistischen Alternative, die immer wieder durch Forderungen wie Verstaatlichung und Abschaffung des Kapitalismus auf sich aufmerksam macht, die diesen Streik sogar nur als Anfang wertet und die in einem Aufruf als nächste Konsequenz einen Erzwingungsstreik fordert, also dass die Schüler so lange zu Hause bleiben, bis sich endlich etwas ändert. Ich bin gespannt darauf, ob sie einem Erzwingungsstreik, wenn er über Wochen oder über Monate durchgeführt wird, noch folgen werden. Man darf sich deshalb schon kritisch fragen, ob hier der Begriff der politischen Agitation im positiven oder im negativen Sinne verwendet werden muss.
Ich erinnere vor diesem Hintergrund an die innerparteilichen Prozesse in der Berliner Linkspartei, die gerade massiv versucht, die Mitglieder der Sozialistischen Alternative aus ihren Reihen herauszuhalten. In Aufnahmeverfahren werden die aufzunehmenden Mitglieder vom Schiedsgericht gefragt, ob sie dem rot-roten Doppelhaushalt zustimmen könnten oder nicht, weil die Chancen auf Parteiaufnahme ansonsten eher schlecht aussä
Auf der einen Seite wird also die Parteiaufnahme von großen Unterstützern und Mitorganisatoren der bundesweiten Schülerdemo verhindert, und auf der anderen Seite versucht hier die Linkspartei, sich auf das Thema draufzusetzen und damit politisch zu punkten. Da kann man doch am Ende nur feststellen, dass die Linken mit gespaltener Zunge sprechen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bessere Bildung, kleinere Klassen, weniger Unterrichtsausfall - wer unterstützt diese Forderung nicht? Ich meine, dass es hierüber auch in diesem Hause einen Grundkonsens gibt.
Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP arbeiten genau daran. Alle Finanzressourcen bleiben trotz zurückgehender Schülerzahlen im System, um so bald wie möglich z. B. kleinere Klassen zu gewährleisten.
Allerdings, meine Damen und Herren, müsste es auch einen Grundkonsens darüber geben, dass das Instrumentalisieren und das Manipulieren von Schülerinnen und Schülern für bestimmte politische Zwecke und Ziele in höchstem Maße schäbig, verantwortungslos und abzulehnen ist.
Da denkt natürlich jeder an Schüler oder an Schülervertretungen. Wer so gedacht hat, der hat sich ganz gewaltig getäuscht, meine Damen und Herren. Denn bundesweit und auch hier in Niedersachsen wurde ab Anfang Oktober an den Schulen mit Flyern zu einem bundesweiten Schulstreik aufgerufen. Die Initiatoren gaben sich in den Flyern und auf ihren Websites wahrheitswidrig als unabhängige Schülergruppen aus, haben aber
Zu den Forderungen dieser Initiatoren gehören u. a. die Abschaffung der Gymnasien und die Einführung der Einheitsschule.