Protocol of the Session on February 23, 2006

Hinzu kommt, dass die spätere Entsorgung der zwischengelagerten Abfälle angesichts der Kapazitätsengpässe nicht mehr ohne weiteres sichergestellt werden kann. Dabei ist auch ein Problem, dass sich der Abfall bei längerer Lagerung durch Umsetzungsprozesse für die weitere Entsorgung nachteilig verändert.

Zwischenlager sind keine zufrieden stellende Lösung für das derzeitige Abfallproblem; Brände, Geruch usw. habe ich bereits genannt. Die Probleme lassen sich in Zwischenlagern auch schlechter beherrschen als auf Deponien. Nach Gesetzeslage müssen die Abfälle nach spätestens einem Jahr aus dem Zwischenlager herausgeholt und anschließend beseitigt werden. Nur bei einer nachgewiesenen späteren Verwertung als Ersatzbrennstoff in einem Kraftwerk oder in einer Industrieanlage - also z. B. in einem Zementwerk - dürfen längere Lagerzeiten genehmigt werden. Nach den vorliegenden Prognosen sind erhebliche zusätzliche Kapazitäten am Entsorgungsmarkt aber eben nicht vor 2008 zu erwarten. Ein Jahr Lagerzeit reicht also nicht aus.

Ziel ist die ordnungsgemäße Abfallbeseitigung. Wir wollen erreichen, dass in einem Übergangszeitraum von eventuell drei Jahren - weil erst in drei Jahren die Verbrennungskapazitäten vorhanden sind in nachgewiesenen Zwangslagen - man könnte auch „Notlagen“ sagen - die Deponierung von Siedlungsabfällen auch ohne Behandlung zugelassen werden kann. Wir wollen nicht länger zulassen, dass immer mehr Zwischenlager mit all ihren Nachteilen und letztlich ungewissen Entsorgungsperspektiven eingerichtet werden. Schließlich ist die ausnahmsweise, aber zurzeit eben vollständig verbotene Ablagerung dieser Abfälle auf den bestehenden Deponien sachlich besser geeignet, um die Engpässe zu überbrücken. - Es geht nur um Engpässe!

Es bleibt selbstverständlich unser oberstes Ziel, nach Ablauf der Übergangszeit den Abfall vollständig so zu behandeln, dass die Reste reaktionsarm abgelagert und künftigen Generationen keine Altlasten hinterlassen werden.

Nun zu Ihren Fragen im Einzelnen.

Zu Frage 1. Die Engpässe bei der Gewerbeabfallentsorgung bestehen bundesweit. Auch sind bundesweit Verzögerungen bei der Inbetriebnahme von Abfallbehandlungsanlagen eingetreten. Große Zwischenlager für Siedlungsabfall, der derzeit nicht entsorgt werden kann, sind ebenfalls aus vielen Bundesländern bekannt. Dasselbe gilt für das Auftreten von Bränden in diesen Abfalllagern.

Die Probleme bei der Inbetriebnahme von mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen wirken sich in der Gesamtbilanz des Landes Niedersachsen stärker aus als in anderen Bundesländern, ganz einfach weil hier der Anteil dieser Anlagen an der Gesamtbehandlungskapazität vergleichsweise hoch ist.

Diese Situation wurde zusätzlich durch die Insolvenzen von MBA-Herstellern wie der Firma Herhoff Umwelttechnik und der Firma Farmatic verschärft. Hinzu kommt noch der aktuelle Schadensfall in der MBA Südniedersachsen, durch den der biologische Teil dieser Anlage zum größten Teil zerstört wurde.

Zu Frage 2. Da die Landkreise und Städte als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger die Abfallentsorgung im eigenen Wirkungskreis durchführen, mussten sie auch eigenverantwortlich die Voraussetzungen dafür schaffen, dass der Termin 1. Juni 2005 eingehalten wird. Aufgrund der erheblichen Bedeutung für die Entsorgung von Siedlungsabfällen hat das Umweltministerium immer wieder auf die rechtliche Situation und das Erfordernis hingewiesen, geeignete Entsorgungswege frühzeitig zu sichern. Diese Bemühungen wurden mit Veröffentlichung der Abfallablagerungsverordnung am 28. Februar 2001 verstärkt und im Jahre 2002 nochmals erheblich intensiviert.

Nahezu vierteljährlich wurden die Bezirksregierungen aufgefordert, über den Stand der Umsetzung der Abfallablagerungsverordnung zu berichten und auf eine zügige Umsetzung im Rahmen ihrer Rechtsaufsicht hinzuwirken. Mehrfach wurden der Stand der Vorbereitungen und mögliche Probleme direkt mit einzelnen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern erörtert.

Das Umweltministerium hat mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass bei den Betreibern der mechanisch-biologischen Behandlungsanlagen erheblicher Handlungsbedarf für die Entsorgung der heizwertreichen Fraktionen besteht und es dringend erforderlich ist, dass für diesen Abfallteil

rechtzeitig die Entsorgungssicherheit hergestellt wird.

Es hat ferner darauf hingewiesen, dass sich die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger, die ihre Abfälle in mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlagen entsorgen, im Rahmen ihrer Sorgfaltspflicht von der Leistungsfähigkeit des Anlagenbetreibers zu überzeugen und insbesondere für die heizwertreichen Fraktionen zu prüfen haben, ob die Kapazitäten auch wirklich vorhanden sind.

Meine Damen und Herren, ferner ist darauf hingewiesen worden, dass die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger darauf zu achten haben - das gilt auch für die Abfallverbrennungsanlagen -, dass die Betreiber der Anlagen einem Ausfallverbund angehören, der bei Anlagenrevisionen oder Betriebsstörungen eintritt und die zu behandelnden Abfallmengen übernimmt.

Für den absoluten Notfall wurden seitens des Umweltministeriums einheitliche Anforderungen an die Zwischenlagerung von behandlungsfähigem Abfall erarbeitet und den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern rechtzeitig zur Verfügung gestellt.

Hinsichtlich der Zwischenlagerung von behandlungsbedürftigen Abfällen wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Umgehung der Abfallablagerungsverordnung über eine Zwischenlagerung des Abfalls vom Umweltministerium nicht akzeptiert wird.

Zu Frage 3. Die Landesregierung steht uneingeschränkt zu dem eingeschlagenen Weg, so bald wie möglich die vollständige Behandlung von Hausmüll und nicht verwertbaren Bestandteilen des Gewerbeabfalls in geeigneten Abfallbehandlungsanlagen zu erreichen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Danke schön. - Die erste Zusatzfrage Herr Kollege Haase!

Frau Präsidentin! Heute Morgen, aber auch in der Presse entstand in der Tat der Eindruck, dass der Herr Umweltminister und damit die Landesregierung höchstgradig von der Situation in der Abfallwirtschaft überrascht war und als letzter Notnagel

sozusagen der Müllnotstand ausgerufen werden musste.

Nun wissen Sie, dass in Ihrem Hause gut gearbeitet wird bzw. wurde.

(David McAllister [CDU]: Wird!)

Das NLÖ hat 2004 eine Broschüre erstellt, die Ihnen bekannt ist - ich muss das jetzt nicht zitieren -, in der seinerzeit sehr deutlich auf den kommenden Missstand hingewiesen worden ist.

Ich frage die Landesregierung: Herr Minister, was haben Sie in der Zwischenzeit - zwei Jahre! - konkret getan?

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Sander!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Haase, in meiner Antwort auf die Frage 2 habe ich Ihnen ganz genau nachgewiesen - -

(Heidrun Merk [SPD]: Behauptet, nicht nachgewiesen! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Ich habe Ihnen dargestellt, was das Umweltministerium ab Februar 2001 alles gemacht hat. - Ich weiß ja: Wenn es gut war, dann waren Sie es, und wenn es schlecht war, dann waren wir es. Das Spiel kennen wir schon.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben darauf immer hingewiesen. Ich kann Ihnen gerne die Daten zur Verfügung stellen, wann wir die Bezirksregierungen aufgefordert haben zu berichten, was möglich ist und was nicht.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Die Bezirks- regierungen gibt es doch gar nicht mehr!)

- Herr Kollege Jüttner: Damals! Solange es sie noch gab! - Aber schön, dass Sie es jetzt auch mitbekommen haben, dass es sie nicht mehr gibt. Das ist schon bemerkenswert.

(Zurufe von der SPD)

Herr Kollege Haase, ich gebe Ihnen gerne die Liste der Schreiben, in denen wir die einzelnen Landkreise darauf hingewiesen haben, Abfallentsorgungskapazitäten zu schaffen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zur nächsten Zusatzfrage Herr Kollege Briese!

Ich frage die Landesregierung: Wenn die Landesregierung damals als oberste Abfallbehörde die nachgelagerten Behörden angewiesen hat, entsprechend zu verfahren, warum haben diese das nicht umgesetzt? Wie kommt es, dass Sie als oberste Abfallbehörde so wenig Autorität haben, dass die nachgelagerten Behörden das nicht umsetzen?

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Sander!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Briese, Sie kennen doch die Kommunalverfassung. Das ist eigener Wirkungskreis. Wir können als Aufsichtsbehörde nur immer wieder darauf hinweisen. Wenn uns die Abfallgesellschaften sagen, dass sie Vorsorge getroffen haben, dann müssen wir das erst einmal akzeptieren. Wir können im Prinzip erst jetzt einschreiten, nachdem wir festgestellt haben, dass sie das versäumt haben.

Wenn Sie allerdings Vorschläge haben, welche Zwangsmaßnahmen wir ergreifen sollen, um das durchzusetzen, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns die nennen würden.

Herr Kollege Haase, ich kann Ihnen die Liste sogar schon jetzt geben - sie umfasst mehrere Seiten -: wann wir die einzelnen Landkreise und Entsorger darauf hingewiesen haben, was sie ab dem 1. Juni 2005 unbedingt gewährleisten müssen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zu der nächsten Frage Frau Kollegin Langhans!

Frau Präsidentin! Aus den Unterlagen des Umweltministeriums geht hervor, dass in den Zwischenlagern - bis auf den Sonderfall Deiderode überwiegend heizwertreiche Fraktionen und auch Gewerbeabfälle lagern. Ich frage die Landesregierung: Welche Mengen Gewerbeabfall und welche Mengen der heizwertreichen Fraktionen lagern in den Zwischenlagern?

Danke schön. - Für die Landesregierung Herr Minister Sander, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den zehn Zwischenlagern lagern zurzeit insgesamt 170 000 t Abfälle einschließlich heizwertreicher Fraktionen. Ich erwähne dazu noch, dass dies deshalb besonders problematisch ist, weil diejenigen Abfallentsorger, die sich für die mechanisch-biologische Abfallentsorgung entschieden haben, der Meinung waren, diese heizwertreichen Fraktionen würden ihnen gewissermaßen aus den Händen gerissen. Das war eine falsche Einschätzung. Man hat sogar geglaubt, man könnte mit diesen heizwertreichen Fraktionen noch gewisse Erlöse erzielen. Das hat sich nicht als richtig erwiesen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zur nächsten Frage Frau Kollegin Janssen-Kucz, bitte!

Frau Präsidentin! Der Herr Minister entdeckte vor 14 Tagen plötzlich das Thema Müllnotstand. In der NWZ hat er meinem Landkreis, dem Landkreis Leer, bescheinigt, dass wir gut vorgesorgt und die TA Siedlungsabfall hervorragend umgesetzt hätten.

Aber, Herr Minister, der Landkreis Leer unterhält auch ein Zwischenlager. Dieses Zwischenlager benötigen wir im Sommer, wenn auf Borkum anstelle von 5 000 plötzlich 40 000 Menschen als Touristen den Müll produzieren. Das ist kein einmaliger Engpass, sondern ein jährlich wiederkehrender Engpass.