Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 26. Mai 2005 kritisierte Wirtschaftsminister Hirche in einer Presseerklärung den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verlängerung der 58er-Regelung bis zum Jahr 2007. Niedersachsen wolle den Antrag im Bundesrat ablehnen, weil der Wegfall der Frühverrentung um bis zu zwei Prozentpunkte die Sozialbeiträge mindern würde. Erst im August 2004 hat jedoch das Kabinett im Rahmen der Verwaltungsreform die Versetzung von Beamten aus den Bezirksregierungen nach § 109 NBG beschlossen. Konsequenz war, dass zahlreiche Beamte vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurden, während gleichzeitig an anderer Stelle auch für durchschnittlich qualifizierte Tätigkeiten Neueinstellungen erfolgten. Mit diesen doppelten Kosten wird nun der Landeshaushalt belastet.
So wünschenswert die Entlastung der Sozialkassen und auch des Landeshaushalts durch Reduzierung von Versorgungskosten für alle Seiten auch wäre, misst die Landesregierung hier offensichtlich mit zweierlei Maß. Öffentlichkeitswirksam propagiert Wirtschaftsminister Hirche die Schonung der Sozialsysteme, während gleichzeitig sein Kabinettskollege Schünemann erneut die vorzeitige Pensionierung von 600 Beamten in 2005 ankündigt.
Zur Entlastung der Sozialsysteme würden auch die Förderungen zur Integration älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt sowie der Abbau der Integrationshemmnisse beitragen, um den überproportional hohen Anteil der arbeitslosen älteren Arbeitnehmer über 50 Jahren zu verringern.
1. Welche Erklärung hat sie dafür, auf der einen Seite im Zuge der Verwaltungsreform zahlreiche Beamte in den Ruhestand zu schicken, während weiter Neueinstellungen laufen und damit der Landeshaushalt belastet ist, gleichzeitig aber die Frühverrentung in anderen Bereichen abzulehnen?
2. Welche der Stellen im Landesdienst, die seit dem Einstellungsstopp ab 2003 mit Ausnahmeregelungen neu besetzt wurden, hätten auf Basis von Qualifikation, Besoldung und Profil nach Beamtenrecht auch mit Beamtinnen und Beamten besetzt werden können, die seit diesem Zeitpunkt in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurden bzw. noch werden?
3. Wird die Landesregierung zukünftig die vom Bund für die Integration von älteren Arbeitnehmern in den Arbeitsmarkt für Niedersachsen zur Verfügung stehenden Fördermittel vollständig abrufen und gegenfinanzieren, um älteren Arbeitnehmern wieder mehr Chancen am Arbeitsmarkt zu sichern?
Danke schön. - Bevor Herr Minister Hirche die Dringliche Anfrage für die Landesregierung beantwortet, möchte ich erstens die Beschlussfähigkeit des Hauses feststellen.
Zweitens möchte ich sagen: Es ist wirklich unerhört laut hier. Sie persönlich merken das vielleicht nicht so, aber es ist wirklich sehr laut. Halten Sie sich bitte daran: Wer unbedingt über etwas debattieren muss, was nicht zum Thema gehört, sollte vor die Tür gehen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat Anfang Mai den Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze zur Beratung an den Bundesrat überwiesen. Der Gesetzentwurf sieht u. a. die Verlängerung der bestehenden Instrumente zur Erleichterung der Frühverrentung durch die so genannte 58erRegelung, also § 428 SGB III, und der vorgezogenen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit - das ist §237 SGB VI - um weitere zwei Jahre bis Ende 2007 vor.
Die Zahl der Personen, die sich aufgrund dieser Regelung im vorgezogenen Ruhestand befinden, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich ange
stiegen. Im Jahr 2004 haben 395 000 Personen die Regelung nach § 428 SGB III wahrgenommen, und weitere 542 000 Personen erhielten vorgezogene Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit nach § 237 SGB VI. Beide Instrumente führen zu einer erheblichen finanziellen Belastung der Arbeitslosenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt rund 14 Milliarden Euro. Dies entspricht rund zwei Beitragspunkten in der Sozialversicherung. Die erhoffte Entlastung des Arbeitsmarktes durch vermehrte Eintritte von Jüngeren in den Arbeitsmarkt ist dagegen ausgeblieben. Die Verlängerung dieser Regelungen wird von der Landesregierung abgelehnt. Wir haben im Bundesrat Anträge gestellt mit dem Ziel, diese Regelungen im Gesetzentwurf zu streichen.
Im Gegensatz zu der so genannten 58er-Regelung führen Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand nach § 109 Abs. 2 NBG nicht zu einer Belastung der Sozialversicherungssysteme. Die Beamtinnen und Beamten verbleiben auch als Pensionäre innerhalb des Finanzsystems öffentlicher Dienst, das zudem durch vorzeitige Zurruhesetzung nicht unerheblich entlastet wird.
Zu 1: Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand nach § 109 Abs. 2 NBG erfolgen im Rahmen der von der Landesregierung beschlossenen Einsparungen von 6 743 Stellen, der so genannten Zielvereinbarung 2. Für jede Versetzung in den einstweiligen Ruhestand wird eine entsprechende Stelle in Abgang gestellt. Der vorgesehene Stellenabbau und die in Aussicht genommene haushaltswirtschaftliche Einsparung werden dadurch erheblich beschleunigt. Die Einsparung beträgt zunächst bis zu 25 % der Gesamtbezüge. Sobald die Beamtin bzw. der Beamte das 65. Lebensjahr vollendet hat, wird die Einsparung zu 100 % wirksam, weil auf diesen Stellen keine Neubesetzung erfolgt ist. Damit ist die Anwendung des § 109 Abs. 2 NBG ein wirksames Instrument, das Einsparungen sofort ermöglicht. Die Versetzungen erfolgen aufgrund der Vorgaben des § 109 Abs. 2 NBG seit dem 1. Januar 2005. Sie sind bis zur Dauer eines Jahres nach Wirksamwerden der Auflösung einer Behörde zulässig. Vor jeder Versetzung hat der zuständige Dienstherr die Entbehrlichkeit der betreffenden Person zu prüfen.
In Bereichen, die nicht vom Abbau der 6 743 Stellen betroffen sind, besteht weiterhin Bedarf, ausscheidendes Personal zu ersetzen. Dabei wird geprüft, ob die Deckung des Personalbedarfs aus dem Personalüberhang möglich ist bzw. überhaupt möglich ist. Erst wenn eine Vermittlung vorhandenen Personals durch die Jobbörse Niedersachsen aufgrund der spezifischen Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens nicht möglich ist, wird eine Ausnahme vom Einstellungsstopp für eine Neueinstellung erteilt.
Sofern in den einstweiligen Ruhestand versetzte Beamte in diesem Zusammenhang infrage kommen, können sie nach § 50 NBG wieder verwendet werden. Dies führt aber nicht zu einer Mehrbelastung des Landeshaushalts, weil die entsprechenden Ausgaben bereits im Haushalt veranschlagt sind.
Zu 2: Versetzungen nach § 109 NBG erfolgen erst seit dem 1. Januar dieses Jahres. Für die Zeit davor stellt sich die Frage deshalb nicht. Bei der Entscheidung über eine Versetzung nach § 109 NBG ist die Prognose über den zukünftigen Bedarf, soweit er vorhersehbar ist, mit einzubeziehen. Neueinstellungen aufgrund von Vakanzen durch die Anwendung von § 109 NBG sind deshalb auszuschließen. Bevor ein Ressort einen Antrag auf Ausnahme vom Einstellungsstopp stellt, prüft es alle denkbaren Alternativen. Kommt für die freie Stelle eine nach § 109 versetzte Person infrage, wird sie gemäß § 50 NBG reaktiviert werden. Solche Fälle sind jedoch noch nicht aufgetreten.
Zu 3: Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hatte den Ländern einen Beschäftigungspakt für Ältere vorgeschlagen, in dessen Rahmen bis zu 50 000 Zusatzjobs, so genannte Ein-EuroJobs, geschaffen werden sollten. Zielgruppe dieser Eingliederungsmaßnahme sind arbeitslose Bezieher von ALG II ab Vollendung des 58. Lebensjahres bis zum Bezug einer Altersrente. Die Förderung in Höhe von maximal 300 Euro pro Monat ist individuell längstens für die Dauer von 36 Monaten möglich.
Da das BMWA wesentliche Fragen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Mitteln des Europäischen Sozialfonds, des ESF, bisher nicht klären konnte, hat Bundesminister Clement am 31. Mai
öffentlich erklärt, über die gemeinsam mit den Ländern einzurichtenden Maßnahmen hinaus sofort 30 000 Plätze für drei Jahre zur Verfügung zu stellen, die allein vom Bund ohne ESF-Mittel finanziert werden. Das ist die so genannte Stufe 1 des Programms. Der Bund beabsichtigt, die Mittel und die Teilnehmerplätze für die 30 000 Zusatzjobs gemäß den Regionalanteilen der Zielgruppe auf die örtlichen Träger der Grundsicherung zu verteilen. Auf die niedersächsischen Arbeitsgemeinschaften, Optionskommunen und Akteure in getrennter Trägerschaft entfallen dabei rechnerisch ca. 2 150 Plätze. Der Start des Programms soll kurzfristig zum 1. Juli 2005 erfolgen. Diese Stufe 1 des Programms wird vom Bund allein finanziert und von den örtlichen Trägern der Grundsicherung in eigener Verantwortung umgesetzt.
In einer zweiten Programmstufe, die nach den Vorstellungen des BMWA am 1. Januar 2006 starten soll, ist geplant, unter Beteiligung der Länder weitere 20 000 Zusatzjobs für Ältere zu schaffen. Für diese Stufe 2 sind weiterhin wesentliche Fragen mit der EU über die Zulässigkeit der geplanten Form der Abwicklung sowie sonstige Verfahrensfragen zu klären. Es ist daher noch ungeklärt, ob die Probleme vom Bund ausgeräumt werden können und wann die Stufe 2 in Kraft treten kann. Die Landesregierung hat deshalb auch noch nicht abschließend entschieden, ob und in welchem Umfang sich Niedersachsen an dem Programm beteiligen wird.
Abschließend ist Folgendes anzumerken. Das Programm des Bundes, von dessen Stufen 1 und 2 ich eben gesprochen habe, zielt nicht darauf ab, ältere Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Der Bund erhebt in seinen Planungen nicht einmal den Anspruch auf eine Integration, sondern sieht in den Zusatzjobs für Ältere eine Beschäftigung für drei Jahre als Brücke in die Altersrente.
Ich möchte noch einmal auf das hinweisen, was die Fraktionen mit dem Präsidenten besprochen haben: Frage stellen ohne lange Erläuterungen und auch kurze und prägnante Antworten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hirche, ich teile durchaus Ihre kritische Haltung gegenüber der 58er-Regelung und wundere mich - -
(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Jetzt kommt es auf Ihre Formulierungs- künste an!)
Herr Hirche, angesichts der Tatsache, dass ich Ihre kritische Haltung zu der 58er-Regelung durchaus teile, wundere ich mich doch sehr, dass Sie nichtsdestotrotz und angesichts Ihrer Kritik es dennoch für richtig gehalten haben, im Land Niedersachen anders zu verfahren und hier im Land Niedersachsen die Regelung nach § 109 anzuwenden, und frage Sie: Wie viele Beamte werden bis zum 31. Dezember 2005 nach § 109 nunmehr in den Ruhestand versetzt?
Meine Damen und Herren, bevor Herr Minister Hirche antwortet: Ich führe das aus, was der Präsident mit den Fraktionen besprochen hat. Man hat sich darauf geeinigt, die Geschäftsordnung so auszulegen. Es tut mir nun Leid. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Eben haben Sie mit Ihrer Frage schon wieder überzogen, Herr Wenzel. Ich will zu Anfang auf die Spielregeln aufmerksam machen: fragen und dann antworten. Mehr ist nicht möglich. Das ist so abgestimmt worden.
trag gestellt. Wie viele Anträge genehmigt werden, hängt von einer Einzelfallprüfung ab. Im Augenblick ist der Stand, dass knapp die Hälfte eine Genehmigung erhalten hat. Wir werden, wenn der Vorgang weiter läuft, entsprechende Zahlen auf den Tisch legen.
Ich frage die Landesregierung: Wie viele Beamte und Beamtinnen sind seit Regierungsantritt der schwarz-gelben Koalition aus dem Bereich des Kultusministeriums in die Bezirksregierungen und dann in den vorzeitigen Ruhestand versetzt worden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Zahlen habe ich nicht aus der Hand zur Verfügung. Die können wir gern im Ausschuss nachliefern.
Das habe ich jetzt nicht für die einzelnen Ressorts heruntergebrochen. Das ist auch nicht erwartbar gewesen. Aber wir haben überhaupt keine Probleme, die Zahlen aus den einzelnen Ressorts zuzuliefern.
Da die Umstände über das Stellen der ersten Frage in diesem Parlament wieder einmal unterstreichen, wie notwendig es ist, durch eine Parlamentsreform die ritualisierten Abläufe aufzulösen,