Protocol of the Session on May 20, 2005

Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf einen zentralen Punkt eingehen, der bisher nicht geklärt ist und den Herr Albrecht nicht genannt hat. Es geht darum, dass dieses Ersatzfach für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, noch immer nicht als Prüfungsfach im Abitur zugelassen ist. Nach § 190 des Niedersächsischen Schulgesetzes ist das Fach Werte und Normen als Prüfungsfach einzurichten, sobald hierfür die erforderlichen Unterrichtsangebote entwickelt sind und geeignete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Auf dem Weg dahin ist sicherlich viel geschehen. Die Unterrichtsangebote sind entwickelt. Aber für die völlige Gleichstellung des Faches Werte und Normen mit dem Fach Religion fehlt noch der Schlussstein: der Erlass einheitlicher Prüfungsanforderungen für das Abitur.

(Joachim Albrecht [CDU]: Der ist in Arbeit! Das wissen Sie!)

In der Stellungnahme des Kultusministeriums wird ausgeführt, dass die entsprechenden EPA - also die einheitlichen Prüfungsanforderungen; hier zitiere ich wörtlich - „nach Maßgabe der verfügbaren Haushaltsmittel“ erarbeitet werden sollen.

(Präsident Jürgen Gansäuer über- nimmt den Vorsitz)

Das ist ganz und gar unakzeptabel. Es kann nicht sein, dass die Erfüllung eines Gesetzesauftrags von der Haushaltslage abhängig gemacht wird, etwa von der Frage, ob für die Einrichtung einer Expertenkommission Reisekosten zur Verfügung stehen.

Die völlige rechtliche Gleichstellung des Ersatzfaches mit dem Fach Religion ist nach gängiger Rechtsprechung die Voraussetzung dafür, dass Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, verpflichtet werden können, den Unterricht Werte und Normen zu besuchen. Das ist doch wohl gemeinsames Ziel in diesem Hause. Solange dies nicht geschehen ist, gibt es Handlungsbedarf und reicht die bestehende Sachund Rechtslage nicht aus. Aus diesem Grund unterstützt die SPD-Fraktion den Antrag, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor.

Wir kommen jetzt zu den notwendigen Abstimmungen. Sie kennen das Prozedere. Ich erläutere es noch einmal kurz: Ich rufe die Eingaben einzeln bzw. bei gleichem Sachinhalt im Block auf und lasse zunächst über den Änderungsantrag und, falls er abgelehnt wird, anschließend über die Ausschussempfehlung abstimmen.

(Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte um ein bisschen Konzentration.

Bitte schön, Herr Möhrmann, Sie haben das Wort zur Geschäftsordnung.

Herr Präsident! Es tut mir Leid, wir haben ein Problem. Wir haben einen Änderungsantrag zu Eingaben wegen der Aufenthaltsberechtigung von Personen gestellt. Die Fraktionen waren übereingekommen, dass diese noch einmal in den Petitionsausschuss zurückgehen. Da hiervon jetzt nicht

die Rede ist, frage ich: Gilt diese Vereinbarung, oder gilt sie nicht?

(Bernd Althusmann [CDU]: Die gilt!)

- Sie gilt. Okay.

(Joachim Albrecht [CDU]: Er hat doch nur den ersten Punkt aufgerufen!)

Herr Kollege Möhrmann, ist diese Eingabe hier mit drin oder nicht?

(Zuruf von Dieter Möhrmann [SPD] - Bernd Althusmann [CDU]: Nein! Der Änderungsantrag ist zurück!)

- Das ist erledigt. Okay.

Meine Damen und Herren, wir treten jetzt in die notwendigen Abstimmungen ein.

Zunächst rufe ich die Eingaben 1170 (01 bis 04) betreffend das Unterrichtsfach Werte und Normen auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer diesem Änderungsantrag zustimmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Dieser Antrag ist abgelehnt.

Wir kommen jetzt zur Beschlussempfehlung des Ausschusses, über die Sach- und Rechtslage zu unterrichten. Wer dies tun möchte, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so beschlossen.

Wir kommen jetzt zu den Eingaben 2950 (01 bis 03) betreffend Aufenthaltserlaubnis für einen ghanaischen Staatsangehörigen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das sind die, die in den Petitionsausschuss zu- rückgehen!)

- Diese Eingaben werden an den Ausschuss zurücküberwiesen. Sie stehen noch in meiner Vorlage. Wir stimmen also nicht darüber ab, sondern ich stelle das Einvernehmen fest, diese Eingaben an den Ausschuss zurück zu überweisen.

Meine Damen und Herren, weitere Abstimmungen haben wir nicht vorzunehmen. Das ist ja auch mal ganz schön. Das kommt selten vor.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 33: Breitbandversorgung im ländlichen Raum verbessern - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1898

(Carsten Lehmann [FDP]: Der ist doch schon weg!)

- Das wollte ich gerade sagen. Ich wollte gerade darauf hinweisen, dass beschlossen worden ist, diesen Antrag ohne erste Beratung an die Ausschüsse zu überweisen, nämlich an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zur federführenden Beratung sowie zur Mitberatung an die folgenden Ausschüsse: den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien, den Ausschuss für Inneres und Sport sowie den Ausschuss für den ländlichen Raum, Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Gibt es andere Vorstellungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Tagesordnungspunkt damit erledigt.

Ein ähnliches Verfahren - alle haben ein bisschen Federn gelassen; das ist auch richtig so - gilt auch für den

Tagesordnungspunkt 35: Sicherstellung der Qualität in der Justiz durch Übernahme der Justizsekretärsanwärterinnen und -anwärter und Auszubildenden im Ausbildungsberuf Justizfachangestellte und Justizfachangestellter Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1901

Zu diesem Antrag findet keine erste Beratung statt, sondern wir überweisen den Antrag gleich an die Ausschüsse. Der Ältestenrat war der Meinung, dass der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen diesen Antrag federführend beraten sollte und der Ausschuss für Inneres und Sport sowie der Ausschuss für Haushalt und Finanzen mitberaten sollten. Gibt es dazu andere Vorstellungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist das auch erledigt.

Wir kommen jetzt zum

Tagesordnungspunkt 34: Erste Beratung: Rechtsunsicherheit beseitigen - klare Voraussetzungen für Patientenverfügungen schaffen - Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 15/1899

Zu Wort gemeldet hat sich der Herr Kollege Dr. Biester. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben diesen Entschließungsantrag eingebracht, um dieses rechtlich, medizinisch und ethisch höchst schwierige Thema im Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen behandeln zu können, weil die Praxis ein ausgesprochen großes Bedürfnis hat, den Rahmen dessen zu kennen, was man mit einer Patientenverfügung regeln kann und was nicht. Ich darf deshalb schon an dieser Stelle ankündigen, dass wir im Ausschuss beantragen werden, eine Anhörung zu diesem Thema durchzuführen. Wir möchten gerne Strafrechtsexperten, Ärztevertreter, Hospizinitiativen, die Kirchen und sonstige Sachverständige zu diesem Thema um ihre Meinung bitten.

Ich räume gerne ein, dass ich noch gar keine abschließende Meinung zu diesem Thema habe. Mit den nachfolgenden Thesen möchte ich mich an dieses Thema heranarbeiten.

Erstens. Rechtlich ist jeder medizinische Eingriff zunächst tatbestandsmäßig eine Körperverletzung. Er ist gerechtfertigt durch Einwilligung des Patienten. Lehnt der Patient die Behandlung ab, hat sie zu unterbleiben. Ob der Arzt oder die Familienangehörigen das für vernünftig halten oder nicht, ist gleichgültig. Als Beispiel nenne ich die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas, die bekanntlich eine Bluttransfusion aus religiösen Gründen ablehnen. Hieran ist der Arzt gebunden.

Zweitens. Wird ein Patient eingeliefert, der sich wegen seines akuten Zustandes selbst nicht äußern kann - gleichgültig ob das junge Unfallopfer oder die hoch betagte Rentnerin oder der hoch betagte Rentner ist -, gilt eigentlich Gleiches. Da der Patient aber selber nicht mehr einwilligen kann, wird - rechtlich gebilligt - von einer vermuteten Einwilligung in die Behandlung ausgegangen, also wird vermutet, dass jeder Mensch so lange leben möchte wie irgend möglich und dass jede medizi

nische Hilfe, die irgend denkbar ist, auch in Anspruch genommen werden soll.

Drittens. Hat der Patient aber in gesunden Tagen durch Patientenverfügung seinen Willen schriftlich artikuliert, so beseitigt er diese Vermutungswirkung. Es fehlt damit an einer ausdrücklichen oder vermuteten Einwilligung. Der ärztliche Eingriff wird wieder zu einer rechtswidrigen Körperverletzung.

Warum wird dies nun häufig insbesondere von Ärzten so nicht ohne weiteres akzeptiert? Ich glaube, das hat zunächst einen ganz praktischen Grund. Der geschäftsfähige, ansprechbare Patient kann in einer konkreten Situation nach entsprechender ärztlicher Beratung selber seine Entscheidung treffen, ob und gegebenenfalls welche Behandlungen er will. Die Patientenverfügung dagegen wird meist ohne ärztliche Beratung, jedenfalls ohne eine konkrete medizinische Situation, also mehr im Abstrakten verfasst, ohne dass z. B. auch erkennbar ist, unter welchen Einflüssen - möglicherweise auch von Dritten - dies geschehen ist. Deshalb tauchen schon Fragen wie diese auf: Hätte der Patient, hätte er seine jetzige konkrete Situation gekannt, ebenso entschieden? Hätte der Patient mit zunehmendem Alter seine Einstellung nicht möglicherweise revidiert, und hat er seine vor Jahren errichtete Patientenverfügung vielleicht nur verdrängt? Diese Fragen stellen sich im Übrigen nicht nur für die behandelnden Ärzte, sondern auch für die in der Verfügung meist benannten Bevollmächtigten. Nicht nur für den Arzt, sondern auch für den Bevollmächtigten ist die ihnen abverlangte Entscheidung, die unmittelbaren Einfluss auf das Leben des Patienten hat, äußerst problematisch.

Ich persönlich glaube, der erklärte Wille des Patienten gilt, solange er nicht aktive Handlungen zu seiner Tötung verlangt. Um das ganz eindeutig klarzustellen: Tötung auf Verlangen ist strafbar, und Tötung auf Verlangen wird auch strafbar bleiben. Darf man aber dann, wenn Behandlungen unterlassen werden, wirklich zwischen Situationen, bei denen der Prozess des Sterbens eigentlich schon begonnen hat und nicht mehr aufhaltbar ist, und solchen Situationen, bei denen durchaus eine Chance zum Überleben besteht, bei denen also die Chance besteht, die konkrete medizinische Notsituation zu überleben, differenzieren? Müssen wir nicht akzeptieren, dass ein Patient vielleicht nicht jahrelange quälende Behandlungen will oder ein Leben nicht will, das er wegen körperlicher oder geistiger Defizite nicht mehr als lebenswert

einstuft? Ich glaube, dass niemand berechtigt ist, seine persönliche Ansicht über die des Patienten zu stellen. Ich würde mir deshalb einen rechtlichen Rahmen wünschen, der dies einerseits gewährleistet, andererseits aber auch niemanden verpflichtet, aktiv eine Tötungshandlung vorzunehmen, nur weil der Patient dies wünscht. Ich bin sehr gespannt auf die Ergebnisse der Anhörung im Ausschuss und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Kollege Helberg, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit geraumer Zeit wird intensiv über Wege und Möglichkeiten zur Stärkung von Patientenrechten diskutiert. Dabei geht es nicht um die Fälle, in denen der Patient noch selbstbestimmt entscheiden kann. In diesen Fällen gilt der Patientenwille uneingeschränkt.

Patientenverfügungen hingegen sollen dann Wirkung haben, wenn der Patient aus gesundheitlichen Gründen selbst nicht mehr in der Lage ist, seinen eigenen Willen zu äußern. Zurzeit ist die Rechtslage in Deutschland noch so, dass im Regelfall die absolute Bindung des Arztes an eine solche Erklärung des Patienten verneint wird. Daher wird in der Erklärung der Patientenverfügung überwiegend nur eine Entscheidungshilfe gesehen, die der Arzt bei der notwendigen Ermittlung des mutmaßlichen Willens eines nicht mehr entscheidungsfähigen Patienten berücksichtigen muss. Weder die Reichweite noch die Form und die Verbindlichkeit der Patientenverfügung sind gesetzlich festgeschrieben. In anderen Ländern ist das durchaus anders. Im Zuge der europäischen Rechtsfortbildung wird sicherlich in absehbarer Zeit eine europaweite Regelung kommen. In Deutschland gab es bisher einen Vorschlag der Bundesregierung, der bald modifiziert als Vorschlag aus dem Parlament eingebracht werden wird. Daneben gibt es Vorschläge der vom Bundestag eingesetzten Enquete-Kommission.

Bevor ich auf die zukünftigen Regelungen eingehe, will ich anhand eines Falles, der in der FAZ diskutiert wurde, kurz die unterschiedlichen Folgen der beiden Vorschläge darstellen: