Tagesordnungspunkt 2: 25. Übersicht über Beschlussempfehlungen der ständigen Ausschüsse zu Eingaben - Drs. 15/1910 - Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drs. 15/1932 - Änderungsantrag der CDUFraktion - Drs. 15/1933
Über die Ausschussempfehlungen zu den Eingaben in der Drucksache 1910, zu denen keine Änderungsanträge vorliegen, haben wir bereits in der 61. Sitzung am 18. Mai 2005 entschieden. Wir beraten jetzt nur noch über die Eingaben aus der Drucksache 1910, zu denen die von mir genannten Änderungsanträge vorliegen.
Zu den Eingaben 01170/04/15 (01 bis 04) hat sich Frau Ina Korter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet. Frau Korter, Sie haben das Wort.
- Meine Damen und Herren, ich kann verstehen, dass es nach den vorherigen Aufregungen noch etwas unruhig ist. Ich bitte trotzdem darum, dass es ruhiger wird, damit Frau Korter reden kann und wir sie verstehen können.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu den Petitionen 01170/04/15 (01 bis 04). Es geht um das Unterrichtsfach Werte und Normen.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Fachverband Werte und Normen in Niedersachsen und drei weitere Verbände beklagen in ihren Petitionen eine Ungleichbehandlung des Faches Werte und Normen gegenüber den Unterrichtsfächern evangelische und katholische Religion in Niedersachsen. Die Petenten stellen in diesem Zusammenhang eine Reihe von Forderungen auf, von denen ein Teil aus meiner Sicht berechtigt ist. Deshalb möchte ich nicht, dass die Petition mit „Sach- und Rechtslage“ beschieden wird. Meine Fraktion beantragt, diese Petition der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Erstens. Der Fachverband fordert die Einrichtung des Faches Werte und Normen auch für die Grundschule. Nach § 128 des Schulgesetzes kann der Unterricht im Fach Werte und Normen erst ab Klasse 5 eingerichtet werden. Gemäß Artikel 4 des Grundgesetzes können Eltern ihr Kind vom konfessionellen Religionsunterricht abmelden.
Für diese Schülerinnen und Schüler besteht momentan keine Verpflichtung, an einem alternativen Unterricht - z. B. Werte und Normen - teilzunehmen. Das heißt, sie haben dann entweder Freistunden, müssen beaufsichtigt werden oder nehmen gedrängtermaßen an dem Religionsunterricht, der an dieser Schule erteilt wird, teil. Die Einführung des Faches Werte und Normen in den Grundschulen würde eine Änderung des Schulge
Zweitens. Eine weitere Forderung der Petenten ist die nach Gleichbehandlung der Unterrichtsfächer Religion sowie Werte und Normen in Studium, Referendariat, bei Einstellungsquoten und Fortbildungen. Das Kultusministerium argumentiert, das Fach sei noch zu neu.
Werte und Normen als Unterrichtsfach ist jedoch in Niedersachsen seit 1974 gesetzlich verankert. Warum gibt es dann erst 2005 Rahmenrichtlinien? Der Eindruck der Ungleichbehandlung gegenüber den Unterrichtsfächern katholische und evangelische Religion kann so nicht ausgeräumt werden. Für die Beurteilung der Forderung der Petenten stellt sich eine Reihe von Fragen, die das Ministerium aus meiner Sicht bis jetzt nicht beantwortet hat, z. B. die Frage nach der Zahl der Studienplätze und nach der Zahl der Plätze für Referendarausbildungen in Niedersachsen. Offen bleiben auch die Fragen zu ausgeschriebenen Stellen im Fach Werte und Normen im Vergleich zu den Stellen für katholische und evangelische Religion. Bedenken Sie bitte, dass allein an der Universität Göttingen 120 Studierende für dieses Fach eingeschrieben sind. Sollen diese in Niedersachsen eigentlich gar keine Berufschancen haben?
Aktuell stelle ich zudem fest: Das Fach Werte und Normen taucht nicht in der Stundentafel der neuen Oberstufe des Gymnasiums auf. Auf der aktuellen Homepage des Kultusministeriums ist nachzulesen, welche Lehramtsfächer gefragt sind bzw. welche mit schlechten oder guten Einstellungschancen verbunden sind. Da taucht das Fach Werte und Normen überhaupt nicht auf. Für mich bleibt der Eindruck der Ungleichbehandlung bestehen; er ist nicht ausgeräumt. Wenn der Ministerpräsident - wie unlängst geschehen - eine neue Wertedebatte in diesem Land einfordert, dann muss er auch durch schulpolitische Entscheidungen und Verwaltungshandeln dafür sorgen, dass in unserem Land für alle Kinder ein Werte vermittelnder Unterricht angeboten werden kann. Ich beantrage deshalb, die Petition zur der Landesregierung zu Berücksichtigung zu überweisen.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es mit einer Eingabe des Fachverbandes Werte und Normen in Niedersachsen zu tun, auf die ich mich hauptsächlich beziehen will. Es gibt darüber hinaus noch weitere Eingaben zu dem gleichen Sachverhalt. Diese Eingabe beklagt in einer Vielzahl von Einzelpunkten sehr umfangreich, dass es eine Vernachlässigung des Unterrichtsfaches Werte und Normen gäbe.
Zunächst wird die Behauptung aufgestellt, das Verwaltungsgericht bzw. sogar das Bundesverwaltungsgericht hätte dem Land Niedersachsen ins Stammbuch geschrieben, dass es eine Ungleichbehandlung gäbe.
Man kann davon ausgehen, dass diese Behauptung schlicht nicht zutreffend ist, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Der Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichts Hannover wurde am 17. Februar 1999 vom Bundesverwaltungsgericht als unzulässig zurückgewiesen.
Herr Albrecht, warten Sie einen Augenblick! - Liebe Kolleginnen und Kollegen, es muss ruhiger werden. - Auch auf der SPD-Seite!
(David McAllister [CDU]: Gerade da! Das gilt auch für Ihren Landesvorsit- zenden! Der lässt sich gar nicht be- eindrucken!)
Das heißt, es gibt überhaupt keine gerichtliche und schon gar keine höchstgerichtliche Mahnung an das Land Niedersachsen.
Punkt 1 betrifft die Forderung nach der Einrichtung des Unterrichtsfachs Werte und Normen in der Grundschule. Frau Korter hat darauf hingewiesen, dass nach Auffassung der Fraktion der Grünen in diesem Punkt „Berücksichtigung“ beschlossen
werden soll. Aber dabei kann man nur schlicht und ergreifend feststellen, dass die Werteerziehung gerade in der Grundschule nicht nur in einem einzigen Fach stattfindet, sondern dass sie grundsätzlich in allen Fächern erfolgt.
Natürlich erfolgt die Werteerziehung auch im Fach Religion. Das ist selbstverständlich richtig. Das heißt aber doch nicht, dass ohne dieses Fach keine Werteerziehung stattfinden würde. Vor diesem Hintergrund halten wir es nicht für notwendig, dass in diesem Punkt „Berücksichtigung“ beschlossen wird. Wir sind auch in diesem Punkt der Meinung, dass „Sach- und Rechtslage“ hinreichend ist.
Im Punkt 2 wird eine Gleichbehandlung der Unterrichtsfächer Religion und Werte und Normen im Studium, in der Referendarzeit, bei der Einstellung und auch bei der Fort- und Weiterbildung gefordert. Es ist sehr detailliert darauf eingegangen worden. Von einer Ungleichbehandlung kann überhaupt nicht die Rede sein, und zwar vor dem Hintergrund, dass z. B. die Entscheidung bezüglich der Einstellung an den Schulen oder der Fächerkombinationen Sache der Schulen selber ist. Wenn die Schulen die Fächerkombinationen mit Werte und Normen gar nicht beantragen, dann hat das Ministerium nur wenig Möglichkeiten, entsprechende Kollegen einzustellen.
Darüber hinaus muss man auch feststellen, dass es bei der Einstellung in das Referendariat nach den bestehenden Vorschriften grundsätzlich keine Fächerprivilegierung gibt und auch nicht geben kann. Bei der Zulassung zum Vorbereitungsdienst gibt es bestimmte, Ihnen hinlänglich bekannte Richtlinien, u. a. in der Kombination mit der Kapazitätsverordnung, die auch eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund kann man also auch nicht von einer Ungleichbehandlung sprechen.
Die Forderung, eine Ausbildungsleitung im Unterrichtsfach Werte und Normen in der zweiten Lehrerphase nur durch ausgebildete Lehrkräfte für Werte und Normen und nicht durch Fachfremde erfolgen zu lassen, ist gerade bei Fächern, die in der Schule neu eingerichtet wurden - auch dieses Fach ist noch relativ neu in der Schule -, schier unmöglich umzusetzen. Ich erinnere an die Vergangenheit: Als wir das Fach Politik - damals hieß es noch Gemeinschaftskunde - eingeführt haben,
gab es keinen einzigen ausgebildeten Lehrer dafür. Das heißt, dort haben natürlich fachfremde Lehrkräfte nicht nur den Unterricht erteilt, sondern sie haben auch die Ausbildung übernommen. Das ist selbstverständlich nach unseren bestehenden gesetzlichen Möglichkeiten in Ordnung. Es ist völlig problemlos durchführbar.
Insbesondere die im Punkt 4 erhobene Behauptung, dass wir in Niedersachsen eine nichtuniversitäre Billigausbildung hätten, weise ich als eine sehr polemische Behauptung zurück. Man muss feststellen, dass auch die Lehrkräfte, die ursprünglich nicht in diesem Fach ausgebildet worden sind, durch entsprechend intensive Fortbildungsmaßnahmen in geradezu hervorragender Weise ausgebildet worden sind und einen guten Unterricht erteilen.
Die geforderte Veröffentlichung der Rahmenrichtlinien ist längst erledigt. Das war zum Zeitpunkt der Petition sogar schon absehbar, weil sie bereits im Anhörungsverfahren war.
Darüber hinaus wird die Überprüfung der Qualität der universitären Ausbildung gefordert. Auch dazu können wir feststellen: Das hat es gegeben. Die Ausbildung für den Studiengang Werte und Normen an der Universität Hannover ist evaluiert worden - im Übrigen mit einem guten Ergebnis. Selbst die Verlagerung nach Hildesheim bedeutet nicht, dass die Ausbildung schlechter wird; auch das ist eindeutig. Das bedeutet also im Klartext, dass die Petition auch in diesem Punkt mit „Sach- und Rechtslage“ beschieden werden kann.
Da ich nicht mehr sehr viel Zeit habe, will ich nur noch kurz auf die letzten beiden Forderungen eingehen.
Der Petent behauptet in seiner vorletzten Forderung, dass die curricularen Vorgaben sehr aktuell für die Schuljahre 5 und 6 von Fachfremden erstellt worden seien, dass sie niveaulos seien und dass sie die weltanschauliche Neutralität verletzten. Abgesehen davon, dass in der Petition dafür kein Beleg gegeben wird und die Forderung sehr polemisch formuliert ist, möchte ich darauf hinweisen, dass diese curricularen Vorgaben auf den Rahmenrichtlinien für die Orientierungsstufe und für die Schulformen des Sekundar-II-Bereichs in der alten Form basieren und dass von dort teilweise sogar
wortwörtlich abgeschrieben wurde. Das, was in den alten Rahmenrichtlinien vorhanden war, ist jetzt auf die Neukonzeption der curricularen Vorgaben übertragen worden. Also auch hier kann man nicht davon ausgehen, dass jetzt in irgendeiner Form etwas Schlimmes geschehen ist.
Vor diesem Hintergrund sind alle diese Forderungen ausschließlich mit einer Unterrichtung über die Sach- und Rechtslage zu bescheiden. - Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich spreche zu der Eingabe 1170, in der der Fachverband Werte und Normen die Vernachlässigung dieses Faches beklagt. Die SPD-Fraktion unterstützt den Antrag der Fraktion der Grünen, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang nur auf einen zentralen Punkt eingehen, der bisher nicht geklärt ist und den Herr Albrecht nicht genannt hat. Es geht darum, dass dieses Ersatzfach für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, noch immer nicht als Prüfungsfach im Abitur zugelassen ist. Nach § 190 des Niedersächsischen Schulgesetzes ist das Fach Werte und Normen als Prüfungsfach einzurichten, sobald hierfür die erforderlichen Unterrichtsangebote entwickelt sind und geeignete Lehrkräfte zur Verfügung stehen. Auf dem Weg dahin ist sicherlich viel geschehen. Die Unterrichtsangebote sind entwickelt. Aber für die völlige Gleichstellung des Faches Werte und Normen mit dem Fach Religion fehlt noch der Schlussstein: der Erlass einheitlicher Prüfungsanforderungen für das Abitur.