Protocol of the Session on April 22, 2005

(Bernd Althusmann [CDU]: Alles ge- regelt!)

- Das ist heute nicht der Fall, Herr Althusmann. Es gibt zu viele Fälle, in denen es schlichtweg eine Ausgrenzung in unserer Gesellschaft gibt. Hier ist unser Entwurf konsequenter als die EUBestimmungen. FDP und CDU wollen dagegen, dass beispielsweise Behinderte, Juden, Homosexuelle und ältere Menschen weiter der Willkür unterworfen bleiben.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist doch Unsinn! Blödsinn! Das müssen Sie sofort zurücknehmen!)

- Anders ist es doch nicht zu verstehen, dass Sie genau gegen das Hereinnehmen dieser Bevölkerungsgruppen im Gesetz sind.

(Zurufe von der CDU und von der FDP - Unruhe)

Sie fordern im Wirtschaftsleben jegliche Liberalisierung und wollen Entwicklungsland bleiben, was die Gleichstellung aller Menschen betrifft. Das passt nicht zusammen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie un- terstellen der CDU, wir wären für die Diskriminierung von Juden! Herr Ha- genah, das haben Sie gerade ge- sagt!)

Denn erst die Gleichstellung aller Menschen - dafür sind die USA ein gutes Beispiel -, schafft es wirklich, die Wirtschaftskraft aller in einer Gesellschaft zu wecken. Warum wollen FDP und CDU eine deutsche Sonderbehandlung? Belgien, Frankreich, Schweden, Ungarn setzen die Schutzkriterien im Zivilrecht genauso um wie die Bundesrepublik. Großbritannien will das gerade tun. Andere Länder wie Irland oder die Niederlande hatten lange vor der EU-Richtlinie schon solche Regelungen.

Sie haben offensichtlich keine hohe Meinung von deutschen Unternehmen, wenn Sie denen unterstellen, in solchem Ausmaß Arbeitnehmer und Kunden zu diskriminieren, dass sie von dieser neuen Gesetzesregelung in den Ruin getrieben würden. Unfreiwillig zeigen Sie mit Ihrer Argumentation offensichtlich, wie nötig das Antidiskriminierungsgesetz bei uns scheinbar ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber in Ihren Organisationen ist durchaus noch eine vielfältige Meinung vorhanden, Herr Althusmann. Die Seniorenunion in der CDU z. B. tritt für das Antidiskriminierungsgesetz ein, eben weil sie ältere Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt massiv benachteiligt sieht. Die ehemals jungen Wilden, Herr Wulff, sollten von den alten Unionsmitgliedern lernen, statt das Gesetz blind zu bekämpfen. Auch Sie von der CDU wissen, dass Deutschland auf ältere Arbeitnehmer schon recht bald angewiesen sein wird.

Mit den aktuellen Änderungen sind wir auch auf die Bedenken der Wohnungsunternehmen eingegangen und haben das Ziel, dass Häuser und Wohnungen sozial ausgewogen vermietet werden sollen, in das Gesetz übernommen. Damit wird eine unterschiedliche Behandlung von Mietern zulässig, um sozial stabile Bewohnerstrukturen zu stellen.

Ebenso hat sich die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Diskriminierung auf sechs Monate verkürzt. Befürchtungen, es käme zu einer erheblichen Dokumentationsflut bzw. zu einem Dokumentationsaufwand in den Unternehmen, entbehren jetzt wieder jeglicher Grundlage.

Auch die immer wieder kritisierte Beweislastumkehr ist doch in Deutschland schon seit zehn Jahren geübtes Recht. Eine signifikante Zunahme von Prozessen - -

Darum bitte ich auch, Herr Kollege. Geübtes Recht ist auch die Einhaltung der Geschäftsordnung. Ihre Redezeit ist lange abgelaufen. Ich war schon relativ großzügig.

(Beifall bei der CDU)

Bitte, letzter Satz!

Eine signifikante Zunahme von Prozessen kann nicht nachgewiesen werden. Das zeigt sich auch an der großen Zustimmung z. B. in der Anhörung durch die Juristenverbände,

(Dr. Philipp Rösler [FDP] lacht)

die diese gesetzlichen Regelungen komplett mitgetragen haben. Unterstützen Sie also das Antidiskriminierungsgesetz. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Althusmann hat sich zur Geschäftsordnung gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir können uns hier sicherlich über alles streiten. Wir können uns auch darüber auseinandersetzen, wie weit man über Antidiskriminierungsrichtlinien das eine oder andere regeln sollte. Aber das, was der Kollege Hagenah gerade eben in seiner Rede gesagt hat, ist eine Ungeheuerlichkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Herr Kollege Hagenah, Sie haben hier sinngemäß - wir werden uns das Protokoll dieser Plenarsitzung sehr genau anschauen - behauptet, dass die Kritik von CDU und FDP an der Antidiskriminierungsrichtlinie dazu führe, dass weiterhin zugelassen werde, dass Juden, Ausländer oder andere diskriminiert werden. Sie haben damit allen Ernstes den Eindruck erwecken wollen, dass CDU und FDP in diesem Hause dafür stünden, dass Juden, Ausländer, Behinderte oder andere Menschen weiterhin diskriminiert werden können. Das ist ein unverschämter Vorwurf, lieber Kollege Hagenah. Sie sollten sich hierhin stellen und dies sofort zurücknehmen. - Vielen Dank.

(Starker, anhaltender Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, auch mir ist diese Passage aufgefallen. Ich habe eben die Landtagsverwaltung beauftragt, mir sofort das Protokoll zu geben. Ich würde empfehlen, dass wir da unnötigen Streit vermeiden. Wir gucken ins Protokoll, was wirklich gesagt worden ist. Ich bin ziemlich sicher, wenn die Vermutung zutrifft, hat der Herr Kollege Hagenah auch das Kreuz, sich dafür zu entschuldigen. Das denke ich doch. Ich sage, wenn das so wäre. Wenn das nicht so ist, dann werden wir das dem Protokoll entnehmen. Wenn Sie einverstanden sind, gebe ich auch Ihnen dann gern den Protokollauszug. - Bitte.

Herr Präsident! Sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein guter Vorschlag, dass wir uns das Protokoll genau angucken. Aber ich möchte darauf hinweisen, dass mein Kollege Hagenah hier genau an der entscheidenden Stelle deutlich gemacht hat, was der Unterschied zwischen der EU-Richtlinie und dem Vorschlag der Bundesregierung zum Antidiskriminierungsgesetz ist. Der Unterschied ist ganz exakt folgender. Bei der Stelle, an der Sie sich jetzt empören, Herr Althusmann, geht es um die Diskriminierung aus religiösen Gründen, aus Gründen des Glaubens, des Alters und aus Gründen der Behinderung. Diese Dinge wollen wir im Bereich des Antidiskriminierungsgesetzes ebenfalls regeln.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das ist grundgesetzlich bei uns längst gere- gelt und ist nicht gestattet!)

Wir wollen aber, dass die Betroffenen im Zweifel bessere Möglichkeiten haben, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre Rechte zu verteidigen. Aber, wie gesagt, ich denke, wir gucken uns das Protokoll an. Das ist der entscheidende Unterschied zwischen Ihrem Beitrag und dem, was wir für richtig halten. - Herzlichen Dank.

(Bernd Althusmann [CDU]: Wir kön- nen gleich eine Unterbrechung der Sitzung beantragen.)

Herr Kollege Wenzel, ich glaube, eines muss klar sein. Man kann sich darüber streiten, ob es da Diskriminierungen gibt oder nicht. Aber ich finde, wir sollten uns das hier im Raum nicht wechselseitig unterstellen. Das dürfen wir nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da sollten wir uns einig sein. Deshalb prüfen wir den Text. Man kann sich ja auch mal rhetorisch verhauen. Das ist mir auch schon passiert. Aber diese Unterstellung sollte jedenfalls unter uns nicht üblich sein.

So ganz nebenbei, Sie wissen ja, wie sehr wir uns in gutem Kontakt gerade auch mit den jüdischen Gemeinden um diese Fragen bemühen.

Herr Kollege Rickert, bitte schön!

Herr Präsident, diese Interpretation von Herrn Hagenah ist so ungeheuerlich, dass ich mich, obwohl Herr Althusmann alles ausgeführt hat und ich mich seiner Wahrnehmung anschließe, noch einmal für die FDP-Fraktion zu Wort gemeldet habe und diese Unterstellung zurückweise. Herr Wenzel, Ihre Eierei zeigt mir, wie Recht wir u. a. mit der Kritik dieses Gesetzes gehabt haben. Aber ich stimme dem Vorschlag des Präsidenten zu, dass wir uns das Protokoll genau ansehen, um dann weiteres erörtern. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Minister Hirche hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik Deutschland ist mit Artikel 1 des Grundgesetzes und mit den Gesetzen, die seitdem entwickelt worden sind, in dieser Frage das Wesentliche geregelt.

(Beifall bei der FDP - Zustimmung bei der CDU)

Wenn es die EU-Richtlinie nicht gäbe, die nach EU-Recht 1 : 1 umgesetzt werden muss, dann gäbe es in Deutschland überhaupt keine Veranlassung, eine zusätzliche Vorschrift in die Welt zu setzen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Lenz, ich finde es schon erstaunlich, dass Sie von Diskriminierungen sprechen, die alltäglich in Deutschland stattfinden. Dagegen gibt es ordentliche Gerichtswege, die offen stehen und die auch in Anspruch genommen werden. Sie versuchen, in das alltägliche Leben etwas einzuführen, was wir aus anderen Rechtsbereichen kennen. Hier soll ein Eingriff in die Privatautonomie erfolgen. Das betrifft das Verhältnis von Mieter und Vermieter und das Verhältnis Arbeitgeber und Einstellung Suchende. Eines ist klar: Sie wollen alle zu umfangreichen Dokumentationen veranlassen, was im Zusammenhang mit einer Einstellung erfolgt oder nicht. Das wird dazu führen - ich habe das schon früher gesagt -, dass Konzerne ihre Rechtsabteilungen beauftragen und das genau

dokumentieren können und dass der kleine Mittelständler überhaupt keine Stellen mehr ausschreibt; denn wenn er sie nicht ausschreibt, dann kann in diesem Zusammenhang das Gesetz auch nicht greifen. All das, was wir wollen, nämlich über Arbeitsvermittlung, Transparenz und Offenheit weiterzukommen, wird mit diesem Gesetz - das sage ich Ihnen - in der Praxis ins Gegenteil verkehrt, weil nur noch unter der Hand etwas gemacht wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie wollen einfach nicht verstehen, wie Menschen in einer Gesellschaft reagieren, die sich von Gesetzen kujoniert und bedrängt fühlen. Wir haben das doch in anderen Bereichen: Da wird in die Schwarzarbeit oder mit Arbeitsplätzen ins Ausland ausgewichen. Und wir reden gemeinsam darüber, wie wir es erreichen können, dass in dem anderen Fall ordentliche, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in Deutschland bleiben. Ich sage Ihnen: Mit diesem Gesetz, so, wie es leider auch nach dem Jobgipfel noch immer formuliert ist, werden Sie in Deutschland zusätzliche Arbeitslosigkeit im offiziellen Sektor erzeugen. Natürlich wird es weiter Arbeit geben, aber Sie wird noch stärker im schwarzen und grauen Bereich sein als vorher.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: So ist es!)

Meine Damen und Herren, damit ist niemandem gedient, erst recht nicht den Behinderten, die Sie meinen, oder denjenigen, die religiös benachteiligt sind.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Da ist es schon fast zweitrangig, dass Sie völlig ohne Bezug auf das europäische Recht neue Klagerechte für Betriebsräte und Gewerkschaften einführen wollen, auch wenn das die Betreffenden in dem Betrieb gar nicht wollen. Meine Damen und Herren, wir kennen diesen Vorgang aus den alten Vorschriften des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Da gab es die Erscheinung der Abmahnvereine. Das sind Vereine, die sich aufmachen, Gesetze, die vielleicht aus guter Absicht formuliert worden sind, auszunutzen, um selbst wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, aber nie zugunsten der Betroffenen, sondern immer zu den eigenen Gunsten und letzten Endes zulasten der Allgemeinheit.