Protocol of the Session on April 21, 2005

Inzwischen versuchen die ersten Graffiti-Gangs, mit ihrem perversen Hobby - so sage ich einmal auch Geld zu verdienen. Die meist jugendlichen Straftäter lassen sich bei der Beschädigung fremden Eigentums filmen und verkaufen dann die Videoaufnahmen. Offensichtlich gibt es sogar einen Markt dafür. Für ein solches Video werden bis zu 2 500 Euro gezahlt. In Berlin wurden jüngst 400 Kassetten durch die Staatsanwalt beschlagnahmt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das macht deutlich: Graffiti ist kein Kavaliersdelikt. Die meist jugendlichen Sprayer sind auch keine Künstler auf der Suche nach kreativer Weltverbesserung. Sie sind ganz gewöhnliche Straftäter und müssen auch so behandelt werden.

Obwohl Graffiti strafbar ist, gab es in der Vergangenheit Probleme mit Strafurteilen gegen Schmierer. Bisher ist Graffiti als Sachbeschädigung strafbar, wenn die Substanz des Untergrundes angegriffen wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gilt die Substanz nur dann als angegriffen, wenn sie derart in Mitleidenschaft gezogen ist, dass eine Reinigung zwangsläufig zur Beschädigung führt. Ganz findige und strafrechtskundige Sprayer sind in Berlin nun schon dazu übergegangen, lediglich die Scheiben von PKW zu besprühen, weil von Glas die Farbe leichter entfernt werden kann und damit eine Substanzverletzung vermieden wird. Deshalb müssen sich die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft heute zum Teil darauf erstrecken, die Substanz der beschädigten Sache genauestens zu untersuchen, den Erhaltungszustand festzustellen und die verwendeten Werkstoffe wie z. B. die Farbe und deren Anhaftungsgrad zu analysieren. Ein solcher Aufwand steht außer Verhältnis. Oft sind die Kosten für den Gutachter höher als für die Beseitigung des Schadens. Wir reden mitunter von mehreren tausend Euro.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es klingt doch geradezu paradox: Wenn ein Sprayer - in der Regel sind 99 % der Sprayer männlich - die Gummiumrandung einer Scheibe trifft, dann ist das glasklar Sachbeschädigung. Wenn er die Scheibe selbst trifft, dann muss ein Gutachter hinzugezogen werden, weil eine Substanzverletzung erst nachgewiesen werden muss. Mit solchen juristischen Spitzfindigkeiten muss endgültig Schluss ein.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Roland Riese [FDP])

Graffitis sollen deshalb künftig strafbar sein, wenn sie dem Gestaltungswillen des Eigentümers zuwider laufen und die beschmierten Gegenstände nicht nur unerheblich oder nicht nur vorübergehend verändert wurden. Wenn nur auf das äußere Erscheinungsbild abgestellt wird, dann können alle komplizierten Untersuchungen wegfallen. Die SPD-Fraktion im Niedersächsischen Landtag unterstützt die neue Gesetzesformulierung der Bundestagsfraktion, weil sie eines ganz deutlich zum Ausdruck bringt: Null Toleranz gegenüber GraffitiSprayern.

(Beifall bei der SPD)

Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, allein mit der Verabschiedung neuer GraffitiGesetze in Berlin werden wir diese Probleme nicht in den Griff bekommen.

(Reinhold Coenen [CDU]: Das ist aber schon ein Fortschritt!)

Ich meine hierbei aber nicht die so genannten Helikopter-Einsätze.

Am 7. April 2005 hat in Berlin - der Kollege von der CDU-Fraktion hat es schon erwähnt - der erste internationale Anti-Graffiti-Kongress mit Teilnehmern aus sieben Ländern stattgefunden. Die Skandinavier sind - das ist richtig - am erfolgreichsten in der Graffiti-Bekämpfung. In Helsinki ist z. B. die Zahl der Schmierereien seit 1999 um 90 % gesunken. Die Formel dieses Erfolges heißt „null Toleranz“, aber auch - das ist wichtig - „Graffiti umgehend beseitigen, um so den Tätern den Spaß an der Wiederholung zu nehmen“.

In Oldenburg versuchen wir, dieses Erfolgsmodell an einer Einfallstraße zu kopieren: mit einer Hotline für Opfer - installiert bei der Stadt -, in Zusammenarbeit mit der Malerinnung, der Kaufmannschaft

und mit Schulen sowie mit polizeilicher Aufklärung in den Schulen. Wir haben nämlich festgestellt, dass in dieser Gegend die meisten GraffitiAktionen in den Schulferien stattfinden. Dieses Beispiel zeigt: Wir brauchen eine klare gesetzliche Regelung für eine erfolgreiche GraffitiBekämpfung. Genauso wichtig ist es aber, eine gesamtgesellschaftliche Vorgehensweise anzustreben. In diesem Sinne stimmen wir dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP und somit einem konsequenten Vorgehen gegen Graffiti zu. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der FDP)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Lehmann. Bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Manchmal wird man in der Politik von aktuellen Geschehnissen überrollt. So könnte es bei der Problematik der Graffiti-Schmierereien durchaus sein - allerdings nur dann, lieber Kollege Briese, wenn das, was in Berlin vollmundig angekündigt wurde, tatsächlich umgesetzt wird. Solange das nicht passiert, müssen und werden wir konsequenterweise an diesem Antrag festhalten und notfalls in Niedersachsen eine Verordnung erlassen.

Nachdem sich die Grünen seit ewiger Zeit standhaft gegen die Kriminalisierung von GraffitiSchmierereien gewandt haben und die SPD in Berlin offensichtlich nicht in der Lage war, sich gegen ihren kleineren Koalitionspartner durchzusetzen, hat jetzt offenbar ein Gesinnungswandel eingesetzt. FDP und CDU hatten bekanntlich seit vor rund zwei Jahren über ihre Bundestagsfraktionen entsprechende Gesetzentwürfe zur Änderung des Strafgesetzbuches eingebracht. Diese schmorten dann allerdings in den Ausschüssen vor sich hin. Das ist beim letzten Mal während der Plenardebatte ausführlich dargelegt worden.

Diese Tatsache war für uns der Anlass, diesen Antrag einzubringen und zu sagen: Wenn auf Bundesebene nichts passiert, dann müssen wir alle Möglichkeiten ergreifen, die uns auf Landesebene zur Verfügung stehen. Eine Möglichkeit ist, eine Verordnung zu erlassen, um zumindest auf

dem Wege des Ordnungswidrigkeitenrechts eine Bestrafung zu erreichen.

Herr Kollege Nerlich hat es schon erwähnt: Jetzt gibt es in Berlin Tiefflugeinsätze gegen GraffitiSprayer. Die Verfechter von Graffiti als speziellem künstlerischen Ausdrucksmittel - wenn man das einmal so sagen darf - sind inzwischen auch verstummt. Ich glaube, Herr Ströbele ist noch der einsame Rufer in der Wüste. Aber ihn wird man wahrscheinlich ohnehin nie eines Besseren belehren können.

Die Botschaft aus Berlin, dass jetzt endlich auch die Bundesregierung tätig werden will, ist erfreulich. Aber das sind - wie gesagt - nur Ankündigungen. In Anbetracht der bisherigen Verzögerung kann man nur hoffen, dass es endlich auch zu einer Umsetzung kommt. Aber das ist noch nicht passiert. Wir wollen gemeinsam hoffen, dass den Worten jetzt auch Taten folgen werden. Um so erfreulicher ist es, dass sich zumindest die SPD-Fraktion in Niedersachsen unserem Antrag anschließen will.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Sie haben offensichtlich die Notwendigkeit des Handelns erkannt, und zwar auch insofern, als Sie sagen: Na ja, wir waren ja eigentlich schon immer dafür. - Sie haben eben allerdings noch einmal dargelegt, dass es echte Lücken gibt, bezüglich der Umsetzung des Strafgesetzbuches bzw. der einzelnen Tatbestandsmerkmale, weil nicht immer klar ist, ob eine Substanzverletzung vorliegt.

Aber Sie wollen jetzt ja den Weg der Verordnungsgebung mit uns gehen, wenn in Berlin nicht gehandelt wird. Wir können nur sagen: Da die Einsicht der erste Schritt zur Besserung ist, hoffen wir als FDP-Fraktion auf eine schnelle Umsetzung zum Schutz der Grundeigentümer und des Grundeigentums in Niedersachsen. Ich empfehle der Fraktion der Grünen: Schließen Sie sich uns an, und bringen Sie die Sache auf den richtigen Weg. Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Heister-Neumann.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das Thema „Graffiti“ steht wieder ganz oben auf der Tagesordnung. Ich muss sagen: Nach dem Verlauf der bisherigen Diskussionen bin ich ganz begeistert über die Art und Weise, wie dieses Thema heute behandelt wird. Sicherlich hat der Graffiti-Kongress in Berlin ein Stück dazu beigetragen. Er hat auf jeden Fall das Augenmerk der Öffentlichkeit wieder auf das dringend zu lösende Problem von Farbschmierereien an privaten und öffentlichen Gebäuden, an Eisen- und Straßenbahnen gelenkt.

Meine Damen und Herren, es ist schon von den Kollegen angesprochen worden: Herr Schily hat auch seinen Teil dazu beigetragen. Aber es ist wohl auch parteiübergreifend festzustellen, dass das keine Glanznummer, sondern im wahrsten Sinne des Wortes eine Luftnummer war, so wie der WESER-KURIER getitelt hat.

Meine Damen und Herren, das ist auch nicht der richtige Ansatz. Herr Schily geht möglicherweise den zweiten vor dem ersten Schritt. Zunächst muss man die Rechtsgrundlagen für solche Einsätze schaffen. Die Rechtsgrundlagen müssen auf sicheren Füßen stehen. Anstatt mit sehr viel Aufwand nach Sprayern zu fahnden, die man mangels ausreichender rechtlicher Grundlagen ohnehin nicht oder nur schwer verfolgen kann, sollte man sich um solide Rechtsgrundlagen kümmern.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie wissen, meine Damen und Herren, dass Graffiti-Sprayer bislang nur wegen Sachbeschädigung bestraft werden können, wenn die Substanz der Sache - beispielsweise der Hauswand - durch ein Besprayen verletzt wird. Dass sich eine solche Substanzverletzung nur sehr schwer feststellen lässt, ist offensichtlich.

Meine Damen und Herren, die gesetzlichen Voraussetzungen für eine wirksame Verfolgung von Graffiti-Schmierereien können schnell und ohne großen Aufwand herbeigeführt werden.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Die Vorarbeiten - das möchte ich an dieser Stelle sagen - sind schon lange geleistet worden. Sowohl der Bundesrat als auch die CDU/CSU-Fraktion und die FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag haben

hierzu bereits seit Jahren wiederholt Initiativen ergriffen. Zuletzt wurden 2003 entsprechende Gesetzentwürfe zur Änderung des Tatbestands der Sachbeschädigung vorgelegt. Alle Entwürfe, von denen ich gerade gesprochen habe, haben das Ziel, Graffiti - unabhängig von einer Substanzverletzung - unter Strafe zu stellen. Aber im Bundestag - das muss genauso gesagt werden - ist bis in die jüngste Zeit eben nichts passiert. Bis in die jüngste Zeit konnten Graffiti-Schmierereien eben nicht in dieser Form verfolgt werden, die wir heute in einer so großen Übereinstimmung diskutieren. Die Vorschläge wurden auf Bundesebene nicht abschließend beraten. Sie wurden von der Regierungskoalition in den Ausschüssen immer wieder vertagt.

Die Grünen - allen voran der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele

(Zurufe von den GRÜNEN)

stufen Graffiti offenbar nach wie vor, meine Damen und Herren, als Kunst ein, deren Entfaltung man auf keinen Fall stören darf. Das ist für mich ein unverhohlener Affront gegen alle Opfer von Graffiti.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Aber das ist das Schöne: Der Wandel schreitet fort, ebenso die Bewusstseinsbildung bei den Grünen und auch bei der SPD. Deshalb können wir feststellen, dass sich jetzt nach Jahren der Verzögerung und des Hinhaltens etwas tut. Ich möchte hierzu aus der Süddeutschen Zeitung vom 12. April zitieren - meine Damen und Herren, man muss sich auch einmal vergegenwärtigen, aus welchem Grunde sich etwas verändert -:

„Aus Angst davor, im Wahlkampf als Schmierfinkenschutzpartei angegriffen zu werden, wollen die Grünen 25 Jahre nach der Gründung ihre Einstellung zu Graffiti ändern.“

(Beifall bei der CDU)

Manchmal dauert es lange, aber immerhin!

Am 14. April meldeten die Medien tatsächlich, die rot-grüne Regierungskoalition habe sich auch jetzt schon sehr schnell und zügig über eine Formulierung zur Ergänzung dieses Sachbeschädigungsparagrafen geeinigt. Bestraft werden soll, wer unbefugt das Erscheinungsbild einer fremden Sache nicht nur unerheblich und nicht nur vorübergehend verändert. - Das ist ein guter Vorschlag.

Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Kollege Briese, der Sie noch in der Plenarsitzung vom 28. Oktober 2004 - hören Sie gut zu! - einen Regelungsbedarf bestritten haben, sehen Ihre Parteifreunde das nun doch ein wenig anders. Ein Schelm, wer in diesem Zusammenhang an die anstehende Wahl in Nordrhein-Westfalen denkt.

(Joachim Albrecht [CDU]: Genau das ist der Punkt!)

Zu hoffen bleibt aber, meine Damen und Herren, dass dieser Gesetzentwurf nicht, wie viele andere, nur schnell angekündigt, sondern endlich - ich hoffe, morgen - eingebracht wird und dass er vor allen Dingen schnell beschlossen und dann auch umgesetzt wird. Denn Wahlkampf hin und Wahlkampf her: Entscheidend ist erstens, dass unsere Bürgerinnen und Bürger vor Schäden durch solche mutwilligen Schmierereien geschützt werden, und zweitens, dass vor allen Dingen jugendlichen Sprayern vor dem Hintergrund einer heute sehr notwendigen Wertediskussion klar gemacht wird, dass sie Verbotenes tun, dass dieses Handeln von uns eben nicht toleriert wird, meine Damen und Herren.

Wenn die Bundesregierung und die rot-grüne Mehrheit im Bundestag trotz ihrer aktuellen Ankündigung wieder einmal nicht handeln, dann wird diese Landesregierung der im Entschließungsantrag formulierten Bitte nachkommen und die geforderte Graffitiabwehr-Verordnung erlassen. Das wird sie dann noch in diesem Sommer tun.

Meine Damen und Herren, dass sich für diesen Entschließungsantrag der FDP/CDU-Koalition heute eine breite Mehrheit abzeichnet, ist ein gutes Signal für unsere Bürgerinnen und Bürger; denn die erwarten von uns nicht nur ein entschlossenes, sondern auch ein konsequentes Handeln. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Änderungsantrag und anschließend, wenn der Änderungsantrag nicht die Mehrheit findet, über die Beschlussempfehlung des Ausschusses ab.