Protocol of the Session on April 21, 2005

In diesem Zusammenhang ist Folgendes, was Kollege Briese in der ersten Beratung gesagt hat, interessant: Das, was wir, also die Koalitionsfraktionen, wollten, sei nur symbolhafte Politik. Wir könnten ja beantragen, was wir wollen. Mit den Grünen in Berlin werde es so etwas aber nie geben. Ein Gesetz in dieser Form werde der Bundestag mit den Stimmen der Grünen nie verab

schieden. - Glücklicherweise sind die Grünen in Berlin aber schon etwas weiter als die Grünen in Niedersachsen. Ich bin gespannt, wer sich am Ende von wem belehren lässt. Ich kann in Ihre Richtung nur sagen: Es wurde höchste Zeit, dass bei allen ein Sinneswandel eingetreten ist. CDU und FDP waren schon lange Zeit dieser Meinung. Allen anderen gilt: Herzlich willkommen im Club. Es war, wie gesagt, höchste Zeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Damals wurde der Vorwurf laut, wir würden nur symbolische Politik machen; nichts anderes sei dieser Antrag. Das ist schon ein komisches Verständnis von symbolischer Politik. Die symbolische Politik der Grünen besteht anscheinend darin, die Betroffenen mit den an ihre Häuser geschmierten Symbole alleine zu lassen. Und genau das ist der Unterschied: Wir nehmen die Sorgen der Betroffenen sehr ernst. Wir bemühen uns, etwas gegen die Graffiti-Schmierereien zu tun, die Betroffenen effektiver zu schützen und vor allem kriminelle Straftaten in Zukunft besser zu ahnden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wer sich mit dem Thema beschäftigt hat, ist über den Anti-Graffiti-Kongress informiert, der vor einigen Wochen in Berlin stattgefunden hat. Auf diesem Kongress wurde auch über die Erfahrungen in den skandinavischen Ländern berichtet, auf die ja gern geschielt wird. In Schweden wird Sprayen mit bis zu vier Jahren Gefängnis bestraft, in Dänemark mit bis zu sechs Jahren. Ergebnis dieses Kongresses war: Das einzige wirksame Mittel gegen Graffitis ist: null Toleranz und eine harte Strafe für die Täter. - Man sollte die Erfahrungen in anderen Ländern als gutes Beispiel akzeptieren.

Wir hoffen, dass der Ankündigung von Gesetzesverschärfungen im Bundestag nun endlich auch Taten folgen, auf die wir schon lange warten, und dass diese unendliche Geschichte - schließlich führen wir die Diskussion schon über viele Jahre nun endlich ein Ende findet. Sollte es allerdings nicht zu einer Gesetzesverschärfung kommen, werden wir in Niedersachsen eine eigene Verordnung unterstützen, damit wir wenigstens die Menschen in unserem eigenen Bundesland effektiv schützen können. In diesem Sinne könnten nach meiner Meinung eigentlich alle unserem Antrag zustimmen, nicht aus parteipolitischen Gründen und nicht aus Populismus, sondern weil es uns am

Ende insbesondere die Betroffenen und die Geschädigten danken werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Briese zu Wort gemeldet. Bitte schön!

(Zuruf von der CDU: Seine Graffitis in Leer haben sie beseitigt!)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Antrag, den CDU und FDP hier gestellt haben, ist überflüssig geworden; der Kollege Nerlich hat das in seiner Rede bereits gesagt. Die Regierungskoalition in Berlin hat sich zu einer Änderung des § 303 des Strafgesetzbuchs entschlossen. Wir werden sehen, ob eine solche Gesetzesänderung wirklich Erfolge in der Graffitibekämpfung bringt. Ich sage hier ganz ehrlich: Ich würde mich über Erfolge freuen, denn Graffiti ist tatsächlich ein Übel. Das stellt niemand in Frage,

(Zustimmung bei den GRÜNEN, bei der CDU und bei der FDP)

und das hat auch bisher niemand in Frage gestellt.

(Widerspruch bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben immer nur gesagt: Um Graffiti besser zu bekämpfen, müssen wir nicht das Strafgesetzbuch ändern, sondern ganz andere Maßnahmen voranbringen. Dazu werde ich gleich noch etwas sagen.

Völlig unverhältnismäßig war - das haben auch Sie, Kollege Nerlich, gesagt -, dass Otto Schily Hubschrauberflotten auf Graffiti-Jagd schicken will. Ich hätte, ehrlich gesagt, nie gedacht, dass ich mir einmal so einig bin mit dem niedersächsischen Innenministerium.

(David McAllister [CDU]: Was sagt denn Herr Ströbele zu solchen Re- den?)

Das war völlig daneben und findet auch nicht unsere Zustimmung. Herr Minister Schünemann, wenn Sie sich auch in anderen Bereichen noch ein bisschen verändern, dann haben wir in Zukunft vielleicht noch ein paar mehr Gemeinsamkeiten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Heiterkeit bei der CDU - Bernd Althusmann [CDU]: Das meinen Sie doch wohl nicht ernst!)

Ich will Ihnen noch einmal deutlich machen, warum es meine tiefe Überzeugung ist, dass wir mit der beabsichtigten Änderung des Strafgesetzbuches in der Graffiti-Bekämpfung keinen großen Sprung nach vorne machen werden. Man kann es versuchen, das geschieht jetzt ja.

Der Rechtsausschuss war in Braunschweig und hat dort mit Staatsanwälten über das Thema gesprochen. Ich habe sowohl persönlich als auch telefonisch mit vielen anderen Staatsanwälten, mit der Polizei und mit Präventionsräten gesprochen. Ich habe immer gefragt: Haben wir ein Problem in der Gesetzesbestimmung? Haben wir ein Problem in der Gesetzesanwendung? Werden wir das Graffiti-Problem eindämmen, wenn wir § 303 des Strafgesetzbuches ändern? Auf solche Fragen verdrehten die Leute dann die Augen und sagten: Nein, wir haben eigentlich kein wirkliches Problem mit dem Gesetz. Graffiti ist ein Kontrolldelikt und ein Präventionsdelikt. Das ist unser wahres Problem. Wir sollten deshalb keine Scheingefechte um das Strafgesetzbuch führen. Wenn wir ehrlich sind, geht es nicht um eine unklare Formulierung des Paragraphen, sondern um mangelnde Kontrollen und fehlende Präventionsprogramme. Da liegt der Hase im Pfeffer begraben.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich bin der Meinung, dass man mit Änderungen des Strafgesetzbuches immer sehr vorsichtig sein sollte. Nun wird die Gesetzesänderung kommen,

(Bernd Althusmann [CDU]: Sind Sie nun dafür oder dagegen? Dann kön- nen Sie ja zustimmen!)

und wir müssen abwarten, ob sich dadurch in unseren Städten etwas großartig ändert. Sollte sich nichts ändern, werden Sie, die Sie in Pressemitteilungen und bei anderen Gelegenheiten immer suggeriert haben, die Strafgesetzbuchbestimmung sei ungenügend, den Leuten erklären müssen, weshalb die Zahl der Vorfälle nicht signifikant zurückgeht. Da werden Sie sich dann rechtfertigen müssen.

(Bernd Althusmann [CDU]: Sie wer- den doch jetzt nicht gegen Ihre Politik in Berlin stimmen wollen! - David McAllister [CDU]: Stimmen Sie zu?)

Ich will Ihnen gerne sagen, wie man das Problem vielleicht etwas effektiver bekämpfen kann. Man sollte nicht immer nur auf das Strafgesetzbuch setzen, wenn man gesellschaftliche Missstände bekämpfen will. Man kann eine ganze Menge machen, um die Graffiti-Plage, die wir haben, ein wenig einzudämmen.

a) Wir brauchen Spezialgruppen bei der Polizei. Die gibt es teilweise schon.

(Bernd Althusmann [CDU]: b) Wir brauchen weniger Grüne!)

b) Wir brauchen bessere Präventionsräte.

(Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Haben wir!)

- Ja, da gibt es bereits sehr gute Erfolge. Wenn Sie jede Graffiti-Schmiererei sofort beseitigen, entfällt auch die Anerkennung, die sich die Graffiti-Sprayer erhoffen. Damit wäre schon ein Problem beseitigt.

(Matthias Nerlich [CDU]: Es wäre besser, die Sprayer würden es selber wegmachen!)

Herr Kollege Briese, Sie müssen zum Schluss kommen.

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. Noch ein letzter Satz. - Wir brauchen vielleicht hier und da in den Städten eine etwas bessere Beleuchtung; das will ich gar nicht in Frage stellen. Vielleicht braucht man sogar hier und da eine Videokamera; auch das will ich gar nicht in Frage stellen.

(Beifall bei der CDU - Bernd Althus- mann [CDU]: Stimmen Sie zu! Das ist alles sehr, sehr gut! - Zurufe von der CDU: Weiterreden lassen! - David McAllister [CDU]: Herr Ströbele schmeißt Sie raus!)

Was wir aber nicht brauchen, sind Ablenkungsdebatten, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Matthias Nerlich [CDU]: Also stim- men Sie zu!)

Deshalb werden wir diesem Antrag heute nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eine Zwischenfrage habe ich aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nicht mehr zugelassen.

Ich würde sie aber gern noch beantworten.

Nein, Herr Kollege Briese, Ihre Redezeit ist abgelaufen. Ich habe deshalb keine Zwischenfrage zugelassen. - Von der SPDFraktion hat sich Frau Kollegin Bockmann zu Wort gemeldet. Bitte schön! Sie haben das Wort.

(Bernd Althusmann [CDU]: Gestatten Sie eine Zwischenfrage an die Kolle- gin Bockmann?)

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Datum vom 5. April dieses Jahres meldete dpa: Ein 30 Jahre alter Mann aus Seevetal, Kreis Harburg, muss wegen seiner GraffitiSchmierereien anderthalb Jahre in Haft. Das Urteil ist rechtskräftig. Dem Sprayer waren 27 Fälle von Sachbeschädigung nachgewiesen worden. Immer wieder hatte er Kirchen, Gedenkstätten, Hauswände etc. mit Zeichen besprüht. Deshalb stelle ich entgegen allen anders lautenden Behauptungen noch einmal fest: Graffiti ist heute strafbar und wird auch in Zukunft strafbar sein, und das ist auch gut so.

(Zustimmung bei der SPD, bei der CDU und bei der GRÜNEN)

Frau Kollegin Bockmann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Althusmann?

Es tut mir Leid, Herr Kollege, aber meine Redezeit ist schon sehr begrenzt. Vielleicht später.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, jedes Jahr verursachen Sprayer, Schmierer und Kratzer in der Bundsrepublik Deutschland Schäden von mehr als 300 Millionen Euro. Eine neue Entwicklung gibt Anlass zu größter Sorge. Nach dem Zerkratzen von Fensterscheiben, dem so genannten Scratching, scheint zumindest in Süddeutschland eine neue Methode zur Beschädigung fremden Eigentums Mode zu werden. In der dortigen Szene wird vermehrt Säure statt Farbe eingesetzt. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich die daraus resultierenden massiven Probleme vorstellen zu können.