Protocol of the Session on February 25, 2005

Stichzeiten, von der Sozialhilfe lebte und von ihr finanziell abhängig war.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund können wir hier nur auf „Sach- und Rechtslage“ entscheiden. Wir können nicht zuletzt aufgrund der Tatsache keine andere Entscheidung treffen, dass wir uns ansonsten deutlich präjudizieren würden im Hinblick auf eine erhebliche Anzahl anderer Fälle. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu der ersten Petition, zu der Herr Böhlke gesprochen hat, hat sich von der SPD-Fraktion Frau Heiligenstadt zu Wort gemeldet. Bitte schön, Frau Heiligenstadt, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Petition der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, die sich für ein Bleiberecht für langjährig in Niedersachsen lebende Flüchtlinge einsetzt. Herr Böhlke hat die Entschließung, die wir im letzten Jahr im Landtag diskutiert haben, erwähnt. Die SPD-Fraktion hat damals gegen den Entschließungsantrag in der Fassung, in der er von den Regierungsfraktionen verabschiedet wurde, gestimmt.

Ich möchte ganz kurz begründen, warum wir für eine Bleiberechtsregelung für langjährig hier lebende Flüchtlinge sind. Erstens. Wir haben auch im Petitionsausschuss sehr viele Fälle, die Familien mit Kindern betreffen, die seit mehr als zehn Jahren hier in Deutschland leben und deren Kinder hier in Deutschland geboren sind, zur Schule gehen und von daher voll integriert sind. Zweitens. Diese Familien ernähren sich in der Regel von dem Einkommen eines oder beider Elternteile, fallen also, wie Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, immer so schön sagen, dem Staat nicht zur Last. Drittens. Diese Familien sind in der Regel nicht straffällig geworden. Außerdem sind sie hier voll integriert. Viertens. Sie haben in der Regel Kinder, die hier geboren sind, oder Kinder, die sehr klein gewesen sind, als sie in die Bundesrepublik eingereist sind. Wir vertreten die Position, dass diesen Familien - das sind sicherlich einige tausend, die hier in Niedersachsen betroffen sind - im Rahmen einer Altfallregelung - ich betone: nicht im Rahmen einer Härtefallrege

lung, sondern einer Altfallregelung - geholfen werden muss. Das aber lehnen Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsfraktionen, hier ständig ab. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zu dieser Eingabe 1277 liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor. Mir liegen aber Wortmeldungen zu der Eingabe 1503 vor, die Herr Böhlke eben schon angesprochen hat. Für die FDPFraktion spricht Herr Kollege Rickert. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Böhlke von der CDUFraktion hat den Fall ausführlich geschildert, sodass ich mich dem für die FDP-Fraktion, was die inhaltliche Darstellung anbetrifft, in vollem Umfang anschließen kann. Ich möchte nur vor dem Hintergrund der gestrigen Debatte und den Debatten, die wir hier zu führen haben, und dem, was Frau Heiligenstadt soeben angeschnitten hat, darauf hinweisen, dass diese Eingabe insbesondere durch die sehr lange Verfahrensdauer gekennzeichnet ist. Ich sage es nur noch einmal zu Ihrer Erinnerung: Der Familienvater ist 1992 eingereist. Dann hat das Asylverfahren für die Familie einschließlich der 1998 und 2000 hier in Deutschland geborenen Kinder über zehn Jahre gedauert. In diesen zehn Jahren hat die Familie hier mehr oder weniger von der Sozialhilfe gelebt.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das stimmt doch gar nicht!)

Es hat eine Bleiberechtsregelung, nämlich eine so genannte Altfallregelung gegeben, unter die diese Familie nicht fiel, weil das sozialversicherungsunabhängige Beschäftigungsverhältnis nach meiner Erinnerung erst im Jahre 2002 und nach meiner Einschätzung wahrscheinlich nur deshalb gesucht und aufgenommen worden ist, weil der Familie das Kriterium der finanziellen Unabhängigkeit von sozialen Leistungen bekannt war. Wir haben eine große Vielzahl derartiger Fälle. Deswegen ist wie gestern mein Petitum: Die Verfahrensdauern müssen einfach abgekürzt werden.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Jürgen Gansäuer [CDU]: Sehr richtig!)

Was die Petition selbst anbetrifft, so füge ich meinen Ausführungen lediglich hinzu, dass wir uns dem Votum des Kollegen Böhlke anschließen. Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU - Elke Müller [SPD]: Alles andere hätte uns auch überrascht!)

Zur gleichen Eingabe spricht von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Kollegin Polat. Sie haben noch knapp eine Minute Redezeit.

(Bernd Althusmann [CDU]: Auch in einer Minute kann man Feuer sprü- hen!)

Auch ich möchte mich bei dieser Petition für die Familie einsetzen und schließe mich insoweit den Ausführungen von Frau Heiligenstadt an: Wir brauchen eine Altfallregelung. Diese Familie lebt seit über zwölf Jahren hier. Herr Rickert, Sie wissen genau, dass sich alle Familien hier in einem Status befinden, der es nicht einfach macht, einen Arbeitsplatz zu finden. Diese Familie hat aber gezeigt, dass sie voll integriert ist. Die beiden Kinder sind hier im Kindergarten. Der Mann geht seit Jahren einer Beschäftigung nach. Die Unterstützergruppe zeigt deutlich, dass die rechtlichen Regelungen hier im Lande nicht genügen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön. - Weitere Wortmeldungen zu den Eingaben liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung über die Eingaben. Ich rufe die Eingaben einzeln auf und lasse zunächst über den Änderungsantrag und, falls dieser abgelehnt wird, anschließend über die Ausschussempfehlung abstimmen.

Für die Eingaben 1503 (01 - 03) betreffend Aufenthaltsgenehmigung für eine Familie aus dem Kosovo liegen gleich lautende Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD mit dem Ziel vor, „Berücksichtigung“ zu beschließen. Wer den Änderungsanträgen der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der Fraktion der SPD, die Eingaben der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen, zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Letzteres sehe ich nicht. Dann sind die Anträge von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und von der Fraktion der SPD abgelehnt worden.

Wir kommen damit zur Beschlussempfehlung des Ausschusses. Diese lautet auf „Sachund Rechtslage“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Letzteres sehe ich nicht. Dann ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Zur Eingabe 1777 ist soeben durch die Kollegin Groskurt von der SPD-Fraktion ein Verfahrensantrag eingebracht worden, über den ich zunächst abstimmen lassen möchte, bevor wir möglicherweise noch zur Abstimmung über den Antrag kommen. Die SPD-Fraktion hat die Rücküberweisung der Eingabe beantragt. Weil das ein Verfahrensantrag ist, möchte ich zunächst darüber abstimmen lassen. Wenn Sie die Rücküberweisung an den Ausschuss beschließen wollen, dann bitte ich Sie jetzt um Ihr Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Die sehe ich nicht. Das Erste war definitiv die Mehrheit.

(Bernd Althusmann [CDU]: Nein, nein, nein!)

- Entschuldigung, das Zweite ist definitiv die Mehrheit. Herr Kollege Dehde, Sie haben mich durcheinander gebracht. Darauf bin ich wirklich reingefallen. Ich bestätige hiermit, dass wir hier oben uns einig sind: Auf dieser Seite des Hauses - rechts ist die Mehrheit definitiv gewährleistet.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der Verfahrensantrag der Fraktion der SPD ist abgelehnt.

Damit kommen wir zur Entscheidung über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, der weitergehend ist. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nämlich beantragt, die Eingabe 1777 der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses „Sach- und Rechtslage“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich rufe die Eingabe 1277 auf. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, zum einen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und zum anderen von der Fraktion der SPD, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? Damit sind die Anträge abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses „Sach- und Rechtslage“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Jetzt kommen wir zu der Eingabe 1814. Auch hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, zum einen von der Fraktion der SPD und zum anderen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Eingabe der Landesregierung zur Berücksichtigung zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit sind die Anträge abgelehnt worden.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses „Sach- und Rechtslage“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich rufe die Eingabe 1858 auf. Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, die Eingabe der Landesregierung als Material zu überweisen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses „Sach- und Rechtslage“. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses gefolgt worden.

Ich rufe nun auf

Tagesordnungspunkt 33: Erste Beratung: Der demografische Wandel erfordert eine andere Politik: Rechtzeitig und koordiniert reagieren, um attraktive Infrastruktur im Land zu erhalten - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1678

Ich eröffne die Beratung. Zu Wort gemeldet hat sich Frau Kollegin Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich spreche zur Einbringung dieses Antrages in Vertretung meines Kollegen Enno Hagenah, den leider die Grippe ans Bett fesselt und der deswegen heute hier nicht sprechen kann.

Demografische Veränderungen haben einen langen Vorlauf. Sie sind mit einer hohen Sicherheit vorhersagbar. Bis zum Jahr 2050 wird die Bevölkerung der Bundesrepublik um zwischen 10 und 30 Millionen Menschen schrumpfen. Die Differenz zwischen diesen beiden Zahlen hängt allein vom Ausmaß der zukünftigen Zuwanderung ab.

Wenn wir uns die Konsequenzen dieser Entwicklung verdeutlichen, ergibt sich, dass nicht nur eine noch grundsätzlichere Gesundheitsreform und eine völlige Neuordnung unseres Rentensystems erforderlich sind, sondern auch unsere gesamte Wirtschaft vor radikalen Umwälzungen steht. Deutschland wird sich in den kommenden Jahrzehnten von Grund auf verändern. Diese Veränderungen betreffen praktisch alle Lebensbereiche: Schulen, Hochschulen, Regional- und Städteplanung, Gesundheitsversorgung, Pflege, Industrie, Handel und Immobilienwirtschaft, um nur einige Bereiche zu nennen.

Das Problem vergrößert sich noch, wenn ab 2020 die geburtenstarken Jahrgänge in die Rente gehen und damit die Veränderung des Altersaufbaus der Bevölkerung in diesem Bereich voll durchschlägt. Wir brauchen zukünftig eine gerechte Lastenverteilung, bei der starke Schultern mehr tragen als schwache. Klar ist aber auch, dass solche Maßnahmen allein uns nicht helfen.

Auch die Bundesländer sind gefordert, sich strategisch auf den demografischen Wandel einzustellen, der längst über Jahrzehnte unumkehrbar im Gange ist. Wir dürfen uns hier im Landtag davor nicht wegducken, wie die Landesregierung es derzeit noch versucht. Es nützt Niedersachsen nichts, dass wir mit Dörpen im Emsland mit einem Altersdurchschnitt von 34 Jahren die jüngste Gemeinde haben; denn wir haben mit Bad Eilsen und einem Durchschnitt von 55 Jahren zugleich auch die älteste Stadt Deutschlands. Wir müssen in Niedersachsen jetzt gegensteuern und dürfen nicht länger abwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bevölkerungsabnahme und Steuerzahlerschwund könnten zukünftig einen einseitigen Wettbewerb der starken Kommunen gegenüber den schwächeren Regionen um Einwohner und Steuerkraft entfachen. Schon hat sich Hamburg entgegen allen demografischen Prognosen für die eigene Entwicklung das Ziel „wachsende Stadt“ gesetzt. Würde dieses Beispiel direkt an der niedersächsischen Landesgrenze Schule machen, begänne ein gnadenloser Ansiedlungswettbewerb, bei dem viel Steuergeld verbrannt würde, weil es allen um die gleichen, immer weniger werdenden Menschen und Betriebe geht.

Wir Grünen setzen dagegen auf eine innovative Eigenentwicklung Niedersachsens, bei der wir die geringer werdenden Finanzen und Infrastrukturangebote bei sinkender Bevölkerungszahl stärker bündeln wollen. Dafür brauchen wir dringend mehr interkommunale Zusammenarbeit und die kreisübergreifende Bildung von Regionen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung steckt den Kopf zum Schaden des Landes in den Sand, wenn sie Gebietsreformen tabuisiert. In Sachsen dagegen betreibt die dortige CDU-Landesregierung gerade offensiv eine umfassende Gebietsreform hin zu Großkreisen.

Ebenso kurzsichtig ist die kritische Haltung von Ministerpräsident Wulff zur Regionalplanung, die seit seiner Regierungsübernahme ein Schattendasein führt, statt sie als gestaltendes Instrument zur übergreifenden Klärung sich widersprechender Entwicklungswünsche in den Regionen zu stärken. Wer zukünftig allen Bürgern und Bürgerinnen eine ausreichende Grundversorgung sichern will,