Protocol of the Session on February 25, 2005

- Herr Dehde zu seiner zweiten Zusatzfrage!

Nichtsdestotrotz, Herr Minister, gibt es doch mögliche Zusammenhänge. Ich frage Sie noch einmal: Können GVFG-Mittel für Projekte an Landesstraßen verwendet werden?

Herr Minister!

Für Baumaßnahmen an Landesstraßen verwenden wir sie nicht. Weil wir uns mit Vorgängen zu beschäftigen haben, die seit Ende der 80er-Jahre verschiedene Minister, auch unterschiedlicher Couleur, zu verantworten haben, darf ich an dieser Stelle noch einmal sagen: Es gibt entsprechend dem Bericht des Bundesrechungshofes vom 2. No

vember 2004, auf den sich das Bundesverkehrsministerium bezieht, keine Möglichkeit - so das Bundesverkehrsministerium -, GVFG-Mittel von den Ländern zurückzufordern.

Jetzt liegen mir wirklich keine Wortmeldungen für Zusatzfragen mehr vor.

Wir kommen zu

Frage 5: Finanzierung der Hilfen für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten seit dem 1. Januar 2005

Herr Lestin, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für den Personenkreis der Hilfeempfänger mit besonderen sozialen Schwierigkeiten wurden die Leistungen bislang nach § 72 BSHG gewährt. Seit dem 1. Januar 2005 besteht die Möglichkeit, Hilfen nach § 67 SGB XII oder nach den Maßgaben des SGB II zu gewähren.

Nach alter Rechtslage sowie bei einer Hilfegewährung nach § 67 SGB XII trägt der überörtliche Träger der Sozialhilfe die Kosten für die Leistungen. Bei einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB II tragen Bund und Kommunen die Leistungen.

Das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben ist offensichtlich bestrebt, seine Leistungspflicht für möglichst viele Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten auf die nach SGB II zuständigen Stellen zu übertragen. Entscheidend für die Frage, ob Leistungen nach SGB XII oder SGB II gewährt werden müssen, ist die Beantwortung der Frage, ob die Hilfeempfänger erwerbsfähig sind oder nicht.

Das NLZSA geht davon aus, dass selbst solche Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten arbeitsfähig sind, die seit mehr als sechs Monaten stationär in Nichtsesshafteneinrichtungen betreut werden und die eigentlich nach § 7 Abs. 4 SGB II vom Leistungsbezug nach SGB II ausgeschlossen sind. Die Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen der Bundesagentur für Arbeit sowie die betroffenen

Landkreise vertreten dazu eine gegenteilige Rechtsauffassung.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung:

1. Welche Rechtsauffassung vertritt sie hinsichtlich der Leistungsverpflichtungen gegenüber dem Personenkreis mit besonderen sozialen Schwierigkeiten?

2. Worauf gründet sie ihre Rechtsauffassung?

3. Welche Kosten kommen auf Landkreise, kreisfreie Städte und die Region Hannover zu, wenn auch Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, die länger als sechs Monate in Nichtsesshafteneinrichtungen leben, als erwerbsfähig eingestuft werden?

Für die Landesregierung antwortet die Sozialministerin, Frau Dr. von der Leyen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Hilfe für erwerbsfähige Arbeitssuchende, die stationär untergebracht sind, gehört sicherlich zu den Problemkomplexen, die bei der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht oder nicht zufrieden stellend gelöst worden sind. Ähnliche Schnittstellenprobleme haben wir auch bei Jugendlichen festgestellt, die stationäre Leistungen nach dem SGB VIII erhalten, oder auch bei behinderten Arbeit Suchenden, die erwerbsfähig sind.

Für alle diese Menschen besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf Grundsicherung für Arbeit Suchende nach dem SGB II. Hierbei ist insbesondere der Anspruch auf Leistungen zur Eingliederung in Arbeit von Bedeutung, die bei der sozialtherapeutischen Betreuung dieser Menschen eine zentrale Rolle spielen. Ich bedaure, dass es trotz vielfältiger Interventionen sowohl vonseiten des Sozialministeriums als auch aus dem gesellschaftlichen Raum - u. a. von der Wohlfahrtspflege - im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens nicht gelungen ist, das BMWA und die Bundestagsmehrheit zu einer sinnvollen Regelung zu veranlassen.

Herausgekommen ist etwas, was niemandem Recht sein kann, nämlich eine Regelung, die einerseits nach sechs Monaten stationärer Hilfe den

Leistungsanspruch abschneidet und andererseits bei der Finanzierung des Lebensunterhalts vielfache Schwierigkeiten aufwirft. Die Landesregierung wird sich daher für eine entsprechende Nachbesserung einsetzen, die vor allem die Befristung der aktivierenden Leistungen beseitigt und für den Lebensunterhalt in der Einrichtung eine klare Regelung trifft, die sich mit dem SGB XII vereinbaren lässt.

Bis dahin müssen wir das Gesetz so anwenden, wie es ist. Das bedeutet, dass die Ansprüche nach dem SGB II gemäß § 2 SGB XII vorrangig zu verfolgen sind. Dies gilt sowohl für die Ansprüche der Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten, die ambulante Leistungen nach § 67 SGB XII erhalten, als auch für diejenigen, die solche Leistungen in stationärer Form für eine Zeit von bis zu sechs Monaten erhalten. Zu Recht hat das Landesamt für Soziales, Jugend und Familie alle Träger auf die Verpflichtung hingewiesen, diese Ansprüche vorrangig zu realisieren; denn es geht hier nicht nur um die Ansprüche zur Sicherung von Unterkunft und Unterhalt, sondern auch gerade um die Ansprüche auf Eingliederung in Arbeit oder Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung.

Ich trete dafür ein, auch den hier in Rede stehenden Menschen alle Chancen zu geben, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Genau das gibt uns das Sozialgesetzbuch auf. Insoweit besteht ein elementarer Unterschied zu Herrn Bundesminister Clement zur Frage der Erwerbsfähigkeit. Bundesminister Clement beklagt sich ja in diesen Tagen, dass auch Aids- und Suchtkranke für arbeitsfähig erklärt werden. Ich kann dazu nur die taz vom 23. Februar dieses Jahres zitieren:

„Nach dieser Regelung kann man selbstverständlich auch Suchtkranke als erwerbsfähig bezeichnen, zumal die Suchtberatung sogar im neuen Gesetz zum Arbeitslosengeld II ausdrücklich als Hilfeleistung für Erwerbslose festgeschrieben ist. Clement beklagt sich also letztlich über die Folgen eines Gesetzes, das er mit zu verantworten hat.“

Natürlich sind auch Suchtkranke und Nichtsesshafte dem Grunde nach erwerbsfähig und haben ein Recht auf Eingliederungsleistung. Mit Hartz IV sollte die Politik der Ausgrenzung von Sozialhilfeempfängern beseitigt werden. Wir werden nieman

dem unterstellen, gar nicht in der Lage zu sein, selbst zum eigenen Lebensunterhalt beizutragen. Ich weiß, dass die Diskussion über die Extremfälle im Augenblick sozusagen wogt. Die Extremfälle, die jetzt in der Presse diskutiert werden, müssen geklärt werden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Menschen, die etwa eine Suchtkrankheit haben und in einer betreuten Wohngruppe leben, durchaus in der Lage sind, wenn sie die Eingliederungsangebote bekommen, z. B. bis zu drei Stunden am Tag zu arbeiten. Das ist die einzige Chance für sie, auf Dauer wieder in einer festen Tagesstruktur bzw. im Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Wir müssen also feststellen, welches Leistungspotenzial bei den jeweiligen Menschen individuell vorhanden ist, und wir müssen genau dieses Potenzial aktivieren.

Dieses vorausgeschickt, beantworte ich die Kleine Anfrage namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1 und 2 - jetzt wird es etwas paragrafenlastig -: Nach § 2 SGB XII sind die Leistungen der Sozialhilfe gegenüber denen nach dem SGB II nachrangig. Ansprüche nach dem SGB II bestehen auch für Nichtsesshafte, die im Sinne des § 8 SGB II erwerbsfähig sind. Das gilt auch dann, wenn sie stationär betreut werden, aber nicht für länger als sechs Monate untergebracht sind.

(Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Ist nicht festgestellt, ob Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 Abs. 1 SGB II vorliegt, sind gemäß § 44 a Satz 3 SGB II die Leistungen nach dem SGB II zu erbringen, bis die Einigungsstelle nach § 44 a Satz 2 SGB II eine andere Entscheidung trifft.

Zu 3: Diese Frage stellt sich nicht. Nach § 7 Abs. 4 SGB II ist bei einer stationären Unterbringung von mehr als sechs Monaten kein Leistungsanspruch nach dem SGB II gegeben. Die Frage der Erwerbsfähigkeit ist hierbei ohne Belang.

Wortmeldungen für Zusatzfragen liegen mir nicht vor. Wir kommen deswegen zur

Frage 6: Missbrauch der Straßenverkehrsordnung für Halteverbot von Fahrrädern

der Abgeordneten Hagenah und Meihsies. Herr Meihsies, ich erteile Ihnen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Stadt Lüneburg ist Anfang Mai in dritter Instanz gescheitert, ein Halteverbot für Fahrräder auf dem Vorplatz vor dem Bahnhof in Lüneburg durchzusetzen. Laut Urteil des Bundesverwaltungsgerichts und Straßenverkehrsordnung ist ein Halteverbot für Fahrräder auf Gehwegen und in Gehwegzonen nicht zulässig. Mit Beginn des Februars hat das niedersächsische Verkehrsministerium nun einen so genannten Verkehrsversuch genehmigt, wonach für die Dauer von einem Jahr auf dem Vorplatz Fahrräder nicht länger als 15 Minuten abgestellt werden dürfen. Das Ministerium bezieht sich auf § 45 Abs. 1 Nr. 6 StVO. Danach kann eine Straßenverkehrsbehörde die Benutzung und den Verkehr beschränken, wenn ein Unfallgeschehen, das Verkehrsverhalten, Verkehrsabläufe erforscht oder Verkehrssicherung und Verkehrsregelung erprobt werden sollen.

Wir fragen die Landesregierung:

1. Wie viele Gerichtskosten sind der Stadt Lüneburg insgesamt entstanden, weil sie vor dem Verwaltungsgericht, dem Oberverwaltungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht für das Halteverbot von Fahrrädern auf dem Vorplatz des Bahnhofs klagte und jedes Mal verlor?

2. Welche empirisch nachzuweisenden Sach- und Körperschäden sind der Stadt oder Passanten in den vergangenen fünf Jahren entstanden, weil auf dem Vorplatz vor dem Bahnhof Fahrräder angeschlossen waren?

3. Wer wird was genau mit welcher Zielrichtung und welchem wissenschaftlichen Wert in diesem Jahr erforschen oder erproben, und wie viel kostet das Forschungsvorhaben „Verkehrsversuch vor dem Lüneburger Bahnhof“?

Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Hirche.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da ich beim Blick in den Saal das Kopfschütteln einiger Kollegen über die Frage gesehen habe: Es ist Pflicht der Landesregierung, auf die Fragen zu antworten. Das tue ich wie folgt: Die Stadt Lüneburg beklagt seit geraumer Zeit, dass im Bereich des Bahnhofsvorplatzes Fahrräder ungeordnet, zum Teil auch den übrigen Verkehr behindernd, abgestellt werden. Sie hatte zunächst versucht, das Problem mit einem Zonenhalteverbot mit dem Zusatz „auch Fahrräder“ am Bahnhofsvorplatz in den Griff zu bekommen, war damit aufgrund der Klage eines Radfahrers aber vor Gericht letztlich gescheitert, da Parkverbote nach der geltenden Straßenverkehrsordnung eben nicht das Abstellen von Fahrrädern erfassen, sondern lediglich das Parken von Kraftfahrzeugen. Möglicherweise wollen Sie mit dieser Frage eine Änderung der Straßenverkehrsordnung veranlassen.

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hatte sich die Stadt mit der Bitte um Unterstützung mit dem Ziel an mein Haus gewandt, eine bundesweit geltende rechtlich einwandfreie Regelung für das geordnete und zeitlich befristete Abstellen von Fahrrädern zu schaffen. Das Thema wurde daraufhin auf Bitten Niedersachsens im zuständigen Bund-/Länderfachausschuss Straßenverkehrs-Ordnung/-Verkehrspolizei erörtert.

Im Ergebnis wurde dort die Auffassung vertreten, dass eine entsprechende Regelung in der StVO allein nicht zielführend sei. Die Probleme, die durch das ungeordnete Abstellen von Fahrrädern entstünden, könnten und sollten vielmehr besser auf kommunaler Ebene gelöst werden. Vor diesem Hintergrund hat die Stadt Lüneburg nach einer Möglichkeit gesucht, im Rahmen eines Verkehrsversuches praxistaugliche Regelungen zu entwickeln, die der Situation vor Ort gerecht werden.

Das Recht, meine Damen und Herren, „zur Erforschung des Unfallgeschehens, des Verkehrsverhaltens sowie zur Erprobung verkehrssichernder oder verkehrsregelnder Maßnahmen“ einen Verkehrsversuchs durchzuführen, steht nach § 46 Abs. 1 Nr. 6 StVO jeder Straßenverkehrsbehörde zu. Da gibt es im Gegensatz zu der Ansicht der Fragestellung kein Genehmigungsrecht oder keinen Vorbehalt des Verkehrsministeriums.

Vor diesem Hintergrund hat die Stadt nunmehr die Gehwege im Bereich des Bahnhofsvorplatzes als

solche beschildert, ergänzt durch das Zusatzzeichen „Abstellen von Fahrrädern“ - mit einem Symbol - „max. 15 Min.“. Für das Aufstellen dieses Zusatzzeichens bedurfte es der Genehmigung durch mein Haus. Ich habe keinen Grund gesehen, der Stadt Lüneburg diese Genehmigung zu versagen, und insofern kommunalfreundlich gehandelt.

Dies vorausgeschickt, beantworte ich die Fragen namens der Landesregierung wie folgt:

Zu 1: Die Höhe der entstandenen Gerichtskosten ist der Landesregierung nicht bekannt.