Es ist ganz interessant, sich einmal die Geschichte dieses Gesetzentwurfs, der in Ihrer Regierungszeit nie das Licht der Welt erblickt hat, anzuschauen. Ich zitiere aus dem Stenografischen Bericht über die 124. Sitzung des Niedersächsischen Landtages der 14. Wahlperiode am 11. Dezember 2002.
Die Abgeordnete der Grünen, Frau Pothmer, sagte an den Abgeordneten Uwe Schwarz gerichtet - ich zitiere jetzt; ich würde ihn niemals duzen -:
„Uwe, du warst doch derjenige, der gleich gesagt hat, dass es überhaupt keinen Sinn macht, diesen Gesetzentwurf zu beraten. Das kam doch ausgerechnet von dir!... Ich kann dich im Übrigen auch sehr gut verstehen. Wenn ich so wie du anderthalb Jahre lang an der Nase herumgeführt worden wäre, dann würde ich auch keine Nachtsitzung einlegen, um die Versäumnisse der Landesregierung zu korrigieren. Ich habe Verständnis für dich.“
(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP - Bernd Althusmann [CDU]: Das ist ja unglaublich!)
Die Formulierungen in der Begründung des damaligen Gesetzentwurfs zeigen die Problematik allerdings eher auf. Darin ist nämlich das Ergebnis der Verbandsanhörung wie folgt dargestellt worden:
„Grundsätzliche Bedenken wurden von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände erhoben. Mit dem Gesetz werde eine neue und weitergehende Regulierung des öffentlichen Sektors vorgenommen.“
„Grundsätzliche Kritik am Gesetzentwurf wurde darüber hinaus vor allem seitens des Landesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderte, der
Landesarbeitsgemeinschaft der Elterninitiativen und der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege geäußert.“
Das zeigt doch sehr deutlich, dass bei der Erarbeitung und vor allen Dingen auch bei der Abstimmung eines solchen Gesetzentwurfs ein sehr sorgfältiges Vorgehen notwendig ist, damit es überhaupt verabschiedet werden kann. Sonst landet es wieder in der Versenkung.
Ich bleibe dabei: Sorgfalt geht vor Schnelligkeit. Das zeigt auch die geschilderte Vergangenheit, und das wissen Sie ebenso gut wie ich und wie wir. Deshalb werden Sie sich im Augenblick damit begnügen müssen,
dass wir daran arbeiten, die verschiedenen Spannungsbögen unter ein Dach zu bekommen. - Vielen Dank.
Danke schön. - Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Wir kommen zur Ausschussüberweisung. Federführend soll sich der Ausschuss für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mit dem Gesetzentwurf auseinander setzen, mitberatend der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen, der Ausschuss für Inneres und Sport, der Ausschuss für Haushalt und Finanzen, der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, der Kultusausschuss und der Ausschuss für Wissenschaft und Kultur. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen! - Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 10: Zweite Beratung: Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder: Differenzierte Beratungsstrukturen erhalten, BISS weiter fördern - Antrag der Fraktion der SPD - Drs. 15/1136 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/1656
Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung: Kein Abbau der Beratungs- und Schutzangebote für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 15/1146 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit Drs. 15/1657
Der Ausschuss empfiehlt, beide Anträge für erledigt zu erklären. Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie haben es gesagt: Der Ausschuss erklärt unseren Antrag mit seiner CDU/FDP-Mehrheit für erledigt.
Nr. 1 unseres Antrages lautet: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, den Aktionsplan mit seinen fünf Bausteinen auch weiterhin als Richtschnur des Handelns im Bereich der Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Kinder zu Grunde zu legen. - Das erklärt die Mehrheit des Ausschusses für erledigt. Aber ist das auch erledigt? Heißt das, dass sich die Bekämpfung häuslicher Gewalt in den jetzt bestehenden Projekten erschöpft?
Politik, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist ein immerwährender Prozess, und die Bekämpfung häuslicher Gewalt ist erst dann beendet, wenn es keine Opfer mehr gibt.
Bis dahin muss der Aktionsplan weiterentwickelt werden und sich den verändernden Verhältnissen und Erkenntnissen anpassen. Ich sage: Diese Forderung ist überhaupt nicht erledigt.
Die Nrn. 2 bis 4 unseres Antrages lauten: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, die differenzierte Beratungsstruktur insbesondere auch durch autonome Träger in Niedersachsen aufrecht zu erhalten und finanziell zu fördern, die in Niedersachsen bis Ende des Jahres befristeten Modellprojekte der Beratungs- und Interventionsstellen - also die so genannten BISS-Stellen - in die Regelförderung aufzunehmen und die Qualität der Beratungs- und Opferhilfestrukturen zu sichern. Das alles ist Ihrer Meinung nach erledigt.
Nachdem Sie seinerzeit den Versuchsballon gestartet haben - ich habe ihn damals eine Brandfackel genannt -, die Förderung der gesamten Gewaltschutzprojekte neu zu strukturieren, bin ich misstrauisch, dass die Finanzierung tatsächlich gesichert ist. Misstrauisch bin ich, wie ich finde, zu Recht, wurde doch mit der Kürzung der Fördermittel für die Mädchenhäuser ein Teil der BISSStellen finanziert. Hier wurden also Projekte gegeneinander ausgespielt. Wenn das nicht misstrauisch machen soll, was dann? Das war eine ziemlich abrupte und auch eine sehr große Kürzung bei der Förderung der Mädchenhäuser, die diese in große Schwierigkeiten gebracht hat.
Und dann ist da noch diese immer wiederkehrende Mär, Sie hätten die BISS-Stellen gerettet, während sie bei uns den Bach hinuntergegangen wären.
Ich weiß nicht, wie Sie den Begriff „Modellprojekt“ definieren. Dient ein Modellprojekt nicht der Erprobung eines neuen Projektes, bevor es nach einer Überprüfung in wahrscheinlich veränderter Form in der Breite umgesetzt wird?
Was die Finanzierung angeht - das ist ja auch etwas, was Sie immer wieder gebetsmühlenartig herunterbeten -: Sie werden wahrscheinlich nie zur Kenntnis nehmen, dass die SPD-Fraktion einen Änderungsantrag zum Haushalt eingebracht hatte. Aber es ist natürlich einfacher, das wie ein Endlosband immer wieder zu wiederholen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, wenn Sie der Meinung sind, unser Antrag sei in allen Punkten erledigt, dann könnten Sie ihm eigentlich auch zustimmen. Tun Sie dies nicht, so macht uns dies umso wachsamer für zukünftige Haushaltsberatungen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gewalt durch den eigenen Partner ist ein ganz wesentliches Gesundheits- und Krankheitsrisiko für Frauen. Häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder ist ein immer wieder aktuelles Thema. Die Fallzahlen steigen. Allein in Niedersachsen wird im Durchschnitt fast jede Stunde eine Frau Opfer häuslicher Gewalt. Die Auswirkungen sind sowohl auf individueller als auch auf gesamtgesellschaftlicher Ebene vielfältig und sehr destruktiv. Deshalb muss ein rasches und sehr konsequentes Eingreifen oberste Priorität haben.
Eine Konsequenz dieser Überlegungen war die Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes durch die rot-grüne Bundesregierung, das die Opfer und ihren Schutz in den Mittelpunkt des Bemühens gestellt hat. Bei der Umsetzung dieses Gesetzes hier in Niedersachsen war man sich fraktionsübergreifend einig, dass es nur so gut funktionieren kann, wie es die unterstützende Infrastruktur vor Ort erlaubt. Davon wollen Sie heute allerdings offenbar so recht nichts mehr wissen.
Zunächst planten Sie ja sogar, den gesamten Gewaltschutz für Frauen zu kommunalisieren und damit die gewachsenen Strukturen quasi preiszugeben. Nach erheblichen Protesten wurden diese Pläne dann zurückgenommen. Aber tatsächliche Entwarnung konnte nicht gegeben werden; denn das jetzige Konzept stellt im Wesentlichen nichts anderes dar als eine flächendeckende Man
Meine Damen und Herren, ich möchte das einmal am Beispiel meines Wahlkreises darstellen. Die Fachfrau des BISS-Stelle im Landkreis Schaumburg hatte bislang 21 Arbeitsstunden zur Verfügung. Künftig muss sie, bei gleich bleibendem, wahrscheinlich sogar steigendem Beratungsbedarf, mit 13 Arbeitsstunden auskommen. Das bedeutet ein erhebliches Minus. Das wird die Beratungsarbeit erheblich einschränken. Gerade Frauen, die sich von sich aus melden, werden dann kaum noch eine Chance auf Beratung haben.