Protocol of the Session on February 23, 2005

Meine Damen und Herren, ich möchte das einmal am Beispiel meines Wahlkreises darstellen. Die Fachfrau des BISS-Stelle im Landkreis Schaumburg hatte bislang 21 Arbeitsstunden zur Verfügung. Künftig muss sie, bei gleich bleibendem, wahrscheinlich sogar steigendem Beratungsbedarf, mit 13 Arbeitsstunden auskommen. Das bedeutet ein erhebliches Minus. Das wird die Beratungsarbeit erheblich einschränken. Gerade Frauen, die sich von sich aus melden, werden dann kaum noch eine Chance auf Beratung haben.

Meine Damen und Herren, damit aber nicht genug: Sie haben im Haushalt 2005 auch noch die geringen Fördermittel für die Frauenprojekte gekürzt, sodass das Schaumburger Frauenzentrum - und damit auch die dort bestehenden niedrigschwelligen präventiven Beratungsangebote - in seiner Existenz extrem gefährdet ist. Die Landesregierung ist sich allerdings nicht zu schade, diese gravierenden Verschlechterungen landauf, landab auch noch als überwältigenden Erfolg zu verkaufen.

Meine Damen und Herren, besonders bitter ist aus meiner Sicht auch, dass die Notversorgung im Gewaltschutzbereich mit Geld bezahlt wird, dass Sie zuvor den Mädchenhäusern weggenommen haben. Damit senden Sie ein fatales Signal aus: Mädchen erhalten keine Hilfe mehr, damit ihren Müttern geholfen werden kann. Die Mädchen müssen eben warten, bis sie groß sind und vielleicht selbst Gewaltopfer werden. - Damit leugnen Sie gleichzeitig die hohe Brisanz der so genannten intergenerationellen Weitergabe von Gewalt; denn in der Regel sind Kinder oder Jugendliche immer auch von Gewalt gegen ihre Mütter mitbetroffen. Es ist bekannt, dass durch solche Erfahrung Opferund Täterrollen tradiert und geradezu fortgeschrieben werden. So lässt sich der Gewaltkreislauf nicht durchbrechen, meine Damen und Herren.

Die gegenwärtigen Kürzungen im Sozialund Frauenbereich sparen in wirtschaftlicher Hinsicht kurzfristig Peanuts, werden jedoch mittel- und langfristig zu erheblichen Kosten in zahlreichen Bereichen führen. Hinzu kommen die Folgen für die Betroffenen, die in Euro überhaupt nicht auszudrücken sind. Wir wissen: Je mehr Hilfe die Betroffenen frühzeitig und sehr schnell erhalten, je eher niedrigschwellige Beratungsangebote ansetzen, desto mehr profitieren alle Seiten und nicht

zuletzt auch das Land. Deshalb ist das Thema Gewaltschutz für uns sowie offenbar auch für die Landesregierung überhaupt nicht erledigt, und deshalb stimmen wir auch gegen die Empfehlung. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Für die FDP-Fraktion Frau Kollegin Meißner, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Helmhold und liebe Frau Hemme, wie Sie mit dem Wortspiel arbeiten, nämlich dass wir den Gewaltschutz erledigt hätten, indem wir jetzt Ihre Anträge für erledigt erklärten, so sollte man das Thema nicht handhaben. Sie wissen ganz genau, dass wir alle - auch CDU und FDP - wissen, wie wichtig es ist, etwas für den Gewaltschutz für Frauen und für die Menschen, die Opfer von Gewalt werden, zu tun.

Dass wir gesagt haben, die Forderungen seien erledigt, hat damit zu tun, dass beide Anträge im Zuge der Haushaltsberatungen gestellt wurden. Wir brauchen sie nicht mehr zu diskutieren, weil der Haushalt beschlossen ist.

Lassen Sie mich noch etwas Generelles zum Gewaltschutz sagen. Die BISS-Stellen, also das Modellprojekt, das die alte Landesregierung initiiert hatte, sind sehr erfolgreich gewesen. Wir haben das Projekt fortgeführt, weil es so erfolgreich war. Mit seiner Hilfe konnte die Dunkelziffer erheblich zurückgeführt werden, indem Gewalttaten gegen Frauen aufgeklärt werden konnten und den Frauen mithilfe der enorm guten Vernetzung sämtlicher Stellen geholfen werden konnte. Frau Helmhold, Sie meinen, dass wir eine flächendeckende Mangelversorgung hätten. Das ist völlig falsch. Wir haben die Arbeit der BISS-Stellen fortgeführt, und zwar exakt in dem Umfang, der im Rahmen der Modellversuche ermittelt worden ist. Dementsprechend haben wir eine Stelle je 500 000 Einwohner bereitgestellt. Mit den 259 000 Euro, die wir für dieses Jahr noch eingestellt haben, haben wir Mittel exakt in dem Umfang bereitgestellt, der im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Modellversuches als notwendig ermittelt worden ist. Insofern haben wir davon nichts weggenommen.

In Schaumburg hat es insoweit Probleme gegeben - das ist richtig -, als zuvor in der Projektphase Hameln-Pyrmont, Holzminden und Schaumburg zusammengefasst waren. Aufgrund der Zuordnung zu den Polizeiinspektionen entstanden eine räumliche Trennung und die Schwierigkeit, dass weniger Stundenkapazitäten vor Ort zur Verfügung stehen. Ungeachtet dessen haben wir uns an die Empfehlungen gehalten, die im Rahmen des Modellversuches gegeben wurden. Wir haben sogar angekündigt - und dazu stehen wir -, das Angebot flächendeckend auszuweiten, was erhebliche finanzielle Mehraufwendungen zur Folge hätte, deren Finanzierung noch geprüft werden muss. Flächendeckend würde bedeuten, dass wir anstatt der 259 000 Euro sogar 800 000 Euro benötigten. Wir haben vor, das Angebot auszuweiten, weil wir wissen, dass das Modellprojekt sehr gut funktioniert hat.

Die Kürzungen bei den Mädchenhäusern waren leider nicht zu verhindern. Unsere Fraktion hat sich bekanntlich dafür eingesetzt, dass die Kürzungen nicht ganz so stark ausgefallen sind. Wir brauchen Mädchenhäuser für von Gewalt betroffene Mädchen. Diese Mädchen können nicht zu den BISSStellen oder zu den Frauenhäusern gehen, sondern brauchen etwas Eigenes. Wir müssen aber das Geld, das uns zur Verfügung steht, so ausgeben, dass damit wirklich allen geholfen werden kann. Um dies zu bewerkstelligen, war zum Teil eine Kürzung für einzelne Gewaltschutzeinrichtungen zugunsten der BISS-Stellen erforderlich. Wir halten den Gewaltschutz aber nach wie vor für eine wichtige Angelegenheit und werden auf jeden Fall weiterhin alles tun, damit den Frauen und den jungen Mädchen geholfen wird.

(Beifall bei der FDP)

Danke schön. - Für die CDU-Fraktion Frau Kollegin Jakob, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Von Goethe, der zu jedem Anlass passt, stammt das schöne Zitat: Das Falsche hat den Vorteil, dass man immer darüber schwätzen kann. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie Ihre Anträge heute von der Tagesordnung nehmen, da sie erledigt sind.

(Beifall bei der CDU)

Dass Sie es nicht getan haben, zeigt doch schon sehr deutlich, worauf es Ihnen ankommt: Ihnen geht es nicht um die Sache, sondern darum, Stimmung gegen diese Landesregierung zu machen

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, Gewaltschutz und Frauenpolitik fänden bei unserer Sozialministerin kein Gehör.

(Zustimmung von Ralf Briese [GRÜ- NE])

Meine sehr geehrten Damen und Herren von Bündnis 90/Die Grünen und von der SPD: Machen Sie doch einmal die Augen auf, und schauen Sie sich die Realität an! „Das Modellprojekt BISSStellen weiter fördern“ fordert die SPD im Juni in ihrem Antrag. Das Modellprojekt der sechs Beratungs- und Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt - BISS -, das Ende des Jahres ausgelaufen ist, wird aufgrund der Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitungen, die die Arbeit der BISS als sehr erfolgreich dokumentieren, in die Regelförderung aufgenommen. Das haben wir bereits zum Haushalt 2005 beschlossen. Um allen Frauen und Kindern, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, in Niedersachsen die gleiche Hilfe zukommen zu lassen, werden wir die BISS-Beratung flächendeckend ausbauen,

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

und zwar flächendeckend trotz der dramatischen Haushaltslage. Aber dazu hören wir von Ihnen nichts. Sie sind stets bereit, ungerechtfertigte Attacken gegen unsere Sozialministerin zu reiten und aus der Hüfte zu schießen. Aber wenn es darum geht, die Erfolge zu nennen,

(Zuruf von der SPD: Welche?)

bleiben Sie still. Ich nenne eine solche Politik unredlich.

Meine Damen und Herren, kein Abbau der Beratungs- und Schutzangebote für von Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche, das fordern die Grünen in ihrem Antrag. Als frauenpolitische Sprecherin meiner Fraktion unterstreiche ich jede dieser Forderungen. Aber offensichtlich waren Sie in den letzten Monaten im Ausschuss zumindest geistig abwesend, sonst hätte Ihnen auffallen müssen,

dass diese Landesregierung sogar einen Schwerpunkt im Gewaltschutz setzt.

(Beifall bei der CDU)

Wir kennen die Zahlen. Man schätzt, dass jede vierte Frau in Deutschland schon einmal Gewalterfahrung gemacht hat. Wir wissen, dass die Kinder seelisch und körperlich unter diesen Belastungen leiden. Entweder erleiden sie seelisch die Gewalt, oder sie müssen die Misshandlungen in der Familie miterleben. Diesen Opfern müssen und wollen wir helfen. Sie haben uneingeschränkten Anspruch auf Schutz und Hilfe. Es ist ein ureigenes Ziel von Sozialpolitik, Menschen in Not beizustehen. Das werden wir tun.

(Beifall bei der CDU)

Aus diesem Grunde haben wir uns hier besonders engagiert. Trotz notwendiger harter Einsparungen in allen Bereichen, um die Schulden des Landes im Jahre 2005 erneut zu verringern, ist es uns gelungen, den Gewaltschutz für Frauen und Kinder von Sparmaßnahmen zu verschonen. Die Förderung der Frauenhäuser und der Gewaltberatungsstellen bleibt ebenso unverändert wie die Unterstützung der Notrufe und Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch. Zur Förderung von Betreuungseinrichtungen und Schutzwohnungen für von Frauenhandel Betroffene stehen im Haushalt 2005 350 000 Euro zur Verfügung. Das sind 77 000 Euro mehr als im Jahre 2004.

Beratungsstellen, die im Bereich „Gewalt gegen Kinder“ arbeiten, werden wie 2004 mit 740 000 Euro gefördert.

(Zuruf von der SPD: Und die Mäd- chenhäuser?)

Die BISS-Stellen habe ich schon genannt. Sie werden weiterhin gefördert und flächendeckend ausgebaut.

Diese Beispiele zeigen, wie sehr uns der Schutz der betroffenen Frauen und Kinder am Herzen liegt. Es wäre meines Erachtens ein Grund gewesen, sich quer durch alle Fraktionen zu freuen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Unter „www.grueneniedersachsen.de“ kann man lesen:

„Schwarz-gelbe Zeiten für die Frauenpolitik in Niedersachsen. Die Diskussion um den Abbau der Gewaltschutzberatungsstellen ist ein Beispiel für den Stellenwert der Frauenrechte

unter der schwarz-gelben Landesregierung.“

Weiter können wir lesen: „Gute Zeiten für Prügler, schlechte Zeiten für Gewaltschutzopfer?“ - Gott sei Dank endet der Satz mit einem Fragezeichen. Was bilden Sie sich eigentlich ein, so etwas auf Ihrer Internetseite abzudrucken? - Das ist eine Unverschämtheit.

(Beifall bei der CDU)

Weiter kann man lesen: „Etikettenschwindel bei Förderung im Gewaltschutzbereich“. Ferner können wir lesen - es kommt ja noch viel schlimmer -: „Unterlassene Hilfsleistung. Landesregierung streicht Schutz und Beratung für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist sicherlich Aufgabe der Opposition, die Regierung kritisch zu begleiten. Aber Kritik sollte konstruktiv sein und nicht allein aus unzutreffenden Vorwürfen bestehen. Es ist menschlich unanständig, das Schicksal der Gewaltopfer, die unsere ganze Unterstützung verdienen, hier zum Spielball parteipolitischer Auseinandersetzungen zu machen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die CDU-Fraktion hätte erwartet, dass Sie sich für die unsachliche Diskussion und die unwahren Behauptungen hier und heute in aller Deutlichkeit bei unserer Sozialministerin Frau Dr. von der Leyen entschuldigt hätten. Aber nichts ist passiert, ganz im Gegenteil.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, Gewaltschutz-, Frauenund Familienpolitik sind seit der Regierungsübernahme ein Schwerpunkt der Arbeit dieser Landesregierung, dieser Sozialministerin und der Landtagsfraktionen von CDU und FDP. Ich habe die Zahlen bereits genannt. Damit wir hier aber weiter erfolgreich Politik betreiben können, brauchen wir auch die Rückendeckung aus Berlin. Dazu zählt z. B. eine bessere Arbeits- und Wirtschaftspolitik. Meine ganz herzliche Bitte an Sie, meine Damen und Herren von SPD und Bündnis 90/Die Grünen: Helfen Sie mit, setzen Sie sich in Berlin ein. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Für die Landesregierung Frau Ministerin Dr. von der Leyen, bitte!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Schutz von Frauen und Kindern vor Gewalt ist ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit dieser Landesregierung. Die beiden Entschließungsanträge, die wir heute diskutieren, sind durch den Beschluss zum Haushalt positiv erledigt; denn wir haben die differenzierten Schutz- und Beratungsstrukturen für von Gewalt betroffene Frauen und Kinder in Niedersachsen erhalten. Die Mittel für Frauenhäuser und Gewaltberatungsstellen stehen in unveränderter Höhe zur Verfügung. Die Mittel für Betreuungseinrichtungen und Schutzwohnungen für von Frauenhandel Betroffene wurden sogar erhöht. In der Tat: Die Förderung der drei Mädchenhäuser in Niedersachsen musste der Förderung der anderen Gewaltberatungsstellen und Notrufe angeglichen werden, d. h. auf ein und dasselbe Niveau.

Frau Hemme und Frau Helmhold, erkennen Sie doch einfach einmal an, dass es uns gelungen ist, die BISS-Stellen auf Dauer zu verankern.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Da alle hier im Raum die Haushaltslage kennen, ist damit klar, dass wir nicht nur über Schwerpunkte reden, sondern auch handeln.