Protocol of the Session on January 26, 2005

Die Bundesregierung ist jedoch in der Situation, sparen zu müssen. Nicht zuletzt, weil die CDU den überfälligen Subventionsabbau blockiert, muss auch bei den Verkehrsinvestitionen gespart werden.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Also doch!)

Dass beim GVFG und bei anderen Verkehrsausgaben des Bundes gekürzt wird, ist Ausfluss des Koch/Steinbrück-Papiers, das unter dem Aspekt der Kompensation für die blockierte Abschaffung der Eigenheimförderung und die nur halbherzige Einschränkung der Entfernungspauschale im Vermittlungsausschuss eingebracht wurde.

Meine Damen und Herren, interessant ist im Übrigen auch die unterschiedliche Bewertung von Haushaltseinsparungen. Wenn die Landesregierung das Blindengeld abschaffen will, ist dies eine unvermeidbare Einsparung aufgrund der katastrophalen Haushaltslage.

(Bernd Althusmann [CDU]: Das tun wir doch gar nicht! Blödsinn!)

Wenn aber ein Bundesminister einmal ein Gedankenspiel durchführt, wie er seine knappen Haushaltsmittel in drei Jahren umschichten könnte, sieht die Landesregierung wieder einmal den Untergang des verkehrspolitischen Abendlandes gekommen.

(Beifall bei der SPD)

Wir stehen eindeutig hinter den Regionalisierungsmitteln in bisheriger Höhe. Wir sind gegen jede Kürzung dieser Bundesmittel, die wir keineswegs als Subvention einordnen wollen.

Einer Landesregierung, die sich über die Überlegungen eines einzelnen Ministers so empört, möchte ich einmal die Kürzungen im Verkehrskapitel des Landeshaushalts seit 2002 vorhalten. Zunächst haben Sie das Omnibusbeschaffungsprogramm für das Jahr 2004 ausgesetzt und den Verkehrsunternehmen damit 28,6 Millionen Euro weggenommen. Anschließend ist der Ansatz für 2005 nur noch auf 18,4 Millionen Euro festgesetzt worden.

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Das ist eine Kürzung von 47 Millionen Euro in zwei Jahren. Das Investitionsbudget des Landesstraßenbauplafond ist zur Haushaltskonsolidierung im Haushaltsjahr 2005 um 15,6 Millionen Euro gekürzt worden. Im Kapitel „Allgemeine Bewilligungen“ im Bereich Verkehr im Haushalt des Ministeriums für Wirtschaft werden um 35,9 Millionen Euro geringere Ausgaben als noch im Jahr 2004 ausgewiesen - und das, obwohl die Einnahmen um fast 4 Millionen Euro ansteigen.

Herr Kollege, Sie haben die Redezeit weit überschritten.

Zum Schluss: Herr Hirche, um die Bahn in Niedersachsen auf das Abstellgleis zu schieben, brauchen Sie Herrn Stolpe nicht. Das machen Sie schon ganz allein.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat jetzt der Kollege Hermann.

Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren! Wieder einmal führt uns die Bundesregierung vor Augen, wie verzweifelt die Haushaltslage wirklich ist. Trotz aller Beteuerungen des Ministers Eichel, den Haushalt im Griff zu haben und demnächst sogar wieder die Maastricht-Kriterien zu erfüllen, ist klar: Der Bund muss jeden Cent zusammenklauben, den er irgendwo bekommen kann. Nachdem das eigene Vermögen in Form von Aktien von Post und Telekom fast gänzlich an die KfW veräußert wurde und sich die Bundesbank noch - noch! gegen einen Verkauf der Goldreserven sperrt, sind nun erst einmal die Länder an der Reihe.

1 Milliarde Euro sollen bei den Regionalisierungsmitteln gestrichen werden. Das betrifft Niedersachsen mit bis zu 90 Millionen Euro. Natürlich ist uns klar, dass das Regionalisierungsgesetz, auf dem diese Mittel basieren, bis 2007 neu verhandelt werden muss. Aber da es ein Zustimmungsgesetz ist, sollen die Länder von Anfang an miteinbezogen werden. So war es vereinbart, und so soll es auch gemacht werden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn es sich aber als richtig herausstellt, dass hier zwei Bundesminister - Herr Eichel und Herr Stolpe - über die Köpfe der Länder hinweg deren Mittel unter sich aufteilen, dann ist das inakzeptabel, ich meine sogar skandalös, meine Damen und Herren.

Es handelt sich hierbei um ganz einfache Umverteilungen: Mittel für den ÖPNV sollen umgewandelt werden in Mittel für Investitionen in den Schienenfernverkehr. Dabei sollten im Etat von Minister Stolpe eigentlich genügend Mittel vorhanden sein. Alle Projekte waren mit geplanten Mauteinnahmen gegenfinanziert. Nun sind diese Einnahmen deutlich später und in geringerem Umfang geflossen als geplant. Doch anstatt einen Fehler einzugestehen und bei seinen eigenen Projekten zu sparen, plant der Minister stattdessen, die Mittel der Länder zusammenzustreichen. Meine Damen und Herren, dies ist gelebte Anti-Konnexität.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das Ziel des Ministers ist klar: Die Bahn soll attraktiver für ihren Börsengang werden, damit die Aktienverkäufe möglichst viel Geld in die leeren Kassen des Bundes spülen. Das ist verständlich und findet auch unsere Unterstützung. Aber: Warum sollen dafür die Länder zahlen? Warum soll der ÖPNV darunter leiden

(Ursula Körtner [CDU]: Sehr richtig!)

der öffentliche Personennahverkehr, der eine tragende Säule im Verkehrskonzept der Länder ist? Mit den Mitteln aus dem Regionalisierungsgesetz wird eine Vielzahl von Investitionen finanziert, die große Bedeutung für unsere Region haben. Oft sind es nur kleine Projekte, wie eine Park-andRide-Anlage oder eine moderne Haltestelle, die vor Ort aber sehr viel bewegen. Natürlich kam auch das Land nicht umhin, im Rahmen der allgemeinen Einsparungen schmerzhafte Kürzungen vorzunehmen. Dabei wurde aber immer darauf geachtet, den Kern eines funktionsfähigen ÖPNV nicht zu berühren. Würden die angekündigten Kürzungen umgesetzt, wäre das nicht mehr möglich. Ein deutlich „dünnerer“ Verkehr oder die Streichung wichtiger Investitionen wären unvermeidlich wie z. B. die Anschaffung eines modernen Zug-Pools, ohne den die Ausweitung von Wettbewerb im Schienennahverkehr zum Erliegen kommen würde.

Meine Damen und Herren, es ist bemerkenswert, dass auch die Grünen auf Bundesebene sich gegen die Pläne der Minister Eichel und Stolpe ausgesprochen haben. Bremsen wir also gemeinsam die Pläne der Minister! Bis zur vereinbarten Neufestsetzung der Mittel im Jahre 2007 ist noch Zeit für Verhandlungen. Aber, meine Damen und Herren: Wehret den Anfängen! - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Herr Kollege Hagenah hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dinkla, Herr Hermann, wer im Glashaus sitzt, der sollte nicht mit Steinen werfen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Selten ist dieses Bild so zutreffend wie im Zusammenhang mit diesem Antrag der CDU-Fraktion zur heutigen Aktuellen Stunde; denn gerade diese CDU/FDP-Landesregierung ist es doch, die dafür sorgt, dass die Bundesmittel für die Infrastruktur im Schienenpersonennahverkehr und im ÖPNV in Niedersachsen zunehmend zweckentfremdet werden.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU und bei der FDP - Hermann Eppers [CDU]: Schleswig-Holstein!)

Sie haben sich zwei Wege zur Geldumleitung geschaffen. Erstens. Nach dem neuen Nahverkehrsgesetz fließen 10 % der Mittel - ohne echte Zweckbindung - an die Kreise mit der latenten Gefahr der Zweckentfremdung, Herr Dinkla. Einige Ihrer Kollegen haben auch schon schamlos erklärt, dass sie das sehr wohl machen wollen. Zweitens. Kollege Will hat schon darauf hingewiesen: Laut Personenbeförderungsgesetz hat Niedersachsen Landesmittel für die Schülerbeförderung einzusetzen. Was macht diese Landesregierung? - Ab 2005 finanzieren Sie Ihren 90 Millionen Euro schweren Anteil für die Schülerbeförderung in Gänze aus Regionalisierungsmitteln.

(Stefan Wenzel [GRÜNE]: Hört, hört!)

Das sind insgesamt jährlich etwa 100 Millionen Euro, die Niedersachsen nicht im Sinne der Bahnreform für Infrastrukturerhalt zur Verfügung stellt. Exakt auf diesen Finanzmissbrauch der Bundesmittel bezieht sich der Vermerk der Minister Stolpe und Eichel. Herr Stolpe hat natürlich Recht, wenn er sagt, dass er die Mittel für den ÖPNV und die Bahn nicht kürzen will; denn die beiden haben bekanntlich vereinbart, dass die Regionalisierungsmittel zugunsten des Infrastrukturerhaltes bei der Bahn umgeschichtet werden sollen.

(Hermann Dinkla [CDU]: In die neuen Länder!)

Damit das von vornherein klar ist: Das wollen wir nicht! - Aber zunächst einmal müssen wir hier unsere Hausaufgaben machen. Diese Hausaufgaben haben Sie zu erledigen; denn Sie stellen hier die Landesregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wenn mehrere Länder auf diese Weise Geld aus dem Bundestopf abzapfen, ist die Milliarde, die Stolpe und Eichel in diesem Bereich umschichten wollen, nämlich schnell erreicht. 100 Millionen aus Niedersachsen - das ist exakt unser 10-%-Anteil, der bei der Verteilung auf alle Länder gilt. Insofern wäre eine Umschichtung für den Bund begründbar, wenn im Jahre 2007 die Revision der Regionalisierungsmittel ansteht. Wir sagen Ihnen klar und haben auch auf Bundesebene erklärt: Das wollen wir nicht! - Aber ich bitte Sie: Mit welchem Argument sollen wir denn gegenhalten, wenn diese Landesregierung diesen Missbrauch von Mitteln fortsetzt? - Wir haben Sie in den Haushaltsberatungen der vergangenen Jahre immer darauf hingewiesen. Als Sie mit der Umschichtung der 40 Millionen Euro begonnen haben, haben sie noch zugesagt, dass das wegen der Finanzknappheit eine einmalige Maßnahme sei. Stattdessen haben Sie im nächsten Jahr Ihren Zugriff schlichtweg verdoppelt und haben jetzt mit den Neuregelungen im Nahverkehrsgesetz noch einen draufgesetzt. Wer den Bund so zur Mittelumschichtung einlädt, der darf sich anschließend nicht wundern, dass dort Gedankenspiele ins Kraut schießen. Herr Dinkla, dass Sie vor diesem Hintergrund noch die Stirn haben, hier eine Aktuelle Stunde anzumelden, um Ihre eigenen Fehler anzuklagen, nenne ich wirklich einen Schuss nach hinten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben Ihnen im letzten Jahr dazu einen Antrag vorgelegt, in dem wir gefordert haben, dass einerseits mit diesem Missbrauch von Mitteln Schluss sein muss und wir andererseits natürlich mithilfe unserer Regionalisierungsmittel mehr für Niedersachsens Netz bewirken können. Leider sind die Beratungen im Ausschuss bisher nicht nur zum Stocken gekommen, Sie haben in der letzten Sitzung, ohne eigene Vorschläge zu unterbreiten, unseren Antrag sogar pauschal abgelehnt. Ich sage Ihnen: Mit dieser Strategie laufen wir mit Niedersachsens Bahnnetz ins offene Messer des Bundes. Ich bitte Sie, dass Sie jetzt, nachdem die Absprachen von Stolpe und Eichel bekannt geworden sind, endlich ein Einsehen haben und auf unsere Vorschläge eingehen, damit wir in Zukunft wirklich noch sagen können: Niedersachsens Bahnnetz kommt nach vorn, und wir setzen unsere Mittel effizient ein. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, vorhin gab es etwas Unsicherheit, warum ich den neuen Kollegen noch nicht begrüßt habe. Ich kann den neuen Kollegen erst dann begrüßen - so regeln wir das bekanntlich in Deutschland -, wenn alle Formalitäten ordnungsgemäß erledigt sind. Diese Formalitäten sind mittlerweile erledigt. Deshalb begrüße ich jetzt besonders herzlich unseren neuen Kollegen Herrn Güntzler und wünsche ihm hier im Hause viel Freude und viel Erfolg bei seiner Arbeit.

(Beifall im ganzen Hause)

Jetzt hat das Wort Herr Minister Hirche. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Interessant ist zunächst einmal der Sachverhalt. Der Kollege Will hat bestritten, dass es eine solche Vereinbarung gebe. Ich bin Herrn Hagenah dankbar dafür, dass er darauf hingewiesen hat, dass es einen Vermerk über ein Gespräch zwischen Verkehrsminister Stolpe und Finanzminister Eichel gibt, das am 26. Oktober vergangenen Jahres geführt worden ist. Ihr Kollege Schmidt aus dem Deutschen Bundestag hat das gegenüber dpa und Financial Times bestätigt. Meine Damen und Herren, das ist die Ausgangslage. Das ist in diesem Zusammenhang kein bloßes Gedankenspiel. Richtig ist, dass, wie gesagt worden ist, das Ganze zustimmungspflichtig ist, meine Damen und Herren. Deswegen wird hier nichts so heiß gegessen, wie es im Augenblick zwischen den beiden Ministern gekocht wird.

Im Übrigen - das sage ich auch dem Kollegen Will - stehen allerdings die Erklärungen von Herrn Stolpe natürlich so einsam in der Landschaft, weil sich der Finanzminister in keiner Weise geäußert hat und seinem Kollegen schlicht die Freiheit lässt, ein neues Interview zu geben.

Die Sache ist also so, wie sie geschildert worden ist. Meine Damen und Herren, das ist eigentlich der Punkt. Das steht im absoluten Widerspruch zu dem, was Rot-Grün in der Vergangenheit verkündet hat. Sie haben gesagt, die öffentlichen Verkehrssysteme zuverlässiger, schneller, behinder

tengerechter und alternativer zu machen. Sie haben von einer Qualitätsoffensive für den ÖPNV gesprochen.

Schließlich kann wohl niemand bestreiten, dass allein der Bund für die Finanzierung der Schieneninfrastruktur verantwortlich ist. Meine Damen und Herren, es ist richtig - das bestreitet doch niemand -, dass das Land Niedersachsen die Vorgehensweise von Schleswig-Holstein - rot-grüne Landesregierung - und Mecklenburg-Vorpommern - Rot-Rot - übernommen hat, einen Teil der Regionalisierungsmittel für den Schülerverkehr zu verwenden. Warum haben das diese drei Länder gemacht? Weil der Schülerverkehr die kritische Masse ist, mit der der öffentliche Personennahverkehr in der Fläche überhaupt aufrechterhalten wird.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn wir es nicht mehr schaffen, die Schülerverkehre aufrechtzuerhalten, dann bricht der gesamte öffentliche Nahverkehr zusammen. Da besteht also ein innerer Zusammenhang bei diesem Thema. Deswegen glaube ich, dass wir beim Bund, der diese Verfahrensweise auch durch die öffentliche Diskussion kennt, dafür Verständnis finden werden. Dass dies mit einbezogen wird, ist für die Zeit nach 2007 ziemlich sicher.