Protocol of the Session on December 16, 2004

Herr Minister, ich frage die Landesregierung: Ist es richtig, dass gegen den Pastor der Kirchengemeinde ein Strafverfahren eingeleitet wurde, und gibt es weitere Personen, gegen die ein solches Verfahren eingeleitet wurde?

Herr Minister Schünemann!

Auch diese Frage habe ich schon beantwortet. Es ist eine Videoaufnahme angefertigt worden. Diese befindet sich bei der Staatsanwaltschaft. Wir müssen jetzt abwarten, wie die Auswertung dort ausfällt und was die Staatsanwaltschaft dann beantragt.

Eine weitere Zusatzfrage stellt jetzt die Abgeordnete Merk.

Herr Minister, Sie haben vorhin vorgetragen, dass die betreffende Familie nach ihrer Rückführung nach Vietnam inzwischen im Kreise ihrer Verwandten lebt. Gibt es Erkenntnisse darüber, wie der Übergang nach Vietnam an der Grenze genau abgelaufen ist und ob es Probleme gegeben hat? Ich möchte das deshalb wissen, weil wir bei Abschiebungen häufig mit dieser Frage konfrontiert sind. Da wir Vietnamesen häufiger abschieben, wüsste ich gerne, ob es Probleme gegeben hat.

Herr Minister Schünemann!

Der Bundesgrenzschutz hat uns nichts mitgeteilt. Deshalb gehe ich davon aus, dass es keine Auffälligkeiten gegeben hat. Wir können aber gern noch einmal nachfragen.

Herr Abgeordneter Biallas!

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Familienvater im Jahr 1991 illegal nach Deutschland eingereist ist und für die Familie die Bleiberechtsregelung nicht greifen konnte, weil sie fast durchgängig ausschließlich von öffentlichen Mitteln gelebt hat, frage ich die Landesregierung erstens: Wie viele öffentliche Mittel sind in den 14 Jahren für die Familie aufgewendet worden?

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ich es für an den Haaren herbeigezogen halte, wenn man einen mit Computern ausgestatteten Raum in einem Gemeindehaus deshalb zu einem sakralen Raum erklärt, weil dort schon einmal ein Gottesdienst stattgefunden hat, frage ich die Landesregierung zweitens, ob sie meine Auffassung teilt, dass dies schon deshalb nicht zutreffen kann, weil sonst auch jeder Wald zu einem sakralen Raum erklärt werden müsste, wenn dort ein Waldgottesdienst stattgefunden hat.

Herr Minister Schünemann!

Zur ersten Frage: Die Zahl könnte ich Ihnen jetzt nennen. Wenn Sie damit einverstanden sind, können Sie sie aber auch in der Petition nachlesen, weil sie auch schon im Petitionsverfahren bekannt gegeben worden ist. Es ist aber eine erkleckliche Summe.

Was Ihre zweite Frage angeht, so sind Sie dort sicherlich eher Fachmann als ich. Ich würde das aber genauso sehen.

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Briese.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Hat sich erle- digt!)

Dann stellt seine zweite Zusatzfrage jetzt der Abgeordnete Dr. Lennartz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da Sie eben dazu aufgerufen haben, dass wir uns mit dieser Angelegenheit möglichst sachlich auseinander setzen sollten, möchte ich noch einmal kurz auf Folgendes hinweisen. Herr Minister, ich kann in dieser Anfrage keine Doppelmoral erkennen. Wir bestreiten nicht, dass die Rechtslage eindeutig ist. Der entscheidende Unterschied zwischen der Landesregierung und uns als Anfragestellern besteht darin, dass wir davon ausgehen, dass hier ein Fall des Kirchenasyls vorlag, Sie aber sagen, dass dies nicht der Fall war. Nur daraus resultiert sozusagen die Herangehensweise an diese Fragestellung. Damit komme ich zu meiner zweiten und letzten Frage: Es gibt ja seit mehreren Jahren eine Vereinbarung zwischen der damaligen Landesregierung und den Kirchen in Niedersachsen, dass in Fällen des Kirchenasyls vonseiten der Landesregierung bzw. der zuständigen Behörden darauf verzichtet wird abzuschieben. Ich möchte wissen, ob diese Vereinbarung auch von Ihnen, also der jetzt amtierenden Landesregierung, weiterhin so eingehalten wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Reinhold Coenen [CDU]: Das haben wir doch schon gesagt!)

Herr Minister Schünemann antwortet für die Landesregierung.

Die Haltung der Landesregierung zum Kirchenasyl habe ich in meinen einleitenden Sätzen bereits sehr ausführlich dargestellt. Ich empfehle, dies im Protokoll nachzulesen. Dennoch möchte ich die Frage kurz beantworten: Es gab nie eine schriftliche Vereinbarung, auch nicht zwischen der alten

Landesregierung und den Kirchen. Zudem ist in Gesprächen festgestellt worden, dass es das Rechtsinstitut des Kirchenasyls nicht gibt. Deshalb spreche ich ganz bewusst von dem so genannten Kirchenasyl. Dies ist übrigens auch in dem Schreiben des Kirchenamtes an die Superintendenten so dargestellt worden. Die letzte Frage, die Sie gestellt haben, möchte ich gerne wie folgt beantworten: Es ist richtig, dass wir bei Aufenthalt in sakralen Räumen vorübergehend darauf verzichten abzuschieben. Aber das lag hier in keinem Fall vor.

Eine Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Bode.

(Zuruf von der FDP: Die Frage wird zurückgezogen!)

Ihre zweite Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Korter.

Herr Minister Schünemann, Sie haben vorhin ausgeführt, alle Beamten hätten sich bei der Abschiebung an die gültigen und geltenden Regeln gehalten.

(Zustimmung von Hans-Christian Bi- allas [CDU])

Die Menschen, die sich für die Familie eingesetzt und das Kirchenasyl für sie ermöglicht haben, haben aus Ihrer Sicht Regeln verletzt, aber nicht aus meiner Sicht. Wenn diese Menschen schon die Zivilcourage und die christliche Nächstenliebe aufgebracht haben, sich für Menschen, die von Abschiebung bedroht sind und verängstigt waren, einzusetzen,

(Angelika Jahns [CDU]: Es gibt doch Regeln in unserer Gesellschaft!)

dann finde ich es nicht richtig, sie mit Strafverfahren zu bedrohen. Halten Sie es in Zukunft für vernünftig, sinnvoll und aus Ihrem Verständnis heraus für richtig, diese Menschen, die sich in solchen akuten Notfällen für andere einsetzen wollen, mit Strafverfahren abzuschrecken?

Herr Minister Schünemann!

Ich könnte Ihnen zwar jetzt noch einmal die Paragrafen vorlesen, die auch vom Landeskirchenamt ganz klar dargestellt worden sind, aber aus Zeitgründen möchte ich darauf verzichten. Es ist die Aufgabe der Staatsanwaltschaft bzw. der Strafverfolgungsbehörden festzustellen, ob hier eine Straftat vorgelegen hat oder nicht. Wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat. Insofern müssen sich alle daran halten. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass man sich mit denjenigen solidarisiert, die seit mehr als zehn Jahren hier leben. Das ist überhaupt keine Frage. Aber man muss sich an Recht und Gesetz halten. Davon ist niemand ausgenommen, auch nicht die Pastoren.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Seine zweite Zusatzfrage stellt der Abgeordnete Klein.

Unabhängig davon, wie sakral dieser Raum war, ist inzwischen doch eindeutig belegt, dass sich diese Familie ganz bewusst in den Schutz der örtlichen Kirche begeben hat und dass das von den örtlichen Kirchenvertretern gegenüber den Behörden entsprechend dargestellt und klar gemacht worden ist. Ich frage Sie: Welche Bedeutung hat eigentlich noch das C im Namen der Regierungspartei,

(Beifall bei den GRÜNEN)

wenn Ihnen in diesem Fall die Zehn Gebote nicht mehr genügen, sondern Sie pharisäerhaft ein solch unchristliches Verhalten mit juristischen Spitzfindigkeiten auch noch rechtfertigen wollen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Anneliese Zachow [CDU]: Herr Präsident, das geht zu weit!)

Herr Minister Schünemann antwortet für die Landesregierung.

Darauf antworte ich nicht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine zweite Zusatzfrage stellt die Abgeordnete Frau Helmhold.

Dann will ich mich dem von einer anderen Seite her nähern. Vielleicht antworten Sie ja dann. Ich würde mich jedenfalls freuen.

Ich habe Ihren einleitenden Worten sehr aufmerksam zugehört. Sie haben gesagt, es gebe eine Vereinbarung, dass die Behörden das Kirchenasyl akzeptieren, allerdings ohne die Anerkennung einer Rechtspflicht hierzu. - Können Sie mich verstehen oder nicht?

(Minister Uwe Schünemann: Akus- tisch schon, aber inhaltlich nicht! - La- chen bei der CDU und bei der FDP - Frau Helmhold [GRÜNE] geht vom Saalmikrofon zum Rednerpult)

- Dann versuche ich es noch einmal mit neuer Akustik. - Sie haben in Ihren Eingangsbemerkungen gesagt, dass die Behörden das Kirchenasyl akzeptieren, also dort keinen Zwang anwenden, und zwar ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dazu, weil es ja kein rechtliches Institut ist. Im Kern geht es doch um die Frage: War dies ein sakraler Raum oder nicht? - Ich frage mich, wer in diesem Fall aus Ihrer Sicht die Definitionshoheit hat. Sind das die Einsatzkräfte der Polizei, oder sind es nicht vielmehr die Kirchengemeinde und der Pastor dieser Kirchengemeinde, der mehrmals betont, dass sich die Familie in einem sakralen Raum befindet, insofern Kirchenasyl beansprucht und sich auch in dessen Sicherheit begibt? Oder ist es aus Ihrer Sicht so, dass sich Menschen, die Kirchenasyl beanspruchen, z. B. direkt unter dem Altar aufhalten müssen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Bernd Althusmann [CDU]: Es gibt kein Kir- chenasyl!)

Herr Minister Schünemann antwortet für die Landesregierung.

Kirchenasyl ist kein Rechtsinstitut. Das habe ich deutlich dargestellt, und das kann ich gern wiederholen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Das habe ich auch verstanden!)

Es gibt aber eine mündliche Vereinbarung zwischen der Landesregierung und den Kirchen, dass man in eindeutig sakralen Räumen nicht einschreitet. Dies hat hier wirklich nicht vorgelegen.

(Ursula Helmhold [GRÜNE]: Der Pastor hat also gelogen?)