Protocol of the Session on June 24, 2004

(Beifall bei der SPD)

Ihr Punkt 1 und unser Punkt 4 sind identisch, Ihr Punkt 2 und unser Punkt 5 ebenfalls. Wie ich schon in der ersten Beratung sagte, gegen Bürokratieabbau haben wir nichts, wenn er denn wirklich als solcher zu erkennen ist. Uns ist es aber sehr wichtig, dass nicht der Bürokratieabbau vorne

steht, sondern gerade die Punkte 1 und 2 in unserem Antrag Beachtung finden, die sich auf den Aufbau niedrigschwelliger Angebote für demenzkranke Menschen beziehen. Aber Sie haben das Angebot kühl abgelehnt. Wenn Sie jetzt zu sagen wagen, es gehe Ihnen um die Verbesserung der Lebenssituation alter Menschen, empfinde ich das als sehr - ich will es mal so sagen - scheinfromm.

(Beifall bei der SPD)

Können und wollen Sie das wirklich verantworten? - Ich versuche noch einmal, Sie zu überzeugen, und hoffe auf Ihre Einsicht, dass Sie unseren Antrag doch annehmen. Ihr Antrag reduziert sich auf die Kosten. Unser Antrag geht weiter und ist konkreter. Er beinhaltet auch die notwendige Pflege.

Wenn ich Ihnen den chronologischen Ablauf noch einmal vor Augen führe, muss es auch Sie erschrecken, erstens zu erfahren, dass die Arbeitsgruppe des Landespflegeausschusses zur Erarbeitung von Leitlinien zur Pflegedokumentation bis heute kein Ergebnis vorgelegt hat, zweitens bestätigt zu bekommen, dass 1,8 Millionen Euro im Haushalt bereitstehen, aber von den Trägern nicht abgerufen werden können, drittens zu erfahren, dass sich eine zu erarbeitende Förderrichtlinie immer noch im Verfahren der Ressortabstimmung befindet - die Aussage „Wir sind dabei zu konkretisieren“ ist wirklich nicht beruhigend -,

(Beifall bei der SPD)

viertens zu hören, dass Frau Ministerin Dr. von der Leyen auf meine konkrete Frage im Plenum am 10. März 2004, warum sie die 1,8 Millionen Euro nicht zur Verfügung stellt, bis heute keine klare Antwort gegeben hat. Mein letzter Wissensstand ist, dass immer noch kein Geld unterwegs ist.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP! Sehr geehrte Frau Mundlos! Hier kommen Sie mit der von Ihnen hoch gepriesenen Höflichkeit gegenüber der Landesregierung nicht weiter. Vertrauen erzeugt diese zögerliche Bearbeitung auch nicht gerade. Sehen Sie nicht, dass hier Bitten nicht ausreicht, sondern dass Fordern gefragt ist? - Wir wollen doch alle, dass unsinniger Aufwand eingespart wird. Wir wolle alle, dass in die Heime Motivation kommt. Wenn wir das alle wollen, kann ich nicht verstehen, dass Sie auf Ihrem kleinen Antrag bestehen und ihn nicht durch unseren erweitern wollen.

Wir müssen alle wollen, dass die Strukturqualität in der Pflege stimmt. Dazu zählen die personellen und materiellen Ressourcen. Wir müssen alle wollen, dass die Prozessqualität in der Pflege stimmt. Dazu gehört, dass Art und Umfang des pflegerischen Handelns beschrieben werden. Zur Prozessqualität gehören Pflegeplanung, Pflegedokumentation ebenso wie die Entwicklung von Pflegestandards. Wir müssen alle wollen, dass die Ergebnisqualität stimmt. Dazu gehört, dass das Wohlbefinden von Patienten und Pflegepersonal sichergestellt ist. Wenn Sie dieses auch alles wollen, gehört auch das Thema Ausbildung und Forschung in Ihren Antrag, das Sie ganz unterschlagen haben.

Außerdem wurde durch zwölf Stellungnahmen in der schriftlichen Anhörung der Träger der SPDAntrag deutlich unterstützt. Liebe Frau Kohlenberg, ich glaube, die Träger wissen, welches Problem da betroffen ist. Einige wenige Zitate dazu, um Sie vielleicht völlig zu überzeugen, wenn Sie mir nicht glauben oder nicht direkt folgen können.

Zum Antrag der CDU: Es ist festzustellen, dass auch bisher nichts anderes als das Sinnvolle und Notwendige in der Pflegedokumentation verlangt wird.

Weiterhin zum CDU-Antrag: Die Funktion eines Schutzcharakters der Dokumentation bezieht sich dabei nicht nur auf die Pflegeempfänger, sondern auch auf die Pflegekräfte. Eine systematische Dokumentation entlang der Prozessschritte ist absolut unerlässlich. Entbürokratisierung in der Pflege sollte nicht missverstanden werden als Reduktion, sondern vielmehr als deren Optimierung durch elektronische Dokumentation. - Darüber sind wir uns ja auch ein bisschen einig geworden.

Zum SPD-Antrag: Der Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten neben den klassischen Leistungen nach dem SGB XI ermöglicht eine stärkere bedürfnisorientierte Differenzierung der Dienstleistungsangebote. Der Bundesgesetzgeber hat durch das Pflegeleistungsergänzungsgesetz die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen durch den § 45 c SGB XI ermöglicht. Bislang existiert in Niedersachsen - darauf ist noch einmal hinzuweisen, weil es ja eben auf den Bund bezogen worden ist noch keine entsprechende Rechtsverordnung zur Förderung von Modellprojekten.

Und so weiter, und so weiter. Ich will das nicht alles ausführen. Wie gesagt, zwölf Stellungnahmen

haben überwiegend deutlich dem SPD-Antrag zugestimmt.

Sehr geehrte Damen und Herren! Noch einmal: Wir sind hier schließlich nicht an der Börse und feilschen nicht um Aktienkurse, sondern wir reden über Menschen, die von der Entscheidung der Politik abhängig sind. Der Bereich Pflege eignet sich nicht für parteipolitische Auseinandersetzungen. Zukunftsfähige Lösungen kann es nur geben, wenn sich alle Beteiligten nach Kräften gemeinsam um diese bemühen. Muss denn erst wieder eine Umfrage gestartet werden, damit CDU und FDP reagieren?

(Beifall bei der SPD - Hans-Christian Biallas [CDU]: Kennen Sie die neu- esten Umfragen für die SPD?)

- Sie wissen genau, welche Umfrage ich meine. Sie brauchen gar nicht abzulenken.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Ich meine die Forsa-Umfrage! - Bernd Althusmann [CDU]: Sie müssen auf- passen, dass Sie zweistellig bleiben! - Heinz Rolfes [CDU]: Projekt 18 %!)

Gestern Abend beim Katholischen Forum Niedersachsen habe ich den Satz gelesen - -

(Weitere Zurufe von der CDU)

Frau Kollegin, fahren Sie bitte fort.

Gestern Abend beim Katholischen Forum Niedersachsen habe ich den Satz gelesen: Die meiste Zeit geht dadurch verloren, dass man nicht zu Ende denkt. Darüber nachzudenken, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann uns, glaube ich, allen nicht schaden. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Insbesondere der SPD nicht!)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Frau Meißner hat das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Groskurt, Sie haben eben Ihr Bedauern ausgedrückt, dass wir keinen gemeinsamen Antrag gemacht haben. Es ist richtig, dass uns allen die Pflege wichtig ist, sodass wir über gemeinsame Anträge nachdenken sollten. Nur, es gibt bei Ihnen einige Knackpunkte - darüber haben wir gesprochen -, bei denen wir nicht ohne Weiteres auf eine Linie kommen. Wir haben beispielsweise zu den Ihnen so wichtigen Punkten 1 und 2 vorgeschlagen, einen gesonderten gemeinsamen Antrag zu erarbeiten und diese beiden Punkte herauszunehmen. Dem ist aber nicht zugestimmt worden. So, wie es da steht, können wir auch nicht zustimmen, weil wir nicht sagen können, wir wollen einen flächendeckenden Aufbau niedrigschwelliger Angebote für demenzkranke Menschen. Das wollen wir sicherlich gerne, aber wir können es nicht bezahlen. Wir können als Regierungsfraktionen nur das in Angriff nehmen, was auch wirklich finanzierbar ist. Deshalb wollten wir darüber erneut sprechen und einen gesonderten Antrag erarbeiten.

Was die anderen Punkte angeht, ist es in der Tat so, dass wir teilweise Übereinstimmungen haben. Aber da meinen wir, dass unser Antrag die richtige Linie voll vertritt. Deshalb sind wir für unseren Antrag und gegen Ihren.

Sie haben in der Einleitung Ihres Antrages geschrieben, dass das Pflegegesetz nicht zum Bürokratieabbau beigetragen habe. Auch dem können wir natürlich nicht zustimmen. Wir haben das Niedersächsische Pflegegesetz novelliert und haben damit sehr wohl zur Entbürokratisierung beigetragen. Darauf sind wir stolz, und daran lassen wir nicht deuteln.

(Vizepräsident Ulrich Biel über- nimmt den Vorsitz)

Natürlich ist noch viel zur Entbürokratisierung im Pflegebereich zu tun, nicht unbedingt nur in Niedersachsen, sondern auch auf Bundesebene. Deshalb auch der Hinweis auf die Bundesratsinitiative, die wir von hier aus starten könnten. Ein Paradebeispiel ist - ich habe das schon mal gesagt -, dass man ein Umweltbuch führen und darin dokumentieren muss, wie oft man welche Wäsche mit welchem Waschmittel wäscht. Das ist sicherlich nichts, was den Menschen hilft, die Pflege brauchen. Darum muss so etwas heraus. Wir müssen also noch viel entrümpeln.

(Zuruf von Uwe Harden [SPD])

- Das steht explizit natürlich nicht in dem Antrag, aber ich hatte dieses Beispiel ja schon einmal gebracht. De facto ist das auf Bundesebene geregelt. Das ist ein kleiner Punkt von vielen.

Wir müssen also zusehen, dass wir eine Entbürokratisierung in der Pflege schaffen; das ist völlig richtig. Genau das wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Wir haben gesagt, wir wollen die Pflegedokumentation vereinfachen. Davon ist ein Punkt dieses Umweltbuch. Wir wollen den Verwaltungsaufwand verringern. Ganz wichtig ist, dass wir unklare Rechtszustände beseitigen müssen. Das steht in Ihrem Antrag nicht. Uns ist dieser Punkt sehr wichtig. Denn es gibt für die Leute, die in der Pflege arbeiten, teilweise den Zustand, dass im Heimgesetz etwas anderes steht als im SGB XI, sodass man gar nicht weiß, wie man sich verhalten soll. Das muss geklärt werden, und zwar auf Bundesebene. Dieser Punkt muss geregelt werden, damit es einfacher wird für die Pflege der Menschen vor Ort.

Die Doppelprüfungen in den Heimen haben Sie erwähnt. Es stimmt, dass auch wir da eine Erleichterung wollen. Aber, wie gesagt, in manchen Punkten gehen wir noch einen Schritt weiter. Bei der Demenz konnten wir nicht zustimmen. Das ist ein Grund dafür, dass ich Sie alle auffordere, unseren Antrag zu unterstützen, der beim Bürokratieabbau in der Pflege genau in die richtige Richtung geht, im Sinne der Menschen, die gepflegt werden, und im Interesse der Menschen, die die Pflege betreiben. Ihren Antrag lehnen wir ab. - Danke schön.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als nächste Rednerin hat sich Frau Helmhold von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zu Wort gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kohlenberg, ich muss mich doch sehr wundern, dass Sie hier ausgerechnet die Praxisgebühr als Beispiel für Bürokratie im ambulanten Bereich nehmen. Die haben doch gerade Sie in das Gesundheitsmodernisierungsgesetz hineinverhandelt.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Und jetzt regen Sie sich hier öffentlich über die Folgen auf. Das finde ich schon verwegen!

(Zuruf von Gabriela Kohlenberg [CDU])

- Das haben Sie doch als Beispiel genommen.

Ihr Antrag ist im Wesentlichen tatsächlich überflüssig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich wiederhole gerne den Begriff Placebo oder weiße Salbe. Er beschäftigt sich doch im Wesentlichen mit Belangen, die nicht den Einflussmöglichkeiten des Landes zugänglich sind. Wollen Sie denn allen Ernstes, dass der Landtag den Einrichtungen vorschreibt, ihre Dokumentation mit Computern zu erstellen. Das finde ich ziemlich daneben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das verwundert mich auch, weil Sie an anderer Stelle immer so gerne das Wort von der Eigenverantwortung reden und die Selbstverwaltung sehr hoch halten. Hier mischen Sie sich in Dinge ein, die uns in Wirklichkeit überhaupt nichts angehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was mich besonders ärgert, ist der Popanz, den Sie hier rund um die Pflegedokumentation aufbauen. Das zeugt bestenfalls von Dilettantismus und schlimmstenfalls von bewusstem Verbreiten von Vorurteilen. Denn darüber zu reden, ist das Problem, nicht, dass dokumentiert wird, ist das Problem. Sie haben die Stellungnahmen gelesen. Einen Teil hat Frau Groskurt zitiert. Die Pflegedokumentation gehört unabdingbar zu einer professionellen Pflege genau wie die ärztliche Dokumentation; sie ist genauso wichtig. Darüber sind sich alle Fachleute einig. Sie aber erzählen hier andauernd, wie schlimm Pflegedokumentation ist.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Damit reden Sie Menschen Probleme ein, die es in Wirklichkeit nicht gibt.