Protocol of the Session on February 20, 2004

Sie beklagen immer, dass Deutschland technikfeindlich sei,

(Zuruf von der FDP: Nein, dass Sie technikfeindlich sind!)

aber Sie verhalten sich wirklich wie der schlimmste Technikfeind.

(Beifall bei der SPD)

Hier wird eine sehr anspruchsvolle Technik in Deutschland eingeführt, die es weltweit in dieser Form noch nicht gibt.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, noch nicht mal in Deutschland!)

Keiner hat sie.

(Zuruf von der CDU: Warum wohl?)

Es ist ein sehr ambitioniertes Projekt. Und jetzt gibt es die typischerweise in Deutschland zu besichtigende Selbstzerfleischung. Das funktioniert nicht. Es funktioniert nicht auf Anhieb und alle zeigen mit dem Finger - der eine auf den, der andere auf den -, und Sie wollen daraus auch noch vordergründig politisch Kapital schlagen. Diskutieren Sie doch lieber darüber, unter welchen Voraussetzungen das klappen kann. Ich denke, Sie sind ins Gelingen verliebt.

Ich möchte Ihnen gerne einmal vortragen, was der Ministerpräsident zu diesem Thema gesagt hat - das hat er erst gestern oder vorgestern in der Debatte gesagt -: Ich habe diese Selbstgerechtigkeit der Wirtschaft satt, wenn Herr Ackermann mit dem Victory-Zeichen im Gerichtssaal auftritt

(David McAllister [CDU]: Richtig!)

oder wenn Herr Berger in der Fernsehsendung nach dem Motto auftritt „Wir sind die totalen Hechte, wir sind die klugen Leute, wir wissen, wo es lang geht, und die in der Politik sind zu blöde“.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

- Nun haben Sie dummerweise wieder an der falschen Stelle geklatscht.

(David McAllister [CDU]: Das sind kluge Sätze von Christian Wulff!)

- Sie haben an der falschen Stelle geklatscht; denn Sie haben genau die Verhaltensweise in dieser Debatte an den Tag gelegt, die der Ministerpräsident gestern zu Recht kritisiert hat.

(Beifall bei der SPD - David McAllister [CDU]: Das war ein schlechter Schluss! Das war Gabriel-Niveau!)

Nach § 71 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung erteile ich dem Abgeordneten Hagenah von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine zusätzliche Redezeit von zwei Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister Hirche, die Zwischenfinanzierung - das wissen Sie in Ihrem Haus doch auch - ist von den Regierungsfraktionen im Bund und auch von Minister Stolpe zugesagt worden. Das soll im Rahmen der Haushaltsberatungen jetzt erörtert werden. Es wäre gut gewesen, Herr Dinkla, wenn es heute einen überparteilichen Beschluss vom Land Niedersachsen gegeben hätte, dass wir das auch ganz konkret gemeinsam und einmütig für das Land einfordern. Dass das nicht möglich war, lag nicht an uns.

(Zurufe von der CDU: Was? - Nur an Ihnen!)

Herr Minister Hirche, Sie haben gesagt, ein Untersuchungsausschuss sei deswegen nötig, weil im Bundesverkehrsministerium nicht ordentlich an den Alternativen gearbeitet werde. Uns ist dargestellt worden, dass die Vignette längst vorbereitet ist und dass Übereinstimmung mit den Nachbarländern in der Form erzielt worden ist, dass man, obwohl die Nachbesserungsfrist von Toll Collect noch bis April dauert, in Abstimmung mit den anderen Nachbarländern damit rechnet - Sie wissen, das dauert sonst neun Monate -, schon im September eine Vignette einführen zu können, wenn das Problem tatsächlich nicht Spitz auf Knopf von Toll Collect gelöst wird.

(Hermann Eppers [CDU]: Das hieße, ein Jahr keine Gebühren!)

Das wäre eine enorme Verkürzung dieser Wartezeit. Insofern wäre genau das erfolgt, was auch Sie sich wünschen.

Herr Minister, an einer Stelle konnten wir aber nur noch mit dem Kopf schütteln: dass Sie dem Parlament ungeprüft Mondzahlen darstellen, welche wirtschaftlichen Auswirkungen es habe, wenn 100 Millionen Euro im Jahr in der Bauwirtschaft fehlen.

(Zustimmung von Dorothea Steiner [GRÜNE])

Das ist das kleine Einmaleins. Wenn man 100 Millionen Euro durch 11 000 Arbeitnehmer teilt, dann kommen weniger als 10 000 Euro heraus. Dann möchte ich mal wissen, wie von 10 000 Euro im Jahr ein Arbeitsplatz in der Bauwirtschaft finanziert werden soll. Beim Tiefbau sind in der Regel über 50 % Baumaterialkosten. Das ist wirklich eine Mondzahl.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Übrigens auch Ihre 3 000 betroffenen Arbeitsplätze lassen sich nicht mit dem, was am Bau an Umsatz und an tatsächlichen Baukosten auf einen Arbeitsplatz kommt, in irgendeiner Weise rechtfertigen. Bitte spielen Sie nicht mit dem Feuer, indem Sie hier solche gigantischen Zahlen in die Welt setzen - und das auch noch ungeprüft -; denn die stehen morgen in der Zeitung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU: Völliger Quatsch! - Das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie da reden!)

Die FDP hat noch eine Redezeit von zwei Minuten und 57 Sekunden. Herr Kollege Rickert, bitte schön!

(David McAllister [CDU]: Stellen Sie das bitte richtig, das ist ja unerträg- lich!)

Frau Präsidentin! Meine sehr Damen und Herren! Dass der Ministerpräsident a. D. unsere Gemeinsamkeit nicht schätzt, haben wir alle registriert.

Dafür, dass der Bundesminister in spe jetzt seine zukünftigen Kollegen verteidigt, habe ich hohes Verständnis. Nur, Herr Oppermann, das geht am Ziel vorbei.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Hagenah, dass ausgerechnet Sie mir wirtschaftlichen Sachverstand absprechen wollen, ist ja wohl fast die Höhe. Ich habe die Hälfte meines Lebens in Wirtschaftsunternehmen verbracht. Das wollte ich hier nur klarstellen. Dadurch kann ich auch ermessen, dass die Äußerungen von Herrn Schrempp wahrscheinlich nichts anderes als Lippenbekenntnisse sind, für die wir uns nichts kaufen können.

Herr Oppermann, abschließend noch eine Bemerkung: Das, was wir hier machen,

(Heinrich Aller [SPD]: Wer ist „wir“?)

ist keine parteipolitische Polemik.

(Lachen bei der SPD - Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das, was wir hier machen, ist getragen von der Sorge um den Standort Niedersachsen, um die Arbeitsplätze und um unsere moderne Verkehrsinfrastruktur.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wenn Sie selbst ausführen, dass die MautTechnologie eine sehr schwierige Technologie ist, dann frage ich Sie: Wie kann eine Bundesregierung ein ganzes Land, ein ganzes Verkehrsgewerbe zu einem technologischen Labor oder Versuchskaninchen machen?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Das ist schon mehr als fahrlässig.

Ich möchte noch eines hinzufügen - noch einmal -: Uns treibt die Sorge um. Es geht hier wirklich nicht um taktische Finessen. Es geht um die Tatsache, dass eine Bundesregierung sehenden Auges - oder nicht sehenden Auges; Letzteres wäre schlimmer, aber für mich schon fast nachvollziehbar - Geld in Höhe von 6,5 Milliarden Euro versenkt hat. Das können wir so nicht hinnehmen. Das hat nichts mehr mit Taktik zu tun. Die Bevölkerung schaut nur noch staunend zu und fragt sich: Wo sind die Verantwortlichen, wo liegt die Verantwortung? - Das können wir so nicht akzeptieren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Die CDU-Fraktion verfügt noch über eine Restredezeit von zwei Minuten und 41 Sekunden. Herr Dinkla, bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oppermann, das, was Sie hier vorgetragen haben, war ein großartiges Ablenkungsmanöver.

(Lachen bei der SPD - Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Zur Sache, zur politischen Verantwortung haben Sie überhaupt nichts gesagt. Angesichts der Dimension des finanziellen Schadens, der angerichtet worden ist, hat das Priorität. Dazu haben Sie aber geschwiegen. Das halte ich für ein starkes Stück.

Herr Dinkla - -