Protocol of the Session on February 20, 2004

Die Suche nach den Verantwortlichen erscheint dem einen oder anderen als müßig, zumal die Folgen, die ausführlich beschrieben wurden und wahrscheinlich auch noch beschrieben werden, von uns allen gemeinsam getragen werden müssen.

(Zuruf von der SPD: Was ist denn mit Toll Collect?)

Aber mich ärgert schon die Art und Weise, wie sich die noch amtierende Bundesregierung mit Verweis auf eine überforderte und inkompetente Industrie einen schlanken Fuß machen will. Das dürfen wir so nicht durchgehen lassen.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Es war die Bundesregierung, die sich für dieses Verfahren und seine Lieferanten entschieden hat, die die Vertragsverhandlungen wahrscheinlich mit der heißen Nadel und, wie wir mittlerweile wissen, sehr schlampig kurz vor der Bundestagswahl 2002 zum Abschluss gebracht hat mit einem Ziel, das uns vollmundig wie folgt verkündet wurde - ich fasse zusammen -:

Erstens. Beteiligung der Lkw an der Finanzierung der Infrastruktur und zusätzliche Einnahmen für den Erhalt und den Ausbau der Verkehrswege, um diese zu erweitern und zu vervollkommnen.

Zweitens. Deutschland sollte mit dieser automatischen Erhebung der Lkw-Maut eine Vorreiterrolle in diesem Technologiebereich in Europa und weltweit einnehmen.

Wer solche Vertragsziele formuliert, der ist auch für deren Realisierung verantwortlich.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Die Bundesregierung - und nur diese - ist als Auftraggeber gescheitert und trägt die Verantwortung für den Ausfall von Milliardengeldern.

(Thomas Oppermann [SPD]: Wir sind hier aber nicht im Bundestag!)

Die Forderung, diese Verantwortlichkeit mithilfe eines Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages festzustellen, halte ich daher für völlig berechtigt,

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

zumal es der Verkehrsminister in einer grenzenlosen Blauäugigkeit versäumt hat, rechtzeitig für Ersatzmaßnahmen zu sorgen, um den Schaden wenigstens einigermaßen zu minimieren. Die Vertreter der Lieferantenfirmen, angeführt von Herrn Schrempp, tun jetzt so, als ob sie technisch noch eine Lösung finden könnten, und Herr Stolpe lächelt hilflos dazu. Da frage ich mich schon: Wie lange soll die deutsche Öffentlichkeit noch für dumm verkauft werden?

Es bleibt dabei: Geld, das für dringend notwendige Maßnahmen gebraucht wird, muss nun auf eine andere Weise beschafft werden. Eine Neuverschuldung des Bundes ist nicht akzeptabel - allein schon im Hinblick auf die Maastricht-Kriterien. Der einzig gangbare Weg scheint mir der Verkauf der Telekom-Anteile zu sein. Die Tatsache, dass Lieferant und Auftraggeber kapitalmäßig miteinander verbunden sind, hat ja ohnehin Hautgout.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Das ist wahrlich clever!)

Wenn die Bundesregierung die Telekom-Anteile veräußern würde, würde sie in die Lage versetzt werden, erstens die seit langem notwendige Privatisierung von Bundesvermögen in Angriff zu nehmen, zweitens die notwendigen Investitionsmittel zu generieren und drittens der Bauindustrie Aufträge zukommen zu lassen und damit Arbeitsplätze zu sichern. - Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Hagenah.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dinkla, das Scheitern eines gemeinsamen Antrages zeigt leider, dass für die Regierungskoalition in Niedersachsen nicht die Lan

desinteressen vorne anstehen, sondern dass schlicht und einfach Parteiinteressen ihr Handeln bestimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU: Wie kom- men Sie denn darauf?)

Es ist doch klar, dass SPD und Grüne einem Antrag, wie Sie ihn vorgelegt haben, nicht zustimmen können. Es ist klar, dass wir im Interesse des Landes gegenüber dem Bund die Weiterfinanzierung der Verkehrsprojekte und schnelle Lösungen für die Einführung einer Vignette fordern müssen, wenn es nicht zu einer Nachbesserung vonseiten des Maut-Konsortiums kommt. Das wäre ein richtiger Beschluss gewesen. Das, was Sie heute vorgelegt haben, ist aber reines parteipolitisches Geplänkel.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Der Fehlstart der Lkw-Maut ist bisher natürlich ein Desaster. Das sehen auch wir so. Nicht zutreffend hingegen ist die Schuldzuweisung allein gegen die Bundesregierung, die den deutschen Unternehmen eine Chance gegeben, eine Plattform angeboten hat, um ihren weltweiten Führungsanspruch im Bereich Technologieinnovation unter Beweis zu stellen. Ich würde gerne wissen, wie die Diskussion hier im Landtag gewesen wäre, wenn sie das nicht gemacht hätten und wenn die Schweizer oder Italiener den Auftrag bekommen hätten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ihr Antrag zeigt, dass die Koalition hier im Land lediglich versucht, der Bundesregierung bei der Maut den schwarzen Peter zuzuschieben,

(Klaus Rickert [FDP]: Den hat sie schon!)

um von dem exemplarischen Scheitern dieses Privatisierungsprojektes, dem Sie ja sonst bei jeder Gelegenheit das Wort reden - auch bei Landesprojekten - -

(Ulrike Kuhlo [FDP]: Man muss es aber richtig machen! Wer hat denn mit denen verhandelt?)

- Nein. Wenn es schon DaimlerChrysler und Telekom nicht schaffen, wer soll denn dann die Autobahnen bauen und da die Verhandlungen führen?

Wer soll denn den Elbtunnel bauen und da die Verhandlungen führen?

(Ulrike Kuhlo [FDP]: Manfred Stolpe!)

Sie versuchen, alle Projekte, die Sie selbst verfolgen, hier durchzubringen, indem Sie sagen: Die Industrie konnte doch gar nichts dafür. Es lag an denen, die ausschreiben. - Das ist doch lächerlich!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es mag ja sein, dass in der Wirtschaft Vertragspartner Abmachungen immer wieder neu zu ihrem Vorteil auslegen wollen und dass man sich gegenseitig über den Tisch zieht.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Die Bundes- regierung lässt sich das gefallen!)

Das kann aber nicht für das Verhältnis zwischen der öffentlichen Hand und privaten Firmen gelten. Ich meine, wir haben politisch andere Ansprüche an Partner, die mit der öffentlichen Hand Verträge abschließen, als dies heutzutage bei einer feindlichen Übernahme in der Wirtschaft vielleicht Usus zu sein scheint.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Telekom und DaimlerChrysler haben im Eifer des Gefechts den Bogen reichlich überspannt. Dass Sie der FDP nicht auf den Leim gehen und den von ihr geforderten Untersuchungsausschuss auf Bundesebene überhaupt nicht in Erwägung ziehen, zeigt ja, dass Sie von der CDU letztendlich gar nicht so sehr davon überzeugt sind, dass die Bundesregierung tatsächlich wesentlichen Anteil an diesem Problem hat.

(Ursula Körtner [CDU]: Sie ziehen sehr interessante Schlussfolgerun- gen!)

Das spricht doch wohl Bände, dass Sie hier in Wirklichkeit nur einen Popanz aufbauen und in Berlin allerdings kleine Brötchen backen, weil Sie die Akten kennen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Psychologisch ausgefeilte Verhandlungsstrategien sind jetzt am Ende. Jetzt muss Toll Collect endlich klotzen. Jetzt kann nicht mehr gekleckert werden. Wie wir wissen, hat Toll Collect bislang nicht das

Handtuch geworfen, sondern arbeitet daran, den Imageschaden noch abzuwenden.

Toll Collect hat in den zwei Monaten Nachbesserungsfrist noch einmal Zeit, sich anzustrengen und ein vernünftiges Vorgehen vorzuschlagen. Dazu haben sich gestern endlich auch die Spitzen von DaimlerChrysler und Telekom bekannt. Ich zitiere Jürgen Schrempp: „Wir sind dabei und stehen zu unserer Verantwortung.“ Vielleicht war die Kündigung nötig, um dazu beizutragen.

(Klaus Rickert [FDP]: Das sind doch nur unverbindliche Lippenbekenntnis- se! Es geht um Milliarden! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wir haben es ja!)

- Warten wir die zehn Tage ab. Ich meine, die Börse wird sehr empfindlich reagieren. Herr Rickert, Ihr Vorschlag, die Telekomaktien des Bundes ausgerechnet dann zu verkaufen, wenn sie tief im Keller sind, zeugt wirklich von wirtschaftlichem Sachverstand. Donnerwetter!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist vernünftig, jetzt die zwei Monate abzuwarten, die vertraglich als Nachbesserungszeit festgesetzt sind,. Ich bin sicher, dass Toll Collect diesen letzten möglichen Wink mit dem Zaunpfahl endlich verstanden hat. Denn es gibt durchaus Alternativen, die wir ansonsten natürlich parallel sofort einleiten werden. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)