Protocol of the Session on January 21, 2004

(Zustimmung bei der CDU)

Wir haben uns bereits in den Fraktionen von FDP und CDU darüber unterhalten, ob wir diesen Punkt am Freitag im Anschluss an die bisherige Tagesordnung aufgrund ihrer Aktualität in die Tagesordnung aufnehmen. Wir sind bereit dazu. - Danke schön.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren, der Beifall aus allen Fraktionen zeigt, dass es ein Einvernehmen dazu gibt. Sieht das jemand anders? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir also im Anschluss an den letzten Tagesordnungspunkt diesen Punkt auf die Tagesordnung setzen und am Freitag beraten. Wenn Sie einverstanden sind, lege ich die Redezeiten im Benehmen mit dem Präsidium fest. - Das ist so beschlossen.

Herr Kollege Hagenah hatte sich zur Geschäftsordnung gemeldet.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt, den Punkt 7, der einen Gesetzentwurf zur Veränderung des Schulgesetzes betrifft, hinter dem aber letztendlich das Kopftuchverbot steckt, von der Tagesordnung abzusetzen. Die Bedenken, die wir gegen die Art der Einbringung durch die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP bereits im Ältestenrat geäußert hatten, haben sich seitdem erhärtet. Hier ist im Gegensatz zum Ältestenrat auch die Landesregierung anwesend, die Stellung zu ihrer Rolle in dem gesamten Verfahren nehmen könnte. Wir haben höchste Bedenken, weil hier ein Gesetz, das offensichtlich - so wurde in allen Medien berichtet vom Kabinett beschlossen, von Kultusminister Busemann der Presse vorgestellt wurde und anschließend allerdings von den Fraktionen von CDU und FDP eingebracht werden soll, ganz bewusst an der Verfassung, an der sonst bei Gesetzentwürfen der Landesregierung vorgeschriebenen Anhörung vor der Einbringung, vorbei - weil es unangenehm ist, weil der Gesetzentwurf unserer Ansicht nach möglicherweise unausgegoren ist - im Hauruck-Verfahren verabschiedet werden soll.

Dies kann sich der Niedersächsische Landtag so nicht bieten lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Bei diesem Gesetzentwurf ist nicht erkennbar, dass in irgendeiner Weise Eile geboten sein könnte oder Gefahr im Verzug wäre, sondern es kann einzig und allein - so der Eindruck unserer Fraktion - nur darum gehen, im Verfahren die Umgehung der Anhörung zu organisieren. Das ist ein klarer Verfassungsbruch.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Es gäbe die Möglichkeit vonseiten der Landesregierung, zu erklären, dass sie ihren eigenen Gesetzentwurf - von dem es aus Kreisen der Fraktionen von CDU und FDP hieß, dass es ihn geben solle - noch einbringen will. Dann könnte noch ein ordentliches Anhörungsverfahren durchgeführt werden und unser Antrag wäre hinfällig. Andernfalls bleibt nur die Möglichkeit für dieses Haus, den Tagesordnungspunkt 7 abzusetzen, bis die Landesregierung tatsächlich den von ihr beschlossenen Gesetzentwurf in das normale Verfahren einbringt. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich dem Kollegen Jüttner das Wort erteile, mache ich darauf aufmerksam, dass dieser Geschäftsordnungsantrag nach § 66 der Geschäftsordnung nur dann Erfolg haben kann, wenn nicht mindestens zehn Mitglieder widersprechen. Wenn mindestens zehn Mitglieder widersprechen, bleibt dieser Antrag auf der Tagesordnung.

Bitte schön, Herr Kollege Jüttner!

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Jetzt ver- ausgaben Sie sich selbst!)

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir kennen die parlamentarische Gepflogenheit, dass sich mitunter Mehrheitsfraktionen ihre Entschließungsanträge in Ministerien vorbereiten lassen.

(Zurufe von der CDU und von der FDP)

Das wollen wir mal billigend in Kauf nehmen. Wir kennen es auch, dass aus Kreisen der Regierung die Mehrheitsfraktionen manchmal gebeten werden, zur Beschleunigung des Verfahrens einen Gesetzentwurf durch die Fraktionen einzubringen, weil Dinge entweder sehr kurzfristig geregelt werden sollen oder unstrittig sind. Das mag man beanstanden, aber das ist hin und wieder durchaus üblich.

Was ich das erste Mal in diesem Hause erlebe, ist, dass die Regierung ein normales Verfahren organisiert, einen Gesetzentwurf beschließt und sich damit in die Verpflichtung bringt, auch ein geordnetes Anhörungsverfahren durchzuführen, dann aber die Mehrheitsfraktionen der Regierung quasi usurpierend ihren Gesetzentwurf wegnehmen und ihn hier einbringen. Meine Damen und Herren, das ist keine Kritik an der Regierung, sondern an den Mehrheitsfraktionen. Sie erschweren der Landesregierung ein geordnetes Verfahren.

(Lachen bei der CDU)

Herr McAllister, wir nehmen die Regierung hier sozusagen in Schutz. Herr McAllister erklärt in einer Presseerklärung von gestern, das sei alles ganz in Ordnung, weil ausführlich in der Gesellschaft diskutiert worden sei.

Meine Damen und Herren, in welcher Gesellschaft leben Sie eigentlich?

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Jüttner, Sie sprechen jetzt nicht mehr zur Geschäftsordnung. Bitte kommen Sie zum Schluss.

Ich spreche zur Geschäftsordnung.

Nein, das tun Sie nicht.

Ich nenne zwei Gründe, warum ich den Antrag der Fraktion der Grünen unterstütze. Erstens. Die ge

sellschaftliche Debatte ist nicht hinreichend geführt worden. Deshalb spricht sehr viel dafür, ein geordnetes Verfahren durchzuführen. Zweitens. Es gibt hoch qualifizierte Juristen in Deutschland, die in den letzten Tagen öffentlich erklärt haben, dass dieser Gesetzentwurf mit Sicherheit verfassungswidrig sei.

Vor diesem Hintergrund halten wir es für einen Skandal, dem Landtag ein verkürztes Verfahren zuzumuten und damit eine gründliche Debatte auszuschließen. Deshalb unterstützen wir den Antrag der Fraktion der Grünen.

Herr Kollege Althusmann, bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich zitiere aus Artikel 42 der Niedersächsischen Verfassung, um Ihnen zu zeigen, dass wir uns auf einer klaren rechtlichen Grundlage befinden. Dort ist in Absatz 3 nachzulesen:

„Gesetzentwürfe werden beim Landtag aus seiner Mitte, von der Landesregierung, durch Volksinitiative oder Volksbegehren eingebracht.“

In diesem Fall aus seiner Mitte. Die Regierungsfraktionen haben Ihnen einen Gesetzentwurf vorgelegt. Wir haben diesen intensiv beraten. Herr Jüttner, ich sage Ihnen deutlich, dass wir Ihre Sorge um Recht und Gesetz in Niedersachsen sehr wohl zu schätzen wissen. Ich habe allerdings erhebliche Zweifel, ob wir Ihres Schutzes bedürfen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir machen das, was Sie von uns gefordert haben. Denn Sie haben am 29. Oktober 2003 in einer Aktuellen Stunde gefordert, dass das Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf eine klare gesetzliche Grundlage gestellt wird. Wir kommen Ihrem Wunsch eindeutig nach.

(Zuruf von der CDU: So machen wir das!)

Aufgrund der Vielzahl der juristischen Fragestellungen haben wir uns natürlich auch der Landesregierung - wie in der Vergangenheit auch Sie bedient, indem wir um juristische Unterstützung gebeten haben. Die CDU-Fraktion empfindet es

daher als äußerst bedauerlich, dass Sie dieses Thema zu einem populistischen Show-Thema machen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Hagenah, Frau Harms, Sie haben diese Geschäftsordnungsdebatte beantragt. Sie haben in Ihrer Fraktion keine einheitliche Meinung dazu. Frau Harms, Sie haben selbst erklärt, wenn es um Ja oder Nein ginge, stünde es bei Ihnen 7 : 7.

Herr Kollege, ich muss auch Sie bitten, sich an die Geschäftsordnung zu halten.

Das einzige Argument, das Sie anführen, um diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen, weil der Gesetzentwurf verfassungswidrig sei, ist das Argument des ehemaligen Verfassungsrichters Mahrenholz. Meine Damen und Herren, Herr Mahrenholz hat - wie viele andere - hin und wieder Minderheitenvoten abgegeben. Jetzt gibt es ein Minderheitenvotum der Richter Mellinghoff, Di Fabio und Jentsch. Wir könnten uns dem anschließen.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion und auch die FDP-Fraktion hier im Hause, wie ich meine, werden nicht mit der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils warten, bis sich alle Juristen Deutschlands hierzu eine einheitliche Meinung gebildet haben. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Kollege Lehmann, bitte schön!

(Zurufe von der SPD: Freiheit!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! In Ergänzung dessen, was Herr Kollege Althusmann soeben gesagt hat, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf um eine Einbringung durch die Fraktionen handelt, der die entsprechenden formellen Voraussetzungen für das Einbringen erfüllt. Dies entspricht in der Tat nicht dem,

(Heidrun Merk [SPD]: Ihr habt keine Ahnung von der Verfassung!)

was die Landesregierung entworfen hatte, sondern dem, was aus den Verhandlungen zwischen CDUFraktion und FDP-Fraktion entstanden ist. Es sind nämlich Änderungen enthalten, d. h. es liegt eine andere Fassung vor als die, die die Landesregierung beschlossen hatte. Wir sind nicht dazu da, dafür zu sorgen, dass die Landesregierung unmittelbar ihre Beschlüsse umsetzt, sondern es geht hier einzig und allein darum, dass wir Ihnen einen eigenen Gesetzentwurf mit einem eigenen Inhalt vorgelegt haben.

Ich möchte mich deshalb auf die wesentlichen Sachen beschränken; denn es geht dabei um die Frage: Warum soll etwas von der Tagesordnung abgesetzt werden oder nicht? Hier geht es auch um die Frage: Gibt es möglicherweise auch Einwände im Verfahren, die besagen, dass wir hier darüber nicht sprechen können?

Es ist in der Tat so - das soll hier gesagt werden -, dass in der Bevölkerung durchaus der Wunsch nach einer Regelung besteht. Man kann natürlich die These vertreten: Na ja, es gibt bezüglich des Kopftuches nur ganz wenige Fälle, die überhaupt betroffen sind. Es geht aber nicht darum, zu sagen, wir treffen die Regelung erst dann, wenn wir akut den Regelungsbedarf sehen. Im Bundesverfassungsgerichtsurteil, das in Baden-Württemberg seine Ursachen hat, geht es schließlich darum, dass irgendwann einmal das Problem entstanden ist und das Bundesverfassungsgericht gesagt hat: Wir brauchen eine Regelung, wenn wir später einmal einschreiten wollen. - Diese Aufforderung haben wir aufgenommen. Wir haben deshalb diesen Gesetzentwurf eingebracht und werden ihn so beraten. In diesem Beratungsverfahren - das brauche ich Ihnen nicht noch eingehend zu erzählen - haben wir alle Anhörungsmöglichkeiten. Wir werden deshalb diesen rechtsstaatlichen Weg beschreiten. - Vielen Dank.