Protocol of the Session on January 21, 2004

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Alle nicht! Wir haben eben etwas anderes gehört!)

Aber ich bin mir mit der CDU auch darin einig, dass wir kurzfristig einen Weg finden müssen, wie wir die Maut-finanzierten Verkehrsprojekte in Deutschland zwischenfinanzieren können, bis die Forderungen gegenüber Toll Collect eingetrieben sind. Unsere klare Position ist die, dass Toll Collect letztendlich nicht nur für die Ausfälle, die bisher durch das Nichtanlaufen der Maut aufgetreten sind, sondern auch für mögliche Zwischenfinanzierungskosten, die erforderlich sind, um zu verhindern, dass Arbeitsplätze und Verkehrsprojekte gefährdet sind, verantwortlich zu machen ist. Das muss in das Verhandlungspaket mit dem Konsortium aufgenommen werden.

(Beifall bei den GRÜNEN - Sigmar Gabriel [SPD]: Genau!)

Unsere Rechtsposition stellt die CDU-Fraktion mit der von ihr beantragten Aktuellen Stunde allerdings infrage. Sie behauptet, der Industrieskandal made by Toll Collect sei in Wahrheit im Wesentlichen ein Politskandal.

(Zuruf von der CDU: Ist es auch!)

Für uns hingegen sind die Fakten klar: DaimlerChrysler und Telekom haben sich mit der Übernahme eines zukunftsträchtigen staatlichen Großauftrags technisch übernommen und können nicht rechtzeitig liefern. Deshalb sind sie auch in der Haftung und müssen den auftretenden Schaden einschließlich der Folgekosten voll übernehmen. Dass sie sich dabei zunächst - das kennen wir alle aus dem normalen Wirtschaftsleben - stumm stellen und alles abwiegeln, ist nur zu verständlich. Letztendlich wird erst ein rechtliches Verfahren diesbezüglich Klärung bringen. Erst nach dem Ausgang des Rechtsstreits ist die Zeit, um über die politische Verantwortung zu reden und um zu prüfen, ob der Verkehrsminister an jeder Stelle das getan hat, was getan werden musste.

Aber schauen wir uns doch an, was bisher von der Politik getan wurde und ob dort tatsächlich irgendwelche Vorwürfe auf der Hand liegen. War es denn überhaupt falsch, diese Systementscheidung zu treffen? Ist die Systementscheidung, über Satellit zu arbeiten, richtungsweisend und mit der EU abgestimmt? Wenn sie denn so umgesetzt wird, verhindert sie, dass in der Bundesrepublik anders als

in allen anderen Ländern der EU zweimal eine Anfangsinvestition erfolgen muss. Alle anderen Länder, die jetzt die Karten bzw. wie in der Schweiz die Mikrowelle haben, müssten zum Ende des Jahrzehnts noch einmal umstellen und investieren, was zulasten des Transportgewerbes und zulasten der Kunden ginge. Wollen Sie das wirklich?

Wir haben auf Bundesebene die Chancen für unsere Industrie gesehen, und die Industrie hat es sich zugetraut; denn auf die Ausschreibung inklusive der Fristen hat es nicht nur eine Bewerbung gegeben, sondern es haben sich mehrere respektable Konsortien um diesen Auftrag - auch mit diesen Fristen - beworben. Die Auswahl im Wettbewerb ist letztendlich auf Toll Collect, also auf DaimlerChrysler und Telekom, gefallen. Wer ist denn dann in der Verantwortung? - Ich meine, erst einmal die Auftragnehmer, die sich darauf eingelassen haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dann lautet die Frage: War es denn falsch, die Vignette im August letzten Jahres auslaufen zu lassen? - Sie unterschlagen dabei ständig, dass die Verträge bezüglich der Maut zu diesem Termin wirksam werden sollten und dass es vom Konsortium vertraglich zugesichert war, die Einnahmen entsprechend sicherzustellen, und zwar direkt im Anschluss an das Auslaufen der Vignette. Sie wissen auch, dass die Kündigungsfrist der Vignette neun Monate beträgt. Ich hätte Sie im Landtag und im Bundestag einmal sehen mögen, wenn es eine Überlappung - sprich: eine doppelte Abrechnung zwischen der Vignette und dem neuen System gegeben hätte. Dann hätten Sie doch „Skandal“ geschrien. Ich meine, bei einer neunmonatigen Vorlauffrist hatte die Bundesregierung überhaupt keine andere Chance, als diese Kündigung fristgerecht abzuschicken.

Jetzt sagen Sie, man hätte schon längst wieder auf ein neues System umschalten müssen. Dazu muss man aber auch wissen, dass die Anmeldung wiederum neun Monate dauert. Würden wir jetzt also mit den anderen europäischen Ländern erneut in die Vignette einsteigen, hätten wir wiederum eine neunmonatige Vorlaufzeit. Wenn wir zu Weihnachten gekündigt hätten, hätte dies bei der vertraglichen Bindung an Toll Collect dazu geführt, dass Toll Collect noch eine zweimonatige Nachwirkungsfrist gehabt hätte, in der Toll Collect hätte nachbessern können. Seien Sie bitte einmal kor

rekt in der rechtlichen Bewertung: Dort ist bisher kein Spielraum gewesen, anders zu handeln, als es die Bundesregierung getan hat. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Herr Kollege Rickert hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wann hat man als Abgeordneter im Niedersächsischen Landtag schon einmal Gelegenheit, sich selbst zu zitieren? In der Sitzung im Oktober, als es um das Maut-Thema ging, habe ich aus einer Presseverlautbarung des Bundesministeriums für Verkehr wie folgt zitiert:

„Die Einführung der Lkw-Maut verfolgte u. a. folgende Ziele: Erstens. Beteiligung der Lkw an der Finanzierung der Infrastruktur und zusätzliche Einnahmen für den Erhalt und für den weiteren Ausbau von Verkehrswegen.“

(Thomas Oppermann [SPD]: Das ha- ben Sie selber gesagt?)

- Das habe ich zitiert. Herr Oppermann, ich kann nicht nur lesen, sondern auch zitieren.

Das heißt also, dass der Bundesminister für Verkehr pro Monat 160 Millionen Euro vergeigt hat. Momentan ist noch keine Änderung in Sicht. Wer jetzt also meint, diese fehlenden investiven Mittel würden nicht dazu beitragen, dass hier und da Arbeitsplätze fehlen, der ist ausgesprochen naiv. Zu meinen, dass ein Konsortium bereit sei, den entstandenen Schaden in voller Höhe zu erstatten, ist ebenfalls sehr naiv.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bartling?

Nein, ich bin gleich fertig. - Dieses Thema ist - - Jetzt hat er mich aus dem Konzept gebracht.

(Thomas Oppermann [SPD]: Dann kann ich ja jetzt auch meine Frage stellen!)

- Dann fragen Sie doch bitte einmal; das gibt mir Zeit.

Bitte!

Herr Kollege, die Mittel, deren Fehlen Sie jetzt beklagen, waren doch genau jene Mittel, die Sie vorher als unzumutbare Belastung des Verkehrsgewerbes kritisiert hatten.

(Beifall bei der SPD)

Ich wollte Ihnen und mir ein kurzes Seminar über die Erwirtschaftung von öffentlichen Finanzen - sprich: über Steuergesetze etc - ersparen. Ihre Bundesregierung hat sich für dieses System der Finanzierung des öffentlichen Straßenverkehrs entschieden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Sie sind mit diesem System gescheitert. Das ist hier festzuhalten.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Widerspruch bei der SPD)

Ich habe weiter gesagt: Wenn einem diese 160 Millionen Euro fehlen, dann fehlen sie auch bei den Arbeitsplätzen. Die Konsortialvertreter haben sich erst jetzt bereit erklärt, 7 Millionen Euro an Schadensersatz zu leisten. Das wird es dann wohl auch gewesen sein.

Wenn Sie bestreiten, dass es sich hierbei um einen Politskandal handelt, dann darf ich Sie daran erinnern, dass der Bundeskanzler diese Angelegenheit mittlerweile zur Chefsache erkoren hat. Das heißt, dass das keine Angelegenheit der Wirtschaft, sondern eine Angelegenheit der Politik ist.

Wir hoffen, dass dieses Thema bald beendet ist. Wir sind aber nicht so zuversichtlich, dass das gelingen wird. Wir werden uns damit wahrscheinlich bis 2006 bescheiden müssen. Ansonsten müssen wir, so traurig es ist, dieses Thema den Kabaret

tisten überlassen, die mittlerweile schon von Dosen-Maut und Lkw-Pfand sprechen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Herr Minister Hirche hat jetzt das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich empfehle, dass wir uns hier nicht den Kopf des Bundestages zerbrechen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

In Berlin wird diskutiert, ob der Vertrag so oder so gilt oder ob insoweit Strafzahlungen erforderlich sind. Hier geht es um die Interessen des Landes Niedersachsen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Es ist Folgendes festzuhalten: Aufgrund der Situation in Berlin und des Schrottes, der dort verhandelt worden ist, fehlen dem Land Niedersachsen in diesem Jahr 100 Millionen.

(Starker Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es geht um diese 100 Millionen, die uns in diesem Jahr - jedenfalls bis jetzt - nicht zur Verfügung stehen. Es ist die verdammte Pflicht und Schuldigkeit des Bundesverkehrsministers und der Bundesregierung, hierzu nicht nur Aussagen unter der Erde, in einem Tunnel, zu machen, sondern Fakten zu schaffen, damit das Geld für Niedersachsen in vollem Umfang zur Verfügung steht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Bundesverkehrsminister hat erklärt, die Maut komme am 1. September. Er hat dann erklärt, die Maut komme am 1. Oktober. Er hat erklärt, die Maut komme am 1. Januar. Aussagen haben wir sehr viele. Uns fehlen in diesem Jahr 100 Millionen. Das sind 25 % der Straßenbaumittel. Ich finde, davon darf nicht abgelenkt werden; denn wir werden diese fehlenden Mittel für das Anti-Stauprogramm aus den allgemeinen Bundesverkehrsetatmitteln finanzieren müssen. Das bedeutet, dass in jedem Monat eine

Ortsumgehung im Maut-Loch verschwindet. Meine Damen und Herren, das ist ein Schlag gegen die Fläche in Niedersachsen und die Verkehrs- und Wirtschaftsentwicklung im Lande.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Man muss in diesem Zusammenhang auch wissen, dass die Bundesregierung und die Mehrheit in Berlin im Vorgriff auf die Maut-Einnahmen den Verkehrsetat des Bundes um eine 1 Milliarde gekürzt haben. Das heißt, dass 1 Milliarde und darüber hinaus Mittel aufgrund fehlender MautEinnahmen fehlen. Das betrifft nicht nur die Straße, sondern auch die Schieneninfrastruktur. Meine Damen und Herren, absoluter Nebel, absolutes Chaos in diesem Zusammenhang!

(Widerspruch bei der SPD)

Daraus resultieren nicht nur 100 Millionen, die fehlen. Nach Aussagen der Bauwirtschaft stehen dahinter in Niedersachsen direkt und indirekt 3 000 Arbeitsplätze und die fehlende Infrastruktur.