Protocol of the Session on January 21, 2004

Diese pauschalen Redezeiten sind den Fraktionen und den Abgeordneten bekannt; sie werden nach dem im Ältestenrat vereinbarten Verteilerschlüssel aufgeteilt. Ich gehe davon aus, dass die vom Ältestenrat vorgeschlagenen Regelungen für die Beratungen verbindlich sind. - Ich stelle fest, dass das Haus mit dem Verfahren einverstanden ist.

Die heutige Sitzung soll gegen 19 Uhr beendet sein.

Ich möchte noch kurz auf drei Veranstaltungen hinweisen. In der Portikushalle wird die Ausstellung „Größer noch als Heinrich der Löwe - König Georg V. von Hannover als Bauherr und Identitätsstifter“ gezeigt. In der Wandelhalle können Sie die Ausstellung der Gemeinde Lengede besichtigen mit dem Titel „Im Focus der Welt: Lengede 1963“, zu der ich inhaltlich nichts zu sagen brauche. Zur Mittagspause wird die Bläsergruppe der LudwigWindthorst-Schule aus Glandorf spielen. Ich empfehle diese Veranstaltungen Ihrer Aufmerksamkeit.

Zuletzt möchte ich auf die rechtzeitige Rückgabe der Reden an den Stenografischen Dienst aufmerksam machen.

Ich frage, bevor ich die Wortmeldungen zur Aktuellen Stunde aufrufe, ob es geschäftliche Mitteilungen der Schriftführerin gibt. - Bitte schön!

Es haben sich entschuldigt von der Fraktion der CDU Herr Höttcher – vormittags -, von der Fraktion der SPD Herr Brockmann und Frau Dr. Trauernicht-Jordan ab 14 Uhr.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde

und zwar zunächst

a) Maut-Chaos in Berlin Teil II - Verkehrsprojekte und Arbeitsplätze in Niedersachsen gefährdet - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/730

Dazu hat sich der Kollege Dinkla gemeldet. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Jetzt geht es nicht um die Frage, wer hier Gesetzentwürfe einbringt, sondern jetzt geht es richtig um Geld. Die Einführung der Maut ist ein absurdes Trauerspiel ersten Ranges.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich will das nicht beschönigen, aber es ist auch wahrlich kein Renommee für den HightechStandort Deutschland. Es ist eine Blamage für Toll Collect, für die Konsortialunternehmen, die beteiligt sind. Man höre und staune: Jetzt müssen schon IBM und Siemens einspringen, um überhaupt Hilfestellung zu geben, um den neuen Termin - Oktober - nennen zu können.

Losgelöst von dieser technologischen Problematik muss man über die Art und Weise reden, wie die rot-grüne Bundesregierung, wie Minister Stolpe mit dieser Krise umgegangen sind.

Die Einführung der Lkw-Maut in Deutschland ist für mich ein Paradebeispiel für politisches Missmanagement.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Vignette ohne Sicherheit für ein funktionierendes Maut-System und damit gesicherte Einnahmen aufzugeben, war mehr als blauäugig. Verträge ohne klare und durchsetzbare Regelungen für Schadenersatzansprüche abzuschließen, ist politischer Dilettantismus. Sich viel zu spät für Harmonierungslösungen auf EU-Ebene eingesetzt zu haben, war fahrlässig. Und, meine Damen und Herren, die Fehlentwicklung einfach auszusitzen, ist kein politisches Konzept für den Krisenfall und wahrlich auch kein „großer Befähigungsnachweis für Poli

tik“. Man darf sich auch nicht wundern, wenn die Situation so ist, wie sie jetzt ist: Einnahmeausfall pro Monat in Höhe von 180 Millionen Euro; in der Hochrechnung über den gesamten Zeitraum 2,8 Milliarden Euro;

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Kosten beim Bundesamt für Güterverkehr BAG für – man höre und staune - 830 Mitarbeiter, die extra für das Maut-System eingestellt worden sind und jetzt Hilfskontrollen auf den Bundesautobahnen machen, die als „Mautis“, sozusagen als Hilfspolizei tätig sind, noch einmal 180 Millionen Euro, die das BAG vom Bund fordert. Das alles zulasten vieler Verkehrsinfrastrukturprojekte, die nicht nach dem Zeitplan realisiert werden konnten. 100 Millionen Euro an Einnahmen brechen für Niedersachsen weg. Das bedeutet, viele konkrete Verkehrsprojekte können so nicht realisiert werden. Ich kann diese Entwicklung einfach nicht bagatellisieren.

Niedersachsen steht vor großen verkehrspolitischen Herausforderungen. Es geht dabei um weit mehr als nur um die buchhalterische Betrachtung dieser Ausnahmeausfälle. Selbst Ortsumgehungen - der Minister hatte darauf hingewiesen - stürzen ins Maut-Loch. Die Bauindustrie in Niedersachsen lechzt förmlich nach Aufträgen. Die Konzeptlosigkeit des Bundes gefährdet wieder Arbeitsplätze in Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die Zahl wird genannt: 2 500 Arbeitsplätze.

Die Bahn fährt Investitionen zurück und prüft bereits jetzt den Abbruch laufender Projekte. Es gibt damit unvertretbare Verzögerungen zulasten des Wirtschaftsstandortes Niedersachsen. Diese liegen eindeutig im Verantwortungsbereich des Bundes, meine Damen und Herren. Wenn Bauruinen in Niedersachsen das Ergebnis der Lkw-MautEinführung in Deutschland sind, dann kann man dies im Bundesverkehrsministerium auch nicht einfach aussitzen. Dann sind eindeutig personelle Konsequenzen gefordert.

Aus niedersächsischem Interesse müssen wir darauf drängen, dass dieser Wirrwarr an allen Ecken und Enden beendet wird. Die heutige Presse ist wieder ein Indiz dafür, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut. Denn wenn Herr Stolpe gestern Dinge verkündet hat im Hinblick auf eine mögliche Kreditaufnahme bei der Gesellschaft

VIWF, ist heute die politische Reaktion darauf die, dass das nicht gewollt, denkbar und rechtlich gar nicht möglich ist. So kann man mit diesem Problem nicht weiter umgehen!

Neue Fristen, neue Ankündigungen, neue dubiose Finanzierungsmodelle sind uns in Niedersachsen keine Hilfe. Wir haben einen großen Bedarf an Verkehrsinfrastruktur und erwarten, dass uns der Bund nicht im Regen stehen lässt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Der Kollege Wendhausen hat jetzt das Wort. Bitte schön!

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Dinkla, Sie haben einen entscheidenden Punkt bereits genannt. Es gibt die Aussage aus dem Ministerium, dass in Niedersachsen durch das vorläufige Ausbleiben der Maut-Gebühren keine Verkehrsprojekte in Niedersachen im Maut-Loch verschwinden und dass auch keine Arbeitsplätze in Niedersachsen durch die Verschiebung der Maut-Zahlungen gefährdet sind.

Lassen Sie mich auf zwei Punkte kurz eingehen. Wir haben bei diesem Problem zum einen die politische und zum anderen die technische Seite. Über die politische Seite kann man sich streiten. Darüber könnten wir uns auch alle aufregen. Da gebe ich Ihnen Recht, dass da nicht alles so gelaufen ist, wie wir uns das gerne gewünscht haben. Aber vielleicht erklärt sich das auch ein bisschen durch die Technik; das möchte ich jetzt kurz beleuchten.

Jeder von uns, der einmal nach Österreich und Frankreich gefahren ist, hat solche Maut-Stellen miterlebt. In Österreich gibt es die Vignette, in Frankreich die Häuschen, wo man mit Scheckkarte oder bar bezahlen muss. Beide Systeme sind leider so nicht auf die Bundesrepublik Deutschland übertragbar. Das Vignettenprinzip in Österreich würde auf deutschen Autobahnen bei der hohen Benutzerzahl dazu führen, dass der Verwaltungsaufwand, der betrieben werden müsste, um die Gelder einzutreiben und zu kontrollieren, einen hohen Anteil des Gewinnes, den die Maut ja ausschütten soll, vernichtet, sodass kaum Geld für Verkehrsprojekte übrig bleiben würde, sondern nur noch für Reparaturen an den Straßen und Autobahnen.

Das andere System aus Frankreich ist bei uns genauso unvorstellbar. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden heute anfangen, auf der A 2 Häuschen aufzustellen, um die Maut direkt zu kassieren. Es würde ein Chaos entstehen, das wir in keiner Weise überhaupt entschuldigen oder rechtfertigen könnten.

Bleibt die hochtechnologische Lösung. Wir hatten uns einmal vorgestellt, einen Lkw mit einem Chip zu versehen. Dieser Chip sendet Signale an einen Satelliten. Der funkt sie zu einer Empfangsstelle zurück, sodass man zu jedem Zeitpunkt genau weiß, wo sich ein bestimmtes Fahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland oder in Europa befindet, um dann die Maut zu kassieren. Aber auch dieses System ist für uns nicht brauchbar, da erstens die Kontrolle des Benutzers fehlt und da zweitens die Eintreibung wiederum einen hohen personellen und materiellen Aufwand erfordern würde, den dieses System nicht rechtfertigt.

Wir haben uns also für das System entschieden, das im Augenblick leider noch nicht läuft, das es uns aber ermöglicht, von jedem ausländischen Lkw, der über unsere Autobahnen fährt, die Maut zu kassieren, wenn das System läuft.

(Zuruf von der CDU: Wann?)

Dass solche technischen Neuerungen - und das ist Hochtechnologie - auch ihre Tücken haben, beweist die Geschichte, die wir jetzt mit der Maut erleben. Die Vorgehensweise der politischen Parteien und das, was sie dazu sagen, möchte ich nur ganz kurz anreißen; denn bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Maut überhaupt ins Gespräch kam und zu dem wir zum ersten Mal unseren Termin verschieben wollten, war die FDP noch strikt gegen die Einführung irgendeiner Maut, nach dem Motto: freie Fahrt für freie Lkw. Die Schäden, die durch Fremdbenutzer unserer Autobahnen entstehen, zahlt der Bürger. So können wir weiterleben.

Die CDU wackelte der FDP ein bisschen hinterher und versuchte es mit Steuermodellen. Die Maut sollte erst einmal eingetrieben werden, und dann sollte die eigene Klientel entlastet werden, was aber europarechtlich nicht möglich ist. Dieses System der steuerlichen Entlastung bei der Maut würde, wenn man es auf mehrere Jahre durchrechnet, dazu führen, dass sich das Ganze zu einem Nullsummenspiel entwickelt.

Herr Kollege Wendhausen, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ich komme gleich zum Schluss.

Ich bemängele die Art und Weise, wie die Koalition mit den Arbeitnehmern bei Toll Collect umgeht. Durch jede Diskussion, die wir anzetteln, werden hoch angesehene Unternehmen weltweit in Misskredit gebracht.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Das haben sie schon selbst gemacht!)

Im Gegensatz zu dem, was wir in Berlin mit der Maut vorhaben, gefährdet dies die Arbeitsplätze der Arbeitnehmer bei Siemens oder auch bei DaimlerChrysler.

Ich möchte Sie also bitten, die Fristen, die gestern auch von Herrn Stolpe noch einmal genannt worden sind, abzuwarten, um danach in aller Ruhe die Maut einzutreiben und dann auch über die Verkehrsprojekte, die wir durchführen, zu reden.

Aber Sie müssen jetzt in aller Ruhe zum Ende kommen, verehrter Herr Kollege.

Nicht, dass es dann nur die FDP oder die CDU gewesen ist, sondern es sind Projekte, die wir schon initiiert haben und die Sie zum Abschluss bringen. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD - Bernd Althus- mann [CDU]: Die Realisierung der Lkw-Maut korrespondiert in etwa mit Ihrer Redegeschwindigkeit!)

Herr Kollege Hagenah, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, in einem sind wir alle uns einig: Das Maut-Desaster ist ein Skandal.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der CDU - Karl-Heinz Klare [CDU]: Alle nicht! Wir haben eben etwas anderes gehört!)