Protocol of the Session on December 10, 2003

Für die Landesregierung spricht noch einmal Frau Ministerin von der Leyen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Schwarz, wenn Sie mich so viel und ununterbrochen falsch zitieren, dann muss ich darauf eingehen. Zunächst einmal ist es eine dreiste Unterstellung, wir hätten in Hessen abgeschrieben. Ich habe diesen neuen Vorschlag aus Niedersachsen gemeinsam mit meiner Kollegin Silke Lau

kenschläger und dem Kollegen Andreas Storm entwickelt und eingebracht.

(Zustimmung bei der CDU - Uwe Schwarz [SPD]: Sie waren doch in der Herzog-Kommission und haben erst danach Ihren Vorschlag gemacht!)

- Es ist richtig, dass ich nach dem Abschluss der Arbeit der Herzog-Kommission daran gearbeitet habe. - Die Ergebnisse der Herzog-Kommission - die 264 Euro - stellen die Situation für das Jahr 2013 dar. Ich habe diesen Wert auf die heutigen Verhältnisse heruntergezoomt und einmal durchrechnen lassen, was das heute bedeutet. Daraus ist der neue Antrag für den Bundesparteitag entstanden.

Damit haben wir 180 Euro pro Person Krankheitskosten und 20 Euro in der Tat als Altersrückstellung, das macht 200 Euro. Für die zwei Personen, von denen Sie eben gesprochen haben, macht das 400 Euro. Die Kinder bleiben weiterhin beitragsfrei versichert, indem die Kindergeldkasse direkt an die Krankenkasse zahlt.

(Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD)

Das ist das Entscheidende. Die 90 Euro können Sie nicht einfach mit einrechnen, wenn das über die Kindergeldkasse direkt an die Krankenkasse gezahlt wird. Damit sind wir bei 400 Euro für dieses Ehepaar. Heute zahlt ein Ehepaar, das 2 800 Euro brutto verdient, bereits 400 Euro Sozialbeiträge an die Krankenversicherung. Darunter werden die Personen nicht schlechter gestellt, und darüber greift dann eben das Steuersystem, das u. a. auch Zinserträge berücksichtigt. Damit zahlen die besser Verdienenden mit. Wenn Sie Zahlen nennen, dann bitte sauber!

(Beifall bei der CDU - Zuruf von Uwe Schwarz [SPD])

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Dr. Winn das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei der Debatte merke ich nun sehr gut, dass die Gesundheitspolitik doch wohl ein etwas schweres Brot ist für diejenigen, die daran sehr

lange zu kauen haben und es auch immer wiederkäuen, aber es nicht verstanden haben, worum es eigentlich geht. Ihnen muss doch mittlerweile klar geworden sein, dass dieses System, so wie es jetzt besteht, im Sachleistungsbereich nicht mehr finanzierbar ist. Das ist doch etwas, was klar ist. Welche Antwort haben Sie gehabt? - Vier Gesetze, seit Sie in Berlin regieren. Das Letzte ist das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz mit 483 Seiten. Das modernste daran ist der Name und nichts anderes. Welche Antwort haben Sie denn darauf? - Gar keine! Das ist doch ein Problem, dem Sie überhaupt nicht gerecht werden können.

Das Problem ist, dass wir zwei Dinge nicht beeinflussen können, und zwar den medizinischen Fortschritt und die Demografie. Wenn Sie sagen, dass man die demografische Entwicklung kennt, kann ich sagen, dass Sie es gar nicht verstanden haben. Denn es gibt einen riesigen Bauch der Älterwerdenden, die jetzt um die 40 sind, die dann zu Empfängern werden. Dann ist das System endgültig nicht mehr finanzierbar.

Die gesetzliche Krankenkasse hat jetzt ein Defizit von etwa 10 Milliarden Euro aufgehäuft. Dieses Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz soll ungefähr 20 bis 23 Milliarden Euro umschichten. Das heißt, im nächsten Jahr haben wir in etwa ein ähnliches Defizit - das ist schon aufgebraucht. Fünf Jahre soll das Gesetz halten. Das ist doch geradezu ein Witz.

Herr Dr. Winn, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Schwarz?

Ja, bitte schön!

Herr Kollege, wir sind bei dem, was Sie bislang zur Gesundheitsreform gesagt haben, gar nicht auseinander. Ist Ihnen bekannt, dass das Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz sowohl von der CDU als auch von der SPD als Kompromiss entwickelt worden ist?

Ja, selbstverständlich. Das ist die alte Retourkutsche, d. h. die negativen Dinge haben wir in der Opposition gemacht und die guten Sie. Das kenne

ich schon aus Lahnstein I, das ist also eine alte Kiste. Das ist auch keine Antwort darauf.

Mit Ihrem System der Bürgerversicherung machen Sie nichts weiter, als dieses System fortzuschreiben. Wenn Sie alle Beamten und Selbständigen einbeziehen, dann wird die Krankenversicherung das haben die Versicherungsmathematiker ausgerechnet - um 0,1 % billiger werden können. 0,1 % - das ist doch keine Antwort auf die Probleme des heutigen Systems!

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen endlich einen Paradigmenwechsel in der Gesundheitspolitik vornehmen. Das erreichen wir nur, wenn tatsächlich ein Systemwechsel erfolgt. Die Fortschreibung dieses System zeigt, dass Sie keine Antwort haben und zeigt damit auch, dass Sie die ewig Gestrigen sind.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Abgeordnete Janssen-Kucz das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte gerne auf Herrn Rösler eingehen. Ich meine, er hat sehr deutlich gemacht, wohin der Zug fährt, nämlich in Richtung individueller Gesundheitsvorsorge. Individuell - und Sie wollen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge nicht über Arm und Reich diskutieren? Ist Ihnen eigentlich nicht bekannt, welche gesundheitlichen Auswirkungen gerade Armut hat? - Das sollten wir dann doch einmal sehr intensiv diskutieren.

Noch einmal kurz zu Frau von der Leyen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Frau von der Leyen, Ihre Kopfprämie wird doch nur über ein völlig fiktives Steuereinkommen finanziert. Ihre ganze Ausgleichsfinanzierung ist völlig nebulös; denn Sie lassen die Steuerentwicklung außen vor. In Ihrem Konzept steht ein ganz toller Satz: Finanzierung aus wirtschaftlicher Dynamik. Sie wissen ja selbst, wie die wirtschaftliche Dynamik einzuschätzen ist.

(Dr. Philipp Rösler [FDP]: Dank Ihrer Bundesregierung!)

Dann noch einmal zu der Beruhigungspille, die Sie Ihren Sozialpolitikern in der CDU versprochen haben. Das ist die Übergangszeit von vier Jahren. Überlegen Sie sich einmal, weshalb die CDU ihre erste Modellrechnung 2013, in der sie bei 260 Euro Beitrag war, zurückgenommen hat. Damit es sich etwas netter anhört, legt man den Beitrag auf 180 Euro plus 20 Euro, also auf 200 Euro, fest. Rechnen Sie dann einmal die Gesamtsumme hoch. Dann sind wir 2026 nämlich pro Person schon bei 400 Euro. Das soll noch sozial gerecht sein? - Rechnen Sie das einmal ganz einfach. Das ist nämlich nicht sozial gerecht. Ihre Finanzierung ist einfach nur unseriös. So etwas würden Sie uns dreimal um die Ohren hauen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Ich rufe nun auf

b) Reform der Bundeswehr Erneuter Rückschlag für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 15/627

Der Abgeordnete Kaidas hat sich zu Wort gemeldet. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Reform der Bundeswehr - Erneuter Rückschlag für Niedersachsen“. Den Weltfrieden unter dem Weihnachtsbaum - wer wünscht sich den nicht? Unser Bundesverteidigungsminister formuliert das so: Für 2004 wünsche ich mir vor allem, dass alle unsere Soldatinnen und Soldaten gesund aus dem Einsatz zurückkehren. Für den Weltfrieden wünsche ich mir, dass der Irak möglichst bald befriedet wird. - Ich meine, dem können wir uns alle nur anschließen.

Er wünscht sich aber noch weiter, dass die Arbeitslosigkeit durch wirtschaftliche Initiativen abgebaut wird und dass neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Gerade er aber macht das Gegenteil. Die nicht durchdachte Neuordnung der Bundeswehr - hier besonders die der ortsfesten logistischen Einrichtungen - schadet wieder im besonderen Maße den Regionen des Landes Niedersachsen. Herr Struck sorgt dafür, dass wieder mehr Men

schen - hauptsächlich Arbeiter und Angestellte, aber auch Soldaten - Angst um ihre Zukunft haben müssen. Allein in Niedersachsen gehen 900 Dienstposten verloren. Damit belegen wir - das wissen Sie - den zweiten Platz auf der Negativliste der von den Streichungen am meisten betroffenen Regionen.

Erich Kästner fragte schon: Wird es besser, wird es schlimmer? - Ich sage nur: Es wird katastrophal. Der Kollege Gabriel weiß besser als jeder andere, wovon ich spreche; denn er als Vizeersatzreservekanzlerkandidat in spe - verlieh ihm doch unlängst die taz diesen zynischen Ehrentitel - kann Ihnen sicherlich ein Lied davon singen, wie es ist, auf das Abstellgleis geschoben zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Was uns als Weiterentwicklung der Bundeswehrreform vorgegaukelt wird, ist doch nichts anderes als die notwendige Nachsteuerung aufgrund der desolaten Haushaltslage. Betriebskosten einschließlich Personalkosten werden ohne Rücksicht auf die Verpflichtung, das Wohl der Länder der Bundesrepublik im Auge zu haben, gesenkt. Eydelsted, Uelzen, Lorup, Zetel, Weener, Munster, Quakenbrück sind einige der betroffenen Standorte. Diese Standorte sind keine Oberzentren, in denen die Arbeit boomt und Arbeit im Übermaß angeboten wird. Dies sind Standorte, die strukturschwach sind und die über jeden Arbeitsplatz froh sind. Diese werden geschlossen bzw. ausgedünnt. Wie heißt das beim BMVg so schön: Es findet eine moderate Anpassung statt. Nein, meine Damen und Herren, diese Entscheidungen bedeuten das Fallbeil für viele dieser Ortschaften. Für viel zu viele Standorte wird es keine Zukunft mehr geben.

Niedersachsen ist, was Standortschließungen und Personalabbau betrifft, von allen Bundesländern am zweitstärksten betroffen. Bis 2010 werden zusätzlich 17 Standorte geschlossen. Ich denke nur an Upjever, Großenkneten, Ahlhorn usw. Ich sagte bereits, dass das eine Politik mit dem Fallbeil ist. Es stellt sich die Frage, wo der Mensch, Soldaten und zivile Mitarbeiter der Bundeswehr bleiben.

Kurz vor Weihnachten klingen die Ministerworte bitter: Die Bundeswehr hat militärische Aufgaben und keine Wirtschaftsförderungsaufgaben. Meine Damen und Herren, doch hier genau liegt der Hund begraben. Die geplanten Standortschließungen müssen sozial abgefedert werden. Die CDULandtagsfraktion verkennt nicht die Notwendigkeit,

durch Rationalisierung und Optimierung der Betriebsabläufe Einsparungen zu erzielen. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bundeswehr - hier besonders die Standorte in Niedersachsen - zum Steinbruch des Haushalts der Bundesregierung verkommen dürfen.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Aber die Be- zirksregierungen!)

Eine alte CDU-Forderung ist, dass die Bundeswehr mit ihren vielfältigen Standorten und Dienststellen auch in der Fläche stationiert bleiben muss. In dem Flächenland Niedersachsen sind die Standorte für unsere Bevölkerung von enormer Bedeutung. Sie bescheren Arbeit und Geld und sind ein nicht zu verkennender Wirtschaftsfaktor für diese Regionen.

Ich erinnere nur an die Worte von Herrn Bartling am 25. Juni im Plenum, als er sagte: Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit bei den Bundeswehrstandorten immer auch Rücksicht auf die Strukturen genommen und wird das auch weiter tun. Gerade dies ist nicht passiert. Herr Bartling, Ihre Freunde in Berlin stehen nicht zu ihrem Wort. Sie werden das auch in Zukunft nicht tun, nachdem sie auf dem SPD-Parteitag solch einen Spektakel um ihren Generalsekretär veranstaltet haben. Sie haben mit Ihren parteiinternen Intrigen und der Stimmzettelaffäre um Gabriel dem Land Niedersachsen erheblichen Schaden zugefügt. Weiterhin wird ohne Konzept reformiert. Arbeitsplätze in zivilen militärischen Kooperationen sollen abgebaut werden. Damit werden die personellen Zielvorgaben erreicht, aber die Personalkosten bleiben haushaltswirksam. Es wird aber immerhin weiter reformiert. Bei uns Niedersachsen ist die Hoffnung das beständigste. Sie verlässt uns zuletzt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herrn Meihsies das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf den Zuschauerrängen! Herr Kollege Kaidas hat sehr theatralisch gefragt, wo der Mensch in diesen Regionen bleibt. Herr Kollege Kaidas, ich frage zurück: Wo bleibt der Mensch in den Regionen Bux

tehude und Nienburg, in den Bezirksregierungen und bei den Krankenhausplanungen, die jetzt zurückgefahren werden? Wo bleiben die Menschen in diesem Lande? Ich frage dies sehr nachdrücklich und gebe diese Frage an Sie zurück.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)