Protocol of the Session on November 20, 2003

Meine Damen und Herren, hier geht es übrigens nicht um eine populistische Debatte, sondern schlicht und einfach darum, wie der Landtag in Zukunft aussehen und arbeiten soll. Wir sind der Meinung, dass eine Reduzierung auf 121 Abgeordnete und 80 Wahlkreise ausreichend und angemessen ist. Mit 121 Abgeordneten hätten wir als zweitgrößtes Flächenland den drittgrößten Landtag. Größere Landtage hätten nur Bayern und Nordrhein-Westfalen. Beide Länder haben deutlich mehr Einwohner als Niedersachsen. Somit ist die von uns vorgeschlagene Verkleinerung erforderlich, ausreichend und auch angemessen.

Meine Damen und Herren, ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir für uns lediglich in Anspruch nehmen, die überfällige Verkleinerungsdebatte durch unseren Gesetzentwurf angestoßen zu haben. Wir nehmen für uns nicht in Anspruch, dass unser Vorschlag auf Verkleinerung bereits der Weisheit letzter Schluss ist. Vielleicht sind wir

ja schon nahe dran. Ich bin aber sehr gespannt auf die Vorstellungen der anderen drei Fraktionen und freue mich auf die Beratung im Ausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Zur Einbringung des Antrages der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Herr Hagenah das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Verkleinerung dieses Landtages scheint in dieser Wahlperiode Konsens werden zu können. Das ist doch schon einmal ganz gut, wenn ich daran denke, wie schwer wir uns - auch wir Grüne - noch in der Enquete-Kommission damit getan haben. Das Rad hat sich weiter gedreht. Angesichts der Einsparzwänge überall muss auch das Parlament einen relevanten Beitrag leisten. Weniger Parlamentarier sind ein vertretbarer und effizienter Weg dazu.

Im Detail gibt es aber noch wichtige Unterschiede. Wir favorisieren mit der neuen Zielzahl von 135 Abgeordneten ein Konzept, das die Schwankungsbreite der tatsächlichen Abgeordnetenzahl mit Überhangmandaten deutlich geringer hält, als es das SPD-Konzept mit 121 Abgeordneten tut.

In der absoluten Zahl mit Überhangmandaten sind letztlich beide Konzepte gleich, wenn man nämlich in beiden Konzepten 80 Wahlkreise beibehält. Das gebe ich zu bedenken. Wir haben also somit das stabilere Konzept.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Das hängt am Wahlergebnis!)

- Das hängt vom Wahlergebnis ab. Aber, Herr Jüttner, Sie wissen doch, wie eng es hier nach der letzten Wahl dadurch geworden ist, dass das Wahlergebnis so erdrutschartig ausgefallen ist. Sie wissen auch, dass so große Verschiebungen unnötige Kosten verursachen, weil wir die Arbeitsmöglichkeiten immer für die maximale Zahl vorsehen müssen. Wenn diese maximale Zahl bei beiden Vorschlägen gleich ist, dann hat unser Vorschlag mit 135 Abgeordneten meines Erachtens durchaus Vorteile gegenüber dem Vorschlag der SPD-Fraktion, weil wir dann in Zukunft weniger Schwankungen haben werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bei der Verkleinerung des Parlaments sind nämlich auch Kriterien wie der Erhalt überschaubarer Wahlkreisstrukturen, auch in dünn besiedelten Regionen, zu bedenken. Derzeit haben wir etwa 78 000 Einwohner in jedem Wahlkreis. Bei 80 Wahlkreisen wären es etwa 100 000 Einwohner. Man möge sich einmal vorstellen, wie groß diese Flächen in den dünn besiedelten Teilen des Landes zur Bereisung sein werden. Ich meine, dass man den Landtag nicht deutlich kleiner wird machen können.

(Unruhe)

Herr Hagenah, einen Augenblick! - Meine Damen und Herren, der Geräuschpegel ist wirklich so hoch, dass die Zuhörer den Redner nicht verstehen können. Wer etwas zu sagen hat, was nicht zu diesem Thema gehört, der sollte bitte hinausgehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Herr Hagenah!

Weniger als 80 Wahlkreise im Lande wären mithin tatsächlich ein Problem für die vor Ort direkt gewählten Abgeordneten, dort noch präsent sein zu können. Ich erinnere auch daran, dass die Repräsentanz dann, wenn man die Regelzahl von 135 Abgeordneten, die wir vorschlagen, noch deutlich verringern würde und dem Landtag, so wie es die SPD-Fraktion vorschlägt, tatsächlich nur noch 121 Abgeordnete angehörten, für kleinere Parteien, die bekanntlich ab 5 % im Landtag vertreten sind, in diesem Flächenland durchaus schwieriger würde. Auch das ist zu bedenken. Wir müssen also sowohl in Bezug auf die Mehrheitsfraktionen als auch in Bezug auf die kleinsten denkbaren Fraktionen einen sinnvollen Kompromiss finden.

Die aktuelle Situation im Landtag mit 28 Überhangmandaten macht deutlich, dass es wenig sinnvoll ist, bei der Verkleinerung des Landtages eine Fortschreibung des derzeitigen Verhältnisses zwischen gesetzten Wahlkreisabgeordneten und nach Proporz hinzugewählten Abgeordneten vorzunehmen, so wie es die SPD-Fraktion vorschlägt.

In der Enquete-Kommission vor zwei Jahren hatte sich die SPD und auch wir Grüne noch gegen eine Verkleinerung ausgesprochen.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Die Gründe für unseren Positionswechsel hin zu den damaligen Eckpunkten des Sondervotums der CDU in der Enquete-Kommission zur zukünftigen Arbeit des Landtages liegen auf der Hand.

(David McAllister [CDU]: Aha!)

Es ist nicht nur die hier mit Händen zu greifende drangvolle Enge, die einige hier sogar ohne Tisch sitzen lässt, die uns zu einer Reduktion veranlasst, sondern auch der in den vergangenen zwei Jahren noch einmal drastisch angestiegene Einspardruck, bei dem das Parlament natürlich nicht außen vor bleiben darf. Man könnte also meinen, lassen Sie uns schnell entscheiden und beschließen. Wenn ich nicht heute Morgen die Pressemitteilung des Landtagspräsidenten gelesen hätte, der offensichtlich aufgrund von Stimmen in den Fraktionen von CDU und FDP - sonst könnte ich es mir nicht erklären, weil er da für SPD und Grüne nicht gesprochen hat -, deutliche Einschränkungen hinsichtlich der bisherigen Beschlüsse auf dem CDU-Parteitag und für Ihr Votum auch in der Enquete-Kommission gemacht hat, denn - ich zitiere -: „Die Parteien sollten nicht hektisch und populistisch über eine Verkleinerung entscheiden.“

(Zustimmung bei der CDU)

Ich meine: Von Hektik ist keine Spur. Wir bringen den Antrag ein und wollen ihn ordentlich besprechen und in den Ausschüssen beraten.

(David McAllister [CDU]: Sie machen Hektik, weil Sie Ihre Position geändert haben!)

Aber dann sagt er: „Wenn man einen großen Schritt zunächst nicht gehen will, bin ich auch mit mehreren kleineren Schritten in die richtige Richtung einverstanden.“ - Bitte schön, wer will denn im Augenblick keinen großen Schritt gehen? - Sie haben doch einen Parteitagsbeschluss. Sie haben ein Sondervotum in der Enquete-Kommission abgegeben. So, wie ich Herrn Bartling gerade verstanden habe, würde sich die SPD–Fraktion durchaus auch auf diese Linie, die unser Antrag vorsieht, verständigen können. Also lassen Sie uns schon in dieser Wahlperiode, gültig ab der nächsten Landtagswahl, die richtigen Entscheidungen

treffen und nicht, wie es Herr Gansäuer für die Fraktionen von CDU und FDP vorschlägt, einen solchen Schritt erst bis zum Jahre 2013 vorzunehmen.

Bei der CDU-Fraktion bestimmt das Sein das Bewusstsein. Der Wechsel aus der Opposition hin zur Regierungsbank scheint der Grund zu sein, weshalb Sie Ihre Argumente, die noch vor zwei Jahren galten, nicht mehr für so plausibel halten. Das bedauern wir sehr. Wir glauben, dass man gute Ideen, die man in Jahren der Oppositionszugehörigkeit hat, auch als Regierung umsetzen sollte. Wir bemühen uns darum. Ich meine, dass auch Sie sich daran messen lassen sollten. In diesem Sinne hoffe ich, dass Herrn Gansäuers Einwendungen von heute Morgen nicht die Position der beiden Regierungsfraktionen darstellt und wir mithin zu einer schnellen Entscheidung in diesem Sinne kommen werden. - Schönen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDU-Fraktion hat nunmehr Herr Althusmann das Wort. Ich erteile es ihm.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lieber Herr Hagenah, wem der Wechsel von den Regierungsbänken auf die Oppositionsbänke wohl eventuell nicht so ganz bekommen sein dürfte, das lassen Sie einmal die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes entscheiden.

Meine Damen und Herren, ich habe heute Morgen noch nie so viel Populismus und so viel Wendehalstum in diesem Niedersächsischen Landtag erlebt wie in den wenigen Minuten Ihrer Rede, Herr Bartling.

(Beifall bei der CDU)

Das war einerseits der Tag der Erkenntnis, andererseits der Tag der Selbstverleugnung. Lieber Herr Bartling, ich frage Sie allen Ernstes: Wo waren Sie eigentlich in den vergangenen 13 Jahren? Warum haben Sie eigentlich in den vergangenen 13 Jahren die Chance im Niedersächsischen Landtag nicht genutzt, um diesen Landtag zu verkleinern? - Das ist unglaubwürdig, Herr Bartling, und das ist scheinheilig.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Übrigen sprachen Sie, Herr Bartling, von der Freiheit. Ich hoffe für Sie persönlich, dass es Sie nicht schneller einholt, als es Ihnen am Ende tatsächlich lieb ist.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion hat es nach einem sichtlich anstrengenden Parteitag in großer Harmonie, wie wir lesen dürfen - -

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Ja! - Heiter- keit bei der CDU und bei der FDP)

Dort ist zu lesen: Schröder zu Jüttner: Ich mache euch fertig! - Jüttner zu Schröder: Soll sich an die eigene Nase fassen! - Gabriel zu wem auch immer: Es gibt ein paar, die jedem anderen unterstellen, er würde genauso intrigant arbeiten wie er selber! - Das steht in der taz. Die steht uns wahrlich nicht nahe, aber herzlichen Glückwunsch zu diesem Parteitag.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, in dieser großartigen Harmonie haben Sie es verdient, dass wir uns mit Ihrem Vorschlag zur Reduzierung des Landtages wahrhaft fair und sachlich auseinander setzen. So sind wir; auch wenn es uns manchmal ein wenig schwer fällt.

(Wolfgang Jüttner [SPD]: Danke! - Stefan Wenzel [GRÜNE]: Sie müssen nicht so unruhig werden, Herr Althus- mann!)

- Lieber Herr Wenzel, die CDU-Fraktion ist sich einig darin, dass wir den Niedersächsischen Landtag verkleinern wollen. Wir werden über den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und den Antrag der Grünen in den Ausschüssen an der Sache orientiert beraten und wir werden ebenso mit unserem Koalitionspartner vertrauensvoll über das weitere Vorgehen beraten. Wir werden allerdings - auch das kann ich Ihnen heute schon ankündigen - inhaltlich einiges verändern. So werden wir uns z. B. intensiv mit der Frage der Ausgleichs- und Überhangmandatsregelung befassen. Sie hatten vor 1998 auf der Bundesebene die Abschaffung der Ausgleichs- und Überhangsmandatsregelung immer gefordert. Herr Bartling, Sie wären auf Bundesebene heute im Übrigen nicht stärkste Partei im Deutschen Bundestag, wenn Überhangmandate abgeschafft worden wären. Wir werden überlegen, ob wir Ihrem Wunsch nachkommen sollten, obwohl unsere Landespartei dazu einen klaren Beschluss

gefasst hat. Wenn jemand aber vor etwa einem Jahr hier im Niedersächsischen Landtag das Minderheitenvotum der CDU in der EnqueteKommission zur Verkleinerung des Landtages mit seiner Mehrheit niedergestimmt hat und uns im Dezember 1996 bei einem gleich lautenden Antrag betreffend Verkleinerung des Parlaments hier im Landtag Scheinheiligkeit vorgeworfen hat, dann dürfen wir ihm jenes unfreundliche Kompliment mit freundlichem Lächeln zurückgeben, Herr Bartling. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Herr Bartling, ich will nicht verschweigen, dass wir uns manchmal schon gefragt haben, ob Sie sich selbst überhaupt noch ernst nehmen. Wir haben zumindest ernsthafte Zweifel daran. Herr Bartling oder Frau Harms, nun stellen Sie sich einmal vor, wir würden jetzt wirklich Ernst machen.

(Rebecca Harms [GRÜNE]: Das Min- derheitenvotum war doch von Ihnen!)

Nach dem Vorschlag der SPD-Fraktion soll es 2008 nur noch 80 Wahlkreise geben. Nehmen wir einmal an, man käme doch auf die Idee, die Ausgleichsmandate zu streichen. Bei Ihrem heutigen Zustand des Kannibalismus würden im Jahre 2008 dann 80 Direktwahlkreise an die CDU gehen.

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir dann noch ein paar Überhangmandate erhalten und wir dennoch insgesamt vielleicht ein paar weniger sind, sackt die Zahl Ihrer Abgeordneten womöglich auf unter 40 ab. Stellen Sie sich einmal vor: Jeder Dritte von Ihnen nimmt hinten auf der Besuchertribüne Platz. So sähe die Realität aus, wenn Ihrem Antrag entsprochen würde, Herr Bartling.