Protocol of the Session on October 31, 2003

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das wird zu einer massiven Verlagerung auf die Verwaltungsgerichte führen. Dieser Weg ist daher absolut kontraproduktiv zu dem Ziel der Justizentlastung.

Meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion fordert in ihrem Antrag unter Nr. 2 c, so lange auf Stellenstreichungen in der Justiz zu verzichten, bis Überlegungen umgesetzt wurden, die zu einer konkreten Entlastung der Gerichte führen. Wir alle wissen um die hohe Belastung der Justiz. Die Richterverbände werden nicht müde, dies zu betonen. Es ist daher in meinen Augen richtig, der CDU ihre gebrochenen Wahlversprechen in Bezug auf Justizverbesserung aufs Brot zu schmieren. Nach Stratmanns fragwürdigem Hochschulverdünnungskonzept haben wir nun Heister-Neumanns Justizausmergelungsprogramm.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eines ist klar: Auch die Justiz muss einen Beitrag leisten. Allerdings ist es rechtspolitisch falsch, wenn man die Überwachung der Telekommunikation in großem Stil ausweitet, gleichzeitig aber Personal an den Gerichten abbaut. Das ist eine fundamentale Schwächung der dritten Gewalt, die nicht unsere Zustimmung findet. Deshalb halten wir die Intention des Antrages für richtig, von der Landesregierung grundsätzliche Überlegungen zur Justizentlastung - und keine weitere personelle Ausdünnung der Justiz - zu fordern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Wort hat der Herr Dr. Biester von der CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren, vor allen Dingen meine Damen und Herren der antragstellenden SPD-Fraktion! Sie haben sich hier schon öfter etwas sagen lassen müssen. Das wird auch in Zukunft so sein. Wir werfen Ihnen, den Mitgliedern der SPD-Fraktion, persönlich vor, für die derzeitige katastrophale Finanzsituation des Landes Niedersachsen verantwortlich zu sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Heike Bockmann [SPD])

Demgemäß sprechen wir Ihnen das Recht ab, dann, wenn wir notwendige Kürzungsmaßnahmen beschließen müssen, diese bloß zu kritisieren. Wenn Sie ernst genommen werden wollen, müssen Sie schon finanzierte Gegenvorschläge unterbreiten, damit man feststellen kann, dass Sie sich in der Opposition tatsächlich geläutert haben.

Wie könnte es anders sein? Auch mit diesem Entschließungsantrag kritisieren Sie wieder nur. Von der SPD-Fraktion ist kein einziger Vorschlag gekommen, wie man denn anders als durch Kürzungen im Bereich der Stellen der Situation im Justizbereich Herr werden könnte. Dazu findet sich nicht ein einziger Satz.

(Friedhelm Helberg [SPD]: Machen Sie es wie wir! - Heike Bockmann [SPD]: Sie wollen neue Polizisten!)

Wir wissen: Das Justizministerium muss sich an den im Land Niedersachsen notwendigen Einsparungen beteiligen. Wir wissen auch - wie so oft -, dass dies nur geht, wenn man auch bei den Personalkosten spart. Damit dies nicht zulasten der Kernaufgaben der Justiz geht, müssen wir gleichzeitig eine weitere Diskussion in diesem Zusammenhang führen, nämlich uns die Fragen stellen: Was sind eigentlich originäre Justizaufgaben? Welche Aufgaben können wir eventuell verlagern? Welche Aufgaben können wir im Sinne von Personaleinsparungen eventuell zusammenfassen? Insofern ist der Wortbeitrag des Kollegen Briese in diesem Zusammenhang wesentlich weiterführend gewesen als das, was die SPD-Fraktion hier gesagt hat.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Briese, es ist aber nicht alles richtig gewesen, was Sie gesagt haben.

(Enno Hagenah [GRÜNE]: Doch, doch!)

- Darauf gehe ich gleich noch ein.

Meine Damen und Herren, wir nehmen zur Kenntnis, dass die Diskussion darüber, wie es eigentlich mit der Justiz weitergehen soll, von der Justizministerin angeschoben, angeregt worden ist. Wir, die Mitglieder der CDU-Fraktion, werden diesen Weg des Justizministeriums positiv begleiten.

Ich möchte einige Stichworte nennen, die auch schon in der Vergangenheit gesagt worden sind. Wir können es uns durchaus vorstellen, dass es nicht zwingend notwendig ist, nebeneinander eine Arbeitsgerichtsbarkeit und eine Zivilgerichtsbarkeit zu haben, wenn die Rechtsgrundsätze, die dort zum Tragen kommen, sehr ähnlich sind. Wir können uns also vorstellen, diese beiden Gerichtszweige zusammenzuführen. Wir können uns auch vorstellen, dass es machbar ist, auf eine eigen

ständige Finanzgerichtsbarkeit, auf eine eigenständige Sozialgerichtsbarkeit, auf eine eigenständige Verwaltungsgerichtsbarkeit zu verzichten und diese zu einem zweiten Gerichtszweig neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit zusammenzuführen.

Wir sind auch bereit, zu prüfen, inwieweit Register nicht unbedingt von der Justiz geführt werden müssen. Ich fände es bedauerlich, wenn sich die Prognose des Kollegen Helberg bewahrheiten würde und die Öffnungsklausel vom Bund nicht verabschiedet würde. Ich fände es sehr sinnvoll, wenn diese Registerführung - damit sind ja nicht Kernaufgaben der Rechtsprechung betroffen - von der Justiz zu den Industrie- und Handelskammern verlagert würde. Die möchten diese Aufgabe gerne wahrnehmen. Warum sollen sie es dann nicht können?

Jetzt komme ich zu dem strafrechtlichen Bereich. Da stimme ich mit Herrn Briese überhaupt nicht überein. Wir sind davon überzeugt, dass es möglich ist, die Strafprozessordnung so zu ändern, dass die Möglichkeiten, die Strafverteidigung nur auf Konflikt und auf die Verlängerung von Strafverfahren anzulegen - um so die Möglichkeit formaler Fehler zu erhöhen -, begrenzt werden.

Den Weg, Kriminalität letztlich aus dem Straftatenkatalog herauszunehmen - ich erinnere an die Diskussion über die Frage, ob Ladendiebstahl ein Straftatbestand sein muss, wie sie von den Grünen schon einmal angeschoben worden ist, oder an die Diskussion, die Betäubungsmittelkriminalität aus dem Straftatenkatalog herauszunehmen -, halten wir für völlig falsch. Dort, wo Kriminalität anzutreffen ist, wird diese Landesregierung sie bekämpfen, und zwar unter Einbeziehung der Mittel der Strafjustiz.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die von Ihnen, Herr Briese, aufgeworfene Frage der Widerspruchsverfahren geht an der Rechtstatsache vorbei. Die Widersprüche sind in der Regel nicht erfolgreich, und Widerspruchsverfahren folgt in aller Regel ein Verwaltungsgerichtsverfahren nach.

(Ralf Briese [GRÜNE]: Sprechen Sie einmal mit den Verwaltungsrichtern!)

Das mit den Widerspruchsverfahren bringt also so gut wie gar nichts. Es ist durchaus sinnvoll, dass die Ausgangsbehörde gleichzeitig auch Widersprüche bescheidet. Dann brauchen wir nicht die

zweite Ebene als Widerspruchsbehörde draufzusatteln.

Meine Damen und Herren, wir sind auch der Meinung, dass Betreuungskosten von mehr als 40 Millionen Euro, wie sie im Haushalt zu finden sind, nicht originäre Kosten der Justiz sind. Nur weil ein Vormundschaftsgericht eine Betreuung eingerichtet hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass alles, was danach seitens der bestellten Betreuer geschieht, automatisch rechtliche Aufgaben sind, nur weil der Ausgangspunkt eine rechlichte Aufgabe ist. Wir meinen, dass wir auch dort zu Kosteneinsparungen und zu deutlichen Kostenveränderungen kommen müssen.

Diese Diskussionen, meine Damen und Herren von der SPD-Fraktion, wollen wir gern mit Ihnen führen. Wir wären Ihnen dankbar, wenn auch in diesem Zusammenhang von Ihnen Vorschläge kommen würden. Wir wären dankbar, wenn Sie Ihren Einfluss in Berlin geltend machen würden, damit das, was in diesem Zusammenhang auf Bundesebene zu regeln ist, auch tatsächlich geregelt wird.

Ich will Ihnen gerne zugeben, dass das alles nicht sofort greift. Wir werden eine Übergangsphase haben, in der die Justiz durch die Einsparungen erheblich belastet sein wird. Aber wir vertrauen darauf, dass die Präsidien durch eine feinfühlige und fantasievolle Verteilung der Aufgaben auf die vorhandenen Richter durchaus in der Lage sind, eine Justiz sicherzustellen, die gegenüber dem bisherigen Zustand keineswegs schlechter sein wird.

(Friedhelm Helberg [SPD]: Da ist kei- ne Luft mehr, Herr Biester!)

Sie verweisen in diesem Zusammenhang auf steigende Fallzahlen. Das ist richtig. Aber das ist nur die eine Seite der Medaille. Wenn Sie den von Ihnen herangezogenen Bericht zur Kenntnis nehmen, werden Sie feststellen, dass es durchaus auch Bereiche gibt, in denen ein Rückgang der Fallzahlen zu verzeichnen ist. Ich nenne die Berufungsverfahren beim Landgericht, die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit einem Rückgang von fast 10 %, Rechtsbeschwerden, in Bußgeldverfahren mit minus 7 %, Asylverfahren mit minus 12 %. Dort ist ein Spielraum entstanden, und diesen Spielraum gilt es in der Übergangsphase zu nutzen, um die Einsparungen im Justizbereich verkraften zu können.

Meine Damen und Herren, ich fasse zusammen. Wir kürzen auch im Bereich der Justiz, weil es keine finanzpolitische Alternative gibt. Die Kürzungen sind schmerzlich, aber sie sind so moderat, dass sie die Funktionsfähigkeit der niedersächsischen Justiz keineswegs gefährden, wie es Ihr Antrag suggerieren soll.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Lehmann von der FDP-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach der Erklärung des Finanzministers von heute Morgen hätte ich von Ihnen, Herr Kollege Helberg, andere Ausführungen zu diesem Thema erwartet, nämlich insbesondere mehr Verständnis für die finanzielle Situation unseres Landes, wie sie sich aktuell darstellt. Aber ich will jetzt nicht noch einmal die ganze Litanei ausbreiten, die wir zu so vielen anderen Punkten hier im Plenum gehört haben. Dazu, wer für das finanzielle Desaster verantwortlich ist und wie man damit in Zukunft umgehen muss, ist schon genug gesagt worden.

Da wir in Niedersachsen vor dieser großen Belastung stehen, müssen wir - das ist an anderer Stelle schon mehrfach dargelegt worden - einfach auch an die Personalkosten heran, da diese den Etat am meisten belasten. Das betrifft uneingeschränkt auch die Justiz, und dazu gibt es keine Alternative. Wir als FDP-Fraktion kennen die Belastung der Justizbediensteten, und zwar nicht nur die der Richterinnen, Richter und Staatsanwälte, sondern natürlich auch die der Bediensteten im Justizvollzug und bei den Gerichten. Wir wollen ihnen selbstverständlich möglichst wenig zumuten, aber wir können in diesem Bereich - wie in vielen anderen Bereichen auch - nun einmal nicht anders.

Das Justizministerium hat das Problem erkannt. Die Ministerin hat eben ausgeführt, dass es zwar zu Stellenstreichungen kommen wird, dass aber die 40 kw-Vermerke um ein weiteres Jahr verlängert werden. Man hat die Sorgen und Nöte der Justiz also durchaus aufgenommen.

Es werden und - auch das sage ich - es müssen allerdings weitere Maßnahmen folgen. Die Bin

senweisheit, dass in jeder Veränderung auch eine Chance liegt, gilt natürlich auch für die Justiz. Wir müssen die Dienstleistungsqualität in der Justiz erhöhen und die Effizienz insgesamt steigern. Ziel der Bemühungen der Koalition von FDP und CDU ist es, die Justiz fit zu machen für die Anforderungen des 21. Jahrhunderts. Daran werden wir arbeiten. Ich werde dazu gleich noch einige Vorschläge machen. Vieles Ähnliches ist heute ja auch schon gesagt worden.

Entscheidend für die Funktionsfähigkeit der Justiz wird es sein, dass es gelingt, die zukünftig knappen Ressourcen - sie sind heute schon beschrieben worden - so effizient einzusetzen, dass die Entlastungen, die im Justizbereich teilweise eingetreten sind - Kollege Biester hat sie gerade genannt - von anderen Kolleginnen und Kollegen dort wahrgenommen werden können.

Wir kommen, wenn wir diese Betrachtungen anstellen, zu den gleichen Schlüssen, die wir schon bei den Überlegungen zur Verwaltungsreform in der allgemeinen Verwaltung gezogen haben. Wir müssen die Frage stellen: Was kann in den Abläufen, was kann in den Zuständigkeiten, was kann bei den Aufgaben noch verändert werden?

Ich denke z. B. an die Synergieeffekte, die - auch das ist genannt worden - durch die Zusammenlegung der ordentlichen Gerichtsbarkeit mit der Arbeitsgerichtsbarkeit und der Sozialgerichtsbarkeit mit der Verwaltungsgerichtsbarkeit, durch die Privatisierung im Gerichtsvollzieherwesen und durch die Führung der Register durch die Kammern erzielt werden können. Wir alle müssen gemeinsame Anstrengungen unternehmen und bei der Beratung zum Justizmodernisierungsgesetz auf unsere Parteifreunde in Berlin einwirken. Dort gibt es viele vernünftige Vorschläge, bei denen auch ein parteiübergreifender Konsens möglich ist. Diese Vorschläge sollten wir aufgreifen und umsetzen, um zu einer Entlastung und zu einer größeren Effizienz in der Justiz zu kommen.

Aber ich denke auch an die Möglichkeiten, die durch einen Aufgabenabbau und eine Aufgabenprivatisierung im Übrigen erzielt werden können. In Zeiten knapper Finanzen wird es verstärkt zu einer Kooperation von privatem Know-how und staatlichen Stellen kommen müssen. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an den Entschließungsantrag zur Frage der Überprüfung von Privatisierungsmöglichkeiten im Bereich der Justizvollzugsanstalten, den die FDP-Fraktion und die CDU-Frak

tion eingebracht haben. Auch daran müssen wir arbeiten und prüfen, was wir übertragen können, ohne den hoheitlichen Bereich, der in der Tat durch den Staat wahrgenommen werden muss, anzugreifen. Dieser Kooperation können wir uns ebenfalls nicht verschließen.

Ich meine, wenn wir diese Aufgabenkritik insgesamt vorgenommen haben, wenn wir geprüft und gleichzeitig auf Bundesebene mit den einzelnen Ausführungsgesetzen viele Erleichterungen und Vereinfachungen erreicht haben, dann wird es uns auch gelingen, dazu zu kommen, dass die Justiz in Niedersachsen noch besser, noch effektiver arbeiten kann, als sie sich ohnehin schon über Gebühr einsetzt. - Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank. - Wir sind damit am Ende der Beratung und kommen zur Ausschussüberweisung. Es ist vorgeschlagen, den Antrag zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen und zur Mitberatung an den Ausschuss für Haushalt und Finanzen zu überweisen. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer ist dagegen? - Das war einstimmig.

Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, möchte ich bekannt geben, dass auch der Antrag unter Tagesordnungspunkt 35 direkt überwiesen werden soll, wodurch wir noch einmal 35 Minuten Zeit gewinnen.

Ich rufe auf