Protocol of the Session on September 19, 2003

(Glocke des Präsidenten)

- Ich komme gleich zum Ende. - Wir haben in der Photovoltaik aber nur einen Wirkungsgrad von 20 %. Deswegen benötigen Sie allein für das Kernkraftwerk Stade 3,2 Millionen m2 Kollektorfläche. Frau Harms, Sie sitzen dann zwar auch tagsüber unter Ihren Kollektoren im Schatten. Aber Sie haben dann ja Solarstrom und können das elektrische Licht einschalten.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Rebecca Harms [GRÜNE]: Wo wollen Sie das neue Atomkraftwerk bauen?)

Herr Kollege, bitte kommen Sie zum Schluss.

Frau Harms, ich muss zum Schluss kommen. Ich werde Ihnen das in einer ruhigen Stunde noch einmal erläutern. Sie können mir dann ja zeigen, wie man zur Marschmusik schunkelt. Sie hatten ja in der ersten Sitzung hier bekannt gegeben, Sie wüssten, wie das geht.

In diesem Sinne werden wir den Antrag in den Ausschüssen beraten. Das Brauchbare davon werden wir umsetzen, und den ideologischen Rest schmeißen wir in den Papierkorb.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Sigrid Leuschner [SPD]: Reine Lob- by!)

Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Dürr. Ich erteile ihm das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als ich den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das erste Mal gelesen habe, habe ich meinen Augen kaum getraut. Sie reden davon, dass die nationalen CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005 um 25 % und bis zum Jahre 2020 um 40 % gesenkt werden sollen. Das ist so weit richtig. Dann steht da aber tatsächlich Folgendes:

„Es ist momentan nicht sicher, dass Deutschland mit den vorhandenen Instrumenten diese anspruchsvollen Ziele tatsächlich erreicht."

Ach nein! Da zwingen Sie gemeinsam mit Herrn Trittin die deutsche Wirtschaft, auf die CO2-freie Kernenergie zu verzichten, und dann wundern Sie sich, dass Klimaschutzziele nur schwer zu erreichen sind. Das schlägt wirklich dem Fass den Boden aus!

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Frau Harms, wir können gerne über die Vor- und Nachteile der Kernenergie diskutieren. Aber eine Technik, die vor allem bei ihrer Weiterentwicklung in der Zukunft durchaus gute Chancen geboten hätte, einen effektiven Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, grundsätzlich zu verbieten, ist nichts anderes als Ideologie.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir als FDP-Fraktion sind - um das sehr deutlich zu sagen - für die Nutzung der Windenergie. Es gibt große Chancen im Offshore-Bereich außerhalb der Zwölfseemeilenzone.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Aber gaukeln Sie den Bürgern nicht immer vor, dass alles so einfach wäre. Wind ist vor allem im Binnenland nicht immer verfügbar. Es muss bereits heute in erheblichem Umfang Kapazität konventioneller Kraftwerke vorgehalten werden, damit das Licht nicht einfach ausgeht, wenn der Wind aufhört zu wehen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Darüber hinaus gibt es auch Kosten bei der Einspeisung von Windenergie. Auf die Küstenländer werden nach den derzeitigen Regelungen auf Bundesebene erhebliche Kosten zukommen, Kosten - das ist auch eine Frage von Ehrlichkeit, Frau Harms -, die zulasten der Verbraucher gehen werden.

Zur Realität einer Industrienation gehört auch, dass es energieintensive Betriebe gibt, die hochqualifiziertes Personal beschäftigen. Auch in Niedersachsen droht wegen der Politik der Bundesregierung in Berlin der Verlust von zahlreichen Arbeitsplätzen. Schauen Sie doch einmal nach Wilhelmshaven, Frau Harms.

(Zuruf von der CDU: So ist es!)

Die Ökosteuer war für die deutschen Unternehmen schon schlimm genug. Aber das, was sich Herr Trittin als Energiepolitik der Zukunft vorstellt, und das, was er dazu in der Öffentlichkeit propagiert, sorgt schon heute dafür, dass Investitionen ausbleiben.

(Ulrike Kuhlo [FDP]: Dosenpfand!)

- Genau, das Dosenpfand ist ein gutes Beispiel. - Reden wir doch einmal über marktwirtschaftliche Lizenzmodelle zur CO2-Reduzierung. Aber der rotgrünen Bundesregierung fällt nichts Besseres ein, als immer wieder an der Steuerschraube zu drehen. Sie reißen Deutschland immer tiefer rein.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wir brauchen zweifelsohne mehr regenerative Energien. Aber es müssen zwei Prämissen erfüllt werden: Sie müssen erstens einen echten Beitrag zum Klimaschutz leisten. Das heißt bei der Windenergie, dass wir in Zukunft effektive Speichermöglichkeiten brauchen. Zweitens müssen sie auch unter dem Aspekt der Preiswürdigkeit tragfähig sein. Die Idee, Energie beliebig zu verteuern, sei bereits ein Beitrag zum Klimaschutz, wird nicht funktionieren.

Frau Harms, Sie haben vorhin das Thema EEG und Einspeisevergütung und die Novellierung des Gesetzes angesprochen. Die Einspeisevergütungen sind, wenn wir ehrlich sind, versteckte Subventionen. Sie haben die Kollegin Homburger erwähnt, die gemeinsam mit der FDP-Bundestagsfraktion einen hervorragenden Vorschlag zum Thema Mengensteuerung in dem Bereich gemacht hat. Vielleicht können wir darüber einmal reden, Frau Harms.

Wir sind uns alle einig, dass Sicherheit bei der Energieversorgung und die CO2-Reduzierung wichtige Elemente der Umwelt- und Wirtschaftspolitik sind. Für Ideologie ist da allerdings kein Platz. Frau Harms, wenn man für schlechte Ideen eine Einspeisevergütung nach EEG bekäme, dann hätten Sie einen Anspruch darauf.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Als Nächster erteile ich der Abgeordneten Somfleth von der SPD-Fraktion das Wort. Frau Somfleth!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich auf den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zu sprechen komme, möchte ich noch eine Eingangsbemerkung machen.

Wenn Herr Dürr von Versorgungssicherheit im Zusammenhang mit Windkrafträdern spricht, dann hat er dabei sicherlich auch im Blick, dass während der großen Trockenheit in diesem Sommer auch die Kernkraftwerke haben heruntergefahren werden müssen, weil nicht ausreichend Kühlwasser zur Verfügung gestanden hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Rebecca Harms [GRÜ- NE]: Und Kohlekraftwerke!)

Eine absolute Versorgungssicherheit gibt es da also auch nicht.

(Zuruf von der FDP: Das ist aber nicht zu vergleichen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Ich komme nun zum Antrag. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Klimaschutz ist ohne Zweifel eine der drängendsten Herausforderungen, der sich die Menschheit stellen muss; denn - das stand auch im Antrag; diese Meinung teile ich - das Gros der Stromerzeugung und -nutzung bei uns und weltweit ist alles andere als nachhaltig. In Deutschland werden wir in den kommenden Jahrzehnten die Möglichkeit haben – u. a. wegen des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie, aber auch wegen der Erneuerung einer Vielzahl von konventionellen Kraftwerken -, einen neuen Weg in Richtung nachhaltige Energiegewinnung einzuschlagen. Hier sind wir mit den Grünen völlig einig.

Auf einer Linie liegen wir auch bei der Forderung nach einem effizienten und sparsamen Umgang mit Energie. Auf diesem Gebiet ist im vergangenen Jahrzehnt trotz vielfältiger Bemühungen noch keine Trendumkehr erreicht worden. Der Stromverbrauch in Deutschland ist stattdessen weiter gestiegen. Aber mit dem kontinuierlichen Ausbau der regenerativen Energien in Niedersachsen sind wir auf dem richtigen Weg. Wenn wir das von der Bundesregierung verfolgte ehrgeizige Ziel, die maßgeblichen CO2-Emissionen bis zum Jahre 2005, bezogen auf das Basisjahr 1990, um 25 % zu senken, erreichen wollen, dann dürfen wir allerdings nicht nachlassen. Richtig ist aber auch, dass weitere Kraftanstrengungen folgen müssen. Deshalb hat die SPD-Fraktion noch vor der Sommerpause zwei Entschließungsanträge in die parlamentarische Beratung eingebracht, mit denen wir zum einen fordern, die erfolgreiche Solaroffensive fortzusetzen, und zum anderen, die Zukunft der Windenergie in Niedersachsen zu sichern.

Mit Ihrem Antrag, Frau Harms, haben Sie mit schier unerschütterlichem Optimismus, für den ich Sie manchmal richtig bewundere, ein ehrgeiziges Konzept notwendiger Aktivitäten zum Klimaschutz vorgelegt. Aber Ihren Optimismus kann ich nur bedingt teilen, nachdem ich die Antwort der

Landesregierung auf den im Oktober vergangenen Jahres noch einmütig verabschiedeten Entschließungsantrag zum vorbeugenden Hochwasserschutz im Binnenland gelesen habe. Dort heißt es nämlich in Abschnitt III:

„In der energetischen Altbausanierung liegt ein erhebliches Energieeinsparpotenzial. Die Landesregierung ist sich ihrer Verantwortung bewusst und verstärkt ihre Anstrengungen für den Klimaschutz:“

Dieser verbal geäußerten Einsicht folgt aber wenig. Neben der Fortführung von bereits begonnenen Maßnahmen wie z. B. der Bioenergieoffensive, den Bemühungen um Offshore-Anlagen und der Förderung der Forschung für die technische Weiterentwicklung von Solar- und PV-Anlagen wird als Maßnahme für verstärkte Anstrengungen anschließend lediglich eine Landesinitiative „Energieeinsparung“ angekündigt. Ich zitiere noch einmal:

„Um den Klimaschutzgedanken intensiver im Bewusstsein der niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger zu verankern, wird die Landesregierung eine Landesinitiative ‚Energieeinsparung‘ starten, in der gezeigt wird, wie durch verantwortungsvollen Umgang mit Energie sowie Änderung des Nutzerverhaltens Energie gespart werden kann. Durch Überzeugung und Beratung der Haus- und Wohnungseigentümer werden diese veranlasst, z. B. bei ohnehin anfallenden Instandhaltungsarbeiten auch energetische Sanierungsmaßnahmen durchzuführen.“

Diese Maßnahme allein bleibt Stückwerk, wenn die Landesregierung nicht auch gleichzeitig verstärkt bei landeseigenen Liegenschaften tätig wird. Aber dazu hat man in der Antwort der Landesregierung, die wir im August dieses Jahres erhalten haben, nichts lesen können.

(Vizepräsidentin Silva Seeler über- nimmt den Vorsitz)

Also, es ist wirklich kein einfaches Unterfangen, was Sie sich da auf die Schultern geladen haben, Frau Harms und liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Aber wir sagen Ihnen zu, wir werden gemeinsam mit Ihnen versuchen, hier voranzukommen.

Erst einmal möchte ich allerdings den Ideologiebegriff an den Kollegen von der CDU-Fraktion zurückgeben, der sich hier als Lobbyist für Kernkraftwerke geoutet hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich bin froh, dass wir diesen Antrag federführend im Umweltausschuss behandeln werden. Ich hoffe, dass dort die Positionen nicht so eingefahren und festgezurrt sind, wie sich das bei der Einbringung hier im Plenum gezeigt hat, dass wir mit viel Überzeugungsarbeit vielleicht doch die eine oder andere Forderung aus diesem Antrag weiterbringen können und dass wir in dem einen oder anderen Punkt die Kolleginnen und Kollegen der FDP-Fraktion und der CDU-Fraktion auch überzeugen können. Denn es ist dringend nötig, dass wir nicht nur, aber auch in Niedersachsen unbedingt verstärkt für den Klimaschutz aktiv werden. Sonst werden unsere Kinder und Enkelkinder ein böses Erwachen erleben. - Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Minister Sander, jetzt haben Sie das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Harms, ich hätte mir gewünscht, Sie wären zur Eröffnungsveranstaltung der SOLTEC gekommen.