Herr Minister Sander, ich war einen Tag nach Ihnen auf der Solarmesse in Hameln. Sie haben da eine Spur gezogen, die ich als eine Spur des Erstaunens, des Erschreckens bezeichnen würde. Ihre Ablehnung zum Gesetz für erneuerbare Energien und zur Einspeisungsvergütung gefährdet nicht nur die Handwerker und Mittelständler, die dort ausgestellt haben. Dieses ständige und schlecht begründete Genörgel gegen die Windenergie und gegen jede Art von geregelter Einspeisevergütung stellt ja schon fast eine neue Art FDP-Glaubensbekenntnis dar. Was das mit Freiheit zu tun hat, verstehe ich allerdings nicht.
(Jörg Bode [FDP]: Das erklären wir Ihnen! - Dr. Philipp Rösler [FDP]: Wir machen Ihnen eine Zeichnung!)
Dieses Genörgel stellt technische Innovationen infrage, verunsichert Kunden, gefährdet Unternehmen und Arbeitsplätze und schadet nicht nur dem Standort Niedersachsen, sondern dem gesamten Standort Deutschland.
Meine Damen und Herren, atomare und fossile Energien verursachen im Gegensatz zu den erneuerbaren Energien bis heute hohe volkswirtschaftliche Schäden und Kosten. Waldsterben, Flut- und Dürreschäden, Kohlesubventionen, Bergbauschäden, Gesundheitskosten, Entsorgungskosten, Versicherungskosten, die wir der Energieindustrie und der Atomwirtschaft auch noch abnehmen, sind alles Kosten, die sich nicht in den Preisen für Kohle und Atomstrom wiederfinden. Das Umweltbundesamt hat vor kurzem berechnet, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz diese externen Kosten auf einen Haushalt heruntergerechnet um fünf Euro pro Monat verringert. Das ist eine interessante Zahl.
Herr Sander, ich bitte Sie und die Niedersächsische Landesregierung an dieser Stelle ausdrücklich: Erstens. Hören Sie auf - das habe ich noch gar nicht angesprochen, weil ich nicht weiß, ob ich es ernst nehmen soll,
oder ob wir wieder in die Debatte der 70er-Jahre zurück wollen - mit dem Gerede, der Atomausstieg müsse rückgängig gemacht werden, oder werden Sie konsequent und sagen Sie den Niedersachsen, wo in Zukunft neue Atomkraftwerke gebaut werden sollen. Zweitens. Stoppen Sie endlich Ihren verbalen Feldzug gegen die Förderung der erneuerbaren Energien.
Machen Sie etwas für Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Die niedersächsischen Unternehmen und Arbeitgeber, die von der bisher gut geregelten Einspeisevergütung profitiert haben, erwarten Kontinuität und nicht Diskontinuität. Sie erwarten, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz
fortgeschrieben wird und dass sie die Erfolgsgeschichte der erneuerbaren Energien für Umwelt und Arbeit fortsetzen können.
den Satz gelesen, dass das Erneuerbare-EnergienGesetz nur der Befriedigung der grünen Klientel diene. Was für eine Überheblichkeit, meine Damen und Herren! Im Aktionsbündnis Erneuerbare Energien beteiligen sich die IG Metall, der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, der Deutsche Bauernverband und die Umweltverbände. Mit diesem Aktionsbündnis wollen wir für die zuverlässige Fortsetzung der Förderung der erneuerbaren Energien sorgen. Meine Damen und Herren, wer an dieser Stelle abfällig von Klientelinteressen spricht,
Die Partei, die normalerweise die Interessen der Besserverdienenden und sonst nichts im Auge hat, spielt an dieser Stelle tatsächlich mit den Perspektiven für eine moderne und arbeitsintensive Technologiepolitik. Ich nehme wirklich sehr ernst, dass Sie gerade gegenüber den niedersächsischen Unternehmen der Windenergie fast gewissenlos handeln. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Energiepolitik für die Zukunft: Vorrang für Sicherheit und Klimaschutz“ - Frau Harms, das ist ein guter Titel, den ich ohne Wenn und Aber unterstützen kann.
Klimaschutz, Ausbau des Anteils der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch, Ausweisung von Vorranggebieten für Windenergie, Energiesparprogramme, Forschung und Entwicklung, Preise für vorbildliches Verhalten usw. sind Punkte, die Sie auch in unserem Regierungsprogramm, im Koalitionsvertrag, in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Christian Wulff und in den Erklärungen von Minister Sander wiederfinden können.
Frau Harms, meine Damen und Herren von den Grünen, leider ist der von Ihnen verfasste weitere Inhalt dieses Antrags dann aber leider teilweise falsch bzw. in vielen Fällen zumindest am Thema vorbeigeschrieben.
- Falsch! Ich werde Ihnen das gleich noch erläutern. - Sie reden von der Notwendigkeit, CO2Emissionen zu senken, nachdem Sie die bevorstehende Abschaltung des Kernkraftwerkes Stade und den von Ihnen erhofften Ausstieg aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie begrüßt haben. Tatsächlich liegen wissenschaftliche Hinweise auf eine globale Klimaveränderung vor. Es herrscht weitgehend Übereinstimmung darin, dass der im Verlauf der letzten 100 Jahre zu beobachtende mittlere Temperaturanstieg von etwa 0,5° Celsius auf freigesetzte klimarelevante Gase - in erster Linie CO2 - zurückzuführen ist. Will man eine Klimaveränderung mit weit reichenden Folgen für die Menschheit verhindern, muss nach Meinung einiger Experten der weltweite durch Menschen verursachte Kohlendioxidausstoß in den nächsten 100 Jahren sogar auf null gesenkt werden. Vor diesem Hintergrund wollen Sie aus der Kernentechnik aussteigen. Dazu muss ich Ihnen, Frau Harms, sagen, dass das Kernkraftwerk Stade in seinem 30 Jahre langen störungsfreien Betrieb bisher rund 152 Millionen MW/h Strom geliefert hat. Hätten Sie diese Strommenge mit konventionellen Kraftwerken, sprich: durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erzeugt, so wären dabei rund 150 Millionen t CO2 freigesetzt worden.
Sie sprechen von Sicherheit und von Zweifeln an der Sicherheit. Meine Damen und Herren, die Sicherheit des Reaktordruckbehälters und aller übrigen sicherheitsrelevanten Anlagenteile eines Kern
kraftwerks wird durch regelmäßig wiederkehrende Prüfungen überwacht und immer wieder nachgewiesen. Es bestand und es besteht kein Zweifel an der Sicherheit des Druckwasserreaktors im Kernkraftwerk Stade.
Zurzeit sind weltweit 441 Kernreaktoren in Betrieb; 32 neue Kernreaktoren sind übrigens im Bau. Durch den Betrieb dieser Kernkraftwerke werden jährlich 2,7 Milliarden t CO2-Freisetzung vermieden. Das sind immerhin 10 % der jährlichen, weltweiten CO2-Emissionen.
Unter den so genannten Top Ten der weltweit besten Kernkraftwerke stehen seit 1980 fast jedes Jahr zwei deutsche Kernkraftwerke auf Platz 1 und Platz 2. Insgesamt waren seit 1980 jährlich mindestens fünf deutsche Kernkraftwerke unter den Top Ten. Deutsche Kernkraftwerke gehören zu den besten und sichersten der Welt.
Wenn Sie wirklich nachhaltig etwas für Sicherheit und Klimaschutz tun wollen, dann müssen Sie deutsches Kerntechnik-Know-how erhalten, weiterentwickeln und exportieren.
Unabhängig davon, ob nun Atomausstieg oder nicht, haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass viele Kernkraftwerke in Deutschland mittelfristig aufgrund ihres Alters ersetzt werden müssen. Vor diesem Hintergrund müssen die energiepolitischen Weichen richtig gestellt werden. Auch in Zukunft dürfen wir nicht auf eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung verzichten, und in Zukunft müssen wir auch auf umweltschonende Technologien setzen.
Wir werden eine nachhaltige und zukunftsfähige Energieversorgung sichern, indem wir verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen in verschiedene Energieumwandlungssysteme schaffen. Dazu werden wir staatliche Anschubfinanzierungen für Entwicklung und Anwendung neuer Technologien sicherstellen. Dadurch werden Arbeitsplätze erhalten und neue geschaffen. Dauerhafte Subventionen führen allerdings zu überhöhten Kosten und gefährden letztendlich langfristig Arbeitsplätze.
Wir müssen neue Kraftwerke bauen, nicht zuletzt um CO 2-Emissionen zu senken. Dabei dürfen aber auch wirtschaftliche Aspekte nicht ganz vergessen werden. Die spezifischen CO2-Vermeidungskosten in Euro pro Tonne vermiedenem CO2-Ausstoßes betragen beim Neubau von Kernenergie- und Kohlekraftwerken 10 bis 20 Euro pro Tonne, wobei Kohlekraftwerke - Sie sagten es bereits richtigerweise - nicht wirklich zur nachhaltigen CO2Vermeidung beitragen, bei Windenergie 50 bis 70 Euro pro Tonne und bei Photovoltaik gar 500 bis 700 Euro pro Tonne vermiedenem CO2Ausstoßes.
Vergleicht man die technischen und wirtschaftlichen Potenziale der verschiedenen Kraftwerkstypen, so kommt man zu dem Ergebnis, dass bei allen notwendigen und richtigen Bemühungen um Einsparungen in den Bereichen Forschung und Entwicklung die regenerativen Wandlungstechniken lediglich Ergänzungen zu anderen Techniken sein können. Der Bau neuer Großkraftwerke - seien es nun Kernkraftwerke oder auf Verbrennung von fossilen Brennstoffen basierende Kraftwerke - wird auch in Zukunft das wesentliche Fundament für eine sichere, zuverlässige und umweltverträgliche Stromversorgung sein.
Das hat übrigens auch Ihr Wirtschaftsminister Clement erkannt, der sich noch als NordrheinWestfälischer Ministerpräsident im vergangen Jahr hocherfreut und positiv im Spiegel über den Bau eines neuen Großkraftwerkes geäußert hat. Auch er wollte - wie Sie, meine Damen und Herren, hier häufig angemahnt haben - von den Finnen lernen. Er hatte es wahrscheinlich auch getan; denn Clement kommentierte damals den Beschluss des finnischen Parlamentes zum Bau eines neuen Kernkraftwerkes in Finnland.
Lassen Sie mich ein paar Bemerkungen zu einigen von Ihnen gemachten Einsparvorschlägen machen. Wir haben in Deutschland ein gut ausgebautes Stromnetz, welches durch dezentral über das Land verteilte Großkraftwerke gespeist wird. Das Netz ist sicher und stabil - ganz im Gegensatz zum Internet, was Sie uns in Ihrem Antrag als Vorbild empfehlen.
Mittelspannungsnetz ca. 2 % und im Niederspannungsnetz ca. 5 % - über alle Netze gerechnet insgesamt ca. 4,3 %. Wenn Sie, Frau Harms, durch Minimierung von Leitungsverlusten 20 % des heutigen Stromverbrauchs einsparen wollen - so haben Sie es jedenfalls in Ihren Antrag geschrieben -,
dann kommt dies der Erfindung des Perpetuum Mobiles gleich und ist physikalischer und technischer Unsinn.
Ich möchte eine letzte Bemerkung zu dem von Ihnen vermuteten Energiepotenzialen in der Photovoltaik bzw. Solarenergie machen. Die Sonneneinstrahlung, die uns auf der Erde erreicht, ist physikalisch nutzbar. Die mittlere Globalstrahlung beträgt in Deutschland ungefähr 1 000 Watt/m² bzw. 1 KW/m². Das ist ein ganz beeindruckender Wert. Vergleichen Sie das allerdings mit dem relativ kleinen Kernkraftwerk Stade, welches mit seinen 640 000 KW etwa im Leistungsbereich eines großen fossilbefeuerten Kraftwerks liegt, dann sieht die Sache völlig anders aus. Um das Kernkraftwerk Stade zu ersetzen, müssten Sie bei hundertprozentiger Umwandlung der Globalstrahlung etwa 640 000 m2 Kollektorfläche belegen.