So verstehen Sie „bürgerliche Politik“: Sie schützen Ihre Klientel, aber Sie wollen die Schutzrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufkündigen. Das ist für Sie „bürgerliche Politik“. Das ist das Verständnis des Bürgertums des 19. Jahrhunderts, aber nicht des 21. Jahrhunderts!
Kommen wir zu der Frage, ob man das eigentlich braucht. Wenn Sie sagen, die Gewerkschaften machten das doch alles schon - Sie haben ja hier heute die IG Metall, in Niedersachsen zumindest, zu einer modernen Gewerkschaft erklärt; das freut
uns alle sehr, wir werden sehen, was die FDP dazu sagt -, warum brauchen Sie dann diese Regelungen? Sie sagen, Sie müssten an dieser Stelle eingreifen. Der Unterschied zwischen den jetzigen Regelungen der Gewerkschaften und der, die Sie wollen, ist, dass Gewerkschaften für Betriebsräte im Zweifelsfall der Schutz sind.
Ich kenne leider eine ganze Reihe von Unternehmen, die in Insolvenz waren oder davon gefährdet waren. Ich kenne kein Unternehmen, bei dem die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und die Betriebsräte nicht die Ersten gewesen wären, die zur Rettung des Unternehmens gesagt hätten: „Okay, wir verzichten auf Weihnachtsgeld, auf Urlaubsgeld, auf tarifliche Leistungen.“ Bei keinem dieser Unternehmen ist es daran gescheitert.
Herr Ministerpräsident, ich wäre übrigens froh gewesen, wenn diejenigen, die in diesen Fällen als Vorstandschefs und Geschäftsführer die Krise zu verantworten hatten, ihr eigenes privates Häuschen auf Sylt genauso eingebracht hätten wie die Arbeitnehmer ihr Weihnachtsgeld und Urlaubsgeld. Das wäre anständig gewesen.
Aber die Betriebsräte hatten eine Chance: Sie waren nicht erpressbar. Die Tarifverträge sehen nämlich vor, dass die Zustimmung der Gewerkschaften erforderlich ist, wenn auf Weihnachtsgeld, auf Urlaubsgeld und auf Lohn verzichtet werden muss, um die Arbeitnehmer eines Unternehmens vor der Arbeitslosigkeit zu retten. Diesen Schutz wollen Sie nehmen. Sie machen die Arbeitnehmer in den kleinen Unternehmen, wo es oftmals gar keinen Betriebsrat gibt oder der in solchen Situationen stark unter Druck gerät, schutzlos.
Weil die Zustimmung der Gewerkschaft diese Betriebsräte schützen soll, deshalb steht in Artikel 9 Abs. 3 unserer Verfassung die Koalitionsfreiheit. Sie sagen, Sie wollten die Tarifautonomie schützen. In Wahrheit legen Sie die Axt an die Wurzeln der Tarifautonomie. Das ist es, was Sie eigentlich vorhaben,
Herr Ministerpräsident, und zwar nicht wegen der Details Ihres Vorschlags, sondern wegen des Prinzips. Die Details Ihres Vorschlags sind nicht das Problem. Sie hebeln das Prinzip aus. Die Verfassung sagt: Die Tarife werden geschlossen zwischen den Vereinigungen der Arbeitgeber und der Gewerkschaften. Die entscheiden darüber. Sie hebeln das jetzt aus, indem sich der Gesetzgeber einmischt und sagt: Wir heben die Koalitionsfreiheit aus und lassen im Betrieb nicht mehr den Tarifpartner entscheiden, sondern den Betriebsrat, der unter dem Druck des Arbeitgebers in einer solchen Situation steht. Sie nehmen den Schutz der Gewerkschaften von der betrieblichen Situation. Das wollte die Verfassung nicht.
Deswegen bin ich übrigens ganz sorglos, was Ihr Gesetz angeht. Selbst wenn es in Kraft treten würde, es würde vor dem Verfassungsgericht scheitern. Aber dieses Prinzip hebeln Sie aus. Das ist der Unterschied zwischen den flexiblen tariflichen Lösungen, die wir alle wollen und begrüßen, bei denen es kein Beispiel gibt, dass sie erforderlichenfalls nicht zustande kommen, und Ihrer gesetzlichen Regelung. Sie kündigen die Tarifautonomie, Sie kündigen Ihre Zustimmung zur Koalitionsfreiheit. Gegen dieses Prinzip sind wir und nicht gegen Ihre netten Detailregelungen, die die Gewerkschaften von sich aus machen.
Herr Kollege Gabriel, Sie haben die Redezeit erheblich überzogen. Ich war schon relativ großzügig, aber Sie müssen jetzt bitte zum Ende kommen.
Vielen Dank. Gerne. - Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich meine, dass das wichtig ist: Im Kern bezieht sich unsere Kritik auf dieses Prinzip, nirgendwo Regeln aufgeben zu wollen, die die eigene Klientel schützen, aber ausgerechnet die Arbeitnehmerschutzrechte zum Gegenstand der eigenen Wirtschaftspolitik zu erheben. An dieser Kritik werden wir auch festhalten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eigentlich müssen wir der CDU-Fraktion und dieser Landesregierung dankbar sein für diese Gesetzesinitiative,
weil Sie mit ihr und mit Ihren Erläuterungen dazu so wunderbar offen legen, wie widersprüchlich die Position der CDU-Fraktion zur derzeitigen Lage unserer Wirtschaft ist.
Sie legen offen, wo Ihre neuen Rezepte für die Zukunft unseres Landes liegen, die Sie ja sonst immer zurückhalten können, weil Sie im Bundesrat gegen alles stimmen. Ihre Rezepte liegen in weniger Arbeitnehmerrechten, in einem klaren Durchmarsch, in einem klaren Prä für die Arbeitgeberseite und in der Aufkündigung der bisherigen Parität der Positionen.
Herr Ministerpräsident, mit dem, was Sie eingebracht haben, haben Sie uns wieder eine Wunschliste vorgelegt: Alles müsste finanziert werden. Es liegt an der zu geringen Staatsquote. Wir müssten wieder investieren. Wo investiert das Land Niedersachsen? Es liegt an den zu vielen Subventionen. Wo stimmen Sie den Subventionskürzungen zu? Es liegt eben auch an Ihrer Zustimmung zur Steuerreform im nächsten Jahr. Wo ist Ihre Aussage dazu?
Gerade bei der Tarifautonomie ist das Land Niedersachsen Teil unserer Probleme und nicht Teil der Lösung. Wenn Sie die Metall- und die Chemieindustrie als Beispiel bringen, dann müssen Sie auch erläutern, wie diese zu den Regelungen gekommen sind. Dies geschah nicht durch staatlichen Eingriff, sondern durch die Parität Arbeitgeber - Arbeitnehmer und durch Verhandlungen. Durch Ihren Gesetzentwurf kündigen Sie diese Möglichkeit auf. Mit Ihrer Ablehnung gegenüber jeglicher Änderung, die vom Bund kommt, entlarven Sie sich als lediglich Teil der Opposition - - - Jetzt habe ich den Faden verloren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Hohe Arbeitslosigkeit erfordert Gegenmaßnahmen. Die wichtigste dabei ist Flexibilität.
Flexibilität bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Menschen in den Betrieben vor Ort genauer wissen, was in ihrer Situation richtig ist, als Leute, die weit weg sitzen.
Meine Damen und Herren, wenn wir von betrieblichen Bündnissen in neuer Art sprechen, dann haben wir mit dem Gesetzentwurf eröffnet, dass die Tarifpartner innerhalb von vier Wochen begründet widersprechen können. An der Tarifautonomie wird also festgehalten. Der ganze aufgeblähte Unsinn, der hier gesagt worden ist, fällt in sich zusammen.
Meine Damen und Herren, die Tarifautonomie steht. In Zukunft ist es nach unserem Gesetzentwurf aber nötig, dass die Tarifpartner, wenn sie widersprechen, dies öffentlich und begründet tun. Warum passiert das Ganze? - Der Kollege Hermann ist sicherlich einer der Zeugen, der sagen kann, dass die kleinen und mittleren Betriebe in unserem Lande mit der jetzigen Art von Flächentarifen besondere Schwierigkeiten haben. Der Fall Viessmann ist allen noch in guter Erinnerung.
Meine Damen und Herren, wenn die Arbeitnehmer in einem Betrieb - so ist es heute - mit mehr als 90 % entscheiden, sie wollen im Interesse des Erhalts der Arbeitsplätze eine Abweichung vom Tarifvertrag, und das ist vor Gericht nicht durchsetzbar, dann ist etwas nicht in Ordnung in diesem Staate Deutschland. Das muss geändert werden. Ich kann überhaupt nicht verstehen, welche Unruhe die SPD und die Gewerkschaften erfasst,
Was wir im staatlichen Bereich vor 200 Jahren mit den Stein-Hardenbergschen Reformen für die Kommunen an Selbstbestimmung eröffnet haben, soll in dieser Weise auch in der betrieblichen Arbeitswelt eröffnet werden. Sie tun so, als würde die Welt untergehen.
Man erreicht Flexibilität - wie das der Ministerpräsident gesagt hat - durch längere Befristung, durch die Möglichkeit, die Teilzeitarbeit anders in Anspruch zu nehmen, und durch die Ermöglichung von betrieblichen Bündnissen. Diese Punkte gehören in der Tat zusammen. Es ist sehr interessant, dass sich aus diesem Paket alles auf eines konzentriert. Zu der höheren Flexibilität gibt es eine Diskussion. Herr Gabriel, tun Sie doch nicht so, als gebe es diese Diskussion zum Thema Handwerksordnungen und auch zu anderen Themen nicht. Das findet im Bundesrat und anderswo statt.
(Sigmar Gabriel [SPD]: Sie haben flammende Reden dagegen gehalten! - Rebecca Harms [GRÜNE]: Da sind Sie doch dagegen!)
Wir stehen in guten Kontakten zum Handwerk. Am Ende werden wir zu einer einvernehmlichen Position kommen, die Ihnen nicht schmecken wird. Das ist auch klar.
Aber worum geht es hier? - Es geht darum, dass die Arbeitnehmer im Betrieb von außen keine Bevormundung mehr erfahren und ihnen die Dinge
Ihre Bemerkungen zu den Apotheken sind natürlich das Beste. Meine Damen und Herren, was Sie dort in Gang setzen, wird ein Sterben von Apotheken im ländlichen Raum zulasten der Versorgung der ländlichen Bevölkerung werden.